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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030411028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903041102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903041102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-11
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Er hat, wie er längst beabsichtigt hatte, einen katholiscven Geschichtslehrer für die oberen Klaffen der pari- tätischeu böheren Töchterschule in Trier bestellt und vr Korum hat diesem die mi8Sio eauouica für die Erteilung des Religionsunterrichtes an derselben Anstalt nicht vorenthalteo. vr. Korum schweigt nun, um so lauter aber erhebt die in Trier erscheinende, als sein Organ geltende ultramontane „Trieriscke LandeSzeilung" ihre Stimme, nm die Notwendigkeit der Fortsetzung des Kampfes zu erweisen. DaS genannte Zentrumsblatt zieht nämlich in einem drei Spalten laugen Leitartikel unter ausdrücklicher Zu spitzung auf die Trierer Verhältnisse gegen die pari- tatischeu höheren Schulen zu Felde. Die Beweisführung ist dabei die längst bekannte. Die paritätische Schule soll ein unentschuldbarer Eingriff in das Erziehungsrechr der kalbo- lischen Eltern sein; die paritätische Schule soll ferner die Rechte der katholischen Kirche vergewaltigen, weil diese als die Instanz, die in Deutschland zuerst Schulen errichtete, ein geschichtliches Recht auf die Schule habe. Freilich, das absolute Recht auf die Schule beanspruche die Kirche infolge der veränderten Zeitumstände nicht mekr, auf Gleichberechtigung betreffs der Erziehung aber könne sie niemals verzichten, und dieses Recht werde durch die paritätische Schule verletzt; denn in ihr habe die Kirche keinen Einfluß auf die angestellten Lehrpersonen und aus die angewandten Lehrbücher. Daß trotzdem Katholiken ihre Kinder in paritätische Schulen schicken, wird von der „Trier. LaudeSztg." in derselben Art zur Gewissensfrage ge macht, wir dies in dem ursprünglichen Publikandum des Bischofs vr. Korum geschah. Schreibt doch das genannte Blatt u. a. wörttich: „Manche katholische Kreise halten leider vitlfach das paritätische System für etwas Selbstverständliches, Unschädliches, das von der Kirche gebilligt werde; sie sehen nicht mehr die Rechtsverletzung, welche derartige Anstalten mit sich führen, halten dieselbe nicht für Ausnahmezustände, glauben ohne weiteres, ohne jede Reserve und ohne Verletzung einer Gewisfenspslicht ihre Kinder derartigen Schulen auvertraueu zu dürfen". Nachdem hierauf die paritätische Schule als ein „Ueber- gangSstadium zur religionslosen, atheistischen Schule" gebrandmarkt ist, schließt die „Trier. LaudeSztg." mit dem Appell, gegen die paritätische Schule „mit aller Entschiedenheit und unter allen Umständen" Front zu machen: „Wie können .. wahre Katholiken auch nur dem Scheine nach daS billigen, was daS oberste kirchliche Lehramt ausdrücklich verwirft!" — Vollkommen verschwiegen bleibt hierbei, daß in Preußen wie anderwärts Erzbischöfe und Biscdöfe'durch an standslos« Erteilung der missio canouica für Vie Erteilung de- Religionsunterrichtes in paritätischen Schulen gleichfalls tzen Schein auf sich geladen haben, da4 zu billigen, was das oberste kirchliche Lehramt verwirft. Und ganz verschwiegen bleibt auch, daß soeben erst das oberste kirchliche Lehr Sonnabend den amt den Bischof von Trier rektifiziert hat, weil er mit seinem Publikandum unter Ausnützung der Gewissensnot seiner Diözesanen den Versuch zur Boykottierung einer staatlichen Lehranstalt gemacht bat. Denselben Versuch wiederholt mit demselben Mittel die „Trier. LaudeSztg." unmittelbar vor dem Osterfeste. Man kann hiernach ermessen, welches Thema bei der Osterbeichte in der Diözese Trier die Hauptrolle spielen wird. So