Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190304108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030410
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030410
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-10
- Monat1903-04
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1903
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
»dL«»r. s.p^soi «.o. «.o. a.v. 41«» l.0. 1.0. l.0. t.0. t.0. 1.0. l.0. l.0. t«i t. o. i.0. l. o. w.Op.06 m.Op.35 i.0. i. v. l.0. t.0. l.0. I«». »nv». vLK— (t«u. > Wil ».v. «.v. 2S0«m>r-t). >.S0L»«d.U. >k Nur« l.1). l-v l. 0 »0. 1203—t-ll. «.0 »v. t.0. l. I) l. o BezugS-PreiS 'N der Harrptexpedttio« oder deren AuSgab«- stelle« ab geholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung int HauS >1 S.7S. Durch die Post bezogen fitr Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrige« Länder laut Zeitaug-pretLKste. Lr-akNoi» «nd LrpeLittou: Iohmmi-gaffr 8. Fernsprecher 153 und 222. FUtal-vp-dM*««» r Alfred Hahn, Buchhaudlg„ UuiversitStSstr.8, L. Lisch«, Ikatharinenstr. 14» u. KöuigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serliu: Earl Duncker, H«rzgl.Vayr.Hofbuchhandlg, Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4303. KiWgcr TaMalt Anzeiger. Ärnlskkatt des Königlichen Land- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates nnd des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen'PretS die 6gespaltene Petitzeile 2S L,. Reklamen unter dem Redaktion-strich l4 gespalten) 75 vor den Familienuach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nnr mit der Morgen-AnSgabe, ohne PostbesSrdernng ÜO.—, mit Postbeförderung ^ll 70.—. Ännahmeschluß fir Auzeizeu: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AnSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zn richte«. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Nr. 182. Freitag dm 10. April 1903. 87. Jahrgang. Die PolM Nußlands gegen Finnland. Man schreibt uns: Die finnlänbischen Verhältnisse be ginnen eine Wendung zu nehmen, welche eine Kata- strophe in absehbarer Zeit nicht unmöglich erscheinen läßt. Die russische Regierung hat nn Großfürstentum eine förmliche Gewaltherrschaft proklamiert, bei der man nicht nach Recht und Gesetz fragt und nur das söge- nannte Staatsinteresse, d. h. das Interesse der die Zer störung jeder Eigenart bedingenden Entnationali sierung gelten läßt. In letzter Zeit sind in Finnland Dinge passiert, die wohl einzig in einem geordneten Ltaat-wesen dastehen und nur als Vorboten von Schlim- merem angesehen werden können. Wir meinen nicht die häufigen Maßregelungen der finnländischen Blätter, die schroffe Behandlung einzelner, mißliebiger Personen und die Amtsentsetzung unbequemer Richter und Beamten. Das ist früher ebenfalls vorgekommen, und bas ereignet sich auch in anderen Staaten, wenn die Negierungen ihren Willen gegen die Bevölkerung durchsetzen wollen. Tas besondere Kennzeichen der gegenwärtigen Lage im auto. nomen Großfürstentum ist aber der Eingriff in die Tätigkeit der Gerichte, die tatsächliche Außer kraftsetzung der geordneten Rechtspflege, die naturgemäß große Unsicherheit auf allen Gebieten nach sich ziehen muß. Wenn Beamte der Polizei eine gerichtliche Versteigerung zur Deckung einer kommunalen Forderung verhindern und den Zeugen das Erscheinen vor Gericht verwehren, wenn durch die Schergen der russischen Regierung ein verurteilter Dieb willkürlich befreit und im Triumphe auS dem Gerichtssaale fortgeführt wird, so ist das