01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030415017
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903041501
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903041501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-15
- Monat1903-04
- Jahr1903
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Fernsprecher Amt VI Nr. 4S0S. Morgen - Ausgabe. WpMtr . Tag Matt Anzeiger. Amtsblatt des Königliche« Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile LS Reklame« unter dem Redakttonsstrtch (ägespallen) 7K vor den ffamilienuach richten («gespalten) KV Dabellarischer und stiffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Stachweisungea uud Offerteaaunahme 2K (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun« SO.—, mit Postbesördernng 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Mvrgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» find stet» an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pol» MLeipzig. Nr. 188 Mittwoch den 15. April 1903. 97. Jahrgang. Der Dreyfustragikomödie dritter Teil. Die französische Deputiertenkammer hat in der letzten Woche so erregte Sitzungen erlebt, wie man sie selbst bei dem leicht aufbrausenden Völkchen, das im Palais Bourbon herrscht, nur selten verzeichnen kann. Eigentlich handelte «S sich nur um Wahlprüfungen, die nicht nur bei unS, sondern auch in Frankreich ziemlich interesselos zu verlaufen pflegen. Ob in einem Pariser Arrondissement Herr Syveton, der Nationalist, oder Herr Mesureur, der Radikal«, gewählt sei, konnte im Grunde genommen uns ziemlich kalt lassen. Aber Herr Jaurss und seine Freunde hatten schon wochenlang vorher einen ungewöhn lichen Lärm gemacht und angekündigt, daß der Sozialisten, führer und eigentliche Beherrscher der RegierungSblocs -en Anlaß benutzen würde, um die Dreyfusaffäre wieder „aufzurollen". Der Name dieses ehemaligen französischen Artilleriehauptmanns hat noch immer genügende Explo- stonSkraft, um einen ganz anständigen Radau zu ent fachen. Dazu kam, daß, wie unsere Leser schon wissen, geheime Briefe, Unterschlagungen von Dokumenten, Frei heitsberaubungen von Offizieren, Beiseiteschaffung von Zeugen in dem Spektakelstück eine große Rolle spielten. Da- Paprika war also gegeben, um auch die abgeschmack teste Speise wieder etwas aufzuwürzen, und die Zutaten au- der kriminal-romantischen Küche der Sue und Sarbou genügten, um die lederne und allmählich lang weilig gewordene Affäre noch einmal auf die Bühne der Deputtertenkammer zu bringen. Freilich war der Erfolg -er Sensationskomödie des Herrn JaureS sehr bestritten, und eS ist kaum anzunehmen, daß der Spektakel sich wieder holen »erde. Die schönen Zeiten, in denen der Name DreyfuS genügte, um ganz Frankreich vor eine innere Re. volutio« zu führen, und in denen die politischen Gerne, große auf allen Seiten so schön auf eigene Faust Raubzüge unternehmen konnten, diese schönen Zeiten sind an- scheinen- auf immer dahin. Trotz seiner eindrucksvollen Rede erlebte also Herr Jaurös in der Hauptsache eine Niederlage, trotz de- dramatisch-aufregenden Zwischenfalls Brisfon-Cavaignac kam das Schlußergebnts einer Ablehnung der Neueinstudierung des DreyfuSdramas gleich: die Tagesordnung JauröS-Briflon wurde ver worfen und eine Tagesordnung, die der Regierung ihr Vertrauen aussprach und die Dreyfusaffäre lediglich ge* richtlicher Untersuchung