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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030401018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903040101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903040101
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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2378 Braut hat auf Bismarck beruhigend und festigend gewirkt und den Borgang feiner religiösen Genesung beschleunigt. Aber so zartsinnig er eS vermied, sie zu Glaubensregungen wie sie gerade in ihm arbeiteten, hinitberzuztehen »Briefe, T. 61), so machte er Loch ihr gegenüber aus dem freieren Standpunkte, auf den ihn sein« größere Geisteskraft, feine tiefere Bildung und seine reichere Lebenserfahrung hoben, kein Hehl. Er sagte ihr offen, er könne nicht alles aunehmrn, was in der Bibel geschrieben stehe, weil es doch immer nur Menschen seien, die Gottes Wort darin über liefert hätten; und er wandte sich mit Festigkeit gegen den auch von Lothär Bucher bezeugten „herruhutifchen" Geist, von dem Johanna nicht ganz frei war. So warnte er sie vor der religiösen Tränenseligkeit, zu der sie und Moritz Blankenburg ganz im Geiste des Pietismus „einander auf. regten"; und als sie einmal erkrankte und der Vater in frommem Vertrauen auf Gottes Beistand Arzt und Arznei ablehnte, da rügte er dies Verhalten in ernsten Worten al» unverantwortlich. „Gottes Hülfe entscheidet aller- ding» (sagte er), aber gerade er hat uns die Arznei und den Arzt gegeben, damit durch sie un» seine Hülfe zu- komme, und dies^ in der Gestalt ablehnen, heißt ihn ver suchen . (Briefe, S. 87.) Bi-marck fühlt sich freudig und frei in seinem wiedererrungenen Glauben, aber es war ein männlicher, kraftvoller, grohgesinnter Glaube, besten er bedurfte, und diese Größe der Auftastung ,di- -r über der in engerem Seift« erzogenen Braut geltend machte, trat mit besonderem Nachdruck in der schdnen Mahnung, die er im Februar 47 an sie richtete, hervor: „Wie habt Ihr doch meist so wenig Vertrauen in Tuern Glauben, und wickelt ihn sorgfältig in die Baumwolle der Abgeschlossenheit, damit kein Luftzug -er Welt ihn er- kälte, Andere aber sich an Euch ärgern, und Euch für Leute ausschreien, die sich zu heilig dünken, um von Zöllnern ufw. berührt zu werden." ' - " ' Sv trat Bismarck ins öffentliche Leben hinauf als ein gefestigter Mann, -er unter schweren Kämpfen seinen religiösen Standpunkt gefunden Hütte. Nicht nach äußeren Einflüssen oder Vorteilen hat er dabei geschielt — eS war ein tiefes L^enSbedürfniS. dem er dabei nachgab. ^Erst in dem sicheren und starken Gottglauben fand er Kraft zum Leben und Lebensfreude, und in diesem Sinne hat er wenige Jahre später in jenem herrlichen Briefe an seine Gattin auS Frankfurt am 3. Juli 1851 bekannt: „Ich begreife nicht, wie eft, Mensch, der über sich nachdenkt und doch von Gott nichts weiß oder wissen will, sein Leben vor Verachtung und Langeweile tragen, kann.. . . Sollte ich jetzt leben, wie. damal-, ohne Gott, ohne Dich, phne Kin der — ich wüßit dM in'der Tät nicht, warum ich dies Leben nicht ablegch»'sollt»,' wie ein schmutzige» Hemde!" Zürn Verständnis der politischen Wirksamkeit BiSmarckS ist die Würdigung dieser feiner religiösen UeberzeugUAgen insofern von der äußersten Wichtigkeit, al- durch sie über- Haupt erst alle» Wirken und Schaffen für ihn einen Sinn bekam und möglich wurde. Auf ihnen baute sich sein Vd^t, sein Vertrauen, feine Stärke in den gewaltigen politischen Kümpfen auf, die er durchzufechten hatte. Dafür bietet sich besonders wertvolles Material in jenen „Tagebuch blättern" von Moritz Busch lbei Fr. Wilh. Grünow), die ja vom politischen Standpunkte