die Aufhebung von Recht und Gesetz und die Verkündigung der Herrschaft der rohen Gewalt. Man scheint es in Petersburg empfunden zu haben, wie schlimm dieses Vorgehen nicht nur in Finnland, son dern allenthalben in Europa wirken muß, und deshalb ist nachträglich durch den Willen des Zaren der Gencralgvu- verneur Bobrikoff als unumschränkter Diktator Finnlands proklamiert worben. Er soll in Zukunft das Recht erhalten, jeden ihm paffenden Schritt zu unter nehmen, wenn ihm die Maßnahmen der finnlänbischen Behörden nicht ausreichend erscheinen. Damit wird frei lich die Gewaltpolitik in Finnland nicht entschuldigt; aber man weiß jetzt wenigstens, daß alles, was dort von den Gouverneuren, -em Generalgouvcrneur, und auch von den unteren Polizeiorgancn geschieht, nicht private Willensäußerungen der Beamten sind, sondern auf den Wunsch und Befehl des selbstherrschendcn Zaren, der höchsten gesetzgebenden Gewalt in Rußland zurückzuführcn ist. Damit ist das SchicksalFiunlandsbcsicgelt. Die russisch« Regierung wird alle verfügbaren Kräfte auf wenden, um ihren Plan, das Großherzogtum, sei eS auch nur äußerlich, mit dem Gesamtreiche zu verschmelzen und die Bevölkerung zur Unterwerfung unter die allgemeinen Staatsgesetze zu zwingen, durchzuführen. Es ist die gleiche, in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegen die baltischen Provinzen zur An wendung gekommene Taktik. Nur scheint man hier noch einen Schritt weiter gegangen zu sein. Mit derartiger, jedem Rechtsgefühl hohnsprcchender Rücksichtslosigkeit hat man dort die Gerichte und Verwaltungsbehörden nicht gemißhandelt. Gewaltsame Befreiungen straffälliger Ver brecher sind in Livland, Estland und Kurland nicht vor gekommen, obwohl man cs freilich an Chikanen, an ver schiedenen indirekten Störungen der öffentlichen Rechts pflege, und an unbefugten Eingriffen nicht fehlen ließ. Seitdem in den Ostseeprovinzen die äußere Gleichstellung mit den übrigen Reichsteilcn einigermaßen durchgeführt ist, hat man sich mit vollster Kraft auf die letzte Grenzmark geworfen, die nun ebenfalls ihre staatliche Eigenart Vo lieren soll. Ist das geschehen, so hat der Panslawis - mu s ein weiteres Ziel erreicht, und es wäre nur noch die Frage, was er sich bann als Gegenstand des Angriffes auSsuchen will. Die Härte nnd der Rcchtsbruch gegen Finnland stehen in einem merkwürdigen Gegensätze zum jüngsten, vielfach über Gebühr gepriesenen Manifest des Zaren. Wo bleiben die „Gebote der Toleranz", wenn man eine große Unter tanengruppe, die nicht das Mindeste verbrochen hat und die nur den großen Fehler besitzt, nicht zur herrschenden Raffe zu gehören, in solcher empörenden Weise ver gewaltigt? Soll der Geist des Wohlwollens und der Milbe, der anscheinend den ganzen Erlaß durchzieht, sich nur auf den großrussischen Stamm erstrecken, nur diesem gewisse Wohltaten in Aussicht stellen, sollen die Grenz marken, welche dem Reiche von größtem kulturellen Werte sind, von jeder Erleichterung ausgeschlossen bleiben? Dann hat die Kundgebung nichts bedeutet, oder sie ist er gangen unter dem Drucke der Bewegung, welche weite Schichten des russischen Volke- ergriffen hat und die be stehende Ordnung im Zarenreiche bedroht. Diesen Massen, sollten sie sich mobilisieren, steht man anscheinen ratlos gegenüber; aber gegen die loyalen Staatsbürger, bet denen wegen ihrer Minderheit von einem ernstlichen Widerstande nicht die Rede sein kann, glaubt man sich alles erlauben zu dürfen. Wie die Dinge gegenwärtig in Finnland