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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030417011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903041701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903041701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-17
- Monat1903-04
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Morgen-Ausgabe Wp.;iM Tageblatt Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 182 Jahrgang Freitag den 17. April 1903. das lonv» r.vLT:— Itou Fenilletsn k-p mit auS- nun >.o. >.0. Ml. lässig erklärte. Aber die Dernburgschc Definition läßt nicht weniger Zweifel zu, als diejenige des Gesetzes. Es ist eben unmöglich, eine Zweifel ausschlicßende Begriffs bestimmung zu geben; man muß die Entscheidung dem Taktgefühl der Gerichte überlassen, und das kann man ruhigen Gewissens, auch wenn man einigen der obigen Entscheidungen nicht zustimmen sollte. Zu berücksichtigen bleibt auch, daß die Litten in den verschiedenen Gegenden des Deutschen Reiches, sowie auch in den einzelnen Bc- rufskreisen und Volksschichten nicht die gleichen sind. »v. «.o. »o. »v. uv i.0. 22 5L Loyolas abzuleiten, sie würde damit auch wenig Glauben finden! Aber es ist doch weit gekommen mit dem Deutschen Reich, wenn schon das verrottete Spanien als Parallele herangezogen werden muß. Ertra - Beilagen (gefalzt), nur mit oer Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ 60.—, mit Postbesörderung 70.—. a.IX ».v. «.0. eines energisch drcinschaucndcn Pvlizeioffiziers, eine flüchtige Durchsicht des Gepäcks, hinein in die Stadt dann, daß Kies und Funken stieben. Alles still und friedlich wo noch vor kurzem eine so „furchtbare Revolte" getobt haben soll, das elektrische Licht der Straßenampcln liegt mit mildem Schein auf den hell, grünen Blättern der Kastanien, die Hufschlägc einer Ka vallerie-Patrouille klappern hallend auf dem Pflaster, die Fensterläden der Häuser sind geschlossen, Dunkelheit ver mählt sich mit Ruhe, und das Ergebnis ist von philister hafter Wirkung, nur auö dem Erdgeschoß eines gelbge- tünchten, niedrigen HauscS, auf dessen Dache die rot-blau- wcißc Fahne flattert, glüht Heller Kerzcnschein auf die Blumen des Vorgartens — es ist das Arbeitsgemach im Konak des Königs. Und zwei Tage später stand ich in jenem behaglich ein gerichteten Gemach König Alexander gegenüber, der von gleicher Freundlichkeit und demselben gewinnenden Wesen war wir vor zwei Jahren. Der König, der die kleidsame, dunkelblaue Infanterie-Uniform trug, be grüßte mich mit festem Handschlag; er sicht frisch und kräftig aus, klar blicken hinter den Brillengläsern die Augen, in denen tiefes seelisches Empfinden liegt. In der zwanglos und zwar deutsch geführten Untcrhaltng er innerte ich den König daran, daß vor zwei Jahren, genau wie jetzt, eine Verfassungsänderung vorgcnommcn wor den wäre. „Ja", ries lebhaft der König aus, „ich hatte doch eingcsehen, daß sich durch manch' drumherum zu viele Schwierigkeiten ergaben, ich merkte, daß mir nicht so flott ryettcrkarncn, wie ich wollte, und daher die Neuelpsetzun- Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. waltung. Es war also eine nette Nacht, ivclche an die Akrobatenkunststücke menschlicher Gliedmaßen recht an haltende und schwierige Anforderungen stellte. Desto schöner war der Morgen. Uebergosscn von gol- digem Frühlingslicht, lagen die ungarischen Gefilde da mit blühenden Mandel- und Pfirsichbäumen, mit statt lichen Gehöften, in denen es regsam zugtng, mit der blitzenden Donau und den alten Kastellen wie prunkenden Stiftskirchen an ihren Ufern. Pest — ein paar Stunden Aufenthalt. Freudenreiche und freudenspendende Stadt mit deinen holden, lebensprühenden Frauen und deinen stolzen, vielbelebtcn Hauptstraßen, mit deinem lustigen internationalen Getriebe und deiner krähwinkelig-lächer» lichcn Anmaßung, daß -jedermann