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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030416019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903041601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903041601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-16
- Monat1903-04
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Tabellarischer und ^iffernsatz entsprecheud höher. — Gebühre» für Nachwrisungeo u»d Offertrnaunohme 2ü (rxcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit ver Morgen »Ausgabe, ohne Postbeförderun, 80.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgab«: Bormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bi» abends 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig 97. Jahrgang. Mchervertrieb iu Nordamerika. v. Bon der nordamerikanischen Konkurrenz wird immer empfindlicher der englische Büchermarkt in Mit leidenschaft gezogen. Früher war London für den ganzen Nordamerikanischen Büchermarkt vorbildlich und ton angebend. Heute hat sich dieses Verhältnis gänzlich um gewandelt. Chicago und New Bork sind Mittelpunkte des nordamerikanischen Buchverlags und haben mit ihrem Bücherabsatz steigende und erstaunliche Erfolge erzielt. Wie Mac Kenzie in seiner Schrift „Hw Xmeriean In- vaäsrs" versichert, gehört es durchaus nicht zu den Selten heiten, daß nordamertkanische Bücher in verhältnismäßig kurzer Zeit ganz ungeheuerliche Auslagen erleben, zu weilen bis zu 500 000 Stück und darüber. Auflagen, die nach Hunderttausenden zählen, sollen in Nordamerika sehr häufig vorkommen. Allerdings gehen die betreffenden Verleger mit allen Mitteln der modernsten Geschäfts reklame vor, um ihren Büchern einen möglichst ausge dehnten Absatz zu verschaffen. In dieser Hinsicht fühlt sich der nordamerikanische Verleger durch keine Standesrück- sichten behindert; er tritt ohne Bedenken in Wetteifer mit -en Vertreibern von Dreidollar-Stiefeln oder mit den Unternehmern von Schaustellungen. Oft füllen Bücher reklamen ganze Seiten des Anzeigeteils großer nordame rikanischer Tagesblätter und Zeitschriften aus. Zu diesem Zwecke werben mit Vorliebe die Sonnabendsnummern be nutzt. Dabet erreichen allerdings die Reklamekosten eine Höhe, die für europäische Begriffe außerordentlich ist. Doch weiß der smarte „boower" genau, was er tut, wenn er 20000 und mehr an Reklamekosten für ein einziges Buch aufwendet. Nach Einleitung einer entsprechenden Reklame wan dern große Mengen deS betreffenden Buches in die Buch- verkaufSabteilungen der Warenhäuser, wo sie in der Regel unmittelbar am Eingang massenhaft aufgeschichtct werden, sodaß sie dem Eintretenden gleich ins Auge fallen. In vielen Fällen bleibt der Erfolg nicht aus. Oft werden auf diese Weise in ganz kurzer Zeit Tausende abgcsetzt, selbst verständlich gegen bare Bezahlung. Manche Bücher gehen ab wie warme Seunneln, und selbst Leute, die sonst Bücher nicht zu lesen und noch weniger zu kaufen pflegten, ver sorgen sich auf diese Weise mit „geistiger Nahrung" und kaufen regelmäßig neue Bücher mit einem Eifer, als wären sie von einer Art Lesewut befallen. Selbstverständlich rechnen die nordamerikanischen Bcr- lagSbuchhändler mit den Neigungen und Liebhabereien ihres Lesepublikums, das im allgemeinen kürzere Romane, Novellen und Erzählungen bevorzugt. Danach wählen die Verfasser ihre Stoffe, danach entscheiden die Verleger. Große Probleme und Konflikte werden nicht behandelt. Dagegen bringen derartige Bücher mit ihren Erzählungen bunte Bilder auS dem nordamerikanischen Leben, mehr oder minder naturalistischer Art, mit zahllosen Einzel heiten, wie sie jeder Leser tagtäglich selbst beobachten kann. In den meisten Fällen muß die Individualität des Schriftstellers den spekulativen Anforderungen des Ver