01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020523016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902052301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902052301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-23
- Monat1902-05
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Neclame» «Ne» de« Redactionsstrich («gepalte») 75 vor de» Yamtlt«wLch> richte» (5 gespulten) 50 Tabellarischer and Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme stü («xcl. Porto). (prtra-Vellage« (gefalzt), »nr mit de, Morgen-Aasgab», oha« Postbesördernng SO.—, mit Poftbesörderung 70,—» Änuahouschluß für Dyeizeu: Abend-SnsgaL«: vormittag« 10 Uhr. Morgeu-Lasgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige« Pud stet« an dl« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« anmlterbrochen geöffnet von früh S bi- Abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol- in Leipzig. Nr. 238. Freitag den 23. Mai 1902. 96. Jahrgang. Die Trunksucht unter den Lindern. I'. Der erschreckende Umfang, in dem die Alkohol» senche schon unter der jugendlichen Generation und selbst unter den schulpflichtigen Kindern grassirt, ist auch ans -cm Wiener Internationalen Congreß gegen den Alko- holismus vom vergangenen Jahre Gegenstand eifrigster, ernsthaftester Erwägung gewesen; Aerzte, Pädagogen, Vcrwaltungsbeamte und Socialpolitikcr waren einig in der Erlenntnist, daß hier eine austerordentlich schwere Ge fahr für die Zukunft der civilisirten Nationen vorliege. Muß doch auch dem hoffnuiigsfrohestcn Optimisten der Glaube schwinden, daß die unermüdliche Arbeit der Ent- haltsamkcits- und Mäßigkeitsvcrcinc von Erfolg gekrönt sein könne, wenn schon in der frühesten Jugend zu der Ge wöhnung an daü verhängnistvolle Gift der Grund gelegt wird. Eine aus Anlaß jenes Congrcsscs angestcllte Er hebung hatte zum Resultat, daß ungefähr 30 Proccnt aller Wiener Schulknabcn regelmäßig Alkohol genießen, und daß es in Böhmen ea. 23 000 notorische Trunkenbolde giel.*, deren verderblichen Einfluß auf ungefähr 75 000 Kinder man wohl, ohne der Phantasie allzu großen Spielraum zu gönnen, annchmcn darf. Eine Erhebung unter der nieder österreichischen Schuljugend ergab, daß ungefähr 20 Pro cent der Schulkinder regelmäßig Bier oder Wein und schon das 28. Kind regelmäßig Schnaps zu genießen pflegt. Man wird in der Annahme kaum fehl gehen, daß auch in außer- österreichischen Ländern die Verhältnisse nicht wesentlich bessere sind; mögen auch die localen Eigenthümlichkeiten Manches anders gestalten, mag spccicll in Süddeutschlanb Wein oder Bier, im Norden und Osten der SchuapS bevor zugt werden, wer als Lehrer, Geistlicher, Arzt Gelegenheit hat, mit -en jüngsten Altersklassen in Berührung zu treten, der weiß auch, wie verbreitet beinahe durchweg die Ge wöhnung an Alkohol ist und wie selbst ausgesprochene Trunkenbolde unter der kindlichen Generation keincSweg- zu den seltenen Ausnahmen gehören. Es ist hier nicht der Ort, auf die Ursachen dieser tieftrau rigen Erscheinungen näher cinzugchcn, sic find zu mannig fach und zu complicirt, um auch nur annäherungsweise in dem engen Rahmen eines Zeitungsartikels erledigt zu wer den. Nur darauf möchten wir Hinweisen, daß man mate rielle Noth, so bedeutsam sic auch für die Verbreitung dc- Alkoholismus unter der erwachsenen Bevölkerung zweifel los ist, für die kindliche Trunksucht höchstens als mittelbare BcranlassungSursachc gelten lassen darf, in dem Sinne, daß der Alkoholismus der Erzeuger verlockend und anregend auf deren