feiert der KlerikaliSmus an der Mosel da; Osterfest! Lpfcrwilltgkeit der Sozialdemokratie. Zum Kriegsübren gehört bekanntlich Geld, abermals Geld und nochmal« Geld. Für die bevorstehenden Reichstags wahlen wird solches den deutschen Sozialdemokraten in Hülle und Fülle zur Verfügung sieben. Da eS den Führern ge lungen ist, die „Genossen" im AuSlande, die bei großen Streiks im Versprechen größer waren als im Spenden, zu nam- basten Gaben für die Wablkasse zu bewegen, so war von vornherein anzunchmen, daß sie es verstehen würden, im Jnlande bedeutende Summen locker zu machen. Ueberraschen muß aber doch die Höhe einzelner Beiträge, die in der letzten Quittung des Parteikassierers A. Ge risch aufgesührt werden. So spendete ein „begeisterter Anhänger" der sozialdemokratischen Sache 30 000 ^, ein anderer 10 000 Man kann daraus einen belehrenden Schluß auf die Gesellschaftsschichten ziehen, in denen „begeisterte Anhänger" der Herren Bebel und Singer wirken. Von Hamburg wurden als Ueberschuß im früheren norddeutschen Belagerungsgebiete >5 000 ^s gesandt. Die sozialdemokratischen Wahlkreise brachten ebenfalls viele Tausend Mark. Der Berliner 6. Wahlkreis gab 5000 ^k, der 12. und der 13. sächsische 3000 Sehr bemerkenswert ist e« ferner, daß die gewerkschaftlichen Verbände, die sich sonst >m allgemeinen der politischen Sozialdemokratie gegenüber etwas resciviert zu verhalten pflegen, jetzt mit vollen Händen spenden, so der Zweigverein der Maurer Berlins 5000 derjenige in Hamburg 3000 .L Zahlreiche Gaben wurden mit dem Motto „Von den Elenden" eingesandt. Daß die sozialdemokratische Agitation auch in den Sanatorien nicht ruht, ersehen wir ebenfalls aus dieser Liste. So kam ein Beitrag als Ueberschuß des Märzkranzes von den Pfleglingen des Sanatoriums Beelitz. Die Sammlungen für die Kranzspenden am 18. März müssen überhaupt sehr Hobe Beträge ergeben haben, denn die Ueberscküsse, die von den Arbeitern einzelner Fabriken (A. Borsig, Siemens L Halske, Allgemeine Elektri- zitätsgesellschaft) der Parteikasse überwiesen wurden, gehen in die Hunderte von Mark. So betrug der Klanzüberschuß der Allgemeinen ElektrizitätSgesellschaft 795 .elk Einzelne Beiträge wurden direkt zur Bekämpfung der „schwarzen Garbe" über sandt. Vom AuSlande kamen weitere Beiträge aus Bern und aus Brüssel. Im Besitz dieser „großen Munition" ist natürlich die Sozialdemokratie in den Stand gesetzt, den Kamps mit allem Nachdruck und mit aller Energie zu führen. Hoffentlich erinnern sich auch die bürgerlichen Parteien daran, daß kein Kamps ohne Geld geführt weiden kann, und eifern der Sozialdemo kratie an Opsersreudigkeit nach. Wie schimpflich es für sie wäre und welche auch mit Zahlen meßbaren Nachteile ihnen erwachsen könnten, wenn durch ihren Mangel an Gemeinsinn die sozialdemokratische Fraktion im Reichstage zu noch größerem Einflüsse gelangte, sollte eigentlich gar nicht er wähnt werden müssen. Den AusftckND M Makedonien behandelt eine Zuschrift, welche die „Pot. Korr." aus Saloniki erhält. ES wird darin mit besonderem Nach 11. April 1903. drucke die Tatsache hervorgeboben, daß es sich bei den gegen wärtigen Vorgängen in Makedonien durchaus nicht um eine Bewegung der Volksmassen, sondern nur um Unter- nebmungen eines kleinen Bruchteiles der Bevölkerung bandle. Die Serben und Gnechen nehmen gar keinen Anteil an dem Aufstande, und selbst von den Bulgaren beteiligt sich nur eine Minderheit an der Bewegung. Die Führer des Auf standes wollen aber eine Volksströmung Hervorrufen, und darum ist ihnen auch die Mäßigung auf türkischer Seite sehr unerwünscht, denn sie bedürfen türkischer Ungeschicklich keiten, um einen „grauenerregenden" Zusammenstoß zwischen Christen und Muselmanen und infolge desselben einen Entrüstungssturm in Europa