auf Gottes weitem Erdenrnnde die ungarisch« Sprache schon mit der Mutter milch eingesogen haben müsse. Dann wieder zur Bahn. Durch die endlose Pußta geht es, hier und da ein paar wackelige Hütten, hier und da ein paar Ortschaften mit weißen Häuschen, ein von hastigen, staubaufwirbclnden Pferden dahingcschleudertcr offener Wagen, ein von sechs mächtigen Ochsen gezogenes, schwerfälliges Gefährt mit buntfarbig gekleideten Bäue rinnen — sehr aufregend ist die Geschichte gerade nicht. Ganz anders die Gespräche in den Cvupc-s: Serbien will mobil machen, in Belgrad gab s einen blutigen Aufstand, in Albanien schlägt man sich Tag für Tag, in Makedonien herrscht Anarchie, Kürst Ferdinand denkt, von der Armee und dem Bolk gedrängt, der Türkei den Fehdehandschuh hinzuwerfcn, und hofft damit den europäischen Brand zu entzünden, der ihm die Königltrone bringen soll — und Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34. Kernsprecher Amt l Nr. 1713. 0.-8.P.UXN u. I34,b00. Redaktion und Expedition: Johanni-gasse 8. Fernsprecher 1K3 und 222. FtUalevpedMaue«: Alfred Hahn, Vuchhandlg., UlltversitStsstr.3, 8. Lösche, Kathartnenstr. 14, n. Köntgspl. 7. t.0. i.0. t.0. t.0. i.0. Haupt-Filiale Serlin: Carl Duncker, Hrrzgl. Bayr. Hosbuchhandlg. Lüyowstraße 10. Fernsprecher A»^ VI Nr. 4803. «.o. «.n. «.0. t.v >. I) t. l) »0. »v «.o. S0»e«r-0. gOUMt-U. an. des «.v. ».O. «>0. i. 0 «.O. «.v. «.0. Deutsches Reich. Hl Berlin, 16. April. (Ein Urteil Leopold v. Rankes über die Jesuiten.) Die Zentrums presse beruft sich in ihren Ausführungen zur Ehren rettung der Jesuiten gern auf L. v. Ranke, welcher in der kühl avwägenden Art des objektiven Historikers die Ge schichte des Ordens behandelt und dabei nicht allzu viel Gewicht legt auf einzelne „hyperbolische" Aeußerungen in den Schriften und Ordnungen desselben. Um so schwerer wiegt sicherlich sein abschließendes Urteil über die Jesuiten: „Von den Deutschen haben sie (bei ihrer Konstituierung) nichts empfangen: ihre Lehre und Ver fassung waren vollendet, ehe sie bei uns erschienen. Wir dürfen den Fortgang ihres Institutes bei uns im all gemeinen als eine neue Einwirkung -es romanischen Europa auf das germanische betrachten." (Gesch. der Päpste II, 24). — „Einen falschen Eid zu leisten, wäre an sich eine schwere Sünde: wer aber, sagen die Jesuiten, nur äußerlich schwört, ohne dies innerlich zu beabsichtigen, der wird dadurch nicht gebunden: er spielt ja und schwört nicht. Diese Lehren finden sich in Büchern, die sich ausdrücklich für gemäßigt ausgeben." Ranke spricht von den „anstößigsten Folgerungen" und von „Ver irrungen eines alle Moral vernichtenden Scharfsinns". Er führt aus, wie die Lehre von der Probabilität das „innerste Geheimnis der Selbst bestimmung" zu einem „so ganz äußerlichen Tun" um gestalte. (Gesch. der Päpste III, 88 u. 89.) Für die sich teilweise so heftig befehdenden Richtungen des Protestan tismus ist folgendes Wort des historischen Altmeisters um so beachtenswerter, als es nicht aus den Kämpfen der Gegenwart herausgeschrieben ist, sondern der leiden schaftslosen Beobachtung des auf hoher Warte stehenden Geschichtsforschers entstammt, der für evangelisches Christentum ein warmes Herz und für Luthers Karcchis- mus tägliche Bewunderung übrig hatte: „Auf deutschem Boden, in unserer Heimat, besiegten sie (die Jesuiten) uns und entrissen uns einen Teil unseres Vaterlandes. Ohne Zweifel kam dies auch daher, daß die deutschen Theologen sich weder unter sich selbst verständigt hatten, noch großgesinnt genug waren, um minder wesentliche Widersprüche an einander zu dulden. Die Extreme der Meinung waren ergriffen worden: man befehdete sich mit rück sichtsloser Wildheit: so daß man die noch nicht voll kommen Uebcrzeugten irre machte und damit diesen Fremdlingen den Weg bahnte, welche einer klug angelegten, bis in das Einzelnste gebildeten, keinen