auS manche Anfechtung er- fahren haben, die aber jedenfalls zur Darstellung und Beurteilung Bismarcks als Menschen überaus zahlreiche und interessante Züge beibringen. So bekannte Bismarck im Quartiere zu Kerrisres in den Septembertagen des JahreS 1870, daß er nicht begreif«, wie man in geordneter Weise zusammen leben, das Seine tun und jedem das Seine lassen könne, ohne den Glauben an eine grossen- barte Religion, an Gott, der das Gute will, an einen höheren Richter und an ein zukünftiges Leben; und er entwickelte, daß seine wichtigsten politischen Ideen aus dieser religiösen Wurzel erwuchsen. Aus Religion ist er Royalist; denn „wenn ich nicht auf meinen Gott rechnete, so gäbe ich gewiß nichts auf irdische Herren", und: „Wenn e» nicht göttliches Gebot ist, warum soll ich mich denn diesen Hohenzollern unterordnen?" Aus Religion dient er dem Staate: „Warum soll ich-mich angreifen und unverdrossen arbeiten in dieser Wett, mich Verlegenheiten und übler Behandlung auSsetzen, wenn ich nicht das Gefühl habe, Gottes wegen meine Schuldigkeit tun zu müssen?" Die Religion macht ihn zum Kämpfer für da» deutsche Vater- land: „Denn ich nicht an eine göttliche Ordnung glaubte, die diese deutsche Nation zu etwa» Gutem und Großem be stimmt Hütt«, so würde ich da» Diplomatengewerb« gleich ach-eben"; ja, ohne diese „wundervolle Basis der Religion" kommen ist, da sie einerseits grundsätzlich kein staatliche» Sesetz respektieren, da» ihrer Ausbreitung und ihrer Tätigkeit Schranken setzt, vielmehr es al- ihre Pflicht de- trachten, ein solches Gesetz in jeder Weise zu umgehe» und Illusorisch zu machen, anderseits die Regeln ihres Orden» selbst eine solche Umgehung nicht nur ermög- ltchen, sondern geradezu dazu anleiten. Die OrdenS- tüttgkeit der Jesuiten ist weder an das Vorhandensein einer klösterlichen Niederlassung, noch an baS Zusammen, wohnen -er Mitglieder, noch gn das Tragen der Ordens- kleidung, ja nicht einmal an die Führung des Ordens- «amen- und wie die äußerlichen Voraussetzungen alle -pißen mögen, die sich für andere Orden von selbst ver- stehen, gebunden, sondern der Jesuitenorden richtet sich in all diesen Seußerlichkeiten nach den gegebenen Ver hältnissen. Auf dieser chamäleonartigen Versatilität be ruhen nicht nur die in mancher Beziehung bedeutenden Erfolge de» Jesuitenorden», sondern auch die unbestreit- bare Tatsache, daß noch kein Staat sich seiner.durch da bloße Verbot seiner Niederlastungen und seiner Tätigkeit hat erwehren können. Dir haben dafür auch die offen- herzigen ultramontanen Geständnisse auS der Zeit, wo e» galt, die Aufhebung de» 8 2 den Angehörigen des Zentrum» al» eine Errungenschaft der Partei darzu stellen. Auf die Krage, waS die Polizei dann noch tun könne, um die Ordenstätigkeit der Jesuiten zu ver- hindern, antwortete die „Kölnische Volkszeitung": „Die kann nur einfach die Tätigkeit der Jesuiten verhin dern, indem sie durch ihre Polizeimannschaften die Jesuiten oder Lazaristen vom Predigt« oder Beichtstuhl ge waltsam fortholt, oder eine Dame vom heiligen Her zen Jesu, wenn sie sich erdreistet, in Deutschland einigen jun gen Mädchen gute Lehren zu erteilen, mit Gewalt zum Schweigen bringen. Sie kann alsdann aber nicht einmal eine Polizei st rase folgen lassen, es sei denn, daß auch hier der Paragraph vom groben Un fug aushilft, WaS aber immerhin zweifelhaft ist." Ein andere» ultramontanes Blatt vom Rheine schrieb über die Bedeutung des 8 2 für die Aufrechterhaltung von 8 1: „Mit Aufhebung des 8 2 fehlt auch jede Strafe für die Uebertretung des 8 1. denn die Errichtung von Niederlastungen ist zwar untersagt, aber nir gendwo ist eine Strafe für den vorgesehen, der doch eine