liegen, mutz man damit rechnen, daß die vielfach gebrochene Ver fassung des autonomen Grvßfürstcntums über kurz oder lang beseitigt wird, und daß man gleichzeitig russische Schulen, die Herrschaft der Staatssprache und staatliche Gerichte und Verwaltungsbehörden in Finnland einführt. Das ist eine Forderung des Panslawismus, und die Ne gierung wird dem schließlich nachgeben. Aber daß mau die Finnländer deshalb wirklich zu Russen macht, darf als ausgeschloffen angesehen werden. Auch bei den Balten ist dieser Prozeß bisher nicht geglückt, trotz aller Mühe, mit der man der Verwaltung und dem Schulwesen den russischen Charakter aufzudrttckcn suchte. Das Deutsch- tum in den Ostseeprovinzen ist noch lange nicht verloren. Die Finnländer werden ebenso ohne besondere politische Rechte ihr Volkstum sich zu erhalten wissen. Die russische Regierung schadet sich selbst durch die ebenso harten, wie ungerechten Maßnahmen gegen das Großsürstcntum. Sie vermehrt nur die Zahl der Unzufriedenen und vermindert die loyalen Untertanen, an denen in Rußland wahrlich kein Ueberfluß herrscht. Das wird sich einmal schwer rächen. Deutsches Reich. --- Berlin, 0. April. (Ter phantastisch-real- poli tische Björnson.) In lockenden Farben schildert Björnstjernc Björnson im „Berliner Tageblatt" die Aussichten eines p a n g c r m a n i s ch e n Bündnisses. Ein solches Bündnis müsse das höchste Ziel der Jugendträume in E n g l a n d, wie inDeuts ch- land, in Amerika, wie in Oesterreich, der Schweiz, den Niederlanden und Skandi navien jein, und die Verwirklichung dieser Träume werde der nächste große Staatsmann germanischer Ab stammung sich zur Lebensaufgabe machen. Der pan germanische Bund bringe durch seine bloße Existenz -en Weltfrieden, er mache also — so darf man folgern — kriegerische Rüstungen überflüssig. Daß die Ver schiedenheit der Interessen dem Abschlüsse eines pan germanischen Bündnisses im Wege steht, kann Björnson freilich nickst leugnen. Doch hilft er sich mit dem Tröste, die Politik der offenen Tür vermöge die meisten Schwierigkeiten jener Art zu beseitigen. Dieses Ver trauen auf die Politik der offenen Tür zu einer Zeit, wo sowohl in Europa, wie in Amerika der schutzzöllnc- rische Gedanke immer tiefere Wurzeln schlägt und wo selbst englische Kolonien sich mehr und mehr zu einer Be vorzugung Großbritanniens entschließen, muß ebenso sehr in Erstaunen setzen, wie der Glaube, daß der Welt frieden schon durch die bloße Existenz eines pangcrma- nischen Bundes gesichert sei. Aber vermutlich tut man Björnson Unrecht, wenn inan meint, es sei ihm mit seiner phantastischen Empfehlung eines pangermanischen Bündnisses ernst. Vermutlich dient Björn- sons pan germanische Phantasie lediglich als Deckmantel für höchst r c a l p o l i t i s ch e Absichten, die er im Anschluß au jene entwickelt: sein erbitterter Kampf gegen das ihm stammverwandte Schweden und seine frühere notorische Freundsckiaft für Rußland müssen diese Vermutung erhärten. Björnsons Realpolitik aber betrifft die preußische Politik in Nord-Schleswig. Sie steht, wie Björnson in leidenschaftlichen Wendungen ausführt, dem Pangcrma- nismus im Norden als Hindernis im Wege! Wenn Björnson der preußischen Nordmarkpolitik den Vorwurf vollkommener Zwecklosigkeit macht, weil in Nord-Schles wig niemand daran denke, wieder Däne zu werden, so stellt er auch hier seine Phantasie in den Dienst seiner Realpolitik. Leit die preußische Nvrdmarkpolitik am 25. Januar 1890 im preußischen Abgeordnetenhaus«: Gegenstand der Erörterung war, hat sie nicht trotz, son dern wegen ihres entschiedenen Vorgehens in Nord- Schleswig erfreuliche Erfolge erzielt. Aber nichts desto weniger scheint es zweifellos, baß das Ende der deutsch feindlichen dänischen Agitation in den schleswigschcn Grenzbezirkcn noch nicht eingetrcteu ist. Welche Zwecke die Führer dieser Agitation verfolgen, ist in der er wähnten Sitzung des Abgeordnetenhauses sowohl von den Ministern v. Miquel, von der Necke und Bosse, wie von den Abgg. Bachmann, Graf Mvltkc, Friedberg und Jürgensen mit aller Bestimmtheit festgestellt worben. Nicht bloß gegen deutsche Sitte, deutsche Art, deutsche Sprache und deutsche Arbeit, sondern auch gegen die Integrität dcö preußischen Staates richtet sich die dänische Agitation; und je geschickter sie den Schlingen des Straf gesetzbuches sich zu entziehen versteht, um so notwendiger ist die vom Oberpräsidenten von Köller inaugurierte Ab- wehr. Im Hinblick auf Kaiser Wilhelms Besuch am dänischen König-Hofe spricht das „Berliner Tageblatt" die Ansicht ans, daß in Nordschleswig „wohl bald die letzten Reste einer sogenannten Pazifizierungspolitik ver- schwinden werden". Die Irrtümlichkeit einer solchen Auffassung Ist halbamtlich bereits beleuchtet worden. Daß diese offiziöse Feststellung aus daS „Berliner Tage blatt" keinen Eindruck gemacht hat, nötigt nicht dazu, ihre Richtigkeit anzuzwcifeln. Ernsthafte dänische und deutsche Politiker müssen sich sagen, daß für die Gestaltung der deutsch-dänischen Beziehungen die Verhältnisse Nord- TchleswigS ein noii m« taiwoeo in jeder Hinsicht zu bleiben haben. Vollends der Phantasie eines pangrrma- nischen Bündnisse- zu Liebe wird sich die preußische Nord- markpolitik ganz gewiß nicht ändern! /?. Berli«, 9. April. ZurBeurteilnng der Ar- beiterauSschüssc liefert einen wichtigen Beitrag di« eingehende Schilderung, welche vr. Petren» in der „Sozialen Praxis" von der Wirksamkeit des Arbeiteraus schusses der Opt i s ch c n W e r k stä tt e z u I e n a (Firma Carl Zeitz) entwirft. Diese seit 1897 eingeführte Arbeiter vertretung kommt ohne jeden Einfluß der Geschäftsleitung zu stände und kann zusammentreten, so oft sic will, auch ohne Anwesenheit der Betriebsleiter. Zu den Verhand- lungsgegcnständen, die im Laufe des Jahres den Jenaer Arbeiterausschntz beschäftigten, gehörten die Revision des ArbeitsvcrtrageS, die Erweiterung des Peusionsstatuts, die Entschädigung bei notwendiger Arbeitsversäumnis (z. B. militärische Hebung), der Achtstundentag, der Be trieb der Fabrikkantine und der Fabrikbadeanstalt usw. Dieser Ucberblick zeigt, daß der Arbeiterausschuß sich mit bedeutsamen Angelegenheiten besaßt hat. Die Gleichgültig keit der Arbeiterschaft, sich aus Furcht vor wirtschaftlicher Schädigung an der Wahl zu beteiligen, und die demselben Motiv entsprungene Besorgnis der Arbcitervertreter, Be schwerden vorzubringen, haben sehr nachgelassen. Schwerer kann der Mißstand beseitigt werden, daß Ange legenheiten, die nur einzelne Arbeiter angehen und auf dem gewöhnlichen Instanzenwege rascher zn erledigen sind, durch -en Arbeiterausschuß zur Sprache gelangen; auch das Anbringen von Beschwerden auf Grund bloßer Vermutungen ist noch nicht abgestellt. Erziehend dürste in beiden Richtungen die Einrichtung einer Siebenerkommis sion, die vom Arbeiterausschntz gewählt wird, wirken. Ein Arbeitcrantrag, für den Ausschuß nicht bloß beratende, sondern mitbeschließcndc Stimme in allen Fällen von Attor-reduzierungen, Einführung von Arbeitsteilungen, Werkstattsvcrändernngen, Arbeitereinstellungen und Ar- beitcrentlassungcn n. a. zu gewähren, wurde von der Be triebsleitung abgclchnt. Dazu nötigte die Ueberzeugung, daß der Ausschuß nicht im stände sei, die Verantwortung zu tragen. 