Kinder cinwirkt. Sehr häufig animircn sogar Eltern, die keineswegs als trunksüchtig im landläufigen Sinne gelten können, ihre Kinder zu Trinken und sind — man kann cs allsonutäglich in den Wtrthshäusern be obachten — nicht wenig stolz auf die Fertigkeit ihrer hoff nungsvollen Sprößlingc und aus die Quantitäten, welche sie zu vertragen vermögen. Die Trinkunsitten weitester Kreise, daneben der Aberglaube, der im Alkohol ein Stär kungsmittel sicht, auch eine gewisse Lässigkeit und aller modernen Forschung zum Troß starr sestgehalteue irrige Auffassung mancher Aerzte von den physiologischen Wir kungen des Alkohols, die sie auch für den Säugling in der Wiege schon schweren Südwein und für elende herabgekom- mene Kinder regelmäßigen Alkoholgenuß empfehlen läßt, daö sind die wesentlichsten Ursachen. Daneben mögen auch ererbte Anlage, nervöse Constitution, die so häufig mit einem förmlichen Hunger nach Ncrvenreizmitteln ver bunden ist, das Ihrige beitragen. Die Folgeerscheinungen des kindlichen Alkoholismus sind in Wien nach allen Richtungen hin beleuchtet worden; die Pädagogen haben auf die minderwerthigen Leistungen, die bedenklichen moralischen Eigenschaften vieler an Alkohol gewöhnten Kinder hingcwicsen, Bolkswirthe auf die Schäden in socialer Beziehung, ein großes Material endlich ist seitens verschiedener Aerzte aufgcrollt worden. Krank heiten organischer Natnr, wie man sie sonst nur bei Er wachsenen antrifft, Leber- und Niercnschrumpfung, Herz leiden mit ihren Folgezuständen, Nerven- und Geistes krankheiten, auch abgesehen von den bei Kindern nicht all zu seltenen Delirium trommm, Idiotismus, moralische Ver kommenheit, das sind die traurigen Perspectiven, welche der Alkoholismus der kindlichen Generation eröffnet. Ucbcr die großen Gefahren -er kindlichen Trunksucht kann man sich kaum mehr einer Täuschung hingebcn, um so schwie riger ist cs in der Frage der Verhütung und Abwehr zu praktisch brauchbaren Vorschlägen zu kommen. Bet einem Hebel, das in so tief eingewurzelten Unsitten und so mannigfachen socialen Mißständen begründet ist, wird man ja leider Gottes keine Radicalcur anwenden können und sich vielmehr mit kleinen Mitteln behelfen müssen. Der Alkoholismus der Erwachsenen führt, wie wir gesehen haben, nothwendig auch zur Trunksucht der Kinder, trotz dem wäre wohl der Kampf gegen die letztere die wichtigere Sache, weil an den Erwachsenen doch nur ein verhältniß- mäßig kleiner Procentsatz danernd von ihrem Laster be freit wird, während eS dort die kommende Generation, die Hoffnung der Zukunft, vor körperlichem und geistigem Untergänge zu bewahren gilt. Alle die zahlreichen Be strebungen, welche darauf ausgchen, die Trunksucht unter den Erwachsenen zu bekämpfen, wirken gewiß auch gleich zeitig im Sinne der hier erörterten Aufgabe und können nicht dringend genug empfohlen werden. Daneben sind aber noch besondere Maßregeln nothwendig. Wir hegen keine sehr große Hoffnung, daß Er mahnungen oder Belehrungen an die Adresse des Eltern hauses besondere Früchte zeitigen könnten. Wo einmal der Lrinkteufel zur Herrschaft gelangt ist, da werben die wohl- grmeintcsten Mahnungen im besten Falle widerwillig hin genommen, zumal wenn sie von social höher Stehenden anSgehen, die ja, wie man meint, die Bedürfnisse bcS ge meinen Mannes nicht kennen. Biel mehr vermöchten hier Standes- und Berufsgenosscn, und wir glauben darum, daß Aibeitermäßigkcttövcreinc von ganz erheblichem Nutzen wären und mehr zn leisten vermöchten, als alle gleichartigen bürgerlichen