legers weite Zugeständnisse machen. Von einem der ge- lesensten Romane in jüngster Zeit erzählt Mac Kenzie, daß er größtenteils nach den Anweisungen des Verlegers ver faßt worden sei. Der Verleger habe dem Verfasser nicht nur Direktiven über Idee, Zeit und Charakter gegeben, sondern auch noch obendrein an dem fertigen Manuskript reckt gründlich herumgedoktert, um das Ganze dem Ge schmacks desPublikums, den er genau studiert hat, möglichst mundgerecht zu machen. Schließlich wurde das Buch, wie Mac Kenzie sich ausdrückt, im wahren Sinne des Wortes I dem Publikum in die Gurgel hineingestopft, wie den Eng ländern von anderen Unternehmern Pillen un- sonstige Gehetmmittel. Unter solchen Umständen kommt es zuweilen zu einer förmlichen Schriftstellerhatz der betreffenden Verleger, wenigstens da, wo es sich um besonders beliebte Schrift steller handelt. Da kann der anständige Verleger mit seinen Berufsgenvssen von der Reklame nicht mitkommen. Allerdings ziehen die betreffenden Schriftsteller großen Nutzen, da ihr Anteil am Gewinn erheblich gesteigert wird. Früher stellten sich in -er Union die Schriftsteller honorare auf etwa 5 Prozent des Umsatzes. Heute dagegen erhalten die beliebten Schriftsteller einen Honorarsatz von 20 bis 30 Prozent des Umsatzes infolge der Konkurrenz der Verleger, die sich gegenseitig die Autoren abjagen. Auch in der nordamerikanischen Schriftstellerwclt hat sich der Erwerbstrieb gewaltig entwickelt. Vom europäischen Standpunkt aus sind freilich die Zustände, die daraus ent» standen, höchst unerfreulich. Schriftsteller der gedachten Art sind, soviel sic auch verdienen mögen, doch schließlich die Sklaven ihrer Verleger, und diese Verleger wiederum stehen in Abhängigkeit von den Wünschen der Waren häuser, die auf Bücher genau ebenso ihre Bestellungen auf geben wie auf Knöpfe oder sonstige Erzeugnisse der In dustrie. Für das Geld, das den Käufern abgeknöpft wird, erhalten diese also zumeist Zeug, das im besten Falle kaum die Zeit wert ist, die zum Lesen verwendet wird, im schlimmsten Falle ebenso verderblich wirkt, wie Fusel. Gleichwohl ist die Besorgnis nicht unbegründet, daß die Art des Büchervertricbes in Nordamerika auch bei uns sich cinbürgern werde. Ansätze dazu sind bereits vorhan den. Die Gesetzgebung kann dem schwerlich vorbeugen. Auch Vereinigungen von Buchhändlern und Schriftstellern haben nur sehr beschränkten Einfluß ans ein Treiben, in dem der Erfolg immer auf der Seite der größten Kapital kraft und Skrupellosigkeit ist. Nur die Kritik kann uns einigermaßen schützen, wenn sic unbestechlich und mit der durch den Gegenstand bedingten Schärfe den Fabri katen zu Leibe geht, die mit allen Mitteln der Reklame und der Ucbcrrumpclung den Massen ausgcnötigt werden. Es könnte daher recht bedenkliche Folgen haben, wenn der Kritik die Flügel beschnitten würden. Ihre Ausschreitun gen schaden weniger, als ihre Knebelung schaden würde. Das Bedeutende bricht sich Bahn, auch trotz abfälliger, ja böswilliger Kritiken; das Schlechte aber vergiftet ganze Generationen, wenn es aus Rücksichten auf den Ver fertiger und den Verleger nicht beim rechten Namen ge nannt werden darf. Deutsches Reich. e. Dresden, 15. April. In Bezug auf die S t e l l u n g- nähme der König l. sächsischen Staats regierung zu der angeregten Aufhebung des ff 2 des Iesuitengesetzes sind hier und da trotz bündigster Erklärungen die Besorgnisse laut ge worden, daß Sachsen im Bundesrate schließlich doch noch für die Aufhebung des umstrittenen Paragraphen stimmen könnte. Dies ist bei der gegenwärtigen Zu sammensetzung unserer Regierung vollständig aus geschlossen, ja, cs ist sehr wahrscheinlich, daß im König reiche Sachsen, falls der gefahrdrohende Aufhebungs antrag im Bundesrate Annahme findet, die Frage er