Niederlassung errichtet. Selbstverständlich würden die Jesuiten keine wirklichen Niederlassungen errichten, weil man es mit Hülfe der Polizei ihnen schon wehren würde." ES war nicht nötig, auSeinanderzusetzen, wie die tat sächlichen Niederlastungen an Stelle der wirklichen, d. h. formellen, welche die Jesuiten nach Aufhebung des 8 2 einrichten würden, auSsehen; man brauchte dazu nur nach Italien und Spanien und bis vor kurzem ganz besonder» nach Frankreich zu blicken, wo sie überall trotz wiederholter Niederlassungsverbote Hunderte von blühenden Niederlassungen hatten. Wie wenig die Jesuiten sich aber durch ein bloßes Verbot von ihrer OrdenStätigkcit abhalten lasten, das haben wir gerade in den letzten Jahren in Deutschland selbst erfahren. Ob wohl ihnen durch die auf Grund deS 8 2 des Gesetzes erlassene Bundesratsverordnung vom 5. Juli ' 1872 speziell die Abhaltung von Bolksmistionen ausdrücklich verboten ist, haben nicht nur einzelne Jesuiten bei solchen Missionen wiederholt mitgewirkt, sondern der Orden hat vor zwei Jahren an zwei Orten in Westfalen ver sucht, auf eigene Faust solche Missionen zu veranstalten. Wäre damals der 8 2 nicht gewesen, s» hätte tatsächlich die Polizei die Herren Patres vom Predigt- und Beicht stuhl mit Gewalt fortholen müssen, wie die „Kölnische DolkSzeMng" angegeben hat. Und dann hätte der Kall Lüdinghausen ganz anders auSgesehen. Sv steht e» in Wahrheit um die Bedeutung des 8 2 des Jesuiten- gefetzeS."-'.' ' - ' * Berlin, 31. März. Die sozialdemokratische Freiheit der Meinungsäußerung wird in der SonntagSnummer des „Vorwärts" von Hefnrich Braun nicht'übel verspottet. Braun meint im Ver- laufe eines langen Artikels: Der Parteivorstand habe sich mit der Zensur der Mitarbeit von „Genossen" an der bürgerlichen Presse eine Aufgabe gestellt, die der Quadratur de» Zirkels gleichkäme. Selbst wenn es gelänge, allgemeine Regeln über die Wahl der bürgerlichen Blätter, an denen die Mitarbeit von Sozialdemokraten zulässig sein soll, aufzuftellen, wie stelle man sich wohl die Instanz vor, di« über die Beachtung der Regeln wachen soll, natürlich vorausgesetzt, daß der Parteitag diese Regeln sanktioniert? Und dann wörtlich: Will der Parteivorftaud in diesem Fall bei dem nächsten Parteitag beantragen, daß, sowie neben dem heiligen Stuhl von St. Peter in Rom eine Jndexkon- gregation eingerichtet ist. die ein Verzeichnis der Schrif ten zusammenzustellen hm, deren Lektüre gläubigen Christen verboten ist, auch neben dem Parteivorstand eine Art Inder- kongregation gebildet werden soll, die die gesamte bürgerliche Presse überwacht und etwa alle Vierteljahr im „Vorwärts" neben dem Verzeichnis der Parteipresse ein solches der bürger lichen Zeitungen veröffentlicht, in die zu schreiben gläubigen Sozialdemokraten verboten ist? Diese Kongregation hätte dann vermutlich auch die Tätigkeit der Parteischriftsteller zu überwachen und sie wegen eines Vergehens gegen diese Regeln zu denunzieren? Auf dem nächsten Parteitage der Sozialdemokraten wird man über dies Kapitel wohl heftige Auseinander- fetzungen erleben. Die sozialdemokratische Ketzer riecherei höret nimmer auf. G Berlin, 31. Marz. (Telegramm.) Der Kaiser begab sich beute morgen um 8 Ubr 25 Minuten nach PolS» dam, um dort Kompagniebesichtigungen beizuwobnen. — Der „ReickSanz." veröffentlicht folgendes Bulletin: Bei I. M. der Kaiserin wurde der angelegte erste Verband heute durch einen GlpSverband ohne Schwierigkeit ersetzt. Der Befund der Bruchstelle war günstig. Da» Allgemein- befinden ist gut. D Berlin, 31. Marz. (Telegramm.) Da» „Reichs gesetzblatt" veröffentlicht das Gesetz, betieffend Feststellung ce» Netchsh-ü-tzaltSktatS für