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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030409023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-09
- Monat1903-04
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2V22 Regierung fick» an den Rvck deutscher Finanz mann e r hange, habe nicht die geringste tatsächliche Unterlage. E» sei nie davon die Rede gewesen, mit der deutschen oder mit der französischen Regierung zu unterhandeln, welch letztere an der Nngelegenbeii ebenso sehr interessiert sei. Die deutschen und französischen Finanz gruppen, fuhr der Minister fort, sind darüber einig, daß, welches Verfahren immer die englischen Finanzleute oder die englische Regierung einschlagen mögen, früber oder später das große Unternehmen auSgefübrr werden wird. Tine Schwierigkeit bezüglich der Geldbeschaffung ist nicku vorhanden, ob die Eng länder den Plan unrcrstüyen oder nicht. Freilich steht es i n der Macht der englischen Regierung, jede- derartige Projekt zu behindern und ihm Unbequemlichkeiten zu bereiten, aber daß daS Projekt schließlich mir oder ohne unsere Zustimmung oder Teilnabmc durchgeführt werden wird, ist außer Frage. Der Punkt, über den die Regierung schließlich ihre Entscheidung zu treffen baden wird, ist der, ob eS nickt wünschenswert ist, daß, wenn diese Bahn, die die Operationsbasen des Mittel meeres mit dem Persischen Golf verbindet, gebaut werden soll, britisches Kapital und britische Interessen dabei in ebenso hohem Matze vertreten sein sollen, als Kapital und Interessen irgend einer anderen fremden Macht. Es sind noch wichtige Ncbcnfragen zu berück sichtigen, aber die eben erwähnte ist die Hauptsragc. Die ge plante Erhöhung der türkischen Eingangszölle verdient unsere sorgfältige Aufmerksamkeit. Es ist bekannt, daß über diese Krage bei den Unterhandlungen zum Abschluß eines neuen Vertrages mit der Türkei verhandelt werden muß, und wir würden, ehe wir unsere Zustimmung zu der Zollerhöhung geben, ganz abgesehen von der Frage der Bagdad-Eisenbahn, ein quick pro qua verlangen in Bezug aus Abänderung der für das Danitätswescn geltenden Bestimmungen und andere für den britischen Handel sehr wichtige Dinge; diese Forderungen würden wir an die türkische Regierung gegen die Bedingung stellen, daß wir mit den anderen Mächten dahin Übereinkommen, der Türkei in der Frage der türkischen Eingangszölle größere Erleichterungen zuzugestehen. Wir würden zu erwägen haben, ob cS er wünscht ist oder nicht, daß das, was unzweifelhaft der kürzeste Weg nach Indien sein würde, gänzlich in Händen französischer oder deutscher Kapi talisten unter Ausschließung englischer Ka pitalisten sein soll, ferner ob cS wünschenswert ist, daß die Erschließung des Handels im Persischen Golf in den Gebieten eines Schecks erfolgt, der unter unserem besonderen Schutz steht und mit dem wir besondere Verträge haben, oder in einem Teile des Persischen Golfes, in welchem wir keine solchen Vorzugsrechte besitzen. Wir haben vor allem zu erwägen, ob eS ratsam ist, den Reiseverkehr gänzlich unter der Kontrolle anderer Nationen zu lassen, mit welchen wir wohl auf freundschaftlichstem Fuße srehcn, die aber nicht mit uns die gleichen Inter essen haben. Unsere Politik bezüglich jener weniger zivilisierten Weltteile geht eher dahin, eine oder mehrere andere Nationen dort tätig zu sehen, als allein zu handeln. Ob in diesem Falle ein Schritt in der Richtung dieser allgemeinen Politik geschieht, darüber können Zweifel bestehen, aber im großen und ganzen liegt cs in unserem Interesse, daß Länder, die wir sicherlich nicht auf- saugen können, anderseits auch nicht gänzlich von irgend einer