Zweifel übrig lassenden Doktrin auch ihrerseits die Gemüter bezwangen." Berlin, 16. Avril. (KonfcssionalismuS t.0 l.0. t.0 t.o. t.0 i. v t. I) t. l> M.0P.V« t.v l.0. t.0. Anzeiger. ÄmlsvlaLt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. daS Wablprogramm der , das ermangelt Spanisches zum Jesuitengesetze. v. L. L. In den 32 Jahren, auf die jetzt der Deutsche Reichstag zurücksehen kann, ist wohl noch nie über ein von ihm selbst erlassenes Gesetz mit solcher Leichtfertigkeit be raten und beschlossen worden, wie über das Jesuitengcsetz. Die Gefolgschaft aus Männern der Rechten wie der Lin ken, die sich diensteifrig als Schleppträger des Zentrums bei dessen Anträgen nach Aufhebung des Gesetzes eingestellt hat, ist von Jahr zu Jahr gewachsen. Hoffentlich erinnern sich diesmal unsere Wähler daran, daß sie mit diesen Ehrenmännern Abrechnung zu halten haben. Man darf mit Bestimmtheit annehmen, daß auch nicht einer dieser Abgeordneten sich die Mühe gemacht habe, festzustellen, wie in anderen Ländern die Gesetzgebung dem Orden gegen über verführt. Die im Februar vom Grafen Bülow abgegebene Erklärung, -aß Preußen im Bundesräte für die Aufhebung deS 8 2 des Jcsuitengcsetzes eintrcten werde, hat zur Genüge erkennen lassen, wie leicht man sich auch am grünen Tische die Arbeit gemacht hat. Mau will den einzelnen Jesuiten in Deutschland den Aufenthalt gestatten und hält die fronnnen Väter dann für gänzlich ungefährlich; denn der 8 1 des Gesetzes besteht ja noch und verbietet dem Orden, Niederlassungen zu grün den. Was nach Aushebung des 8 2 von dem Gesetze übrig bleibt, entspricht etwa dem, was die spanische Gesetz gebung über den Orden bestimmt. Als die Königin Isabella II., der der unfehlbare Papst Pius IX. die goldene Tugendrose verliehen hat, 1868 in die Verbannung gehen mußte, wurden in -em Lande der Glaubcnseinhcit, in dem Ignatius Loyola einst das Licht der Welt erblickt bat, in dem gutkatholischen Spanien, die Jesuiten anSgetriebcn. Bei der Rückkehr der Bourbonen 1874 hat man sich natürlich auch „der Stützen des Thrones" erinnert; aber noch heute gestattet die spanische Gesetz gebung dem Orden nicht, Grundbesitz zu erwerben; er hat auch noch keine weltliche Existenz in dem Lande, von dem er einst seinen Ausgang genommen hat. Solche weltliche Beschränkung hat aber den frommen Vätern wenig Kummer bereitet. Tie sind die Eigentümer -er spanischen Nordbahn, der Hispanischen Kolonialbank, in Barcelona besitzen sie das größte dort befindliche Warenhaus, den Siglo, die riesige Maschinenfabrik und Schiffswerft „Maritima n Terrestre". Sie sind Eigen tümer der „Transatlantischen Gesellschaft", die während des langjährigen Krieges auf den Philippinen und auf Kuba bis zur Räumung der Insel die gesamten Truppen transporte übernommen hatte und bei der elendesten Be handlung der kampffähigen wie der verwundeten Sol daten viele Millionen verdient hat. Die „Transatlantische Gesellschaft" in Barcelona ist auf den Namen des Marguis von Camillas eingetragen, und solche Strohmänner wer den auch bei den andern industriellen Unternehmungen der Gesellschaft vorgeschoben. Daß neben den industriellen Unternehmungen der frommen Väter auf der Pyrenäen halbinsel auch die spirituellen in hoher Blüte stehen, ihre Schulen und Lehranstalten, braucht nicht erst versichert zu werden. Das sind die Zustände, wie wir sie auch in Deutschland bekommen würden, wenn die preußische Negierung mit ihrer Absicht, den 8 2 des Jesuitengesetzcs aufzuheben, durchdringen sollte. Nur in einem Punkt würbe dann das Deutsche Reich von Spanien sich unterscheiden. Das Zentrum meldet heute schon an, daß es auch die Aufhebung des 8 1 -es Jesuitengesetzes verlangen werde; in Spanien gibt es keine Partei, die heuchlerisch genug wäre, aus dem ! ----- ---- Gesetze des Jahres 1868 ein Martyrium für die Jünger , muS voranstellt". — Wenn das