Vereinigungen. Daneben ist es auch noth- wendig, daß die Schule energisch mithilft. Die Belehrung tu der Volksschule seitens de» Lehrer», vorausgesetzt, daß er es versteht, den Mantel deS Unnahbaren und Unfehl baren abzuwcrfen und als lebens- und menschcnkundiger Erzieher zu wirken, dürste wohl Vieles ausrichtcn können. Auch -er Schularzt findet hier ein weites, beinahe noch völlig brach liegendes Feld der Thätigkeit, und es dürften seine Ermahnungen in vielen Fällen noch eher befolgt werden, als die des Lehrers, in welchem der Durchschnitts schüler nun einmal den Pedanten und Moralisten sieht, der für seine kleinen Vergnügungen kein Verständniß und kein Empsinten besitzt. In gleicher Weise könnten auch gcsund- heitswissenschaftlichc Borträge in den höheren Schulen von Nutzen sein; wenn diese von einem Fachmanns gehalten werden, der im Uebrigen zur Schuldisciplin gar keine Be ziehungen hat, dann dürften sie eher Erfolg haben; es wird auf den Schüler vielleicht größeren Eindruck machen, wenn der Arzt im Interesse der Gesundheit vor der Nachahmung -es Studententhums und vor feinen Auswüchsen warnt, als wenü die Ermahnung vom Lehrer auögeht, der nun ein mal in dieser Beziehung mißtrauisch angesehen wird. In »edcm Falle bedarf es der energischen, ziclbcwußtcn Thätigkeit aller um die Zukunft unseres Volks- ihumö besorgten Kreise, ihrer gemeinsamen, durch persönliche und StandeSrücksichten nicht getrübten Arbeit, wenn etwas Greifbares erreicht werden soll. Daß aber -er Kampf gegen den Alkoholismus in der Heranwachsenden Generation uns bitter Noth thut und ein; der wichtigsten Aufgaben socialer Fürsorge ist, darüber dürste unter Einsichtigen heute nur noch eine Meinung hc'.rschen. Der Lrieg in Südafrika. Aus dem Umstande, daß der Schauplatz der Friedcnsuuterhandluugen wieder nach Pretoria verlegt wurde, werden in London allgemein optimistische Schlüsse gezogen. Man glaubt, daß die Bocrenführer auf ihre Unabhängigkeit ver zichtet hoben und nach Pretoria gegangen sind, um sich mit Lord Milncr und Lord Kitchener über die übrigen Punctc der britischen Bedingungen zu verständigen. Die Unter handlungen dürften sich in die Länge ziehen, aber ihr Ab bruch wird nicht mehr befürchtet. Präsident Lteijn a« Kitchc«er. II. (Schluß.) Ich bemerke weiter, daß Eure Exccllenz annimmt, daß unser Kampf hoffnungslos sei. Ich weiß nicht, worauf Eure Excellenz Ihre Anschauung gründet; lassen wir uns einmal einen Augenblick unsere gegenseitige Lage von heute und vom vorigen Jahre, nach der Uebcrgabe General PrinSloo's, vergleichen. Vor einem Jahre war die Capcolontc vollständig ruhig und frei von unseren Cvmmandos. Der Oranje-Freistaat war fast ganz in Ihren Händen, nicht allein die Hauptstädte, die Eisen bahnen und einige Dörfer, sondern auch das ganze Land, mit Ausnahme der Gegend, wo Commandant Haasbroek mit seinem Commando war. In der Südafrikanischen Republik war es ebenso der Fall; sic war beinahe ganz in Ihren Händen, mit Ausnahme der Gegend, wo General De la Rey mit seinem Commando, und da, wo General Botha mit dem seinigen war, hinten im Buschfeld. Wie stehen die Dinge heute? Die Capcolonie ist, so zu sagen, mit unseren Commandos überzogen, und wir sind im vor übergehenden Besitz vom größten Thcil der Capcolonie und ziehen in demselben ganz nach unserem Belieben herum, wobei sich unS noch viele von unseren Landsleuten und Andere anschließen, um sich auf diese Weise gegen das grausame Unrecht, das den Republiken angethan, aufzu lehnen. Ich gebe gerne zu, -aß Eure Ercellcnz im