6. II. Berlin, 9. April. (Die preußischen Landtags wählen und die Sozialdemo kratie.) Die sozialdemokratische Delegiertenkonferenz, die am 26. April die notwendigen Vorbereitungen für die preußischen Landtagswahlen treffen soll, verdient hohe Beachtung. Derselbe Eifer, den die Sozialdemo kraten in der Agitation für die Rcichstagswahlen ent falten, scheint sic jetzt auch für die Landtagswahlcn er griffen zu haben. Alle Stimmen, die früher von dem Trciklaiienwahlsystem nichts wissen wollten und deshalb energisch gegen die Beteiligung an den Landtagswahlen protestierten, sind jetzt verstummt; aus manchem Saulns ist ein Paulus geworden; Bebel und Singer haben auf der ganzen Linie gesiegt. Aus der sozialdemokratischen Kleinarbeit für die Landtagswahlcn dringt natürlich selten etwas in die Oesfentlichkeit, aber allem Anscheine nach ist sie bereits ganz nachhaltig gefördert; namentlich Vr. Lev Arons ist unermüdlich tätig gewesen. Das sehr verzwickte Wahlreglcment haben alle Agitatoren bereits gründlich im Kopfe. Bei der geradezu unerhörten Lau heit der Landtagswählcr, namentlich in der dritten Ab teilung — oft erscheinen nnr 5 bis 6 Prozent —, kann cs geradezu verblüffende Ileberraschungen geben, wenn die bürgerlichen Parteien sich nicht endlich den Schlaf aus den Augen reiben. Auf die Ileberraschungen setzen die Sozialdemokraten zum Teil ihre Hoffnung,, und ohne Zweifel gibt es eine ganze Reihe von Wahlkreisen, in denen die Sozialdemokraten das Zünglein an der Wage bilden; es soll auch Wahlkreise geben, welche die Sozial demokraten im ersten Ansturm zu erobern hoffen (Linden). Bebel und Singer sehen sich schon im Geiste als Führer einer kleinen Gruppe im Abgeordnetenhaus?. Bereiten ihnen die bürgerlichen Parteien durch Lauheit diesen Triumph, so wird man bald auch in der zweiten preußischen Kammer die tumultuarischen Scenen er leben, die den Reichstag so tief hcrabdrücken halfen. cV) Perlt», 9. Avril. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin machten gestern nachmittag einen Spazier» aang «m Parke des Schlaffes Bellevue, den der Kaiser später im Tiergarten fortsetzte. Den Abend verlebte das Kaiserpaar in stiller Zurückgezogenheit. — Heute morgen nahmen vcr Kaiser und die Kaiserin mit dem Prinzen Adalbert im Pfeilersaale des königlichen Schlosses das Heilige Abendmahl. Vormittags unternahm das Kaiser paar einen Spaziergang ün Parke von Bellevue. Der Kaiser begab sich später zu Fuß nach dem Auswärtigen Amte und hatte dort eine Besprechung mit dem Staats sekretär Freiherrn von Richthofen. G Berlin» 9. April. (Telegramm.) Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung vom 7. April, durch welche auf Grund des 8 1-1 des Preßgejrtzes vom 7. Mai 1874 das Verbot der „Wiener Sonn- und MontagSzeitnng" innerhalb des Reichsgebietes auf die Dauer von zwei Jahren erfolgt. — Reichstagsabgeordneter Sieg hat, wie die „Elbinger Zeitung" meldet, in einer Wahlversammlung zu Strasburg (Westpreußen) die Mitteilung gemacht, daß nach seinen In formationen dem kommenden Reichstage eine Militärvorlage zugehen werde, die die Bildung eines neuen Armeekorps mit dem Sitze der Leitung in Allenstein sordert. — Generalseldmarjchall Graf Waldersee vollendete gestern sein 71. Lebensjahr. * Esten, 