Wahlprozramm der bayerftch und Zentrumspartei.) Offenbar im Hinblick auf die kommende ReichstagSwabl wird von klerikaler Seile der konfessionelle Cbarakter der Zentrumspariei mit gesteigerter Lebhaftigkeit in Abrede gestellt. Führende Zentrumsorgane in Preußen und in Bayern beschäftigen sich zur Zeit auf das eindring lichste mit diesem Thema, und namentlich der , Bayrische Kurier" tut sich dabei hervor. Das offizielle Organ der bayerischen Patrioten ist vor allem beflissen, geschichtliche Beweise für die Richtigkeit der Versickerung, daß Zentrums partei und KonfcssionalismuS nickiS miteinander gemein batten, zu erbringen. So beruft sich der .Bayrische Kurier" neuerdings auf bayerisch »patriotischen Partei vom Februar 187 l, gänzlick der kirchenpolitiscken Gesichtspunkte > und sich vielmehr auf Föderalismus und Militarismus er streckt habe. „Dem bayerischen Zentrum haftet also", fährt der „Bayrische Kurier" wörtlich fort, „nicht die leiseste konfessionelle Spur an. Und so ist es zum deutscken Zentrum gekommen, dessen Gründungsprogramm gleichfalls durchaus den konfessionellen Charakter ausschließt und den Föveralis- all' das wurde sehr ernsthaft von ganz ernsthaften Leuten verhandelt! Wir saßen beim flackernden Gasschein zu Dreien im Speisewagen und ließen uns den Vöslauer Goldeck munden, da trat mit gutmütigem Lächeln ein furchtbar dicker österreichischer Pvlizeiwachtmcistcr an unfern Tisch: „I bitt' schön um Vergebung, daß i stör', meine Herren, i bitt' schön die Pässe!" — Nanu, das war doch früher nicht? Der Dicke liebäugelt mit der Flasche und schmun zelt, als ob er den Goldeck schon auf den Lippen fühlt«: bitt' schön, 's ist halt Befehl von oben!" — Die Leute, die vorhin den Weltkrieg in Hellen Flammen hatten auf lodern lasten, blickten höhnisch jene an, die ihnen wider sprochen, und meinten mit chimborassoartigcr Ueberlegen- heit: „Nun, was haben wir gesagt, 's geht eben los!" — Und da schlängelte sich auch noch der Mann mit dem Zahlblock herzu: „Meine Herren, darf ich bitten?" Wir sind gleich in Scmlin. Fahrens auch nach Konstanti nopel? Nein, bloß bis Belgrad? Na, da scin's froh! 's ist schon wieder bei Mustapha Pascha letzte Nackt «ine Brucken gesprengt worden — sie machens toll da unten! — Bitt' schön, drei Gulden fünfzig Kreuzer", und der liebens würdige Zeitgenosse benutzte die Wirkung seiner Alarm nachricht, sich schleunigst um einen Gulden dreißig zu ver rechnen, natürlich nicht zu seinen Ungunsten. Drüben, jenseits der Donau, tauchen in langer Kette die flimmernden Lichter Belgrads auf, der Zug raffelt über die langgespanntc, ciserve Brücke, kurz vor 10 Uhr ist die serbische Hauptstadt erreicht. Eine genaue, aber freundlich durchgeführte Kontrolle deS Paffes ßcitent 2m europäischen tvetlerwinkel Reisebrief von Paul Lindenberg. Nachdruck verboten. I. Berlin-Pest. — Nach Belgrad. — Befürchtungen unter wegs. — Ankunft in der serbischen Hauptstadt. — Empfang beim König Alexander. — Wichtige Aeußerungen. — Allerhand Unterhaltungen. — Unpolitisches und Poli- ttsches. — Belgrad im Frühlingsschmuck. — Auf nach Albanien. Belgrad, 10. April. Abfahrt nachmittags Berlin, Zoologischer Garten. Kalt und unfreundlich ist's draußen, und nicht minder drinnen in dem seit Anno Toback benutzten Eisenbahn wagen, der auf jeder größeren Station liebevoll auf seinen Gesundheitszustand untersucht wird, und der, wenn ihn wider Willen die fauchende Lokomotive vorwärts zieht, feine Abneigung gegen die Steigerung des modernen Ver kehrs durch Quietschen und Stöhnen zu lebhaftem Aus druck bringt. Und darin ward er unterstützt von den in drangvoller Fülle zusammengepreßten Fahrgästen, die sich die Zett vertrieben mittels anmutiger, aber absolut nicht anzüglicher Bemerkungen über gewifle direkte Wagen »wischen Berlin und Pest einer SEtsieu Eisenbahrrver- BezugS Preis t» der Hanptexpedition oder deren Ausgabe stelle» abgebolt: viertehährlich 8.