Oranje- Freistaat im Besitze unserer Hauptstadt, unserer Eisen bahnen und einiger kleiner Dörfer ist, die nicht an den Eisenbahnen liegen, aber bas ist auch Alles, was Eure Er- cellcnz besitzt. Der ganze übrige Freistaat, mit Ausnahme des oben genannten, ist in unserem Besitz, nnd in den meisten bedeutenden Städten sind Landdrosten angcstcllt, und wo wir nicht im Besitze solcher Städte sind, sind unsere Lanbdrosten in den betreffenden Distrikten angcstcllt. Ord nung und Recht werden durch uns und nicht durch Eure Excellenz aufrecht erhalten im Oranje-Freistaat. In Transvaal ist cS ebenso. Auch da werden Landdrosten durch die Regierung der Südafrikanischen Republik ange stellt und wird für die Handhabung von Recht und Ord nung gesorgt. Mit Erlaubniß zu sagen, EurerExcellen-Macht erstrecktsich nichtweiter,alsIhreKano ne» reichen. Wenn Eure Excellenz die Südafrikanischen Republiken vom militärischen Standpunkt aus betrachten, müssen Eure Excellenz anerkennen, daß unsere Sache im letzten Jahre, trotz der gewaltigen Uebcrmacht, die gegen uns aufgebracht wurde, verblüffende Fortschritte gemacht hat, und daß hier vonHoffnungSlosigkettkcine Rede sein kann, und wenn Sie Ihre Proclamation darauf stützen, hat dieselbe heute weniger Existenzberech tigung al» vorige« Jahr. ES widert mich an, daß ich in solcher großsprecherischen Weise schreiben muß, aber die Behauptung in Eurer Excellenz Proclamation zwingt mich dazu. Um nun auf die 35 000 Männer überzugehen, die Eure Excellenz in Händen zu haben behaupten, ist es mir un möglich, über die Zahl derselben etwas zu sagen. Doch will ich betonen, daß mit Ausnahme der Männer, die entweder durch Proclamation Ihres Vorgängers von ihren Pflich ten gegen unsere Regierung abgeleitet wurden oder durch Berrath oder aus anderem Grund zum Feind über gegangen sind, die aber Gott sei Dank verhältnißmästig wenig waren, der Rest au» ehrlichen Kriegsgefangenen be steht, die noch gefangen gehalten werden, und außerdem aus alten kranken Männern und jungen Knaben, die noch nicht dienstpflichtig waren und welche durch Eurer Excellenz Truppen mit Gewalt von ihren Farmen wcggeführt und gegen ihren eigenen Willen in Lagern gefangen gehalten werden. Da» zu beweisen, baß die Personen, die unter die letzten zwei -ategorien fallen, freiwillig in diesen Lagern bleiben, wird Niemand im Ernst unternehmen. Ich kann der Wahrheit gemäß erklären, daß mit Ausnahme der Kriegsgefangenen und der Wenigen, die zum Feind über gegangen sind, die übergroße Mehrzahl der Bürger noch unter den Waffen steht. Was die Wenigen anbclangt, die von uns zum Feinde übergc- gangen sind «was jetzt kaum mehr vvrkommt), kann ich sagen, daß unsere Erfahrung hierin nicht allein steht, denn die Geschichte lehrt, daß es in allen Freiheitskriegen, bei spielsweise in Nordamerika und anderen Ländern, solche Leute giebt, und wir müssen trotzdem danach trachten, auch ohne diese auszukommen. Was die 74 000 Frauen und Kinder anbelangt, die, wie Euer Excellenz behaupten, in den Lagern unter halten werden, so scheint Euer Ercellcnz nicht zu wissen, auf welch grauenhafte Weise die armen Wehrlosen durch Euer Excellenz Truppen aus ihren Häusern weggerissen wurden, während all ihr Hab und Gut durch die Truppen vernichtet wurde. Ja, die armen unschuldigen Schlacht opfer des Krieges flüchten sogar bei Wind und Wetter, Tag und Stacht beim Anmarsch einer feindlichen Armee, nur um nicht in die Hände der Soldaten zu fallen, und Euer Ex cellenz Truppen haben sich kein Gewissen daraus gemacht, auf