und eine Intervention zu provozieren. Die Regie der Comitss verbreitet fortwährend übertriebene oder vollständig erfundene Nachrichten. So z. B. sind im Vilajet Monastir innerhalb von zwölf Tagen des Monats März zwar dreißig Mordtaten begangen worden. Mehr als die Hälfte derselben haben aber Bul garen verübt, die übrigens weder Griechen noch Serben, noch selbst ihre eigenen StammeSgenoffen verschonen. Die übrigen Morde sind allerdings auf Racheakte der Muselmanen zurück- zuführen. Sollte es nickt gelingen, durch die Herbeiführung von Gewalttätigkeiten die moralische Empörung Europas herbeizuführen, so wollen die bulgarischen Revolutionäre das Ausland durch Schädigung seiner materiellen In teressen in Mitleidenschaft ziehen. Mit der Ruchlosigkeit anarchistischen Verfahrens planen sie, Kommunikations mittel, die dem Verkehre von ganz Europa dienen, zu zer stören. Was sich gegenwärtig in Makedonien abspielt, sei kein Befreiungskampf eines Volkes, sondern das Ergebnis der verbrecherischen Umtriebe einer sehr kleinen Minderheit. Die ComileS und ihr Anhang wollen keine Reformen, keine Verbesserung des Loses der Christen, sie wollen keine Ver besserung der Verwaltung, wie sie Oesterreich-Ungarn und Rußland von der Pforte fordern. WaS sie unter Aufgebot anarchistischer Mittel anstreben, ist die politische Revolution, obgleich eine Gärung, welche die Vorbedingung einer solchen Revolution bilden müßte, von Serben, Griechen und Kutzowallachen zu geschweige«, selbst unter den Bulgaren nicht besteht. Rutzlaud uui» England tu Aentral-Asicu. Die englische imperialistische Presse pflegt der groß britannischen Regierung mit großem Eifer betreffs der asiatischen Politik Englands „Dampf" zu machen. Daß AebnlicheS auch von der russischen Presse im Hinblick auf Vic russische Regierung versucht wird, zeigt unter anderem ein Artikel der „Birshewija Wjedomosti", der die Aussichten Englands für die Eroberung von Afghani st an erörtert. Der „Birshewija Wjedomosti" zufolge verfügt England im Pendsckab über eine Feldarmee von 35 000 Mann zum ersten Angriff auf Afgha nistan, währeod es 70 000 Mann in der Reserve habe. Diesem Heere könne Afghanistan rund 44 000 Mann regulärer In fanterie und Kavallerie und ebenso viel Irreguläre entgegen stellen. Da aber die Ausbildung der afghanischen Truppen miserabel sei, Eisenbahnen und Telegraphen fehlten, die Finanzen schlecht geordnet wären, könne Afghanistan unmöglich allein einen erfolgreichen Krieg gegen England führen, sondern es müsse von Rußland unterstützt werden. Solcher Unterstützung reden die „Birshewija Wjedomosti" sehr eifrig das Wort, indem sie u. a. schreiben: „England hat den langen und aufreibenden Krieg in Südafrika erfolgreich beendigt. Wenn man die Ausdauer und die Hartnäckig keit Englands bei der Verfolgung seiner Ziele kennt, muß 87. Jahrgang. man damit rechnen, daß England, sobald es in Süd afrika einigermaßen Ruhe geschaffen hat, seine Versuche be ginnen wird, von Afghanistan Besitz zu ergreifen, anfangs naturgemäß auf diplomatischem Wege. Haben diese diplo matischen Schritte guten Erfolg, dann werden die Schritte für die tatsächliche Besetzung von Afghanistan Nachfolgen. Soviel wir wissen, sind die diplomatischen Schritte vom englischen Kabinett bereits begonnen worden. Welche befriedigenden Ergebnisse diese Schritte in Bezug auf die Vorbereitung der tatsächlichen Okkupation gehabt haben, geht aus dem Umstande hervor, daß augen blicklich nur mit einem englischen Paffe versehene Personen nach Afghanistan gelangen, mit einem russischen Paffe ver sehene nicht." — Die „Birshewija Wjedomosti" haben ohne Zweifel die Aussichten Englands in Afghanistan sehr rosig geschildert. Aber gerade diese Art der Schilderung, die der Absicht entspringt, die Rüstung