anderen Macht auf gesaugt werden. ES ist besser, daß solche in Händen von drei großen Mächten sind, als in denen von zweien oder einer, und wenn sie in europäischen Händen sein sollen, so läßt sich viel dafür sagen, daß sie teilweise in Händen von Eng land, Deutschland und Frankreich sind. Neber eine etwaige baldige Entscheidung der Regierung kann ich noch nichts sagen. Heber die Mitteilungen, welche zwischen der englischen Regierung und den auswärtigen Regierungen in der An gelegenheit gewechselt sind, gab Balfour später dahinAus- kunft, bah formelle Mitteilungen noch nicht ergangen seien. Die in Frage stehende Bahn sek nicht, wie in der Anfrage angenommen werde, eine reindcutsche. Die Angelegenheit sei bis setzt in zwei kurzen Unterredungen, einer mit dem französischen, der anderen mit dem deutschen Botschafter, ungefähr vor 13 Monaten zur Sprache ge kommen. Staatssekretär Landsdowne habe damals aus geführt, man sollte dem Unternehmen nicht unfreundlich gegenüberstehen, vorausgesetzt natürlich, daß briti schem Kapital und britischen Interessen mindestens die gleichen Rechte einge räumt würben, wie denen irgend einer anderen Macht. ES hat, bemerkte Balfour, in der Lache ein Austausch von Mitteilungen mit englischen Kapitalisten stattgefunden, der auch jetzt noch fortge setzt wird. Eine endgültige Regelung der Angelegenheit ist noch nicht zu stände gekommen. Die zur Beratung stehenden Vorschläge enthalten keine Garantieübcrnahme für die ausschließliche Zuweisung der Postdefvrderung oder irgend eine andere Unterstützung. Dem Vernehmen nach sollen unS folgende Vorschläge gemacht werden: Ddaß in der Frage des.Kapitals und der Kontrolle über die Bahn England jeder anderen Macht volkommcn gleichgestellt wird; 2) daß bei den Verhandlung über einen neuen Handelsvertrag mit der Türkei, welche »cyt eingeleitet sind und die ohne jede Beziehung auf die Bag dadbahn die Frage einer Erhöhung der türkischen Zölle akut gemacht haben, die englische Regierung sich einer be gründeten Erhöhung dieser Zölle nicht widersetzen wird, obgleich ein Teil der Mehreinnahmen zur Garantierung der für die HandelSintcressen der Türkei so wichtigen Bahn verwendet werden soll; 8) daß wenn die Bahn sich tatsächlich zur schnelleren Beförderung der Post nach In dien geeignet erweist, sie zur Beförderung dieser Post ver wendet werden soll, unter Bedingungen, über die später eine Einigung zu erfolgen haben würde; 4) daß die eng lische Regierung nichtdurch Geld oder Geldver sprechungen, sondern nur durch ihre guten Dienste bei derBeschaffung einer gecignetenEndstationin oder in der Nähe von Kowcit beteiligt fein soll. Die Vor schläge werben sorgfältig erwogen werden. Die makedonischen Wirren. In der gestrigen Sitzung des englischen Unter hauses fragte William Redmond an, welche Vor stellungen die Regierung der Türkei hinsichtlich Make doniens gemacht habe Unterstaatssekretär des Aeutzeren Lord Cranborne er klärte, dir Regierung habe der Pforte stets Vorstellungen be züglich der Verbesserung der Lage aller Teile der Bevölkerung gemacht, und tue ihr Möglichstes, um die Bemühungen Oester reich-Ungarns und Rußlands zu unterstützen. Die Absichten der Pforte halte er für gut, dieselbe sei aber nicht fähig, sie durchzuführen Die Regierung erwäge jetzt, ob es nicht von Wert sein würde, wenn britische Offiziere die türkischen Truppen bei der Unterdrückung der Unruhen b e g l e i t e t e n , um Europa, und be sonders England, einige Bürgschaft dafür zu geben, daß keine Ausschreitungen begangen werden. Wegen der Ausführbar keit dieses Planes tausche die Regierung zur Zeit Ansichten mit dem britischen Botschafter in