die Hilflosen, um sie in ihre Hände zu bringen, mit grobem Geschütz und Kleingcwehr zu schießen, obgleich sie genau wußten, daß es nur Frauen und Kinder waren. Da durch wurde manche Frau verwundet, ja sogar getödtct. So war es z. B. erst kürzlich am 6. Juni bei Graspan in der Nähe von Reitz, wo ein Frauenlager und nicht ein Convoi — wie an Euer Excellenz rapportirt wurde — durch Ihre Truppen gefangen genommen, aber wieder durch uns in Freiheit gesetzt wurde, während Ihre Truppen sich hinter den Frauen versteckten. Als dann Verstärkung kam, haben sie mit Kanonen und Gewehren auf das Frauenlagcr ge schossen. Ich könnte Hunderte von Fällen dieser Art auf führen, aber ich halte cs nicht für nöthig, denn wenn sich Euer Excellenz die Mühe nehmen wollte, einen Soldaten, der die Wahrheit liebt, zu fragen, dann muß er meine Be hauptungen bestätigen. Wenn man fagt, daß diese Frauen und Kinder sich freiwillig im Lager aufhalten, so wider spricht das den Thatsache», und die Behauptung, daß »die Frauen »ach den Lagern gebracht werden, weil sich die Bocren geweigert hätten, ihre Familien zu versorgen und zu verpflegen, wie sie kürzlich im Parlament ausgestellt morden, ist eine Verleumdung, die uns weniger schadet als dem Verleumder, uud von der ich sicher bin, daß sie niemals die Zustimmung Euer Excellenz finden wird. Was die Proclamation selbst betrifft, kann ich Euer Ercellcnz die Versicherung geben, daß sie mich nie mals abhaltcn kann, meine Pflicht, wie sie mir mein Gewissen, und nicht, wie sie mir der Feind vorsch reibt, zu erfüllen, getreu bis zu meinem Ende. Unser Land ist ruinirt, unsere Häuser und Habe sind vernichtet, unser Vieh ist weggcführt oder zu Tausenden getödtct, unsere Frauen und Kinder sind durch Truppen und Kaffern gefangen, mißhandelt und wcggeführt, und viele Hunderte haben bereits ihr Leben für Freiheit und Vaterland geopfert. Sollen wir uns jetzt von unserer Pflicht abwendcn, weil unseren Leuten mit Verbannung gedroht wird? Oder sollen wir untreu werden unserem Glauben an einen gerechten Gott, der uns bis jetzt so wunder barerhaltenhat? Ich bin überzeugt, wenn wir das thun würden, würden wir nicht allein die Verachtung Euer Ercellcnz und jedes ehrlichen Menschen auf uns ziehen, ja, wir müßten u n s s e l b st v e r a ch tc n. Ich will jetzt schließen und Euer Execllenz die Versiche rung geben, daß Niemand mehr wünscht, den Frieden her- zustellcn, als ich, und ich bin deshalb bereit, mit Euer Er cellcnz zu jeder gewünschten Zeit zusammcnzutreffcn, um mit Euer Excellenz die Bedingungen zu besprechen, unter denen der Friede hergestellt werden könnte. Aber um Euer Exccllenz nicht irrezuleiten, muß ich bemerken, daß für uns kein Friede annehmbar ist, der nicht die Unabhängig keit der beiden Republiken und die Interessen unserer Brüder in der Capcolonie, die sich uns angeschlosscn haben, gewährleistet. Wenn es ein Verbrechen war, in Selbstvcrthcidigung zu kämpfen, und dieses Verbrechen bestraft werden soll, dann meine ich, daß Seiner Majestät Regierung vollauf zufrieden sein kann mit der Verwüstung unseres Landes und der Mißhandlung von Frauen und Kindern und mit dem allgemeinen Elend, das mit diesem Kriege verbunden ist. Es liegt mehr in Euer Exccllenz Macht, als in der eines Anderen, hier ein Ende zu machen und in diesem unglücklichen Welttheil das frühere Glück wieder herzustcllcn. Wir bitten um keine Großmüthigkeit, wirverlangen nur Gerechtigkeit. Ich füge eine Uebersetzung meines Schreibens bei, um zn verhindern, daß Euer Exccllenz