Rußlands nach der afgha nischen Seite hin möglichst zu stärken, ist für die russischen Bestrebungen in Zentralasien kennzeichnend. Deutsches Reich. * Berlin, 10. April. Ueber die Eheschlie ßung e n im Deutschen Reiche enthält das neueste reichs- statistische Vierteljahrsheft Angaben für 1901, denen zu entnehmen ist, daß die Zahl der Eheschließungen abge nommen hat, wie dies immer in Zeiten wirtschaft lichen Niederganges und verminderter Arbeits gelegenheit zu geschehen pflegt. Die Zahl der Ehe schließungen betrug nur 468 329 gegen 476 491 im Jahre 1900 und 471519 im Jahre 1899. Auf 1000 Einwohner kamen im Jahre 1872 10,29 und im Jahre 1873 10,02 Ehe schließungen; dann sank die Zahl unter dem Einflüsse der schlechten Zeiten bis 1881 auf 7,46, stieg dann ein wenig und bewegte sich zehn Jahre hindurch nur zwischen 7,78 und 8^03. Eine energische Zunahme trat erst Mitte der 80er Jahre ein, als der wirtschaftliche Aufschwung be gann. Das Maximum wurde im Jahre 1899 mit 8,55 erreicht; 1900 sank die Zahl auf 8,51 und 1901 weiter auf 8,24. Von fremden Staaten hat im Jahr« 1901, soweit Nachrichten vorliegen, nur Ungarn eine verhältnismäßig gröbere Zahl von Eheschließungen gehabt als Deutsch land. In Ungarn wurden 8,8, in Frankreich 7,9, in den Niederlanden 7,8, in Großbritannien ebenfalls 7,8, in der Schweiz 7,6, in Dänemark 7,2, in Schweden 6,0 und in Irland nur 5,0 Eheschließungen auf 1000 Einwohner gezählt. Von den einzelnen deutschen Staaten hatte im Jahrzehnt von 1892 bis 1901 Bremen die ver hältnismäßig meisten Eheschließungen mit jährlich 9,1 auf 1000 Einwohner, dann folgen Hamburg und Sachsen mit 9,0, Sachsen-Altenburg und Reuß j. L. mit 8,9, Hessen, Braunschweig, Sachsen-Koburg-Gotha und Anhalt mit 8,5 auf 1000 Einwohner. In Preußen beträgt die Berhältniszahl nur 8,3, in Baden 7,9, in Bayern 7,8, in Württemberg 7,5. Die wenigsten Eheschließungen kamen in Elsaß-Lothringen mit 7,3 vor. Unter den preußischen Provinzen haben, wenn man von Berlin absieht, das mit 10,7 Eheschließungen auf 1000 Einwohner weit obenan steht, Schleswig-Holstein und Westfalen die meisten Ehe schließungen mit 8,5, dann folgen Sachsen und Hefsen- Naffau mit 8,4, Brandenburg mit 8,3, Schlesien mit 8,2, Hannover und Rheinland mit 8,1, Westpreußen und Pommern mit 7,7, Ostpreußen mit 7,2 und Hohenzollern mit 6,5 auf 1000 Einwohner. In Mitteldeutschland sind also die Eheschließungen verhältnismäßig am häufigsten. Feuilleton. Sj Das Gold vom Mdwatersrand. Roman von F. Kliack-LütetSburg. Nachdruck verboten. Unter denjenigen, die es verließen, gewahrte Wilm auch den ihm bekannten High Commissioner der Kap- kolonie, Sir Hercules Robinson. Als er den alten Herrn zuletzt gesehen, hatte die stolze Haltung desselben und die elastische Geschmeidigkeit seiner Bewegungen Staunen erregt. Heute machte der siebzigjährige Mann den Eindruck eines Greises. Er ging gebeugt und^ auf einen Stock gestützt, sichtlich vollkommen erschöpft. Selbst die wenigen Schritte bis zum Grand Hotel legte er nur unter der größten Anstrengung zurück und sah sich wiederholt genötigt, auszuruhen. Wilm van Senden hatte die peinlichen Eindrücke des Tage- Überwunden und wandte sich wieder voll der ihm gestellten Aufgabe zu. Die Anwesenheit des High Commisiioners in Pretoria beutete auf die Wichtig keit hin» welche die Kapregierung den Johannesburger Vorgängen beilegte. Ueber den Zusammenhang zwischen beiden bestand auch kein Zweifel, aber cs wunderte den jungen Mann, daß er eine offenkundige Bestätigung fand. Er war begierig, mehr über die gegenwärtige Lage zu erfahren. Im Gastzimmer fand Wilm nur wenige Fremde, die an einem kleinen runden Tisch Platz genommen hatten. Einen einzigen Herrn sah er mit Zeitungslesen be schäftigt, wenigstens lag der „StaatSkourant", das offizielle Regierungsblatt, auseinandergeschlagen vor ihm, auf einem Stuhle ihm zur Seite „The Preß" und der „Observer". Wilm langte nach der „Bolksstem", die Zeitung, die er neben anderen im Hause des verstorbenen Peter van Senden zu lesen gewohnt war. Aber ihr Inhalt war nicht im stände, seine Gedanken auf ihn zu konzentrieren. Drüben an dem kleinen runden Tische fielen auch Worte, die notgedrungen seine Aufmerksamkeit erregen mußten und ihn zum unfreiwilligen Lauscher machten. Er hörte den Namen van Senden. E- wurde von einer unzeitigen Milde gesprochen. Der Präsident habe auf seinem Str Hercules Robinson gegenüber anfangs eingenommenen Standpunkte stehen bleiben sollen, um dauern- eine gesichertere Lage zu schaffen. Was daraus entstehen werde? Gegen Rebellen Nachsicht üben, heiße sie zu neuen Taten begeistern. Man spreche sogar davon, daß über das Vermögen des Berginspektors van Senden nicht der Konkurs eröffnet werden solle. Der Präsident habe sich im Laufe der letzten Tage ein gehend mit dem Inhalt der in Johannesburg beschlag nahmten Papiere beschäftigt und sich dahin ausgesprochen, daß es vielleicht ratfam sei, den Wünschen der van Sendenschen Familie nachzugeben, welche die Regulie rung versprochen habe. „Das heißt, den Wolf -um Schafhirten anstellcn. Nicht der Johannesburger van Senden, der Kapstädter ist's, der die Sache eiugcfädclt hat", bemerkte einer der Herren leiser, aber laut genug, daß Wilm jedes einzelne Wort verstehen konnte. „Freilich tut er, als ob er zu dem Bruder in keinerlei Beziehung gestanden, wir sind indessen bester unterrichtet, und ich meine, gerade dieser Fall hätte vor ein unparteiisches Richteramt gezogen wer den sollen. Da würden wir über gewisse Dinge Aus schluß erlangt haben, während, wenn der Präsident mit feiner Meinung durchdringt, nach Kräften ein Ver tuschungssystem in Angriff genommen werden wird, um den Aktionären auch die letzte Möglichkeit zu nehmen, sich an dem reichen Grundbesitz des Verstorbenen schadlos zu halten." Es dünkte Wilm unmöglich, länger noch den schweigen den Zuhörer bet einer Unterhaltung abzugeben, in deren Verfolg die Ehre seines Vaters auf eine nicht mißzuver- stehende Art angegriffen wurde, aber er würde auch nicht im stände gewcfen sein, nur ein einziges Mort zu besten Rechtfertigung vorzubringen. Er war im Gegenteil voll- kommen überzeugt, daß von den Herren eine allgemeine Annahme besprochen wurde, die — er mußte es sich seuf- -end gestehen — teilweise, leider, nicht der Begründung entbehrte. Mehr und mehr hatte sich ihm die Ueber- zeugung aufdrängen müssen, daß der Vater bei dem Jo- hanneSburger Ereignis eine zweideutige, wenn nicht gar führende Rolle gespielt, und eine Untersuchung Dinge ans Licht bringen würde, die nur zu sehr danach angetan sein konnten, auch alle Bemühungen, die Ehre Onkel PeterS zn retten, illusorisch zu machen. Daß man die Angelegenheit öffentlich in einer so wenig schonenden Form besprach, war wohl im stände auf eine ernste Gefahr hinzuweisen. Wilm erhob sich, das Gastzimmer zu verlaßen. In dem selben Augenblick trat der Herr an ihn heran, der sich fcheinbar mit Zeitungslesen beschäftigt hatte, in Wirklich keit aber gleichfalls der Unterhaltung mit gespannter Auf- merksamkeit gefolgt war. „Pardon, mein Herr! Würden Sie nicht die Güte haben, mir den einen oder anderen Namen jener dort an dem Tische sitzenden Herren zu nennen?" Wilm blickte überrascht auf den Sprecher. Jetzt erst konnte er dem Fremden voll in das Gesicht sehen, und es machte einen auffallenden Eindruck auf ihn. Nicht einen angenehmen, obwohl die Züge nichts Unsympathisches hatten. In den dunklen Augen lag ein lauernder, hinter listiger Ausdruck, der schlecht zu der sanften, einschmeicheln den Sprache