Konstantinopel auS. Hierauf vertagt sich das Haus dem Anträge Balfours gemäß bis zum 21. April. Es fragt sich nur, was zu dem liebenswürdigen An gebot Englands die zunächst interessierten Mächte Ruß land und Oesterreich sagen werden. Wir glauben, daß das von uneigennütziger Humanität wieder einmal über fließende Herz Föhn Bulls in Wien und Petersburg schwerlich Verständnis finden wird. Dort ist man so brutal, hinter EranborneK PhilantropiSmuS ganz ordi nären Eigennutz und das Bestreben zu wittern, in den Orientwirren die erste Pfeife zu blasen. — Ueber die durchaus korrekte Haltung Deutschlands in der Balkanfrage schreibt die „N o r d d. A l l g. Ztg." an der Spitze des Blattes: Der „New Aork Heralb" weiß wieder einmal besondere Geheimnisse über die Haltung Deutschlands gegenüber der makedonischen Frage zu ent hüllen. In einer aus Berlin datierten Meldung wird die Behauptung verbreitet, Rußland und Oesterreich-Ungarn hätten sich bemüht, Deutschland z,r bewegen, seine Zurück haltung aufzugeben und seinen Einfluß aus die Pforte geltend zu machen; Deutschland habe indessen abgelehnt unter Berufung darauf, daß es kein unmittelbares Jnter- efse an der makedonischen Frage habe. Diese Mitteilung des „New ?)vrk Herold" ist ebenso falsch, wie die früher von diesem Blatte über die Stellung Deutschlands zu der Rede stehenden Angelegenheit zum Besten gegebenen „Informationen". An Deutschland ist weder von Ruß land, noch von Oesterreich-Ungarn eine Aufforderung der angedeutetcn Art ergangen. Abgesehen von einer direkten Teilnahme an der von Rußland und Oesterreich-Ungarn unternommenen Aktion, hat Deutschland das Vorgehen der beiden Mächte von Anfang an unterstützt und ist seiner Haltung bis heute treu geblieben. Deutsches Reich. Berlin, 8. April. «Sozialpolitische Vor arbeiten.) Die neue Gesetzgcbungsperiode des Reichs tags verspricht, wie auf anderen Gebieten, so insbesondere auch auf sozialpolitischem, eine fruchtbare zu werden. Bon sozialpolitischen Vorarbeiten, die zur Zeit im Gange sind, verdienen hervorgehobcn zu werden: Erwägungen, die darüber stattfinden, ob nicht jugendliche Arbeiter und Frauen von gewissen gefährlichen und gesundheit schädlichen Betrieben ganz auszuschlieben sind. Unter andcrm kommt fernerhin in Betracht, die Bestimmungen der K o n f e k t i o n s o r d n u n g auf diejenigen Arbeiter auszudehnen, welche in den M a ß w e r k st ä t t e n be schäftigt sind. Sehr wichtig, aber auch sehr schwierig ist die Frage der Ausdehnung der Krankenversicherung auf die im H a u S g e w e r b e beschäftigten Arbeiter. Das Reichsamt deS Innern ergriff auf Grund des Gesetzes, welches der Reichstag beschloß, die Initiative und arbeitete Vorschläge aus, die sämtlichen Einzelregierungen zur Be gutachtung zugingen. Aus den etngetrvfsenen gutacht lichen Aeußerungen hat sich ergeben, welche außerordent lichen Schwierigkeiten diese Materie bietet. Eine derselben entsteht, wenn der Gewerbetreibende, der Arbeitgeber, in dem Bezirke einer andern Krankenkasse wohnt, als dem, in welchem der Hausgewerbetreibende, der Heimarbeiter, seinen Wohnsitz hat. Die verbündeten Regierungen sind einstimmig -er Ansicht, daß das Ziel erreicht werden muß; nur über den Weg, auf dem eS erreicht werden kann, gehen die Ansichten auseinander. » lH Berlin, 8. April. (Z e n tr um s s o r g c n.) Schwarze- Gewölk ballt sich am Rhein am Zentrums himmel zusammen: Dem Bunde der Landwirte ist eS bekanntlich gelungen, in den katholischen Rheini schen Bauernverein Zwiespalt hineinzutragen und einen großen Teil der Mitglieder, darunter auch den Sekretär des Bauernvereins, Herrn Schreiner, zu sich hinüberzuziehen. Infolgedessen