vorbehielt, angenommen. Die Regierung hatte eine recht zweifelhafte Rolle ge spielt. Sie hatte sich zuerst dem JauröSschen Dorgehen sehr entgegenkommend gezeigt, da sie hoffte, ihre Todfeinde im klerikal-nationalistischen Lager und in der Generalstabs partei de- „Eclair" damit zu treffen. Sie vollzog indes noch während der Sitzung eine deutliche Schwenkung, gab di« DreyfusardS «an» pkrgsa preis und begnügte sich da- mit, daß General Andr6 den famosen Brief Pellteux' zum Gegenstände einer milttärgertchtltchen Untersuchung machen wird. Diese Haltung des Kabinetts spricht für jeden, -er sehen will, Bände. Herr Eombes und die Seinen sind wahrhaftig genügend Republikaner, Radikale, Demokraten und Dreyfusfreunde; wenn sie die Affäre in neuer Auflage ablehnen, werden sie ihre guten Gründe dazu haben. Aber nun gar Herr DreyfuS selbst! Die Pressens- und Jaur-S waren päpstlicher als der Papst und dreyfuistischer als DreyfuS. Man mag über die Schul- un- den Charakter dieses Mannes denken, wie man will, sein persönliches Schicksal war mit der Annahme der Begnadigung nach dem Urteile von Rennes erledigt. Der eigentliche juristische Fall DreyfuS schied damit aus und nur der Kampf der Republik gegen die verkappten Roya, listen blieb. Diese politische Streitlage wurde zudem ganz erheblich zu Ungunsten der DreyfusardS verschoben, da un ter ihren Fahnen die ganzen Kohorten der „Armeefeinde au- Prinzip" fochten. Der Franzose denkt wett „militär frommer" als der Deutsche; eine Beleidigung der Armee ist eine Beschimpfung -es Drapeau, eine Verletzung der Ehr« deS Vaterlandes. Aus dieser Tatsache schreiben sich die unglaublichen Erfolge der Nationalisten her, die ganz offenbare Verbrechen -er Generalstäbler verteidigen kounte«, weil diese Taten ja nur als an sich -war verwerflich« Mittel zu dem heiligen Zwecke dienten, den blanken Schild der militärischen Ehre d«t Vaterlandes retnzuhalten. Der eigentliche Fall DreyfuS war tot; um dies mit aller Deutlich, kett auch offiziell-dreyfufisttsch klarzulegen, machten Alfred DreyfuS und seine Familie bekannt, daß sie dem Vor gehen -er Jaurös usw. ganz fern ständen. Selbst wenn man in dem dunklen Falle DreyfuS auf dem Standpunkte steht, -aß dem unschuldigen DreyfuS sein Recht werden müsse, sollte darum Frankreich noch einmal an den Rand deS Abgrundes gebracht werden, selbst in diesem Kalle läßt sich das Verhalten der Jaurös und Genoffen nicht recht begreifen; denn sie hatten nicht einmal den Bei- fall ihres Schll-ltnaS felbft. So blieb einfach ein rein po- ttttfchov Schach-ua ohne jede sinttmental-minschliche «ei- Mischung. Das in Wahrheit einzige Neue, waS JauröS vorbrachte, der Brief des Generals Pellieux und seine Unterschlagung durch Cavaignac ist an sich freilich sensa tionell genug. Es zeigt, zu welch einer Verwirrung der moralischen Begriffe vor vier bis fünf Jahren die Ver hetzung in der Dreyfusaffäre geführt hatte, zeigt aber auch gerade, wie gefährlich es wäre, dieses Tohuwabohu noch einmal aufzurühren. Gesündigt hat man damals auf allen Seiten, und der antisemitische Abgeordnete Lasier konnte gleich Herrn Jaurös mit einem Gauner- stückchen auf dreyfusistischer Seite dienen: er brachte den Brief Cucquets über seine Freiheitsberaubung und Mundknebelung zur Sprache, da man ihn als unbe quemen Zeugen beiseite schaffen wollte. So verlief also die ganze Aktion im