IS03 vom 28. Marz, da« Ge setz, betreffend Feststellung de« HauShaltSetatS für dir Schutzgebiet« für 1903 vom 28 März und da« Gesetz, betreffend Verwendung der Metzrerlrige der Reichs einnahmen und die Üedrr»eisun,«fteuern zur Schulden tilgung vom 28. März. D Berlin, 3l. März. (Telegramm.) Der „ReichSanz." meldet: Dem ReichSgericktSrat n. Aimmerle-Leipzig ist der Rote Adler-Orden II. Klaffe unt Eichenlaub verlieben worben. — Der Abteilung-dirlgent im Auswärtigen Amte N. Schtvartztoppen ist zum Wirtl. Geheimen LegationS- rat mit dem Range eines Rates I. Klaffe ernannt worden. (-) Berlin, 31. März. (Telegramm.) Die „Rordd. Allg. Ztg." schreibt: Der „Vorwärt»" brüstet sich, er habe dnrch feine Enthüllungen über die Wahl de» 17. Mai als Termin für die Neichst>ta»swahlen Anlaß gegeben, daß der Termin auf den l6. Juni verlegt wurde. Zum Beweise für seine Angabe, daß nach einem sorgfältig geheim gehaltenen Plane die, Wähler mit dem 17. Mai iälien überrascht werden sollen, stellt das Blatt die Behaup tung auf, in der ersten Anweisung an die Behörden über die Ausstellung der Wählerlisten sei der 17. Mai als Wahltermin angeführt. Das ganze Kartenhau- des „Vorwärts" stürzt durch die einfache Feststellung zusammen, daß der 17. Mai niemal» al» Wahltermio in Be tracht gekommen ist. (-) Berlin, 31. März. (Telegramm.) Der Reichs- und LandtagSabgeorvaete Knoercke (freis. VolkSp.) ist heule vormittag in seiner Billa im benachbarten Zehlendorf gestorben. Gustav Knoercke, Pred. omor., seit 1874 Standesbeamter in Berlin, vertrat im Reichstage den Wahlkreis Torgau, im preußischen Abgeordnetenhaus« den Wahlkreis 3b Stadt Berlin. Er war ge boren am 28. Juli 1836 in Hoheu-Lübbichru, Kreis Königsberg. Mitglied de» preußischen Landtag» seit 1875, Mitglied de» Reichs tage» 1890/93 und feit 24. März 1897. ö. Berlin, 31. März. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: Der neueKreuzzug, den die Männer der „Kreuz-Ztg." mit Eifer gepredigt Haven, soll, wie be kannt, die preußischen Konservativen und da» Zentrum zum gemeinsamen „Kampf de» Glaubens gegen den Un glauben" führen. Wie die Konservativen sich den Feldzug denken und wie weit sie die Grenzen deS Unglauben» stecken wollen, haben sie noch nicht verraten. Für- erste werden sie sich vielleicht mit den fteuutlichea Vorschlägen begnügen können, die sie in dem stet« „toleranten" Trier zu finden vermögen, und' zwar in einem Arbeiterkatechismus, der von Bischof Korum mit der Imprimatur versehen, von Kaplaa DaSbach verlegt und von einem Jesuiten ver faßt ist. Da steht zu lesen: ' ' ' , EK wäre „sehr ratsam, daß der Staat di« Verduftung atheistischer Grundsätze ganz allgemein bestrafte, nicht bloß, wenn sie von Sozialdemokraten, die meist Arbeiter sind, son dern ebenso auch, wenn , sie von liberalen Redakteuren io den Zei tungen oder von ungläubigen Professoren auf dem Katheder oder von wem sonst immer geschieht". Schade, daß nickt auch die Art der gewünschten Strafe angegeben.ist. Indessen darf man wohl den Scheiterhaufen vermuten. — Der deutscheKron pri n z und Prinz Eitel Fried rick werden in Rom am 20. April erwartet, dürften aber bei der Ankunft deS KaiserpaareS in Nom von dort schon wieder abgereist sein. ' (Hamb. N. N.) ...' . ' — Die DiäteMfrage, so meint die „Köln. VolkSztg.", brqoche diesmal sticht mehr erschwerend auf die Lösung her KändidulenfraHen zy Wrken. ^Djr Mitglieder de« nächsten RcichStäge» Werren wobl sichet Tagegelder!.beziehen, dmck Wenn sie unter de« Zeichen. der Dläteulvsigkeit geuAhU werdest. Lang« kann die Negierung ihren.Widerstand Acht mehr aufrecht erkalte». Es ist vielmehr unter Kundigen die Annahme stark vetbveit«> daß sie schon bald