wogen wird, ob der durch die sächsische Verfassung gegen jesuitische Eindringlinge gewähr leistete -Schutz hinretchc und ob cS sich nicht em pfehle, ihn durch landesgcsctzliche Bestimmungen zu stärken. Die Berechtigung zu einem solchen Vor gehen liegt auf der Hand, da nach der Rcichsverfassnng die Kirchenfragcn der Landesgesetzgebung unterstellt sind, und daß die sächsische Negierung nicht gewillt ist, an dieser Berechtigung rütteln zu lasten, ergiebt sich aus dem Verlaufe der Sitzung der Zweiten Stände kammer vom 5. Juni vorigen Jahres. In dieser Sitzung interpellierten 78 Abgeordnete ohne Unterschied der Fraktion unter Führung der Abgeordneten L e u p v l d - Dresden (kons.) und Dr. Vogel-Dresden <natl.) die Regierung wegen des noch unvergessenen T o l e r a n z a n t ra g c s, um „weite Kreise auf die be stehende Gefahr aufmerksam zu mache», zur Abwehr an zuspornen, die Regierung in ihrer abwehrenden Haltung zu befestigen und dem Kultusministerium des Vertrauert zu votieren." Staatsminister Dr. von Seydewitz antwortete auf diese Interpellation: Aus dem Artikel 4 der Reichsverfassung, der die der Neichsgesctzgebung unterworfenen Gegenstände aufführt, ergebe sich, daß die Kirchenfragen nach wie vor der Landesgesetzgebung unterstellt bleiben sollen. Wenn die Reichsgesetzgebung auf das kirchliche Leben hinübergegriffen habe, so sei dies meist nur in Verbindung mit großen Gesetzgebungswerken geschehen. In dem einzigen Falle, in dem die Reichsgeseygcbung eine kirchliche Frage selbständig geregelt habe, habe es sich nur um eine einen Teil einer einzigen Religions gemeinschaft betreffende Frage gehandelt. Einer weit über die ursprüngliche Tendenz der R ei ch s v e r f a s s u n g h i n a u s g e h e n d e n Kom petenz müsse die sächsische Regierung sehr entschieden widersprechen. Das Ver hältnis zwischen Kirche und Staat habe sich in den ver schiedenen Staaten teils auf Grund besonderer Verhält nisse, teils auf Grund besonderer rechtlicher und ethischer Auffassungen ganz verschieden gestaltet, und er würde cs nicht für gerecht halten, wenn man historisch wohl begründete Verschiedenheiten im Wege der Reichsgesetz gebung beseitigen wollte. Die Staatshoheit über die Kirche werde für Sachsen in der Verfassung festgelcgt; sie bilde einen Grundpfeiler des ganzen sächsischen Staats lebens und die Negierung werde für die Beseitigung dieses Fundamentes die Verantwortung nicht über nehmen kömren. Er versichere, so lange er sächsischer Kultusminister sei, werde er alle Kraft daran setzen, damit in Sachsen der Frieden zrvischen Staat und Kirche und den einzelnen Konfessionen erhalten bleibe. Aus dieser Erklärung geht klar hervor, daß die jetzige säch sische Regierung nicht daran denkt, das staatliche Hoheits recht über die Kirche durch das Reich schmälern zu lassen. Da das aber geschähe, wenn der 8 2 des Iesuitengesetzes fiele, so ist es eigentlich selbstverständlich, daß man der Frage näher tritt, ob denn der verfassungsmäßige Aus schluß der Jesuiten aus dem Staatsgebiete noch hinreiche oder durch eine landesgcsctzliche Bestimmung verstärkt werden müsse. 6. II. Berlin, 15. April. Die sozialdemokra tische Organisation derHandels-, Trans port- und Verkehrsarbeiter Deutschlands hat seine Generalversammlung abgehalten, auf der allerlei Interessantes zur Sprache kam. Zunächst beschloß man, für die streikenden holländischen „Genossen" als erste Rate 2000 abzuscnden. Die Organisation der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter ist bekanntlich erst neue ren Datums, ihre erste gröbere Wirksamkeit entfaltete sie bei -em Berliner Straßenbahnarbeiter streik. Trotzdem ist sie bereits beträchtlich angcwachscn und wird voraussichtlich noch viel von sich reden machen. Im ersten Quartale dieses