Sande. Mit der militärgerichtlichen Untersuchung im Falle Pellieux wird der Rückzug -er DreyfusardS gedeckt. Das Stück des Herrn Jaurös, das den dritten Teil der großen Tragödie bilden sollte, wird wohl ein kleines sattrisches Nachspiel bleiben, das weder für das Schicksal des „Helden" selbst, noch für -en großen geschichtlichen Kampf, der sich hinter dem Namen DreyfuS absvielt, von Bedeutung ist. Für die Beurteilung der Jaurösschen Kanonade ist das Verhalten der ehemals revisionistischen Presse sehr bezeichnend. Man schimpft ja nach Herzenslust auf Cavaignac, Pellieux und wer sonst noch den Federraufbolden vor die Klinge kommt; uns es ist auch ganz amüsant, das Geschimpfe zu lesen, da man mit Erstaunen von neuem den überwältigenden Reichtum der französischen Sprache an Schmähworten studieren kann. In der eigentlichen Dreyfusfrage selbst zeigt sich aber die radikal-sozialistische Presse ungewöhnlich zurückhaltend. Und das sieht stark nach Verlegenheit aus, da jeder, auch nur der geringste Sieg doch mit dem üblichen Aufwande an Lungenkraft ausgebrüllt wäre. Der „Radical" sicht zwar einen Zipfel des Schleiers vor dem Geheimnis von Rennes gelüftet und hoff- daS Weitere von der Zukunft. Die sozialistische „Lanterne" ist aber bereits sehr unzufrieden und ärgert sich, daß man den Kampf auf einem so schlecht vorbereiteten Gebiete begonnen habe. Die „Aurore", das eigentliche Dreyfusblatt par sxoeiienos, sagt kein Wort, die Jaurös selbst nahestehende „Petite Ropublique" sucht ihre Verdrossenheit hinter Redensarten zu verbergen, wie die, daß ja niemand hätte annehmen können, die Dreyfusaffäre würde durch Jaurös' Vorgehen ihren endgültigen Abschluß finden. Man sieht, Siegesjubel und Lust zu neuen Waffen gängen besteht nirgends. Das Land ist müde, sehr müde und möchte Ruhe, keine neuen Kämpfe. Und das ist gut so; denn von der abermaligen Aufwühlung der Volks leidenschaften in Frankreich hätten auch wir keinen Vor teil, sondern Nachteil gehabt. I'. V?. Deutsches Reich. 6. Leipzig, 14. April. (Staaten und Ströme.) Die praktische Politik muß sich oft mit dem Problem be» schäftigcn, welches Interesse ein Staat an einem Strome hat, von -em ein Bruchteil innerhalb seiner Grenzen fließt. Soll Deutschland den Rhein haben, dessen Ober, lauf der Schweiz, dessen Mündungen Holland gehören? Oder Oesterreich dieElbe, die ihren ganzen Oberlauf in Böhmen vollendet? Wie weit beeinflußt die Tatsache, daß dieDonau vom Schmarzwalde bis Passau auf deutschem Boden fließt, die Teilnahme Deutschlands an den Ge schicken ihres nttttlcren und unteren Laufes? Diese un ähnliche Fragen wirft Professor F r i c d r i ch R a tz e l in der soeben erschienenen z,Veiten Auflage seiner „Poli tischen Geographie" «München, Olden burg) auf, um darauf folgendes zu antworten: Die An schauung, politischer Einfluß solle auf den Wellen eines Stromes sich tragen lassen, ist von der praktischen Politik gewöhnlich nicht geteilt worden; sonst würde z. B. Preußen nicht die Mündungen zweier großer Flüsse Rußlands, der Weichsel und der Memel, besitzen. Indessen erhält sich da dunkle Gefühl, daß ein mächtiger Staat, -er einen Teil eines Stromes in seinen Grenzen umfaßt, auch den Rest einigermaßen unter seinen Einfluß nehmen solle. Denn der Fluß ist unzertrennbar und kann als Ganzes nicht in so viele Stücke geschnitten werden, als Staaten ihn be grenzen. Und