legte vor einiger Zeit der Vorsitzende des Rheinischen Bauernvereins, Graf Spee, sein Amt nieder. Beide durch das Dazwischen treten des Bundes aufs bitterste verfeindete Gruppen des Bauernvereins versuchten nun, ihre Anhänger um sich zu scharen, und veranlaßten Abstimmungen bet den OrtS- vcrbändcn des Vereins. Wie die „Germania" mitteilt, erklärten sich 66 Vorstandsmitglieder, 704 Ausschußmit- gliedcr und 20 204 sonstige Mitglieder für den Grafen Spee, für den abtrünnigen Schreiner dagegen nur 13 Vor standsmitglieder, 14l Ausschußmitglicder und 8087 sonstige Mitglieder. Dem Grafen Spee steht nach dieser Vorent scheidung also eine siebenfache Mehrheit gegen den Bündler Schreiner zur Verfügung. Am 6. d. M. sollte nun auf einer Generalversammlung deS Rheinischen Bauernver eins zu Neuß die Angelegenheit zur wirklichen Ent scheidung gelangen. Es handelte sich dabei um Sein oder Nichtsein des Bauernvereins und um den Verlust des Vermögens deS Vereins, daS 200 000 beträgt. Aber zur Entscheidung kam es nicht: der Verlauf der Ver sammlung gestaltete sich so stürmisch, daß, noch bevor ein Beschluß gefaßt werden konnte, die Dersannnlung aufgelöst werben mußte. — Nun kann der Bund der Landwirte, ehe eine neue Generalversammlung anberaumt wird, weiter wühlen und noch weitere Mitglieder des Bauern vereins für sich gewinnen. Eine andere große Sorge ver ursachen die Polen dem Zentrum. Wie der Bund der Landwirte in die stille, friedliche, sonst dem Zentrum so fügsame Heerde deS Rheinischen Bauernvereins cinfiel, so sagen sich im rheinischen Industriebezirk und in Schlesien die Polen nicht nur vom Zentrum los, sondern wollen eS durch eigene Polen-Kandidaturen bis aufs Messer bekämpfen. Am empfindlichsten wird es durch diese feindliche Stellungnahme der Polen im Wahlkreise Lublinitz-Tost-Gleiwitz getroffen. Hier handelt cs sich um das Mandat deS Präsidenten Grafen Ballestrem. Die Ehre des ganzen katholischen deutschen Volkes stehe bei dieser Wahl auf dem Spiele, meint die „Germania", und schreibt dann weiter: „Wenn die Polen in Oberschlesien wirklich die Wiederwahl gerade des Grasen Ballestrcm verhindern sollten, so würde bei allen deutschen Katholiken und auch bei den Katholiken im AuSlande ein Ent- rüstungSsturm Platz greifen, über den man sich doch weder in Ob-rschlesien, noch andcrSwo täuschen sollte." Zu solch' einer Einschüchterung und Kriegserklärung gegen die Polen muß das Zentrum jetzt greifen, um das Mandat des Grafen Ballestrem durchzudrücken'. Vielleicht sieht man in den Reihen des Zentrums jetzt ein, was von der Dankbar keit der Polen zu halten ist, die sich sowohl im Reichstage wie im preußischen Abgeordnetenhause unter den Schuh des Zentrums begaben, wenn eS galt, in beiden Parla menten die großpolntsche Propaganda zu sruktifiziercn. Abg. Roeren war und ist ihr Vorkämpfer; aber ob es ihm jetzt gelingen wird, auch ein erfolgreicher Vorkämpfer des eigenen Fraktionsgenossen Grafen Ballestrem gegen seine (RoercnS) polnischen Schützlinge zu werden, er scheint uns nach der Stimmung der polnischen Wähler im Wahlkreise des Herrn ReichstagS-Prüsidenten sehr zweifel haft. — Der Reichskanzler bat bestimmt, daß Militär pflichtige, die sich in ihrer Heimat zur Aufnahme in di« Stammrolle angemeldet baden, zu den vorgesehenen weiteren Meldungen dann verpflichtet sind, wenn sie sich im Frühjahr nach anderen BunveSüaaten begeben und dort in eine Beschäftigung treten, die bis in die Herdstmonate zu dauern pfleg». Der K 25, 2a zweiter Abiatz der Webr- ordnung bezieht sich nicht aus solche Fälle, in denen ein Ar beiter, auswärtig arbeitend, auf Monate hinaus seinen bis herigen