8. April. Die Stadt Essen besitzt gegenwärtig zwei Wobnungsinspektoren, deren Tätigteil sich bereits als sehr erfolgreich erwiesen hat. Der Inspektor der inneren Stadt (Altstadt) hat soeben, wie die „Köln. VolkSztg." mit teilt, einen eingehenden Bericht über die WohnungSrevisionen während der Zeit vom 1. Dezember 1901 bis 30. November 1902 erstattet, während der Inspektor des Altendorfer Bezirks, dem auch die in der Nähe der Kruppschen Fabrik liegenden Straßen der Altstadt zugeteilt sind, nur über die Zeit vom 1. August dis 31. Dezember 1902 berichtet. Wäbrend die Gesamtzahl der Häuser in Esten 10 400 beträgt, sind in der angegebenen Zeit von beiden In spektoren 705 Häuser mit 2996 Wohnungen revidiert worden. Von letzteren entsprachen 914 nicht den Vor ¬ schriften der RegierungSpolizeivcrordnung über die Wohnungen. Bei 602 Wohnungen wurden die Mängel von den Inhabern anerkannt und eine Beseitigung wurde in Aussicht gestellt. Die Polizeiverwaltung mußte um zwangsweise Durchführung ersucht werden bei 312 Wohnungen. Im Laufe deS Jahres wurden die Mängel bei 630 Wohnungen beseitigt. 840 Wohnungen wurden als ungeeignet zum Bewohnen oder als überfüllt bezeichnet. In 115 Fällen wurde die Erlaubnis zum Beziehen oder Vermieten dieser Wohnungen verweigert, während sie in 768 Fällen erteilt wurde unter Gewährung einer angemessenen Frist zur Beseitigung der Mißstände. Wenn man von den Kruppschen Koloniewohnungen absirht, so ist nach dem Bericht des einen Inspektor- nur annähernd der sechste Teil der kleineren Leute so glücklich, neben dem Schlafzimmer und der Küche auch noch ein Wohnzimmer zu haben. -r. Mühlhausen i. Th., 9. April. In dem Streite der Krankenkassen mit ihren Aerzten ist eS zu einem Waffenstillstand gekommen, nachdem gestern der RegieruagS- rat Jordan als Kommissar der Regierung zu Erfurt mit Vertretern der Parteien verbandelt hat. Die Aerzte halten ihre bisherige Forderung auf Erhöhung der Aerztegebührrn um 162/, Prozent und zwar für die Ortskrankenkaste I mit der bisherigen Vergünstigung der Reduktion der Gebühren für geburtShülfliche und operative Leistungen auf 1 Prozent der Gesamtausgaben aufrecht. Wenn nach einer Prüfung der VermögenSverhältniffe der Kaffen erklärt wird, daß die einzelnen Kaffen die Mehrfordernng befriedigen könne«, so werden die Mehrleistungen vom 1. April ab bean sprucht. Andernfalls verzichten dir Aerzte ans die Mehr forderungen. Sollten die Kaffen auf diese Einigung-Vorschläge nicht eingeben, so soll der jetzige KampfeSzustand bestehen bleiben. In dem Augenblicke aber, wenn andere von der Kasse bestellte Aerzte die Kaffenpraxis aufnebmen, lehne« die Aerzte jede weitere Behandlung der Kaffenmitglieder ab. Die Kaffenvorstände wollen diese Vorschläge den für den 18. April einzuberufenden Generalversammlungen unterbreite«. Die Vorstände verpflichten sich, bi- zu diesem Zeitpunkte alle Verhandlungen mit auswärtigen Aerzten auSzusetzen und keine neuen einzuleiten. Die Aerztekommission hat sich damit einverstanden erklärt. - Koblenz, 8. April. An der Besprechung betreffs der Trierer Schulfrage, welche, wie gemeldet, hier stattfand, nahmen außer dem Obe,Präsidenten, der Regierung-Präsi dent, die Dezernenten des Töchterschulwesen- im Kultus ministerium und das Provinzialschulkollegiom leib Wie die .Kobl. VolkSztg." aus zuverlässiger Quelle zu melden weiß, soll die Angelegenheit in allerkürzester Zeit „zu aller Zu- jriedcnbeil" erledigt werden. Die Entscheidung liege gegen wärtig beim Kultusministerium. Oesterreich-Ungarn. Tas Neicheuberger Stadtverordnetenkolleglu« -ege« »te Tschechtfierung des Justizwescns in Deutfchböhmen. 