außerdem führt ja jeder Fluß endlich zum Meere hinab, zum Meere, dem alle politischen Mächte zu- streben. Wo liegt nun das Rechte? Praktisch sind die Interessen des Staates an dem Flusse, den er auf einer Strecke berührt, überall anerkannt. Zunächst wird Wert gelegt auf den freien Verkehr, dessen Wahrung unter die Grundsätze deS modernen Völkerrechtes gerechnet wird. Zum Zeichen besten haben die Mächte eine Donanschiff- fahrtS-Kommtstion niedergesetzt und sind die Rheinufer staaten zu ständig wicderkehrenden unpolitischen Konfe- renzen zusammcngetreten. VerkehrSschivierigketten, auch Hindernisse, wie sie sich ergeben auS dem flottierenden Charakter der fluviatilen Interessen, z. B. aus den Wan. Verzügen der Fische, welche die Bewohner des oberen Fluß» laufeS nicht gerne von denen des unteren aufgehalten sehen, müssen beigelegt, und gemeinsamen Zwecken bienende Ar- beiten, wie besonders Korrekttonen, vereinbart werden. Die natürliche Ungleichheit, die darin liegt, daß die ver- schtedenen Teile eine- Flußlaufe» nun einmal nicht von gleichem Werte sind, kann durch sie nicht beseitigt werden. Wirtschaftlich wie politisch überragt immer daS Mün dungsgebiet an Wichtigkeit all« andern. Dem Handel öffnet es den Weg zum Meere und damit zum Weltverkehr; einer aggressiven Politik aber vermag es den Weg aus dem Meere in die Gebiete der Uferstaaten zu erschließen. Eine russische Flottille flachgehender Kanonenboote könnte <nnes Tages Galatz oder Rustschuk, eine französischeFwitillc Wesel von der Rheinseite her angreifen. Daher die Tendenz, eben diese Gebiete zu neutralisieren, daher die Vorschrift des Berliner Kongresses, die bulgarischen Donaufestungen zu schleifen, daher die Erleichterung, welche Deutschland em pfand, als 1884 Dänemark mit dem Besitze der Elbherzog- tümer auch seine Drohstellung am rechten Ufer der Unter elbe verlor. Diese Ungleichheit bringt es mit sich, daß der Besitzer der Mündungen eines Stromes sich eines Ein flusses stromaufwärts erfreut, der außer Verhältnis zu seinem Anteile am Strome steht. Schon eine befestigte Insel in der Mündung wiegt viele Meilen an beiden Ufern auf. Soll eine Teilung eines Stromes unrer verschiedene Mächte stattsinden, dann ist es für alle am besten, wenn dieser politische wichtige Abschnitt in den Händen einer Macht ist, die dessen Neutralität verbürgen kann, ohne groß genug zu sein, den Besitz zu monopolisieren. Dies ist der Zustand, den der Pariser Friede von 1858 bezüglich der Donau schuf, indem er die suzeränen Donaufürsten tümer in den Besitz der Donaumündungen setzte. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieBangtsemündungen der Teil des chinesischen Reiches sind, der am frühesten als ein neutrales Gebiet dem Schutze der Handels mächte unterstellt wird, wie es durch deren Garnisonen und durch die internationale Huaugpu-Kommifsion schon vorbereitet wird. Ist aber die Teilung in der Weise durch geführt worden, daß dieser Abschnitt einem Mächtigen zu fiel, von dessen Machtbewußtsein man sich alles zu ver sehen hätte, dann werden die übrigen Ufermächte sich nicht mehr sicher fühlen. In dieser unbehaglichen Lage finden sich, seitdem Rußland den Kilia-Arm der Donau an sich ge nommen hat, die andern Donaustaaten. Denn Rußland, das nicht in dem Sinne Deutschlands, Oesterreich-Un- garnS, Serbiens, Rumäniens. Bulgariens ein Donaustaat ist, hat eigentlich