Wohnort verläßt und dorthin erst zurückkehrt, wenn die Arbeit beendet ist. — Im Kolonialrat stehen nach der „Schics. Ztg." mehrere Personalveränderungen bevor. Vizeadmiral Valois ist aiiSgeichieven, nachdem er die Stelle als geschästc führender Vizepresident der Deutschen Kolonialgesellsckaft nierergelegt bat. Cun Nachfolger in diesem Amte, Wukl. Geh. Rat von Pommer-Esche, wird altem Brauche gemäß in den Kolonialrat berufen werden. Für die gestorbene» Wirkliche» Geheimen RäteHerzog und Sachse werde» demnächst auch neue Berufungen erfolgen. — An die trauernde Gattin de- verstorbenen Chef redakteurs Siegfried Ernst Köbner hat Graf v. Bülow aus Sorrent folgende« Telegramm gesandt: „Mit aufrichtiger Trauer erfahre ich, daß Ihr Statte, den ich ans dem Wege der Genesung glaubte, Iharn so jäh entrissen worden ist. Ich bitte Sie, den Ausdruck meiner herzlichen Teilnahme an Ihrem Schmer, entgrgenzonehmen. Dem zu früh Dahingelchirdenen, in dem die deutsche Publizistik eine hervorragend« Hrast verliert, bewahre ich au« persönlicher Erinnerung ein ehrendes Andenken. Reichskanzler Graf Bülow." Der Reichskanzler hatte zwei Tage vor dem unerwarteten Tode dem Schwerleidenden telegraphisch seinen Anteil und Glückwunsch zu dem anscheinend günstigen Verlaufe der Ope ration ausgesprochen, ebenso UnterstaatSsekrelär l)r. v. Mühl berg. Der „Nat.-Ztg." sind zahlreiche BeileidSkuadgebungen zugegangen. — Die endgültige Uebcrsicht der Einnahme» und Aus gaben deS ostasrikanischen Schutzgebiet«« für 1900 ist im Reichstage auSgegeben worden. Di» Einnahmen betrugen 9 390 181,98 (Etatsansoy 9 708 660 ^l), die fortvaueraden AuS- gaben beliefen sich aus 6 946 528,21 ^l (EtatSansatz 6 764 460 ^S), die einmaligen aus 3 595 554,48 (EtatSansatz 2 SSt 000 ^tl), der Reservefonds zu unvorhergesehenen Ausgaben bezifferte sich auf 21 047,76 .6 (EtatSansatz 13 200 >l). Au« dieser Uebersicht ergibt sich, daß bei den Einnahmen der EtatSansatz 1900 um 300000 ungefähr zu hoch angeletzt war und daß die Ausgaben bedeutend zu niedrig geschätzt worden sind. Die EtatSüberschreitungen betrugen bei den fort dauernden Ausgaben 375 945,85 bei den einmaligen Ausgaben 892 197,44 .6 nach Verrechnung der verbliebenen Reste aus den Vorjahren, mithin belaufen sich die Urbrrschreitungea auf 1 268143 39 — ReichstagSkaudidaturen: An neuen Wablkandidaturen der national liberalen Partei sind zu verzeichnen: für MünchenI Buchdruckereibesitzer Schön, Darmstadt Rechtsanwalt Stet», Hom bürg-Kusel (fünfter- pfälzischer Wahlkreis) Bürgermeister Martin, Amberg (Oberpfalz) Bürgermeister Tröger. — In Gandersheim (Braunschweig) hat der Bund brr Landwirte keinen eigenen Kandidaten gegen den national- liberalen Kandidaten ausgestellt, sondern will dir Kandidatur deS katholischen Antisemiten vr. Brandt« unterstützen. Wir glauben indes kaum, daß die ländliche Bevölkerung dem Katholiken Brandis ihre Stimme geben wird, nm so weniger, als für alle drei braunschweigischen Wahlkreise daS Zentrum Jostizrat vr. Trimborn-Köln ausgestellt hat. — In Hall« a. S. stimmte der nationalliberale Verein der Wahlkandidator de« freisinnigen AmtSgeiichtSratS Bindseil-Halle zu. — Zum Streite um die Aufhebung des ß 2 des IesuitengesetzeS schreibt heute die ,^kreuzztg.": An und für sich ist der Gegenstand, um deu sich dieser Streit dreht, der Leiden schäft nicht wert, die in dem Kampfe aus« gewendet wird; handelt eS sich doch nur um Aufhebung einer nie zur praktischen Anwendung gekommenen Bestimmung. Wir müssen aber dringend wünschen, daß die Angelegenheit nun baldigst im Bundesrate entschieden werde, damit sie nicht im Wahlkampfe eine bedeutsame Rolle spielt. Ein