nach Beginn der nächste» Session «ine Diätenvorlage machen werde. Also kann man unsere» Erachten» getrost wählen, al» wenn «S schon Diäten gäbe, und hat bei der Auswahl der Kandi daten nicht mehr nötig, ängstlich zu fragen, ob der Erwählte auch in der Lage sein werde, da» Opfer der Mandats»»»- Übung bringen zu können." Wenn da» ultramontane Blat: seiner Sache sy sicher ist, kann e- sich ja. gleich zur Zahlung der Diälen verpflichten, wenn di« prophezeite Vorlage doä nicht kommen sollte. — Der Bund deutscher Nahrungsmittel-Fabri kanten und -Händler hat an den Reichskanzler Grafen v. Bülow die Bitte gericktet, veranlassen zu wollen, „daß die sachlichen Unterlagen zur Begründung gesetzgeberischer Maßnahmen auf dem Gebiete der Nahrung»- und Genuß- mittel, sowie der GebrauchSgegenstKnde im Sinne de» Nab- rungSmittelgesetzeS, bevor sie al» Grundlagen der Gesetzgebung verwendet werden, veröffentlrchr und den berufenen Ver tretern der beteiligten gewerblichen und wiffenschaftlichen Kreise zu gutachtlichen Meinungsäußerungen vorgelegt werden". — Der bisherige Preßdrzernent Gras Westarp soll zum Polizeipräsidenten tu Schöneberg bei Berlin äuSerjrhen worden sein. V' , - ' ' - ' V > - - . - ' . ' — Für den für den Friedrichshain bestimmten Märchen- brunnen ist gestern, nach fast rin und einem halben Jahre, die kaiserliche Genehmigung zur. Ausjührung erfolgt. > Es ist «rinne» lich, daß der Kaiser dem damaligen Märchenbrunneuprojekt seine Zustimmung versagte. Gestern legten Oberbürgermeister Kirschner und Stodtbaurat Hoffman« dem Monarchen di« abgeändrrten Pläne vor. Der Kaiser erklärte sich mit der nach feinen Wünschen ver änderten Fassung deS Monumentalwerkes vollständig einverstanden' sodaß mit den baulichen Vorarbeiten baldigst begonnen werden kann. — Die „Volkszeitung" hat am 1. April d. I. eia füstfzig- jä-hrigeS Bestehen zu verzeichnen. <1 -r. Mühlhausen, 81. März. ' Der Streit zwischen den Ortskrankenkassen und den Kassenärzten bat sich weiter verschärft. Jrt einer Versammlung der OrtSLranken- kaffe I wurde der Beschluß der Vorstände aller Ortskranken kassen einstimmig unterstützt, hi« Zahl der fest auzustelleodeu Kassenärzte auf sech» di» sieben rinzuschränken und jede Aus besserung de» Lerztebonorar» mit Rücksicht auf di« schlechte finanzielle Lage der Kaffe, die ihre Leistungen für ihre Mit glieder erst kürzlich um 33»/, Prvc. habe herabsetzen müssen, z. Zt. adgrlehnt. r. In Neuß i. L. scheint sich, wie man der „Deulschen Lehrrr-Ztg." schreibt, eine Schwenkung aus dem gesamten Schulgebiete vorzubereiten. Die Leitung der fünf amtlichen, den Hauptlehrerverei« bildenden Lebrervereine ist fast ganz au» den Händen von Geistlichen in solche von Lehrern übergegangen, und e» wird gehofft, daß in abseh barer Zeit alle Lehrer dem Deutscheu Lehrerverein »„gehören werden. Während früher „nur die treuesten Fürstenanhänger, unter den Lehrern, ohne Rücksicht auf ihr Dienstalter", zu Obrrlehrern in Greiz ernannt wurden, ist diese Ehre jetzt den beiden ältesten Lehrern daselbst zu teil geworden. * Kurth, 30. März. Die Aussperrung von 700 Per sonen des MetallschlägergrwerbeS trat heute hier ein, (Münch. N. N.) * München, 30. März. „Um allen Mißverständnissen über die zwischen dem Rektor der Technischen Hochschule, Professor l)r. v. Dyck und Professor l)r. Gras Du Moulin-Eckart er folgte Unterredung zu begegnen", wird offiziös erklärt, daß eS sich um eine „Vorladung" nicht gehandelt hat und nach der Stellung deS Rektors einer Hochschule zu seinen Kollegen auch nicht habe handeln können. Die Besprechung sei vielmehr von beiden Seiten gewünscht worden und habe einen rein persönlichen und kollegialen Charakter