Jahres hat sie um mehr als 3000 Mitglieder zugenommen, denn von 20 012 Mit gliedern Ende 1002 stieg sic auf 24 116. In der General versammlung wurde mitgcteilt, daß der Verband einen Teil seines Vermögens in Aktien der Großen Berliner Straßenbahn angelegt hat, um stimmberechtigt in der Generalversammlung der Aktionäre dieses Unternehmens zu werden. Sehr erfreut war man in der Generalver sammlung über die Zunahme der Warenhäuser, weil sie die Agitation erleichtere; das alte patriarchalische Verhältnis verschwinde, alte Hausdiener, wie man sie früher noch in Kleinbetrieben zu sehen bekommen habe, gebe es in Warenhäusern nicht; in einer einstimmig an genommenen Resolution wurde aus diesen Gründen die Entwickelung der Warenhäuser begrüßt. Neuerdings hat der Verband Bezirksaaitatoren angestcllt, die eine rege Tätigkeit entfalten. Sebr bemerkenswert ist, daß der Vorsitzende in einer langen Rede auseinandersetzte, man müsse alle Mittel und Wege ausfindig zu machen suchen, um den Eisenbahnarbeitern das Koali tionsrechtzusichern. Zu dem sozialdemokratischen Eisenbahnarbeiterverbande unterhält man sehr enge Be ziehungen. D Berlin, 15. April. (Telegramm.) Gestern mittag fand keim Kaiserpaare Familientasel statt. Nachmittags begab der Kaiser sich nach Schloß Bellevue und uaternahm von da aus mit der Kaiserin einen Spaziergang durch den Tiergarten. — Heute morgen machten der Kaiser und die Kaiserin die gewohnte Promenade im Tier garten; ver Kaiser batte darauf um 9'/, Uhr eine Besprechung im Auswärtigen Amte mit dem Staats sekretär Freiherrn von Richthofen, hörte von 10 Uhr ab im Königlichen Schlöffe den Vortrag des Chef« de» Zivil- kabineitS Dr. v. LucanuS, empfing hierbei den neuen General- Superintendenten Köbler und börte um 12 Uhr den Vortrag de» Intendanten v. Hülsen. Zur Tafel sind geladen der Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha, der Erb prinz-Regent von Hohenlohe-Langenburg, der In tendant v. Hülsen, Minister-Resident CoateS, Gesandter v. Voigts-Rheetz, Bezirkspräsivent Graf Zeppelin. A Berlin, 15. April. Die „Nordd. Allgem. Zeitung" bestätigt die Meldung, daß die Kaiserin sich zu ihrem eigenen lebhaften Bedauern auf ärztlichen Rat genötigt sieht, auf die Teilnahme an der Reise de» Kaiser» nach Italien zu verzichten. Gnesen, 15. April. In dem Prozeß gegen den Rechtsan walt Wolin Skt und Genossen, d. h. also gegen eine größere An zahl Mitglieder des Wrejchener Unterstützungscomitö», findet die Verhandlung wahrscheinlich schon Ende dieieS Monats statt. Wie der „Dziennik Poznanski" mitteilt, hat die Verteidigung des Angeklagten der bekannte freisinnige Reich-tagSab- geordnete Rechtsanwalt Lenzmann übernommen. H.. Pose«, 14. Avril. Von der bereits angekündigten neuen Zeitschrift „ Ouo Vadis? " ist heute die erste Nummer erschienen. Das Blatt wird in polnischer, deutscher und französischer Sprache herausge geben. Die uns vorliegende Nummer enthält eine Reihe nur in polnischer Sprache geschriebener Aufsätze, ferner eine Anzahl Gedichte und Mitteilungen in deutscher und polnischer Sprache. DaS französische Exemplar gelangt nächste Woche in Paris zur Ausgabe und wird von dort regelmäßig vertrieben werden. Das neue Journal hat bereits einen Redaktions-Briefkasten in polnischer und deutscher Sprache. In dem deutschen Briefkasten lesen wir: „Herrn Dr. 2. — Sie wünschen, daß Ihr Artikel unver ändert eingesetzt werden soll, das ist unmöglich. Wir ver zichten lieber auf derartige Zusendungen. „Quo VadiS?" arbeitet neutral, nimmt keine Heyartikcl an, darf den Weg neutraler Gerechtigkeit nicht verlassen." Nach der Erklärung des Herausgebers soll das Blatt der „Ver- söhnungspolitik" dienen. Gedruckt wird es bei Herrn Biedermann, dem bekannten Herausgeber der „Praca". Der Begründer und