Wahlkampf mit dieser Parole könnte nur Uneinigkeit in die Reihe« der konservativen Partei tragen. Es gereicht der konservativen Partei zur Ebre, daß nicht alle ihre Mitglieder so denken wie die „Kreuzzeitung". — AuS einem Dekret der Iadexkongregatiou vom 5. März d. I., gez. Andreas Kardinal Steinbuber 8 ^., Präsekt, und vr. Esser, Dominikaner, ständiger Dekret, weiß die Berliner „Volksztg." folgendes mitzuteilen: ES wurden verboten: kerckincmck Vuissov. v» reli^ioo, la morale et la eoiencs leur eonüit ckans I'c-ckucatioo contemporame. Varis, visebbacb 1901.' ckule» va^ot. vo la oro^anes. Varis, velstc ^leao 1896. ckule« va^ot. ^vaot ck'vntrer ckans la vis. Xui instituteurs et »ur inttitutrios», conseils et ckirsatioos pratiquss. Varis, colin 1901. vackre L ikklot. 6our« luoicks et raisoovü cks clootrins oürötievns. Vss sspt mMdres ckrSkisns: DrioitS, pöcdv origluel, Inaarnatioo, Veckemptiov, vucdarisue, Resurreetion äs« Oorps, Ltornits, 8outkraoes — au regarck cke la naturv, cks I» raison et äs l'irrslegion. vxoo, librairie 8t. Augustin. Alle diese Bücher sind verdammt Wege« Ketzerei („xroxtor bsresism"). Löblich haben sich unterworfen: Msgr. Spaldiog in Amerika, Abbs Klein in Paris, Abbö Murry in Rom, Professor Schell in Würzburg, vr. Jos. Müller („Renaissance") in München. Verwarnt wegen unzeitgemäßer Veröffentlichung (,.aä>i>ollitus propter inopportunstem") und zur Ausmerzung bedenklicher Stellen: Alb. Ehrhard, Der KalholiziSmuS und daS 20. Jahr- hundert. Unter Anklage stehen: Abbö Loisy, I-Ivavgiis st I'Lgsiso, Wahrmund, Universität und Kucke, F. L. KrauS, Cavour in deutscher und italienischer Ausgabe. Spectator: Kirchenpolitiscke Briefe 1—48 (kra LavouLrols!) Or. Jodl, Gedanken über Reformkatholizismus 1902. einen mehrstündigen Spaziergang. In der übrigen Zeit beschäftigte sie sich mit der Blumenzucht in ihren Zimmern, mit Lektüre und Handarbeiten. Selten spielte sie aus einem prachtvollen Flügel, den Mynheer van Senden vor zwei Jahren persönlich nach der Farm gebracht. Alleandern an den Verwalter gerichteten Fragen blieben unbeantwortet. Er wußte keine nähern Angaben zu machen. Rur daß MrS. Morton in den Jahren, als er sie kennen gelernt, sehr leiden- gewesen war, allmählich aber ihre Ge sundheit wiedergewonnen habe. Um das Hauswesen kümmere sie sich nicht, sondern es werde durch eine Wirt schafterin, eine weiße Magd und drei Kaffernmädchen be sorgt. Mynheer van Senden sei immer in Torge ge wesen, -aß eine Aufregung MrS. Mortons Gesundheit wieder erschüttern werbe. „Ich stehe vor einem Rätsel, Wilm", sagte endlich Frau van Senden. „Nie hörte ick von meinem Gatten etwas von ihr ober auch nur den Namen „Morten". Wer mag diese Dame sein? Hatte seine erste Fran einen ver heirateten Bruder?" „Ich weiß eS nicht, Tante Grietje, es ist auch bei uns «ie von den MortonS gesprochen worden", entgegnete Wilm etwa- unsicher. Er wußte genau, daß Onkel Peter- erste Gattin die einzige Tochter eines englischen Inge nieur» gewesen war. Ihm kamen aber mit einem Male sonderbare Gedanken, die zur Vorsicht mahnten. ,Wir sollten doch versuchen, eine Unterredung mit MrS. Morton herbeizuführen", sagte Frau van Senden nach kurzem Besinnen. „Die seitherigen Verhältnisse können nicht aufrecht erhalten bleiben, und auf jeden Fall beabsichtige ich, Johannesburg zu verlassen. ES wäre vielleicht möglich, mit einem Teil meine- Vermögens diese Farm zu erhalten." „Richt heute, Tante Grietje; ich möchte darum bitten. Ehe nicht «in Ueberblick der Gesamtlage gewonnen ist, wirb sich schwer etwa» bestimmen lassen. Nur Ein» steht fest: Onkel Peter hat den dringenden Wunsch gehabt, daß aus der Farm „Elise" keinerlei Veränderungen ein treten möchten. Vielleicht finde» sich noch Nachlaß- bestimvmngen, oder wenigsten« eine gewünschte Auf. klärung." Der junge Mann sprach mit einem Eifer, der zu einer anderen Zeit seinen Zweck verfehlt haben würde. Frau van Senden» Stimmung ließ im gegenwärtigen Augenblick keinen Widerspruch zu. Trotzdem äußerte sie den Wunsch, Mrs. Morton wenigstens einmal, wenn auch nur von weitem, zu sehen. Ehe sie die Farm verließ, sah sie ihn erfüllt. Im Begriff, den Wagen zu besteigen, der die kleine Trauergesellschaft nach Pretoria zurückbringen sollte, ge wahrte diese auf einem der breiten, fächerartig vom Wohnhaus aus sich erstreckenden Wege eine zierliche, in lichte Stosse gekleidete Fraucngestait, die sich raschen Schrittes näherte. Sic war von zwei starken, getigerten Doggen begleitet, die ihr jederzeit erwünschten Schutz ge währen konnten. Fran van Sendens Herz schlug beinahe hörbar in der Brust, als Mrs. Morton so weit herangekommen war, daß sie ihre GeiichtSzügc unterscheiden konnte. Sie war zweifellos eine Schönheit gewesen, nein — sie war e» noch, obgleich sie im Alter nicht viel hinter Frau van Senden zurückbleiben mochte. Wer war diese Mrs. Morton und tn welchen Beziehungen hatte sic zu Peter van Lenden gestanden? Wilm legte sich dieselbe Frage vor, aber sie entsprang einer anderen Ursache. War anfänglich in ihm die Ver mutung lebendig geworden, daß Onkel Peters erste Gattin, die vor vierzehn Jahren als unheilbar geistes krank tn einer Irrenanstalt untergcbracht worben war, später vielleicht genesen ans der Farm „Elise" Ausnahme gefunden, so mußte er sie schon im nächsten Augenblick verwerfen. Die Frau, die da vor ihm stand, ihn neugierigen Blickes musternd, war eine Doppelgängerin Frau Lisa Brandts. In ihren großen, sanstschimmernden Augen, die ihn mit einem Gemisch von Neugierde und Ver wunderung ansahen, lag derselbe Ausdruck von Kindlich keit, der ihm an der Gattin deS Generaldirektor» aus gefallen war- Kopfform und Gesichtsbildung erinnerten an sie, und nur die schärfer ausgeprägten Züge gehörten einer älteren Frau an, wie auch über der anmutigen Er scheinung etwa» Müde» auSgebreitet lag, da» die Jugend nicht kennt. Mr». Morton wandte sich ohne ein Dort von de» Fremden ab, nachdem sie nur Wilm der Beachtung wert gehalten, nnb ging in» Hau». Frau van Wenden aber stand wie bettlnbt, bleichen Anilitze». Wer «ar dies« Frau? Vergeben» suchte sie die Frage zu beanttvorten. Ihr Stolz ließ e» nicht au-dvnken, wa» sich ihr plötzlich ausdrängte. Und doch hatte sie ein Gefühl ohnmächtiger Schwäche, daS eS ihr unmöglich machte, allein den Wagen zu besteigen. Wilm ahnte, waS in ihrer Seele vorging, und hatte den aufrichtigen Wunsch, ihr Worte deS Trostes zu sagen, aber sie sah ihn mit einem Blick an, in welchem die stumme Bitte ausgesprochen war, nicht an einem Schmerz zu rühren, den Teilnahme nicht auS dem Wege ränmen konnte. Aufklärung allein würbe sie zu beruhigen im stände sein. So wurde der Rückweg nach Pretoria angetreten — eilt Jede- mit nieberdrückenden Gedanken beschäftigt. Frau van Senden und Wilm verfolgten denselben Gegenstand, während die Seele deS jungen Mädchens ihre eigenen Dege ging. Eato hatte weder Frau Lisa Brandt jemals gesehen, noch von der ersten Gattin Peter van Sendens mehr gehört, als daß sic gelebt. So brachte ihr die Begegnung mit MrS. Morton nichts Ucberraschen- deS oder Schmerzliches. Der an Verzweiflung gren zende Ausdruck in dem Gesicht der Mutter war ihr ge nügend erklärt. Die Ereignisse der letzten Zeit und der schreckliche Tod ihres Gatten mochten wohl an ihr nagen, um so mehr, als vielleicht tief auf ihrem