durch eine unrichtige Uebersetzung der wirkliche Sinn meines Briefes vorenthalten bleibt, wie cs unlängst mit einem Brief erging, den ich an die Regierung der Süd afrikanischen Republik geschrieben habe nnd der zu Reitz in Ihre Hände fiel nnd veröffentlicht wurde, aber auf eine Weise, daß man ihn beinahe nicht mehr erkannte. Es wur den nicht allein verschiedene Stellen falsch übersetzt, ja, cs wurden sogar neue Lätze cingesügt, die gar nicht ge schrieben waren, und andere Theilc wurden ganz ausge lassen, so daß dem Briefe ein ganz verkehrter Sinn gegeben wurde. Ich habe die Ehre, zu sein Euer Excellenz rc. M. T. S t e i j n, Staatspräsident Les Oranje-FreistaateS. Deutsches Reich. Berit«, 22. Mat. (Die Baseler Arbeits los c p c a s s e.) Je wichtiger das Problem -er Arbeits losenversicherung ist, um so veachtenswerther sind die prak tischen Versuche, die zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf dem Wege der Versicherung gemacht werden. Dahin gehört das Vorgehen des Arbeiterbundes Basel, der seit einem Jahre eine ArbeitSloscncassc besitzt, über deren Wirk samkeit Nationalrath Dr. Hofmann in der „Socialen Praxis" an der Hand des soeben erschienenen ersten Jahresberichtes referirt. Die Baseler Caste zählte 806 Aetiv- und 100 Passiv-Mitglieder, erstere zahlten an Mvnatsbeiträgen 2161 Francs, letztere 1355 Francs; dazu kamen je 1000 Francs von der Cantonregierung und vom Allgemeinen Consumverein, so daß die Gesammteinnahme einschließlich anderer Zuwendungen sich auf 6146 Francs belief. Da die Gcsammtausgabc 3307 Francs betrug, be läuft sich der Ueberschuß auf 2838 Francs. Dieses Ergeb- niß ist vor Allem der vorsichtigen und äußerst sparsamen Leitung zu verdanken, welche die Ver- waltungskostcn auf ein Minimum beschränkte. Außerdem fällt für das Ergcbniß die Bemessung der Carenzzeit, die Beschränkung der Bezugsberechtigung auf höchstens acht Wochen im Jahre und die Festsetzung des Arbeitslosen geldes auf 1 Franc pro Tag ins Gewicht. Auch hier zeigt sich die Vorsicht und die Sparsamkeit, mit der die Leitung bei der Bemessung der Leistungen der Caste vorgeht. Daß der Zntrang der Arbeiter zur Caffe nicht in -em erhofften Grade stattfand und die Arbeitslosigkeit der Versicherten die Erwartungen übertraf, sei ausdrücklich hervorgehoben. * Berlin, 22. Mai. (AusdemReichedesHerrn v. Thielen.) Die „Neuß-Grevenbroicher Zeitung" schreibt: Tic schwierigen Dienstverhältnisse auf dem Neußer Bahnhof hat unser Landtagsabgeordnetcr Marx am 14. vorigen Monats im Abgeordnetenhausc bei Berathung des Eisenbahnetats zur Sprache gebracht. Wohl auf Anordnung des Herrn Eisenbahn ministers, dem der Abgeordnete den Wunsch der Beamten unter breitet hatte, sind nun in den letzten Tagen seitens der Be- rriebsinspection Krefeld direct und indirect Untersuchungen an gestellt worden. Leider bewegen sich diese in einer völligver- k e h r te n R i ch t u n g. Anstatt nämlich nachzusehen, wie man den bestehenden Ucbclständen abhelfen kann — und tatsächlich liegen die Tinge noch schlimmer, als sie geschildert worden sind, geht man hin und forscht danach, wer dem Herrn Ab- geordnetendasMaterialgelieferthabe. Wir erachten dies für völlig unzulässig und protestiren gegen diese Behelligung der Beamten, denen ein ungestörter Verkehr mit ihren Abgeordneten wie jedem andern Bürger zufteht. Eine solche Untersuchung ist auch ganz gewiß nicht das, was der Herr Eisenbahnminislcr will, zu dem wir das Vertrauen haben, daß er wohl alle Ucbelstände nach Kräften beseitigen, nicht aber seine