Herausgeber ist angeblich ein Herr T. v. Swinarski in Wongrowih «Bez. Brom berg), Redaktion und Expedition befinden sich aber in Posen. Bicdcrmannsche Bersöhnungspolitik ist so ziemlich das Blutigste, was an Ironie geleistet werden kann. * In Iserlohn ist am Sonnabend vor Ostern die angekündigte Massenaussperrung von Arbeitern wirklich vollzogen worden. Die Vor geschichte dieses für die dortigen Fabrikanten unvermeid lich gewordenen Schrittes ist folgende: Die Firma Schäfermeyer <L Hens hatte einem Arbeiter gekündigt. Da dieser Arbeiter kurz vor der Kündigung zum Ver trauensmann der freien Gewerkvereine gewählt worden war, faßten die Gcwerkvereine diese Kündigung als gegen sie gerichtet auf. Die Arbeiter der Firma Schäfer meyer L Hens kündigten und nach Ablauf der Kündigungsfrist mußte die Firma ihren Betrieb ein stellen. Um diese Zeit organisierten sich auch die Arbeit geber. Die Fabrikanten bildeten einen Arbeit- geber-Bcrband, erklärten die Sache der Firma Schäfermeyer L Hens für die ihrige und führten zum Teil Arbeiten dieser Firma aus. Daraus entstand ein Arbeiterausstand, da Arbeiter die Ausführung von sogenannten Streikarbeiten verweigerten. Ter Fabri- kantcn-Verband antwortete damit, daß in sechs Fabriken eine Anzahl Schleifer entlasten wurde. Die freien, die Hirsch-Dunckerschen und die christlichen Gewerk vereine beschlossen, jetzt die Anerkennung ihrer Orga nisation und damit ihre Mitbestimmung über Ein stellung und Entlastung von Arbeitern durchzusetzen. Feuilleton. Neger und Weiße in den Vereinigten Staaten. Bon Dr. Curt Lange. >.'<achdru<t verdoien. Die Negerfrage erhebt in den Bereinigten Staaten von neuem drohend ihr Haupt. Zwar ist sie trotz Bürger, krieg und Emanzipation in Wirklichkeit nie ver schwunden; daß sie aber jetzt erneut in den Vordergrund tritt, das hat Präsident Roosevelt veranlaßt, indem er mir der praktischen Gleichberechtigung der Neger Ernst machte. Einen „ooloursck Osntlaman" als gleich berechtigten Bürger im Weißen Hause zu empfangen, einer Stadt des negerfeindltchen Südens eine Post meisterin von schwarzer Farbe aufzudrängcn — un erhörte Dinge das, die einen Sturm von Entrüstung im freien Amerika erweckt haben. Menschlich genommen verdient der mutige Präsident alle Sympathie; politisch unk» sozial betrachtet freilich ist die Negerfrage in den Vereinigten Staaten überaus verwickelt und schwierig, und eS ist wohl fraglich, ob fttr die humanen Be strebungen des Präsidenten die Stunde geschlagen hat. Als Präsident Lincoln am 22. September 1862 jene historisch so bedeutungsvoll« Proklamation erließ, durch die alle in den Südstaaten der Union gehaltenen Sklaven vom 1. Januar 1863 für frei erklärt wurden, herrschte in den Reihen der radikalen Partei, welche diesen Erlaß durchgesetzt hatte, das jubelnde Gefühl der Befriedigung, Millionen von Menschen den Bürgern der freier: Republik als gleichberechtigte zugesellt und mit der Emanzipation der Neger ein dringendes Postulat der Menschlichkeit erfüllt zu haben. Man glaubte, mit einem Federstriche aus den Mitgliedern einer an sich inferioren und unter der Hetzpeitsche der Sklavenhalter stumpf ge worbenen Rasse Menschen schaffen zu können, die von dem Bewußtsein ihrer staatsbürgerlichen Pflichten er füllt wären. Der große Staatsmann Lincoln sah freilich weiter in die Zukunft. Sein ftiir die Verhältnisse seines Landes geschärfter Blick erkannte, daß die Rasscngcgcnsätzc durch das EmanzipattonSdekrct nicht aus der Welt geschafft werden konnten, sondern, sobald die Neger nicht nur frei geworden, sondern auch hinsichtlich der bürgerlichen und politischen Rechte den Weißen gleichgestellt wären, nur eine wettere Verschärfung erfahren mußten. Einer vor ihm erscheinenden Negerdcputation erklärte er deshalb damals auch ohne Umschweife, baß man sie niemals auf die gleiche Stufe mit den Weißen stellen werde, weil die gegenseitige Abneigung zu tiefgehend sei. Man be trachte die Existenz von Millionen Schwarzer als eine Gemeingefahr und würde eS gern sehen, wenn sie das Gebiet der Union ganz verließen. Man plante damals ernstlich die Expatriierung der Neger; di« Ausführung des Projektes scheiterte jedoch a» dem Widerstande Nicaraguas, da» sich für da» ihm zugedachtc Geschenk mehrerer Millionen Neger höflich, aber recht entschieden bedankte. Die Neger und Mulatten, deren Zahl sich gegenwärtig der achten Million nähert, sind den Bürgern der große:: Bundesrepublik jenseits des Atlantischen Ozeans also ge blieben. Geblieben ist aber auch die Abneigung der weißen Bevölkerung. Das mutige Eintreten des Präsi- denten Roosevelt für die soziale und politische Gleich stellung der Schwarzen hat zwar unter diesen einen ge waltigen Enthusiasmus für ihren Beschützer entflammt, die vor kurzem erfolgte Ernennung etlicher schwarzer Beamter in den Lüdstaatcn hat aber auch den latenten Haß wieder einmal zur lodernden Flamme empor schlagen lassen und eine negerfeindlichc Bewegung her- vorgerufen, die in der inneren Entwickelung der Union vielleicht eine größere Rolle zu spielen berufen ist, als der den Verhältnissen ferner Stehende ahnt. Der cigcntlicheLchauplatz des konfliktereichenProblcms ist, wie bekannt, der Süden. Hat sich hier zwar ein Teil der Schwarzen als tüchtige Arbeiter in den Plantagen und in den Fabriken erwiesen, fo ist bei der Mehrzahl von dem mächtigen Fortschrittsdrange, den man ihnen einst mals nachrühmte, nichts zu merken. Die den Farbigen im Jahre 1870 gewährleisteten politischen Rechte sind da her im wesentlichen aus dem Papier stehen geblieben; das tiefe Bildungsniveau deS Negers bat sich im Verlaufe von 40 Jahren nur wenig gehoben und deshalb erregt cs un ter den Weißen der ehemaligen Sklavenstaaten immer einen Sturm von Entrüstung, wenn von Washington auS oder von dem unermüdlichen Verfechter der Rechte »er Schwarzen, dem Senator Gallinger aus New Hampshire, Maßregeln dekretiert oder Resolutionen befürwortet wer- den, die den tiefgehenden Riß zwischen den verschieden- farbigen Bevölkerungen zum Verschwinden bringen sollen. Besser als aus den mit Abstraktionen gefüllten Len- -enzschriften der einander gegcnüberstehcnden Parteien orientiert man sich über die Sachlage, wenn man die Mit teilungen liest, die in den offiziellen Berichten der Regie- rungskommissare und der Berichterstatter der großen New Porker Zeitungen enthalten sind, die an Ort und Stelle Erhebungen veranstaltet haben. Es handelt sich also hier nicht um Urteile, sondern um Tatsachen, die, wie schon hier gesagt sein mag, ein trauriges Bild von dem Resul tate einer langen und mühsamen Kulturarbeit liefern. Die dem Neger der Vereinigten Staaten verliehene unbeschränkte Freiheit war nicht im stände, ihm den Sinn und Verständnis für den Wert einer geordneten Existenz auf der Grundlage eines gesicherten Besitzes bcizubringen. „Onkel Tom hat keine Hütte" lnsibt cs in einem Berichte. Obwohl auch heute noch rege Nachfrage nach schwarzen Arbeitskräften besteht und Grund und Boden in den Süd staaten außerhalb der wenigen größeren und großen Städte um ein verhältnismässig billiges Geld zu haben ist, bringen es nur wenige Neger zu eigenem Grundbesitz. Wenn er den Ertrag der Erntcarbeit nicht lüderlich ver geudet hat, besitzt der schwarze Mann nach Beendigung der Ernte seine 200, vielleicht auch 300 Dollars «falls seine Frau und Kinder mit gearbeitet haben, entsprechend mehr), also genügend Mittel, um da» Stück Land zu bezahlen, auf dem er 1« wenigen Jahre» ein freier, selbstpro-uziere»-«.
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