4. Rcichenbcrg, 10. April. Von dem Stadtverordneten Herzog ist in der am Dienstag abgehaltenen Stadtverord- netentztzung nachstehender DringlichkcitSantrag gestellt und einstimmig angenommen worben: „Wir sehen uns veranlaßt, neuerlich mit oller Entschiedenheit dagegen Verwahrung einzulegen, daß bei Len jüngsten Er- Nennungen im Justlzdienste abermals sür das deutsche Sprachgebiet in Böhmen Richter tschechischer Nationalität ernannt wurden und insbesondere, daß auch eine Richterstelle bei dem hiesigen Kreisgerichte mit einem tschechischen Beamten besetzt wurde. Der Regierung kann der fanatische Haß nicht unbekannt sein, mit welchem das tschechische Volk, insbejondere aber auch die aka demische Jugend desselben durchsetzt ist und Laß demnach die Besetzung obrigkeitlicher Aemter über das deutsch« Volk mit Ange hörigen ber tschechischen Nation von uns Deutschen nicht mehr als ein Aki geordneter Staatsverwaltung, sondern als eine nationale Unterjochung ausgesaßt werden muß; eine derartige Beherrschung durch Angehörige einer semdieligen Nation kann aber in einem geordneten Staate, welcher die Aujrechterdaltung deS inneren Friedens anslrebt, grrechterweise keinem Volke zugemutel werden, am aller wenigsten aber dem deutschen Volke, welches im Staat« ber Volks- zahl nach das größte, in seinem kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen aber unstreitbar das erste ist. Wir haben deshalb das Recht, auf das Feierlichste gegen einen Zustand Stellung zu nehmen, der in der Gerichte sonst nur als die Folgeerscheinung der fchimpsl ichsten Nieder lage eines Volkes vorzukemmrn pflegt, und fordern den Staütrat, sowie deu Abgeordneten unserer Stadt aus das Nachdrücklichste aus, nnler Vorlage dieser Entschließung bei dem K. K. Justizministerium gegen die jüngsten Richterernennunqen Einspruch zu erheben." Veranlaßt ist vorstehender DringlichkeilSantrag dadurch, daß in züngster Zeil in Böhmen 36 Gericht-adjunkte» er nannt wurden, von denen 32 der tschechischen und nur 4 oer oe uts chen Nationalität angehören. Eine fortschreitende Tschechisierung zeigt sich auch bet den deutsche» Postämtern. Frankreich. Mmifterrat * Paris, 9. April. (Telegramm.) Der heutige Minister rat ini Elysoe beschäftigte sich mit dem Programm sür die Festlichkeiten, welche anläßlich der vom 1. biS zum 4. Mai während der Anwesenheit des König-Eduard veranstaltet werden sollen. Danach empfängt der Präsident Loubet, der am Morgen des 1. Mai von seiner algerischen Reise zurückkehren wird, den König nachmittag- 4 Ubr desselben Tage- auf dem Lyoner Bahnhof in Paris. Der König wird in der englischen Botschaft absteigen. Zu seinen Ehren werden im ElysSe ein. Festessen und in der großen Oper eine Fest vorstellung stattfindea. Die Abreise de- Königs wird am 4. Mai morgens erfolgen. Außerdem stellte der Minister- rat die Einzelheiten sür die Reise des Präsidenten Loubet nach Algerien und Tunis fest. Der Mioisterrat beschäftigte sich ferner mit der Abstimmung ver Deputierlenkammer vom letzten Dienstag. Er ist der Ansicht, daß dir angenommene Tagesordnung die Ein setzung einer UutersuchuogSkommissioa, in welche richterliche Personen eintreteu müßten, nicht in sich schließe. Der Mmisterral ist indessen der Ansicht, baß General Audrs von seinem Rechte Gebrauch mache, wen» -r
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite