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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.05.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190205183
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020518
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020518
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-18
- Monat1902-05
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.05.1902
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ripMer TaMM Anzeiger Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig. Nr. 249 96. Jahrgang Sonntag den 18. Mai 1902. s o. er S. ». 4 t. Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung -si 70.—. Auttsötatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nalizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. r «. 14LS d.L ;s.- o. >u,— o. -- u >o o >o 0. -» u. - <r. s o. o«». - o. o'). s u. v u. o o t,. o u. ) u. - tt. >. u. ) ». ' u. ' u. 1. l) 8. l). 8. l>. 8.1) . 8. u. 8 I). 8 !>. 8. I». 8. I). 8. s). 8 I>. 8. I). 8. u. 8.U. I. t) 1.1) . deS ersten deutschen Kaisers von feindlichem Kanonendonner begleitet war. Wenn der englische Rosenkrantz sich außer Stande fühlt, über den Unterschied hinwezzugleiten, so kann er sich auS Deutschland einen Güidenstrrn verschreiben. Was haben jetzt, besonders in der Presse, Leute, denen in der Kunst, Gekrönten nur Angenehmes zu sagen, „nichts zu schwierig" ist. Sie „dichten es geschwind". schwingen, das auS der belgischen Lehre die Nutzanwendung zog: es müsse auS dem socialistischen Sprachschatze die „revolutionäre Phrase" entfernt werden. Gegen über diesem Verlangen versichert der „Vorwärts", daß in Deutschland von der revolutionären Phrase bisher ebenso wenig zu spüren gewesen sei, wie in Schweden. Ei! Solche Gedächlnißschwäche darf bei einem Blatte in Erstaunen setzen, das erst vor wenig Tagen, nämlich ehe der belgische General streik gescheitert war, auf das Lebhafteste in revolutionären Phrasen sich erging. ES sei, was den belgischen Streik selbst anbelangt, nur an die Auslassung des „Vorwärts" vom 19. April d. I. erinnert. „Der Generalstreik", schrieb das Centralorgan damals, „hat einen Umsang erlangt, daß seine Wirkung sich in kürzester Zeit auch für die besitzende Classe des Landes in der verheerendsten Weise geltend machen muß. Und schließlich könnte der Hunger die Hunderttausende von Proletariern, statt sie zu entnerven und zur bedingungslosen Unterwerfung zu ver anlassen, auch zum Aeußersten treiben." — Nicht nur diese und ähnliche Aeußerungen auS der jüngsten Vergangenheit scheint der „Vorwärts" vergessen zu haben, sondern auch seine von rovolutionären Phrasen triefenden Festartikel zur Ver herrlichung der Pariser Commune, sowie der März gefallenen; und gehört nicht der „ rolhe Kalen der " des „Vorwärts" mit seiner Verherrlichung von KönigSmördern und Attentätern jeder Art ebenfalls in das Capitcl von der revolutionären Phrase? Aber wenn der „Vorwärts" für sich selbst dem Wabne huldigt, über die revolutionäre Phrase er haben zu sein, mußte er sich doch gegenwär tig halten, daß außer ihm noch genug socialdemokratische Factoren vorhanden sind, welche die revolutionäre Phrase nicht nur nicht verschmähen, sondern geradezu in ihr schwelgen. „Genosse" AugustBebel giebt in dieser Beziehung nicht als einer der Letzten den Ton an. An seine Prophezeiungen über den Eintritt des großen Kladderadatschs braucht man dabei gar nicht zu denken. Ist es indessen nicht Bebel gewesen, der auf dem socialdemokratischen Partei tage von 1899 unter stürmischer Zustimmung auSricf: „Es bleibt bei der Expropriation"? Zwei Tage später, am 15. October 1899, äußerte sich der „Vorwärts" in einem Nachworte zum Parteitage über die Gegensätze innerhalb der Socialdemokratie: „Da waren Manche, welche nicht genug der „radikalen Phrase" entgegen treten konnten nnd schon glaubten, jene „Radikalen" dächten nur an den „einen großen Tag" und seien widerwillig, die Aufgaben der Tagespolitik recht zu würdigen." — Die Richtung, auf welche der „Vorwärts" hier anspirlt, bat ihre Vertretung vor allem durch die „Sächsische Arbciterztg." gefunden. Das sächsische Socialistenblalt berührte seine theoretische Stellung zur revolutionären Phrase u. a. in einer Polemik gegen Len „Vorwärts" vom 14. Juli 1898, in der die alte, von Marx formulirte taktische Maxime, die Dinge auf die Spitze zu treiben, gerühmt wurde. Die Praxis der „Sachs. Arbciterztg." aber wird hinläng lich durch die Erwähnung des Namens ihrer einstigen Chef» redaclrice, der „Genossin" Rosa Luxemburg, gekennzeichnet. Niemand anders als der „Vorwärts" hat am 20. Sep tember 1899 Rosa Luxemburg als „einzig wahre Revo lutionärin" verspottet nnd ihr „krankhafte Lust an schein radikalem Gebühren" zum Vorwurf gemacht. Damit ist vom „Vorwärts" selbst ausgesprochen, daß das Lebens- element der „Genossin" Rosa Luxemburg dasselbe war, waS der „Vorwärts" beute für in Deutschland überhaupt nicht wahrnehmbar erklärt, nämlich die revolutionäre Phrase. Die „Münchener Post" des „Genossen" von Voll mar hat in Bezug auf die „Genossin" Luxemburg ungefähr um die gleiche Zeit mit bajuvarisch gesalzenem Sarkasmus wörtlich geschrieben: „Wir denken, cs wäre Zeit, ... der social - revolutionär - hysterischen Dame wie ihrem Protcctor begreiflich zu machen, daß die von ihr beworfenen Partei genossen nicht die rückgratlosen Mollusken sind, wie sie sie schildert, sondern Männer, die bereits gezeigt haben, daß sie niehr leisten können, als mit social-revolutionären Phrasen um sich zu werfen." — Angesichts solcher Beweise für das Blühen der revolutionären Phrase in Deutschland charakterisier sich die eingangs erwähnte Behauptung des „Vorwärts" als eine — opportunistische Verleg en- heitsphrase gegenüber dem Karlsruher „Bruderorgan". zx Berlin, 17. Mai. (Zuchthausstrafen und ge werbsmäßiges Verbrechcrthum.) AuS der „Statistik der Strafanstalten und Gefängnisse, der ZwangSzögliuge nach den tztz 55 und 56 des Strafgesetzbuchs und der Corrigenden für das Frühjahr 1900" giebt vr. D i x in der „Deutschen Juristen-Zeitung" einiges beachtenS- werthe Material für die angestrebten Reformen im Strafgesetzbuch. Nach dieser Beziehung gewährt nun die speciatisirte Statistik der Zuchthäuser wichtige AnbaltS- puncte für die Erfolge des jetzt herrschenden Strafsystems. Die Gesammtzahl der Zuchthausgefangenen belief fick im Jahre 1900 aus 22 577 gegen 23 486 1899 und 31616 im Jahre 1882. Es war damit die niedrigste Ziffer seit 1869 erreicht. Was das bedeuten will, ist zu ermessen, wenn man berücksichtigt, eine wie große Volksvermehrung inzwischen eingetreten ist. Je mehr sich auf der einen Seite dieses gün stige Ergebniß bemerkbar macht, umso schärfer tritt anderer seits gleichzeitig der wachsende Antheil der gewerbsmäßigen Verbrecher in der Zahl der straffällig werdenden Personen hervor. Die Zahl der bereits Vorbestraften ist in den ein zelnen Jahren ununterbrochen gestiegen; sie betrug bei dem Zugang an männlichen Zuchthäuslern 83,76 Proc. »n Jahre 1889/90 und ist auf 88,15 Proc. im Jahre 1900/01 angc- wachsen. Noch stärker ist der Antheil der schon öfter als drei mal Vorbestraften an den Zugängen in die Höhe gegangen, und zwar von 63,92 Procent auf 71,47 Procent und der An- theil derjenige» männlichen Zuchthausgefangenen, welche be reits Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr verbüßt hatten, sogar von 34,15 Procent auf 57,72 Procent. Von den im Jahre 1900/01 eingelieferten männlichen Gefangenen waren also fast "/»<> schon vorbestraft, beinahe »/« schon vier mal oder noch öfter und fast »/z schon mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahre. Noch crafser tritt die Bedeutung der Rückfälle hervor, wenn man diejenigen Zuchthäusler, die bereit» mehr als drei Freiheitsstrafe» verbüßt haben, für sich lloi»tlr»iiv». so f.- /S 0. ?5 v» 75 VL is <r. so iS. iX> <s. — ». - 6. ») (S. L tS N. iü o. )O 8. >0 O. - » L >c> o » e»r.^.S7:1V1,50 - O 0 <0. t. !v ct. L <0. o o o o. <r u. o <o. s u. - u. o o. o o. - ». - ». c> io. o o. 2 u. Der Krieg in Südafrika. Amtliche Boercnrapporte. Unsere Schilderungen von dem Umfang und dem steten Umsichgreifen des Aufstandes in der Capcolonie, der vortrefflichen kriegerischen Stimmung und der erfolg- reichen Thätigkeit der Bocrencommandos, wie anderer seits der vollständigen Ohnmacht der englischen Colonncn darin, erhalten ihre stichhaltige Bestätigung durch fol gende amtliche Rapporte: I. Rapport -es Commandanten S. G. Marttz. HondSkraal, Tistr. Calvinia, 25. Octobcr 1901. Ich bin nun wieder zurück aus den Districten MalmeS- kuru und Piquetberg. Ich bin nur gekommen, um die anderen Commandos zu treffen; mein Commando ist noch zurück. Die Commandos Thcron mit 100 Mann, Pyper mit 100 Monn, van Ncencn mit 70 Mann, Capitän Smith mit 250 Mann sind hier angekommen, und die Commandos hier sind die -es Commandanten Louw mit 70 Mann. Das meinige zählt 500 Mann. Das größte Gebrechen, an dem wir hier leiden, sind Waffen, da die Leute, wie ich überall sehe, sehr erbittert sind und sich uns in so großer Anzahl anschließcn, daß mir nicht genug Pferde auftreibcn können für all' den Zuzug und hier noch viele unserer Streiter unbewaffnet sind. AIS ich hierher kam, waren ungefähr 30 Mann mit Martini-Henry-Gcwehrcn vorhanden. Nun habe ich 356 mit Lec-Mctfords, Khakt-Sättcln und fpeckfcttcn Pferden ausgerüstete Leute und 144 Unbewaffnete, die aber auch gute Pferde haben. Die anderen Commandos sind auch gut mit Pferden versehen, nur an Waffen gebricht cs. Wir haben heute hier einen Kricgsrath gehalten; ich bin auf Zeit zum Afsistent-Hauptcommandanteu dieser Districte gewählt worden. Ban Recnen wird nach Namaqualand gehen, Kommandant Pyper und Louw werden in diesen Districten bleiben, da sich noch ein Häuf chen Engländer in Calvinia befindet, die aber sehr knapp mit dem Proviant daran sind, da sie nichts herein bekommen können. Commandant Thcron, Smith und mein Commando werden wieder in der Richtung nach Malmesbury overircn. Engländer sicht man hier sehr wenige. Wenn sie in Ihrer Nähe sind, müssen Sie welche hierher senden. Wir haben überall auf unserem Zuge Hausen Eng länder gefangen genommen und warj'n in Hopcficld, Brcdcnbnrg, Houtjesbaai, Portcvolle und hatten am 19. Octobcr ein Gefecht am 24. Rivicr, wobei wir 48 Pferde mit Sätteln und 5 Karren erbeuteten. 5 unserer Leute wurden verwundet, von denen einer später gestorben ist. Ein gewisser Retief, der sich uns angcschlosscn hatte und verwundet wurde und später gestorben ist. erklärte vor seinem Tode, daß in dem Gefecht am 22. Nivier ein englischer Spion mit uns gefochten hat, und daß zwei Personen kommen werden, ein Franzose mit schwarzem Bart und ein Boor, um sich nns anzuschlicßcn, aber mit der Absicht, mich ums Leben zu bringen; demzufolge ist meine Bcrmuthung, daß Retief auch ein Spion war. igez.) S. G. Mari tz. Ass. Hauptcommandant. II. Rapport des Capita ns Smith, O. F. S., Artillerie. «Bruchstück.) Zanddrist, Groot Bcrgrivier, Distr. Malmesbury, 20. Octobcr 1901. Wir hatten ein Gefecht bei Hopesicld. Unsere Burgers stürmten in offener Ebene und schlugen die Engländer zurück Sieben To-tc und Verwundete, sechs Ekfairgenc, vier Pferde und dreizehn Gewehre blieben in unseren Händen. Der Feind befindet sich bis fetzt noch hier in kleinen Abthcilnngcn und nicht vielen. Die Leute schließen sich nns hier in Masten an, und zwar so, daß wir sie nicht genügend mit Waffen versehen können. Wenn wir aber Gewehre unk Munition haben, kann hier in kurzer Zeit eine große Macht beisammen sein. Hier ist der Aufstand unter der Bevölkerung beinahe allgemein, und die Leute, die sich uns anschließcn, sind alle von gutem Geiste beseelt. Die Leute haben hier alle ein unverfälschtes afrika nisches Gefühl, daß sie zu einem Vorbild macht für mehr als einen unserer Brüder in Transvaal und im Frei staat; macht das bekannt allen Burgers, daß cs hier in der Ferne auch warmherzige Afrikander giebt, die Gut und Blut für unser Asrikanderthum aufopfern. Ich war eine halbe Stunde von Darling, neun Stunden von Capstadt, und je weiter man vordringt, um so mehr Leute schließen sich unS an, bi- zu 20 an einem Tage. Futter und Pferde befinden sich in guter Bersassung. diese sind sogar sett. Wir stehen jetzt an der Grenze der Districte Piqnetbcrg und MalmeSbnry, im Norden von Moorrccsbnrg, drei Stunden vom letztgenannten Platze. BezugS-PreiS tn der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.ck 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlichen, sür die übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. — Redaction und Expedition: diohanntSgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. Fttialr»»eUiti»ne» r Alfred Hahn, Vuchhandlg., Universitätsstr. S, L Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigApl. 7. ——> Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstrabe 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. ' - — Haupt-Filiale Serlin: KSniggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 33S3. - tr. S.l8ük«it i>. . »n. > 8 l) ».NW U8 t-U. UvN tlnik «. N »0. st). Deutsches Reich. verltn, 17. Mai. (Die revolutionäre Phrase in Deutschland.) Gewitzigt durch die üble Erfahrung beim belgischen Generalstreik, befleißigt sich der „Vorwärts" in der Beurtheilung des auf drei Tage befristeten schwedi schen Generalstreiks der größten Vorsicht. Aber das Centralorgan der socialdemokratischen Partei kann sich nicht zu dem GtaqdpApcz« de- KarlSrubxr SociasistepblatteS aus». io 25 L ;s,7c> lr. >8,25 o. >».— u. >s>— u. 17.— ». L5N. M20.-Z.P.ISN I7.7S U. 'S.- L OHS «r. o,— » 3. — L 4,50 K-O. S.2S « 17.— U- 4, -0. 100»- gesondert betrachtet. Seit Beginn der seit 1894 eingeführten specialisirten Stastitik bis Ende 1900 sind 31 057 solcher Personen gezählt, darunter 4340 Frauen. Davon hatten 12 629 bereits 6—10, 9173 sogar schon 11—30 und schließ lich 737 mehr als 30 Freiheitsstrafen erlitten. Bei 2022 fiel die Begehung der ersten Strafthat in daS Alter unter 14 Jahren. 8795 waren mit dem Str.-G-B. zum ersten Mal mit 14—18 Jahren in Conflict gerathen und 12 967 im Alter von 18—25 Jahren. Ein sehr erheblicher Procent satz aller Zuchthäusler — mindestens die Hälfte — war demnach schon im unmündigen Alter strafbar geworden und Freiheitsstrafen verfallen. — Von den 5503 im Jahre 1990 in Zugang gekommenen ZuchthauSgefangenen waren 1495 bereits vor dem 18. Lebensjahr bestraft. Ferner sind von ihnen mehr als 10 Procent bis zum 14. Lebensjahre nicht im Elternhause erzogen worden; 2832 hatten keine oder nur mangelhafte Schulbildung; bei 300 fehlte dies« vollständig. Die Volksschule hatten 2585 besucht, höhere Schulen 86. Von den 5503 Personen kamen allein aus Ost- und Westpreußen, Posen und Schlesien 2355, woraus sich ergiebt, daß ein unverhältnißmäßig großer Procentsatz auö den Gegenden mit den unglücklichsten und unzulänglichsten VolkSschulverbältnissen stammt. Wie schließ lich noch erwähnt sei, begingen 1337 die That in der Trunken heit, wovon 1016 Gewohnheitstrinker waren, 555 waren Landstreicher und 193 Personen trieben gewerbsmäßig Un zucht. Besonders beachtenswerth erscheint aber, daß von den 31 057 drei- und mehrmals mit Freiheitsstrafen vorbestraften ZuchthauSgefangenen — nach dem Gutachten der Anstalts beamten — bei nicht weniger als 29 373 ein Rückfall nach der Entlassung wahrscheinlich, bei 963 zweifelhaft und nur bei 706 unwahrscheinlich wird. Von der ganz überwiegenden Mehrzahl dieser Zuchthäusler waren also nach ihrer Ent lassung aus dem Zuchlhause mit größter Wahrscheinlichkeit neue Attentate gegen die Sicherheit von Leben und Eigen- thum zu erwarten! (D Berlin, 17. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser ist heute Vormittag 10 Uhr 15 Min. von Wiesbaden auf der Wildparkstation einaetroffen. Der kurz vorher aus Bonn eingetroffene Kronprinz war zum Empfange deS Kaisers auf dem Bahnhof eischienen. Der Kaiser und der Kron prinz begaben sich im offenen Wagen nach dem Neuen Palais. (>) Berlin, 17. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht die Ernennung des Reichsgerichts- ratheS Förtsch zum SenatSpräsidentea des Reichs gerichts. (-) Berlin, 17. Mai. (Telegramm.) Wie die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" versichert, geht der Gesetz entwurf, die Maßnahmen zur Stärkung deS Deutsch- thumS in den Provinzen Wcstpreußen und Posen be treffend, dem preußischen Abgeordnenhause unmittel bar nach Pfingsten zu. (-) Berlin, 17. Mai. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" bemerkt zu dem auf An regung der Kaiserin von dem Centralcomits der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz verbreiteten Aufruf zu Sammlungen für Sie Hilfsbedürftige» auf Martinique, sie glaube auf die Zustimmung weiter Kreise rechnen zu dürfen, wenn sie auf das Unterstützungswerk mit dem Wunsche Hinweise, daß seine Durchführung in einem der Größe des Unglücks und der hochherzigen Initiative der Kaiserin entsprechenden Umfang gelingen möge. Durch das organisirte Vorgehen der Vereine vom Rothen Kreuz erhalte die deutsche Hilssthätigkeit für die Ueberlebenden der furcht baren Katastrophe eine wirkungsvolle Zusammenfassung und sie werde dadurch nach außen als eine Gesammtkundgebung der deutschen Nation gekennzeichnet. Das Blatt schließt: „Jni Namen der schwer betroffenen Angehörigen des französischen Volkes, dem wir unsere menschliche Theilnahme durch die That beweisen wollen, hoffen wir, daß die von der ersten deutschen Frau gegebene Anregung auf fruchtbaren Boden fallen wird." — Nach K 15 des GewerbegerichtSgesetzeS in der neuen Fassang ist eine Regelung der Wahl der Beisitzer nach den Grundsätzen ver Verbältnißwahl (Proportionalwahl) gestattet; die näheren Bestimmungen sind statutarisch zu erlassen. Um den Gemeinden für den Erlaß bezüglicher Statuten eine brauchbare Grundlage an die Hand zu geben, bat das preußische Handelsministerium kürzlich in Form von Muster statuten Vorschläge zur Einführung der Proportional wahl veröffentlicht. An dem Zustandekommen der Muster statuten bat Schriftsteller R. Siegfried in Königsberg mit gewirkt, der die ministeriellen Vorschläge jetzt im „Preußischen Verwaltungsblatt" einer Besprechung unterzieht. — Zur Feier des Geburtstages des Kaisers Nico laus 11. von Rußland findet am Pfingstmontag bei dem Kaiser im Neuen Palais eine größere Frühstückstafel statt, zu welcher der russische Botschafter Graf v. der Osten-Sacken mit den sämmt- lichen Herren der Botschaft, der Reichskanzler Graf v. Bülow, der Staatssekretär des auswärtigen Amts Frhr. v. Richthofen und der Commandeur deS Alexander-Regiments geladen sind. — Der Oberhofmeister der Kaiserin Freiherr von Mirbach ist von Urlaub zurückgekchrt. — Der Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses von Kröcher ist nach Vinzelberg abgereist' * Bremen, 16. Mai. Indem zwischen dem Deutschen Kriegerbund und dein Kyffhäus er-Ausschuß einerseits und den Bremischen Kriegervereinen andererseits vor Monaten auSgebrochcnen Streite anläßlich der Reden deS Generals v. Spitz, ist jetzt eine Vereinbarung zustande ge kommen, deren Kernpunct der freiwillige Austritt deS Krieger- Vereins und des Vereins ehemaliger 15er Husaren Hierselbst aus dem Bremischen LandeSkriegerverband ist. * Potsdam, 16. Mai. Bei einem Festmahl, das sich heute an die Neubildung der hiesigen Handelskammer an schloß, hielt Minister Möller eine längere Rede. Gegen wärtig läge, so führte er aus, rin wirthschaftlicber Nieder gang oder mindestens ein Stillstand gegenüber dem Aufschwung der neunziger Jahre vor, der voraussichtlich noch einige Jahre anhaltcn dürste. Diese Periode werte aber hoffentlich dieselbe erziehliche Wirkung Haven, dieselben Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famitiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Aus der Woche. Man wünscht sich Pfingsten sonniger und wärmender, als daS Fest unS diesmal beschicken zu sein scheint. Aber mit einem Meere von Blüthen, mit herrlichem Blumen schmuck begleicht die Natur auch an dem heutigen Feste ihre Schuldigkeit, und wo sie in unserem Welt- theile zu wünschen übrig läßt, da mag man von einer kargen Mutter sprechen, die aber die Liebe nicht ver birgt. Ein furchtbares, grausiges Antlitz zeigt sie hingegen in ihrer unerforschlichen Selbstherrlichkeit den von ihr sonst so bevorzugten mccrumspülten Gefilden der zuerst entdeckten Theile der neuen Welt, und sie dräut, auf weitem Raume, wo unsere Vorfahren irrthümlich eine öde Wasserfläche vermutheten, in Wirklichkeit Meereswogen und nichts als Meereswogen über herrliche Fluren, über von Unseresgleichen bebauten und veredelten Boden sich zusammenschlagen zu lassen, die niedrige Gattung stummer Fische zu Erben von Menschen zu machen. Man verdiente nicht, an einer Mutter Brust gehegt worden zu sein, wenn man, von diesem Ver- nichtungSgange der Natur unberührt, voller Festesfreude sich biugeben könnte. Und gewiß ist auch daS wahr, waS unter dem Eindrücke der markvurchbebenden Berichte auf den An tillen in diesen Tagen so oft gedruckt, gesagt und ge predigt wird: der Mensch ist winzig klein im Vergleiche zu der Natur, die er zu beherrschen vermeint. Die Weißen, die sich für die Blüthe der denkenden Wesen halten, haben ihre schwarzen und bronzefarbenen Nachbarn in West indien, wenn diese glaubten, der so überlegene Menschenbruder werde den Zorn der Allgewalt abwehren können, bitter ent täuscht. Dennoch wahren wir das Neckt, den menschlichen Geist als etwas in Selbstständigkeit Berechtigtes und als das nächst dem Verleiher dieses Geistes Höchste zu bewerthen. Und daS Pfingstfest, die Erinnerung an eine durch Jahr tausende fortwirkende Proclamirung geistiger Freiheit, bestärkt den Eifer zum Protest gegen die Zumutbung, der Menschen geist solle sich auS freier Entschließung Grenzen ziehen, um nicht auf die wahren Grenzen seiner Kraft zu stoßen. Frömmler und Cyniker hat da« entsetzliche Elementarrreigniß auf den Antillen in der Ertbeilung deS RatheS sich begegnen lassen, dem Gefühle der menschlichen Unvollkommenheit abso lutistische Herrscherrechte in der Menschen Herzen einzuräumen. Weil wir niemals Alles wissen werden und niemals alle« Künftige vorher sehen können, so sollen wir nur um Barmherzig keit beten, sagen die Einen, genießen und die Mittel zum Genuß erhaschen, die Anderen. Sonst nichts. Aber vie gött liche Kraft hat das Mangelhafte in unser Wesen gelegt, gerade um es zu erkennen und zu vermindern, und der Natur forscher DuboiS-Raymonv, der ehrlich sein iFuorabimus sprach, hat nicht hinzugesetzt: „Wir wollen deshalb nicht mehr forschen." Ist die Wissenschaft noch unfähig, vulkanische Ausbrüche, wie sie jetzt die Antillen verheeren, vorherzuseben, und ist die Technik ohnmächtig, erkannten derartigen Gefahren zu begegnen, so wollen wir unS mit dem, was — früheren Geschlechtern undenkbar — erreicht worden ist, trösten und wollen, weil daS lenkbare Luftschiff noch der Erfindung harrt, dem 19. Jahrhundert sein Dampfschiff, den fern hinschreibenden und fernbinsprechcndcn Kupserdraht nicht vergessen und von der Kraft, die hier gewaltet, bescheiden aber zuversichtlich weiterer Thaten gewärtig sein. Wir wollen beten und arbeiten. Schickungen, Lehren, Offenbarungen und Wunder werden immer der Mißdeutung ausgesetzt sein, dafür sorgt die Ein falt, sie werden immer mißbraucht werden, dafür sorgen die Arglist und die Herrschsucht. Wir feiern das Fest der „zertheileten Zungen". Die Gewalt, die sich am weitesten von der Lehre de« Geiste« und göttlichen Lickte« entfernt hat, spricht auch mit gespaltenen Zungen, die aber nicht von vem heiligen Geiste in diesen Zustand versetzt worden sind. Beispielsweise hören wir sie jetzt in unserem Vaterlande die Vernichtung der von Rom Abgewandten preisen und in einem Athem „Toleranz" für die Lobredner der denkbar gröbsten Intoleranz in evangelischen Ländern fordern. Wenn einige deutsche Preßorgane deS JesuitismuS die neuzeitliche Verherrlichung der Ketzerverbrennung gegenüber der protestan tischen Welt beklagen, so ist c« auch die gespalt/ne Zunge, die Doppelzüngigkeit, die sich vernehmen läßt. Man ver leugnet einen Jesuiten mit fremdländischem Namen, aber e- ist noch nicht ein Jahrzehnt verflossen, seit im Verlage der „Germania", also einer auch vom deutschen KlerikaliSmus au« autorisirten Stelle, eine für die weiteste Ver breitung berechnete Schrift erschien, in der da« beliebteste Mittel römischer Selbstbehauptung folgender maßen apostrophirt wird: „Seid gesegnet, ihr wohlthätigen Scheiterhaufen". Gegen diese Thatsache kann eine ge legentliche Mißbilligung dc« VcrbrcnnungSenthnsiaSmus so wenig auskommen, wie die Versicherung de« Abgeordneten Bachem, daß die katholische Kirche sich nicht sür die allein seligmachende balle und nie halten könne, gegen die in jeder katholischen Dorfschule alltäglich der Beobachtung zu gängliche Thatsache, daß die Kirche ihre ausschließliche Fähigkeit, selig zu machen, lehrt. Darauf kommt es an, was Herrn Bachem im Reichstage leider nicht mit der wifsenswerthen Trockenheit erklärt worden ist. Uebrigen« hört man in französischen Ortschaften, wir haben es mitgctheilt, jetzt wieder die Rufe „Verbrennt die Ketzer, Tod den Hugenotten* au«stoßen. Diese bartholomäulnächtlichen An wandlungen sind den Bauern doch wohl nicht im Schlafe gekommen. Der 15. Mai ist vorüber und dec Krieg in Südafrika geht weiter. Der Widerstand der Kämpfenden gegen eine mit nichts bedeutender autonomistischen Förmlichkeit verbrämte und vielleicht dem einen und dem andern Boerenführer im golde nen Scheine gezeigte bedingungslose Unterwerfung scheint fortzudauern; die vor Wochen gehegte Vermuthung, daß e« den Streitenden an den nöthigen Geldmitteln fehle, ist he- stimmt hinfällig geworden, und so kann es kommen, daß in die KrönungSfeier König Eduard'« Gewehrgeknatter bineintönt. Vielleicht findet sich ein Höfling, der die eng lische Majestät, der das Geräusch bekanntlich fatal ist, mit dem Hinweise darauf aufrichtet, daß auch die Proclamation Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an tue Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. iS ». ;o 2. --- <7. so,— ü. 8.1) 80 lt. H.!). 8.— L c v l. i>. t. i). S.L5 brS- (LltS'8. I> —— t. v. r,— 6. 8.U. — 6. t. 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