grhabt. Oesterreich - Ungar«. Duell fräse. * Wien, 31. März. (Telegramm.) Abgeordnetenhaus. In Beantwortung von Interpellationen, betreffend den Erlaß des Reich-krieg-ministerium- in der Angelegenheit der Antiduellliga, er klärt LaadrSverteidigungSminister Welfer v. WelferS- heimb, daß der Erlaß in keiner Weste sich gegen das dumane Ziel der Antiduellliga richte. Die Beteiligung von Offizieren an der Liga ist nicht für zulässig erachtet, weil für die Behandlung von Ehren- apgelegenheitea m dir Armee nur eine einheitliche Anschauung sich geltend machen dürfe und daher die bestehende Borichrift für daS ehkenrätliche Bersahrea für alle derselben unterworfenen Pe rjonen allein maßgebend fein müsse. Frankreich. Da» Budget unter Dach. * Pari», 3l. März. Nachdem die Deputiertenkammer in ihrer Frübsitzung den größten Teil der vom Senat am Budget gestrichenen Forderungen, besonders die den Kriegs etat betreffenden, wieverhergestellt hatte, nahm der Senat in seiner heutigen einstündigen Vormittagssitzung daS Budget an, erklärte sich mit verschiedenen von ver Deputiertenkammer vorgeuommenen Abänderungen einverstanden, lehnte jedoch einige andere wiederholt ab. Unter letzteren befinden sich abermals mehrere Posten, welche die Erhöhung der Ausgaben im Kriegsbudget sestsetzcn; das nun en vzültig angenommene Budget hat dre Höhe von 3 528 Millionen Francs. Schweden und Norwegen. * Stockholm, 31. März. (Telegramm.) Der König übernahm heule wieder die Regierung. Rußland. Nitualmorh-Gerücht, Dementi. ? Petersburg, .31. März. (Telegramm.) In der Ortschaft Tumanow» (KreiS TrraSpol) fanv eme Juden- hstze , statt, doch ist die Ruhe wieder hergestellt. Dem Btatr« „Ang" zufolge ist die Hetze durch Gerüchte über einen Rttualmord an einem Christenknabea in Dubdffärr veranlaßt worden. Eine zweimalige Sektion de, Lerche ergab die völlige Unrichtigkeit ver Blättermelkung, daß em Ritualmord vvrftege. Der „Regierungsanreiger" meldet: Die Blätternachricht, daß in Eriwan zwe, Mädchen von Persern getötet seien, woraus deren Vater die Mörder erschlagen habe, ist unrichtig. Im Tifliser GerichtSkreise ist von einem solchen Vorgang nichiS bekannt. Orient. valkauunruhen; Neue» Kabinett. * Konstantinopel, 31. März. (Telegramm.) Nack bei der Generaldirektion der Orientalischen Eisenbahn ein gegangenen Nachrichten ist die Eisen badnb rücke bei Mustapha Pa'cha in der vergangenen Nacht gesprengt worden. Der Chefingenieur ist heute Morgen dorthin ab- gereist. * Sofia, 31. März. (Telegramm.) DaS neue Kabinett bat sich unter dem Präsidium Danews gebildet. Alle früheren Minister beballen ihr Portefeuille, um Ausnahme Paprikows, welcher durch den Oberst Sawow ersetzt wird. Die Tagung der Sobranje wurde biS zum 81. März altea Stils verlängert. Amerika. Deweys Rückzug. * Wafhingtou, 30. März. Es wird hier in Abrede gestellt, daß Präsident Roosevelt den Admiral Dewey aus eint Beschwerde Deutschlands bin zu Erklärungen aufgejordert bade. Der Präsident hat d,eS vielmehr aus eignem An triebe getan. Admiral Dewey hat nochmals geäußert, eS habe ihm jede Absicht ferngelegen, sich über Deutschland, den deutschen Kaiser oder die deutsche Flotte abiällig zu äußern. Nach einer Unterredung mit dem Prä sidenten Roosevelt hat es Dewey abgelehnt, iigenv eine Mitteilung für die Presse zu machen. Es wird angenommen, daß von dem Zwischenfall amtlich nicht weiter Keuntni» genommen werde. Die Aeußerungeu, die Admiral Dewey «ach der Mitteilung eine« in Newark (New Jersey) erscheinenden Blattes über die deutsche Flotte getan hat, waren folgende: Die Flotte der Vereinigten Staaten sei die größte der Welt. Die Mannschaften seien intelligent und wüßten genau, waS sie zu tun hätten und die richtige Zeit, wann es zu tun sei. Eia moderne« Kriegsschiff sei ein schwerfälliges Geschöpf und müsse mit Intelligenz gelenkt werden. Die deutsche Flotte sei gänzlich von der amerikanischen verschieden in ihrer Organisation und der Zusammensetzung ihre« Menschenmaterials. Er habe ein gehende Studien über die deutsche Marine gemacht und glaube, ihre Leistungsfähigkeit in einem etwaigen Kampfe werde erheblich überschätzt. Die ameri kanischen Seemanöver in den karaibischen Gewässern seien eine Lehre für den deutschen Kaiser. Bei diesen Manövern wären einschließlich der Kohlensckiffe 54 Schiffe beteiligt gewesen, und es sei wahrscheinlich die größte der artige belehrende Vorführung gewesen, die jemals gesehen worden sei. Es wird ferner berichtet, Dewey habe gesagt, Deutschland könne wahrscheinlich keine Flotte nach Amerika hinüberbringen, welche gegen eine solche Bereinigung ankämpfen könne. Später stellte Dewey jede Feindseligkeit gegen Deutschland in Abrede, er hege die freundschaftlichsten Gefühle zu diesem Lande. * New Nork, 31. März. (Telegramm.) (Reuters Bureau.) Admiral Dewey soll im Laufe der Unter redung, in welcher er seine Aeußerung über die deutsche Flotte getan Hal, auch Großbritannien erwähnt haben. Er soll gesagt haben, England« Freundschaft für die Vereinigten Staaten sei echt und wahr. Leider schenke das Volk den Engländern nicht so viel Vertrauen, als sie verdienten. Von allen europäischen Nationen sei Groß britannien Amerikas bester Freund. preußischer Landtag. Herrenhaus. o Berlin, 31. März. (Telegramm.) Nach Er ledigung von Berichten und Denkschriften nimmt das Haus ohne Debatte die Gesetzentwürfe über die Landes trauer und die Wohnungsgeldzuschüsse an un mittelbare Staatsbeamte an. Es folgen Petitionen. Bei den Petitionen über die Fleischverkeucrung führte Landwirt schaftsminister v. Podbielsti aus, die Preise, insbesondere des Schweinefleisches, seien seit vorigem Herbst gefallen, und die deutsche Landwirtschaft habe bewiesen, daß sie im stände sei, den Markt mit genügendem Fleisch zu versorgen. Die Regierung werde zur Verhütung von Seuchen an der Schließung der Grenze festhaltcn. Nächste Sitzung morgen. Abgeordnetenhaus. o Berlin, 31. März. (Telegramm.) Das Haus genehmigt zunächst ohne Debatte in dritter Beratung den Entwurf, betreffend Bewilligung weiterer Staatsmittel zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Ar beitern im Staatsbetriebe und gering besoldeter Be amten. Bei der drittenBeratung des Entwurfs, betreffend Bildung eines Ausgleichsfonds der Eisenbahn verwaltung, meint Abg. Im Walle (Zentr.), es handle sich hier wohl mehr um eine Sparkasse, als um einen Aus gleichsfonds; wozu solle überhaupt die Festlegung im Gesetz dienen, da es sich hier doch im wesentlichen um Zukunftsmusik handle. Seine Partei erkenne zwar an, daß die Summe der alljährlich zurückzulegenden Reserven von der Beschlußfassung des Hauses abhängc, sei aber prinzipiell gegen einen solchen Fonds und lehne auch den Entwurf ab. Abg. Or. Sattler lnatl.) entgegnet, es handle sich hier um eine gesetzmäßige Festlegung vo. Ueberschüssen für den Fonds; das habe durch Beschluß des luatsministcriums nicht erreicht werden können. Der Entwurf wird sodann genehmigt. Abg. Or. Langer- Hans (fr. Vp.) begründet nunmehr den Feuerbe st attungsantraa, indem er von der Forderung der obligatorischen Leichenschau ausgeht und die Notwendigkeit der Feuerbestattung bei Seuchen betont. Abg. Schall (kons.) ent gegnet, die Raumfrage komme nicht in Betracht, da in Berlin noch genügend Platz für Kirchhöfe sei; auch sei nachgewiesen, daß hygienische Bedenken nicht gegen Kirchhöfe sprechen. Zu dem