seine Hand von außen her auf den wich tigsten Teil des Stromes gelegt. Das Ideal der vollen Neutralisierung eines zwischen mehreren Staaten geteilten Flusses hat sich noch niemals verwirklichen lassen. lD Berlin, 14. April. (Die Straßburger Fakultät al» Zankapfel für die Klerikalen.) Die Straßburger katholische Fakultät hat wiederholt zu gereizten Er örterungen zwischen ihren klerikalen Freunden und ihren klerikalen Gegnern geführt. Jetzt spitzen sich diese Er örterungen derartig zu, daß mit ziemlicher Sicherheit ein Skandälchen bevorsteht. Die fakultätsfreundliche „Köl nische Volkszeitung" gab hierzu den Anstoß durch die Mit teilung, daß einige Herren, welche die erbittertsten Gegner der Fakultät gewesen, erwartet haben, nicht nur an die Fakultät berufen zu werden, sondern auch dafür Schritte getan haben! lieber diese „Enthüllung" gerät der fakultäts feindliche „Elsässische Volksb." in den größten Zorn, indem er daS rheinische Zentrumsdlatt ausfordert, Namen zu nennen,fügt er hinzu: „Sollte die „Köln. BolkSztg." unserer Aufforderung innerhalb 8 Tagen keine Folge leisten, so wird für jeden Vor urteilslosen eines klar sein: Die Behauptung ist eine gemeine, tendenziöse Verleumdung und ihr Urheber ein niederträchtiges Subjekt." — Gegenüber einer solchen freundlichen Zusprache wird die „Köln. BolkSztg." die ver langte Antwort kaum schuldig bleiben können. Aber wie ihre Antwort auch ausfallen möge — man wird ihr auf jeden Fall mit einigem Interesse entgegensehen dürfen. Berlin, 14. April. (Doppelspiel oder Rat- losigkett?j Der Ansturm des p o l n i s ch e n Radi kalismus gegen das Zentrum in Westdeutschland und in Oberschlesien veranlaßt das Polcnblatt am Rhein zu einer Haltung, von der es zweifelhaft ist, ob sie als Doppelspiel oder als Ratlosigkeit aufgcfaßt werden muß. Die „Kölnische Volkszeitung" macht nämlich einerseits aus ihrer Erbitterung über das radikale Pvlentum im Westen, mit seinen polnischen Sonderkandidaturen für vier oder fünf Ncichstagswahlkreise, kein Hehl und droht, daß das Zentrum dieserhalb politische Repressalien gegen das Polentum ergreifen werde. Anderseits aber setzt das rheinische Zcntrumsorgan betreffs der oberschlesischen Verhältnisse die Politik der Unterwürfigkeit unter das Pvlentum fort. Bekanntlich hat der Reichstagspräsidcnt Graf v. Balle st rem mit einem polnischen Bewerber um das Mandat von Lublinitz-Gle-witz zu kämpfen; dieser Kampf muß sich umso schwieriger gestalten, als das Organ des gcmaäßigten Polentums in Oberschlesien, der „K a t o- l i k ", sich nicht auf die Seite des Grafen Ballestrcm stellt, sondern Neutralität beobachten will. Die Berliner „Ger mania" hat deswegen dem „Katolik" gehörig -en Text gelesen, die Wiederwahl des Grafen Ballestrem in seinem alten Wahlkreise als eine Ehrenpflicht der Zen trumspartei bezeichnet und sich sogar zu der Drohung aufgrschwnngen: „Wenn die Polens in Oberschlesien wirklich die Wiederwahl gerade des Grafen Ballestrem verhindern sollten, so würde bet allen deutschen Katho. liken ... ein Entrüstungsstnrm plahgreifen, über den man sich doch weder in Oberschlesien, noch anderswo täuschen sollte." — Ganz unbekümmert hierum pflichtet die „Kölnische Vokkszeitung" dem „Katolik" vollkommen bet, weil er im Hinblick auf den polnischen Radikalismus „ein MehrereS nicht tun kann", und erteilt den Rat schlag, „daß die deutschen