Beamten in Ausübung ihres guten Rechts geschmälert wissen will, wie er auch den Abgeordneten den Weg ungestörten Ver kehrs mit allen ihren Wählern nicht beeinträchtigen möchte." Der „Tägl. Rundsch." wird dazu aus Beamtenkreiscn geschrieben: Wir mittleren Eisenbahnbcamtcn befinden uns wirklich in einer cigenthümlichcn Lage. Wir müss.ir unsere Bedrängnisse einfach herunterschluckcn und schweigen; denn wir mögen einen Weg wühlen, welchen wir wollen, um unsere Wünsche an den Mann zu bringen, immer ist er falsch. Seiner Zeit hat der Herr Minister v. Thielen im Landtage erklärt, die Beamten sollten oaS viele Petitivnircn unterlassen und sich vertrauensvoll an ihn wcdcn. Einer unserer Vereine hat darauf hin im Herbste vergangenen Jahres eine Bittschrift an den Herrn Minister gerichtet. Als nach Monaten auf diese Bittschrift überhaupt leine Antwort einlief, bat der Vor stand des Vereins den Minister um Gewährung einer Audienz, um die in der Bittschrift geäußerten Wünsche mündlich zu begründen. Jetzt erfolgte die Antwort. Die Audienz wurde abgelchnt und die Bittschrift als der falsche Weg bezeichnet. Die Beamten sollten sich an ihre un mittelbar vorgesetzte Behörde wenden. Damit sind sie ausgeschrieben: denn eben deshalb haben sic sich an den Minister gewandt, weil ihre unmittelbaren Vorgesetzten ihre Wünsche nicht erfüllen oder nicht erfüllen können. Mit den Abgeordneten sollen sie sich auch nicht in Verbindung setzen, mit der Presse noch viel weniger — also sind sic einfach zum Schweigen verurtheilt. Hält man das wirk lich für ein Mittel, die Zufriedenheit in diesen Kreisen zg fördern? * Berlin, 22. Mai. Von polnischen Fibeln zum Hausgebrauch entwirft die „Prcuß. Lehrerztg." folgende an schauliche Schilderung: Um die Kinder zu befähigen, dem in polnischer Sprache er- theiltcn Bcichtunterricht mit Verständniß zu folgen, lassen die polnischen Eltern auf Wunsch der Geistlichen cs sich angelegen sein, ihren Kindern an der Hand polnischer Fibeln polnischen Lese- und Schreibunterricht zu ertheilen. Die Fibeln aber, die ihren Unterweisungen zu Grunde liegen, sind nicht immer geeig net, das junge Geschleckt zu königstreuen, vaterlandsliebenden Unterthancn zu erziehen. So werden geradezu hochver- rätherische Gedanken in einer Fibel genährt, die 1894 im Simon'schen Verlage zu Posen erschienen ist. Sie trägt die Aufschrift: „^.ksoscklo j Xmüc» emtssia äl» polslcieb 621'eci" und ist vielfach im Gebrauch. In ihren zusammenhängenden Lese stücken bringt sie zunächst einige biblische Geschichten in kindlicher Fassung und im Anschluß daran eine kurze Geschichte deS Polen reichs. Dieser Abschnitt schließt mit der Bemerkung: „Heute ist der Pole nackend; denn seine letzte Arbeit mußerAndcrenalsStcucrnzahlen." In einem „Hans'und Welt" überschriebenen Lrsestücke heißt cS: „Mein Vaterland Polen war einst ein großes, freies Reich von Meer zu Meer; jetzt ist es aber unter drei Herren getheilt. Aber wir haben eine Muttersprache, lieben unS wie Brüder und erwarten von der Güte Gottes, daß sie das Reich unter einem Herrn wieder vereinigen werd e." Die Reihe der Fibellieder findet hier ihren Abschluß mit der Abbildung eines polnischen Greises, der von dem Gipfel eines Berge» aus Um schau hält. Jur Erläuterung des Bildes schreibt der Verfasser: „Alls diesem Bilde ist ein Alter, der bessere Zeiten des Pole »reich cs gesehen hat. Er sicht zur Erde und denkt, wenn ich nur noch eine glück! ich e Zukunft deSReichcs erleben möchte!"
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