Herzensgründe auch noch die Reue fraß. Aber Eato glaubte, mit dem Egoismus der Jugend, nicht weniger zu leiben. Sie hatte nicht nur den Vater, sondern auch den Freund ihrer Kindheit verloren, den Mann, an dem sie mit um so leidenschaftlicherer Liebe hing, je mehr sie die Hoff, nung verloren gab, ihm jemals wieder näher treten zu dürfen. Dazu kamen nagende Zweifel an der Dauer seiner Gefühle, ein nicht zu bewältigender Argwohn, daß sie eine Abkühlung erfahren hatten, und nur seine Ehren haftigkeit ihm Veranlassung gegeben, sie mit Schonung und Mitleid zu behandeln. Nach der ersten Begegnung hatte er kein Wort de» Tröste» mehr für sie gehabt, kaum einen Blick. Auch auf dem ganzen Wege nach Pretoria zurück saß er im Linnen verloren. Achtlos glitten selbst feine Augen über da» entzückende Bild hinweg, wa» die Stabt Sot, al» sie im Sbendsonnenglanz, ihr« Häuser »um teil unter schattigen Alleen versteckt und von grünen Hecken eingefaßt, auf dem Platean am Fuße de» Hügel» aa»ge»rei»e1 vor der kleinen, im Schweigen versunkenen Gesellschaft dalag. Frau van Senden wünschte dringend, noch in der Nacht nach Johannesburg die Reise kortznse-en, nnd auch Wilm drängte e» zur Heimkehr. Vor ihm lag viel Arbeit, ein Durcharbeiten durch ein Chaos, das sich berge hoch vor ihm auftürmte, aber Rücksicht auf die Frauen, besonders auf Cato, bestimmte ihn, ein Uebernachten in dem Grand Hotel in Vorschlag zu bringen. Sie sah so blaß und abgespannt aus, fast noch trostloser als ihre Mutter, die während der Fahrt allmählich ihre Fassung wtedergewonnen hatte, ohne daß sic indessen Beruhigung gefunden. Die Falte auf ihrer Stirn, dicht über der Nasenwurzel, war Wilm wohl bekannt. Sie deutete auf trübe und schmerzvolle Gedanken, aber auch auf Zorn und Bitterkeit, über deren Ursachen er nicht im Zweifel war. Es drängte ihn, der bedauernswerten Frau einige Worte des Trostes zu sagen: „Tante Grietje, ich glaube, du gibst dich Gedanken hin, die vorläufig dir wenigstens fern bleiben sollten. Verzeih, wenn ich cs wage, dich darauf aufmerksam zu machen, aber ich lebte lange genug mit euch unter einem Dach, um ein gewisses Recht auf her-ckiche Teilnahme für alle-, was dich und Cato angeht, in Anspruch nehmen zu dürfen. Verurteile den Toten nicht, ehe alles klar ge worden ist. ES hat mancherlei Mißverständnisse zwischen euch gegeben, und darum konntest du nicht immer teil an Onkel Peters Interessen nehmen. Ich habe zwar eine Ahnung, daß die Farm „Elise" und ihre Bewohner einen großen Anteil an seinem Geschick genommen haben, aber eS braucht gewiß nicht ein vcrbammenSwerter gewesen zu sein. Ich gebe dir die Versicherung, daß ich nicht mit Forschungen Nachlassen werde, bis alles klar geworben ist, und mag nicht glauben, daß sie dazu dienen werden, Onkel Peter so strafbar erscheinen zu lassen, wie eS dir und, ich gestehe, auch mir auSsehen mag." Frau van Senden drückte nach diesen Worten de» Neffen, mit welchen er sich im Hotel von ihr verab schiedete, dankbar die Hand. ES war ihm gelungen, die Schatten, die ihre Seele umschleiertcn, zu zerteilen und ihr einen schwachen Trost zu gewähren. DaS, wa» sie in den letzten Stunden beschäftigt, hatte sie nicht ertragen zu können geglaubt. Nachdem Wilm sich erfrischt und eine kleine Weile am Fenster gesessen batte, dachte er daran, sich noch auf eine Stunde in da» Tast- und Lesezimmer -e» Hoiel» zu be- geben. Angeregt zu diesem Gedanken wurde er durch einen Ausblick auf da» dem Grand Hotel gegenüber- liegende Regierungsgebäude, daS trotz der vorgerückten Stunde zahlreiche Menschen kommen nnb gehen sah. (Fortsetzung folgt.)
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