Katholiken ihm ein MehrereS nicht zu muten sollen". — WaS das rheinische Zen» trumSorganbefürwortet,läuft in praxi auf eineKapttu» latton vor dem polnischen Radikalismus in Ober schlesien hinaus. Der Ratschlag der ,Fttlnischen Volks- zeitung" erscheint doppelt auffällig, wenn man sich er innert, daß dasselbe Blatt erst vor wenig Tagen (am 1. April d. I.) die direkte Bekämpfung des polnischen Radikalismus in Westpreußen durch den gemäßigt-pol- nischen „Pielgrzym" ausdrücklich gebilligt hat, indem es wörtlich schrieb: „Es war hohe Zett, etnzuschreitcn und den Kampf aufzunehmen." — Angesicht« dieser total verschiedenen Haltung gegenüber dem radikalen Polen tum drängt sich die Frage auf, ob ein bewußte» Doppel, spiel oder vollständige Ratlosigkeit ihr zu Grunde liegt. Im Verlauf« dieser neuen AuSeZnanderfetzungen mit de» Polen ist übrigens der „Kölnischen Volkszeitung" aber mals ein Bekenntnis entschlüpft, bas festgenagelt zu werden verdient; es ist in folgenden Sätzen enthalten: „Das polnische Volk ist zu bedauern. Sein Interesse am polnischen Gottesdienste hat man in gewissenloser Weise mißbraucht, lebig- lich zu politischen Agitationen." — Das be zieht sich auf -ie Forderungen der Polen im rheinisch westfälischen Jndustriebezirke. Wenn die gleiche An schauung aus ganz ähnlichen Anlässen von ,Hakatisten" vertreten wird, ruft die „Kölnische Volkszeitung" Zeter und Mordio. (D Berlin, 14. April. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen gestern nachmittag mit den hier weilenden kaiserlichen Kindern eine Ausfahrt nach dem Jagd- schlosse Grünewald, wo der Tee genommen wurde. Gestern abend wohnte der Kaiser der Vorstellung im Opeiuhause bei. — Heule vormittag machte der Kaiser eine Promenade im Tiergarten, hatte im Auswärtigen Amte eine Besprechung mit dem Staatssekretär und hörte im Schloß die Vor träge reS CbefS deS MilitärkabinettS und deS Chefs deS ÄdmiralstabeS. (-) Berlin, 14. Avril. (Telegramm.) Die Aus wechselung der Ratifikationsurkunden zu dem Vertrage zwischen dem Deutschen Reiche und dem Groß herzogtum Luxemburg vom 11. November 1902 über den Betrieb der Wilhelm Luremburg-Etsenbahn erfolgte heute im Auswärtigen Amte. — „Dertz2deSJesuitengesetzeSunddieBundeS- staaten." Unter dieser Stichmarke geht die Mitteilung durch die Presse, den „Leipz. N. N." sei mitgeteilt worden, die Regierung von Reuß ä. L. solle den Sozialdemokraten im reußischen Landtage zu Liebe geneigt sein, ihre Stimme im BundrSrate zu Gunsten der Jesuiten abzugeben. Wer das den „Leipz. N. N." mitgeteilt hat, so schreibt man der „Magdeb. Ztg." aus Reuß ä. 8-, kann nur ein merk würdiger Kauz sein. Denn erstens haben wir in unserem Landtage überhaupt keine Sozialdemokraten im Plural, sondern nur einen einzigen Sozialdemokraten. Zweitens hat unsere Regierung über die Stellungnahme unseres Bundes» ratSbevollmächtigten in der Frage deS tz 2 de» Jesuiten» gesctzeS vor einigen Wochen im Landtage die Sachlage völlig klargelegt, und zwar auf eine Interpellation der national liberalen Abgeordneten Henning, Arnold und Bauch. Der Präsident der Landesregierung und BuodeSratSbevollmächtigte Herr v. Meding äußerte sich damals ungefähr dahin, daß der Fürst-Regent Heinrich XIV. über die Art und Weise der Stellungnahme des BundeSratSbevollmächtigteu von Reuß ä. L. in dieser Frage noch nichts verfügt habe. Dies wird nun aber wohl