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau ul 8.7k. Durch die Post bezogen für Deutich- laud ». Oesterreich vierteljährlich >tl 4.80, für dis übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. »ns» Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petltzeüe 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4gespalten) 7ö vor den Familiennach richten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto). eS unter Lebenden oder auf den Todesfall, die Zuwendung sprochene Bezahlung für den gewährten Kuß für zu ungültig macht. ---- - — ' " Das Reichsgericht hat die Ausdehnung des Zurückbe haltungsrechtes des Vermieters auf die der Pfän dung nicht unterworfenen Sachen des Mieters als nicht gegen die guten Sitten verstoßend erklärt. Nicht gegen die guten Sitten soll eine Vereinbarung verstoßen, nach der cs dem Prinzipal freistcht, seinen Reisenden so fort zu entlasten, falls besten Erfolge ihn nicht befriedigen. Allerdings sei es nicht willkürlich, sondern nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen, ob die Leistungen des Reisenden genügend seien oder nicht. Nicht gegen die guten Sitten verstoße die Hingabe eines Darlehns zu einem Spiel, mag es von einem Mitspieler oder von einem Dritten gegeben werden; das Gegenteil sei nur an- zunehmcn, wenn die Hingabe des Darlehns eine selbst süchtige Förderung eines im öffentlichen Interesse ver botenen Spieles darstellt. Ebenso verstoße es gegen die guten Sitten, wenn jemand, der durch Zufall Kenntnis von der strafbaren Handlung eines Andern erlangt hat, sich ein Sch w e i g e g e l d dafür, daß er die Tat nicht zur Anzeige bringe, versprechen lasse. Es sei zwar an sich sein gutes Recht, seinen Mund zu halten; aber aus dem Schweigen Vorteil ziehen zu wollen, sei unanständig. Unsittlich ist «s auch, wenn sich jemand etwas dafür geben oder versprechen läßt, daß er von einer unbegründeten Anzeige Abstand nimmt. Läßt man sich hingegen von demjenigen, der eine Straftat begangen hat, versprechen, den «„gerichteten Schaden nach Möglichkeit wieder gut- zumachcn, und verpflichtet sich für den Fall, daß dies ge schieht, eine Strafanzeige nicht zu machen, so ist dies nick>,t unsittlich. — Gegen die guten Sitten verstößt die unent geltliche Verabreichung von Speisen und Getränken zum Zwecke der Wahlbeeinflussnng; ein hierbei abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist nichtig. Verschieden haben die Gerichte in folgenden Fällen er kannt. Den Berkans einer ärztlichen Praxis hat das Obcrlandesgcricht Braunschweig für nichtig erklärt, das Obcrlandcsgericht Posen hingegen für gültig. Die Ab rede mehrerer Personen, bei einer Versteigerung nicht für den Meistbietenden, sondern nur für ihre Ge meinschaft zu erwerben, und alle Sachen, wofür die Mit glieder der Gemeinschaft den Zuschlag erhalten haben, nach Beendigung der öffentlichen Auktion unter sich priva tim wieder zu versteigern, nm auf diese Weise die Sachen sich nicht zum eignen Schaden in die Höhe zu treiben, hat das Kammergericht in Berlin für nicht gegen die guten Sitten verstoßend erklärt. Nur dann, wenn die Absicht auf Bezahlung eines unverhältnismäßig niedrigen Preises gerichtet war, waS nicht ohne weiteres ange nommen werden könne (?), liege ein unsittliches Geschäft vor. Das auf dem linken Nheinufer gelegene, in der praktischen Anwendung des Begriffes „gegen die guten Sitten" durch langjährige Hebung besser bewanderte OberlandeSgericht Kolmar hat hingegen eine derartige Verabredung ohne weiteres für unsittlich erklärt, ohne den seltsamen Unterschied zu machen, ob die Absicht auf Bezahlung eines unverhältnismäßig niedrigen Preises gerichtet war oder nicht. Auch die juristische Literatur bemüht sich vergebens, eine genaue Bestimmung des Begriffes „gute Sitten" zu geben. Der Altmeister der Nechtslohrer, Professor