sei die Bevölkerung gegen die Verbrennung, wie das Leer stehen mancher Krematorien beweise, wo die Verbrennung nichts koste. Auch ästhetische Bedenken ließen die Verbrennung aus dem Rost nicht idealer erscheinen, als die Vernichtung des Körpers durch die Natur selbst. Abg. Tittrich (Zentr.) spricht sich ebenfalls gegen den Antrag aus. Abg. Marlens (natl.) spricht sich für denselben aus. Abg. Barth (fr. Vg.) betont, der Abg. Schall vergesse, daß es ja niemand verwehrt sein solle, sich beerdigen zu lassen. Es sei aber ein Unding, daß der größte Staat Deutschlands seine Angehörigen zwinge, die teueren Transportkosten nach außerpreußischen Krematorien zu übernehmen, nur weil er von reaktionärem Eigensinn be einflußt werde. Geheimrat Schuster bemerkt, die Regierung habe keinen Anlaß, anzunehmen, daß die jetzige Bestattungs art in sanitärer Beziehung ungenügend sei; auch werde die er forderliche obligatorische Leichenschau die Kosten erhöhen. Die Erdbestartung entspreche den christlichen Anschauungen; die Leichenvcrbrennung werde das Gefühl vieler verletzen. Nach dem Abg. EhlerS (fr. Vg.) nochmals für den Antrag einge treten ist und nach einem Schlußwort der Abgg. LangerhanS und Schall wird der Antrag mit ganz knapper Majorität ab - gelehnt. Auch ein Teil der Freikonservaliven stimmt da für. Es folgen Petitionen. Nach ihrer Erledigung vertagt sich das Haus um 2 Uhr auf den 21. April. H Berlin, 81. März. (Telegramm.) Die Bud get l o in m i s s i o n des Abgeordnetenhauses nahm heute die Sekundärbahnvorlage unverändert nacy der Regie rungsvorlage an. Aus dem Geschäftsverkehr. k Eine erfreuliche Nachricht dürfte es allen Freunden des berühmten Salvatorbiers sein, daß der Ausschank desselben, verbunden mit den beliebten Salvarorfesten, im Hotel de Taxe noch einige Tage fortgesetzt wird, da in letzter Stunde Herr Hübner noch eine große Sendung des vortrefflichen Stoffes von München erhalten hat. k Im Hotel Schloß Drachenfels findet heute abend ein Märzenbierfest statt, das ungemein heiter zu werden verspricht. Zum Ausschank gelangt das berühmte Märzenbier aus der Löwenbrauerei in München, ein Gebräu, das als das beste des Kontinents gilt. wäre er, wie er in seiner drastischen Ausdruckswesse er klärt, „dem ganzen Hofe schon längst mit dem Sitzzeug ins Gesicht gesprungen". Und in einer Konferenz mit Jules Favre und seinen Begleitern im Januar 1871 ver trat er gegenüber dem <Iroit äu gsnis das cksvoir, das sitt liche Pflichtgefühl — seine „Verantwortlichkeit vor Gott". So fest aber Bismarck in seinen eigenen religiösen Auffassungen stand, so duldsam war er gegen die anderer, das um so mehr, je älter und reifer er wurde. „Jeder muß wissen, wie er sich am besten aufs künftige Leben vor bereitet", äußerte er einmal mit besonderem Hinblicke auf die Frage der Sonntagsruhe. Pharisäische Intoleranz und Selbstüberhebung lag ihm fern, und auch hierin stimmten Denken und Leben bei ihm überein. Mitten unter den großen Erfolgen der deutschen Waffen sagte er: „Nur Demut führt zum Siege, Uebcrhebung, Selbstüber schätzung zum Gegenteil". Als ein zügelloser Gewalt mensch steht Bismarck da in der Auffassung vieler, die ihn äußerlich beurteilen. Und wahr ist es: gewaltig war seine Leidenschaft, eisern sein Wille, rücksichtslos waren seine Mittel. Aber diese Wucht seiner Persönlichkeit findet ihr sittliches Gegengewicht in dem tief religiösen Pflichtgefühl, in dessen Dienst er sich unbedingt stellte, und die herrische Härte seines Wesens wird gemildert durch die Demut, mit der er sich vor Gott beugte und sein Schaffen und Wirken al» seinen Willen und seine Fügung ansah.
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