mittlerweile geschehen sein. Bei der gesamten Denkungsart deS Fürst-Regenten, und da ferner, wie man weiß, der BundesralSbevollmächligte seines eignen Landes, Reuß j. L., gegen Aufhebung des § 2 zu stimmen angewiesen worden ist, kann es nicht zweifelhaft sein, daß nunmehr auch der Bundesratsbevollmächtigte von Reuß L. L. angewiesen sein wird, ebenfalls gegen die Aufhebung deS tz 2 zu stimmen. , — Gleichzeitig mit der Publikation de- vom 8. d. M. datierten Gesetzes, betr. die Feststellung des preußischen Staatshaushaltsetats für da» Ekatsjahr 1903, sind auch mehrere der durch den Etat neu gefchaffenen Beamten stellen besetzt worden. So ist der bisherige Ministerial direktor, Wirkliche Geheime Rat Alfred Schultz zum Unter st aatSsekretär der Bauabteilungen des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten und der Ober- Baudirektor Karl Hinckeldeyn zum Ministerial direktor ernannt worden. Bisher gab eS im Ministerium der öffentlichen Arbeiten nur eine Bauabteilung, deren Direktor seit 1880 Herr Sckultz war; ihm stanken als oberste technische Beamte für den Hochbau und den Wasserbau zwei Ober» Bau-Direkloren zur Seite. Jetzt sind zwei Bauabteilungen und für diese die Stelle eines besonderen UnterstaalssekrelärS eingerichtet worden. Der Unterstaatssekrelär ist gleichzeitig Direktor der Abteilung für den Wasserbau, während Direktor der Abteilung für den Hochbau der Ober-Bau direktor Hinckeldeyn geworben ist. (Mgdb. Ztg.) — Damit ist die in neuerer Zeit von verschiedenen interessierten Seiten angeregte Neuregelung der preußischen Wasserbauverwaltung im antiagrarischen Sinne erfolgt. Die Agrarier wünschten nämlich die Angliederung der Wafferbauabteilung au daS LandwlrtschaftSminifterium. * Hamburg, 18. April. Es ist bemerkenswert, den Stand der gegenwärtigen Lohnbewegung zu beob achten; fast überall ruhen nämlich augenblicklich die ge werkschaftlichen Bestrebungen, den Arbeitern eine bessere Lage durch höhere Löhne und geringere Arbeitszeit zu verschaffen, vollständig. Nachdem die Zentralverbändler und Accordarbeiter sich äußerlich wieder vereinigt haben zum Zweck der Durchsetzung des Neunstundentages, reden ihre Organe gleichwohl davon, daß die Kon junktur im Bauwesen nicht derartig sei, daß man eine Lohnbewegung riskieren könne. Genau dieselbe Taktik wird innerhalb des Zcntralverbandes der Brauereihülfsarbeiter innegehalten; während die Sektion I dieses Verbandes, die Bierkutscher, Stall leute und Hülfsarbeiter, bereit: sind, in einen AuSstand cinzutreten, hatten die übrigen Sektionen damit zurück und erklären, die R ei ch s t a g S w a h l e n abwarten zu wollen. Wenn man diese Bemerkung mit einer vor eiligen Erklärung des -weiten Vorsitzenden des Zentral, verbandcs der Maurer, Ettlinge, der meinte, in zwei Monaten sei vielleicht Zeit zu einem Streik, zusammen- hält, so ist klar, daß die Sozialdemokratie nicht nur in den politischen, sondern auch in den gewerkschaftlichen Ver bänden alle Kräfte sammelt, um zu den Reichstagswahlen vollkommen gerüstet dazustehen. Alle sogenannten Lohn forderungen, die vor diesem Termine gestellt werden, sind demgemäß Spiegelfechtereien; nach dieser Zeit mögen sich die Arbeitgeber gerüstet halten. lWef.-Ztg.) * Osnabrück, 14. April. Die hiesigen Zimmergeselleu sind heut« in den Lasst« »d getreten. (Voss. Ztg.)
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