patzte. Wilm sah den Mann, der mit ihm in einem Alter sein mochte, auch nicht zum ersten Male, nur wußte er nicht, wo er ihm bereits begegnete. „Ich bedauere, mein Herr", entgegnete er mit merk licher Zurückhaltung. „Die Herren sind mir fremd." „Es scheinen Burghers zu sein", fuhr der Mann, un bekümmert um die bemerkbare Kälte in dem Tone der Antwort, fort, „wenig cntwickelungsfähige Elemente. Ah, pardon, ich vergaß! Mein Name ist Stephan Mildler. Sie erinnern sich meiner zweifellos nicht mehr, obwohl wir wiederholt in Kimberley zusammcngetroffen sind." „Stephan Mildler! Ah! Wir sahen unS bei Mr. Hcath." „Ganz gewiß. Sie sind wohl jetzt in Pretoria?" „Nur vorübergehend." „Wirklich? Ich dachte schon, Sie ständen zu der Re gierung in Beziehung. Sie wurden vom Herrn Staats präsidenten empfangen?" Wilm fühlte sich immer mehr in eine äußerste Zurück haltung hineingedrängt. „Herr Mildler — ich weiß nicht —" „Es ist merkwürdig, daß Sie so fremd tun, Herr van Senden. Wenn ich der Einwirkung gedenke, die Sie ein mal auf meine Zukunft gehabt, da ist eS mir, als bestehe zwischen uns ein Band, das nichts mehr zu zerreiben vermöchte." „Sie sprechen vollständig in Rätseln für mich, Herr Mildler, und wollen mir gestatten, daß ich mich zurückziehe. Ich habe heute eine mich sehr ermüdende Tour gemacht." Stephan Mildler verbeugte sich, einen Schritt zurück tretend. Ein Wilm unangenehm berührendes Lächeln umspielte seinen Rund. „Ich habe vielleicht die Ehre, Sie in Johannesburg wiederzusehen", sagte er noch, als Wilm nach einer förm lichen Verbeugung an ihm vorüberschritt. Sechstes Kapitel. „Nachdem ich in Erfahrung gebracht, daß Du Dich nicht einmal gescheut, offen Deine verwandtschaftlichen Be ziehungen zu dem Johannesburger Peter van Senden zu dokumentieren, unbekümmert um meine, Dir wohlbe kannten Absichten, darf ich annehmen, daß Du nicht daran denkst, nach Kapstadt in mein Haus zurückzukohren. Ich muß gestehen, daß ein solches Vornehmen meine Billigung findet, und auch Deine Mutter ist meiner An sicht. Bei den geringen Zugeständnissen, die Du dem realen Leben zu machen im stände bist, lag es ziemlich nahe, daß cs sich nicht mit „Deiner Ehre vereinigen lassen würde", unter den neuerlichen Vorgängen ein Verhältnis zu lösen, das niemals den Beifall Deiner Mutter gefunden, und das durch die Ehe zu sanktionieren, mir jetzt mehr als Leichtsinn erscheint. Du bist aber gewohnt, Deinen eigenen Weg zu gehen, und ich erachte es überflüssig, Dir mit wohlgemeintem Ra« näher zu treten, den Du nicht befolgen würdest. Du hau zwischen Deinen Eltern und Fremden gewählt, und so be dauerlich es ist, daß mich Deine Wahl nicht wundern kann, so wenig liegt es in meinem Interesse, nach dem Boran- gegaugenen auch nur oberflächliche Beziehungen aufrecht zu erhalten. Ich habe ein bestimmtes Lebensziel von A gen, und es zu erreichen, werde ich mich von meinem Sohu nicht hin dern lasten. Im übrigen hast Du — ich gcstelze cs gern — das Zeug dazu, auf eigenen Wegen vorwärts zu konunen. Sollte cs, wider Erwarten, nicht der Fall sein, so wird Dir meineKaffc in späteren Jahren zur Verfügung stehen, vor läufig haben wir gebrochen, und ich sehe mich genötigt, an Deiner Stelle einen jungen Menschen im Geschäft aufzu nehmen, der mir vielleicht den Sohn eines TageS erfctzen wird. EgnatiuS van Senden." Diesen Brief fand Wilm van Senden in der Billa seiner Tante zu Doornfontein bei seiner Rückkehr vor. Indem er die Zeilen wieder und wieder dnrchlaS, legte eS sich eisig kalt auf sein Herz. Es wäre Torheit gewesen, in diesem Briefe etwas andere-, als den Ausfluß einer tief em pfundenen Ueberzcugung wahrnchmen zu wollen. Genau wie EgnatiuS vau Senden fchrieb, so hatte er gedacht, so
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