Dernburg in Berlin, betont, daß der Inhalt des Ge schäfts ein gesunder sein und den heutigen sozialen An schauungen entsprechen müsse. Man wird ihm darin zu stimmen, wenn er bezweifelt, daß man dies von dem Urteil eines ostpreußischen Oberlandesgerichts sagen Rechtsgeschäfte gegen die guten Sitten. L. Es ist ein Jahrtausende alter Rechtssay, daß Rechtsgeschäfte und Handlungen, welche gegen die guten Sitten verstoßen, von den Gerichten nicht geschützt werden. Diesen Grundsatz hat auch unser Bürgerliches Gesetzbuch übernommen. Es erklärt: „Ein Rechtsgeschäft, gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig." Als Beispiel führt es zunächst den Wucher Wucherische Geschäfte waren bis zum Inkrafttreten Bürgerlichen Gesetzbuches nur dann ungültig, wenn sie strafbar waren. Jetzt kommt es darauf, ob die Voraus fetzungen der Strafbarkeit vorliegen, nicht mehr an^ sondern «S genügt, daß das, wenn auch ganz vereinzelt abgeschlossene Geschäft die Merkmale des Wuchers ent hält, um eS null und nichtig zu machen. Diese Merkmale sind in persönlicher Beziehung die Ausbeutung der Not lage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines Andern, in sachlicher Beziehung die Gewährung von Vor teilen für den Wucherer, welche den Wert dessen eigner Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach daS „Mißverhältnis" ein „auffälliges" ist. Dieser Begriff ist außerordentlich dehnbar; über eine falsche Anwendung hat man jedoch Klagen bislang nicht vernommen. Ein ferneres Beispiel, welches daS Gesetz selbst anführt, ist die geschäftliche Heiratsvermittelung. Das Gesetz sagt: „Durch das Versprechen eines Lohnes für den Nach weis der Gelegenheit zur Eingehung einer Ehe oder für die Vermittelung des Zustandekommens einer Ehe wird eine Verbindlichkeit nicht begründet." Die auf Grund des Versprechens gezahlte Provision kann jedoch nicht zu rückgefordert werden. Die Bestimmung ist vom Reichs tage mit nicht sehr großer Majorität beschlossen worden. Ein andres Beispiel des Gesetzes ist das Sichversprechen- lassen einer „unverhältnismäßig hohen" Vertrags strafe für den Fall, daß der Schuldner seine Licfe- rungs-, Zahlungs- oder sonstige Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. Das Gericht ist er mächtigt, in solchen Fällen die Vertragsstrafe auf den an gemessenen Betrag herabzusetzcn; es soll dabei jedes be rechtigte Interesse des Gläubigers, nicht nur das Ver mögensinteresse in Betracht ziehen. Eine besondere An wendung des gleichen Gedankens enthält das neue Han delsgesetzbuch, indem cs die Vereinbarung eines Kon kurrenzverbotes zwischen dem Prinzipal und dem Hand- lungSgehülfen für diesen nur insoweit für ver bindlich erklärt, als „die Beschränkung nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht die Grenzen überschreitet", durch welche eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Hand- lungsgehülfen ausgeschlossen wird. Diese Vorschriften wurden in den Verhandlungen als bedeutsame gesetzliche Schritte bezeichnet, die vielleicht nicht ohne Bedenken seien, weil dem gerichtlichen Ermessen ein sehr weiter Spielraum gewährt werde, wie ein solcher bisher in Deutschland östlich vom Rhein unbekannt ge wesen. Man meinte, bei der Gewissenhaftigkeit des deut- schen Richterstandes dürfe indessen unbedenklich darauf vertraut werden, daß die Vorschriften im ganzen und groben nur in dem Sinne angewcndct werden würden, in dem sie gemeint sind. Betrachten wir die inzwischen erfolgte Rechtsprechung der Gerichte, so finden wir, daß die Verpflichtung, einen Glaubenswechsel einzugehen oder nicht einzu gehen, als gegen die guten Sitten verstoßend für nichtig erklärt ist und daß die gleiche Verpflichtung, wenn sie - als Bedingung einer Zuwendung hinzugefügt wird, sei I könne, welches die Klage eines Mädchens auf die ihr ver
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