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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020524024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902052402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902052402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-24
- Monat1902-05
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Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr- Anzeigen sind stets an die Gx-edition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 24. Mai 1902. 98. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Friedcnsverhandlungen. Das „Rcuter'schc Bureau" erfährt, die Verhandlungen über die Friedensbedingungcn zwischen den Vertretern Großbritanniens in Pretoria und den sechs Delcgirten der Boeren nähern sich dem Abschluß. Alle Haupt punkte seien geregelt, cs lägen aber noch einige Detailfragen vor, welche dem englischen Cabinct zur Er wägung unterbveitct sqien. Die Antwort werde den Boerendelegirten zngestcllt werden, welche dann nach Vereeniging zurückkehren würden, um sic den übrigen Delcgirten vorzulegen. Die endgiltige Berathung, die allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen würde, werde dort stattfindcn und dort werde auch die definitive Entscheidung getroffen werden, ob die Bedingungen angenommen werden sollen oder nicht. Es sei noch ungewiß, ob die Delcgirten dann nach Pretoria zurückkehren würden. Der endgiltige Beschluß der Boeren könne Kitchcncr aber auch telegraphisch übermittelt werden. Auf ein Scheitern der Friedcnsverhand- lungen bereitet dagegen folgende weitere Nachricht des selben Bureaus vor: * Pretoria, 28. Mai. l.Reuter's Bureau" ) Das Er» gebuiß der Zusammenkunft der Boeren in Vereeniging hat insofern enttäuscht, als eine greifbare Ent» scheiduug nicht erreicht wurde. Die Transvaal» Boeren betonen die Nothwendigkeit, die Ariedens bedingungen Englands anzunehmcn, lehnen es aber ab, für sich allein ein Abkommen mit der britischen Regierung zu treffen und die Freistaat-Bocrcn aus diese Weise -en Kampf allein weiterführen zu lassen. Es wurde be schlossen, -aß die Hauptsührcr der Boeren sich zu Kitchcncr begebe« sollen, um ihn von dem Ergebniß der Bc» rathungen zu unterrichten. Wegen des unentschiedenen Charakters dieser Mittheilungen wurde im Allgemeinen erwartet, daß die Feindseligkeiten wieder eröffnet werden würden. Jedermann war daher er» staunt, daß die Delcgirten sich noch immer in Pretoria befinde«. Deshalb vcrmuthct man, daß die Friedens aussichten nicht hoffnungslos sind. * London, 24. Mai. (Telegramm.) Der „Stan dard" schreibt: Der gestrige Ministerrath dauerte zwei Stunden; nach demselben fand eine Sitzung des Eabinetsausschufles statt. Daraus hatte Chamber lain eine Audienz beim König. Alle Mi nister verließen London. Chamberlain reiste nach Birmingham ab. — Alle anderen Blätter melden da gegen, Chamberlain sei in London geblieben. (Soll die Mittheilung, daß die Minister London ver lassen haben, besagen, daß der Friede perfect ist? D. Red.) * London, 24. Mai. (Telegramm.) Der K r i c g s - Minister hielt gestern bei einem Bankett eine Rede, in der er ausführte, es würde über seine Pflicht hinausgehen, wenn er auf den jetzt vor sich gehenden Austausch von Mittheilungen cingehen wollte, welcher, wie man hoffe, das Vorspiel zur Uebcrgabe der im Felde stehenden Boeren bilden werde. Die Regierung sei so entschlossen wie je und werde eine Be seitigung der Schwierigkeiten nicht erkaufen mit der Auf opferung von irgend etwas, das der dauernden Siche- rungdesFriedcnsin Südafrika dienen könne. politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Mai. Die soeben bekannt gewordenen Betriebsergebnisse der sächsischen Eisenbahnen im Jahre 1901 zeigen gegen daS Vorjahr einen Rückgang der Einnahmen von 5 747 000 und die vorläufigen Feststellungen der Betriebs einnahmen im ersten Vierteljahr des laufenden Jahres, die ein weiteres Minus von 87 300 ergeben, beweisen, daß die Rente der sächsischen Staatsbahnen keineswegs im Steigen begriffen ist. Um so gerechtfertigter erscheint nunmehr der Beschluß der Zweiten Kammer, den ursprünglich von der Regierung etalisirten Einnahmeüberschuß der Staatsbahnen für 1902/03 um 2 315 000 herab zusetzen. ES folgt aber auch weiter daraus, daß die Hoff nung, unsere Eisenbahnsinanzen würden sich in den nächsten Jabren wesentlich bessern, nur eine sehr geringe ist. DaS muffen Wohl auch diejenigen zuzeben, die mit „kleinen Mitteln" dem Nebel abzuhelfen versuchen wollen. Unter ihnen erscheint die Reorganisation der ge- sammten Eisenbahnverwaltung, die durch Abschaffung der kostspieligen Generaldirection, die Ver einfachung deS Bureaudienstes und zweckmäßigere Einrichtungen im Betriebsdienst erreicht werden soll, noch als daS wirkungs vollste. Wenigstens hat Preußen auf diese Weise ganz wesentliche Ersparnisse erzielt. Aber wenn auch eine Herab setzung des Betriebscoesficienten und der persönlichen Aus gaben eintritt, so wird damit doch nicht ein derartiger finanzieller Erfolg erreicht werden können, der für die Gesundung der allgemeinen Finanzlage Sachsens nicht blos Wünschenswerth, sondern auch nothwendig ist. Ob nun der Vorschlag des Landtags, daß auf Grund des Artikels 42 der Reichsversassung jede Umleitung des Güter transportes zum Schaden der sächsischen Eisenbahnverwaltung durch Preußen verhindert werden soll, viel zur Hebung unserer Eisenbahnrente beitragen wird, ist immerhin zweifel haft. ES ist doch nur ein Theil der Einnahmen davon abhängig, weil das Verbot nicht auf den Personenverkehr ausgedehnt werden kann und weil nur wenige Linien für den Durchgangsverkehr in Betracht kommen. Ein Radikalmittel bringt diese Anregung jedenfalls nicht. Für um so nöthiger halten wir es, daß man bei uns an maßgebender Stelle den Gedanken an einen Anschluß Sachsens an die preußisch-hessische Eisenbahn gemeinschaft nicht schlechthin verwerfe. Ein directer Druck, um einen solchen Anschluß herbeizuführcn, wird ja, wie die gestern an Lieser Stelle mitgetheilte und besprochene officiöse Auslassung der „Berl. Pol. Nachr." beweisen, von preußischer Seite nicht ausgeübt werden. Da aber jede spccifisch preußische Effenbahnpolitik nur zum Nachtheile SachsenS durchgeführt werden kann, so ist ein in directer Druck unausbleiblich und wächst naturgemäß mit den Jahren. Und je weniger man sich deswegen über Preußen beschweren kann und je mehr unsre Staatsmänner Preußen gegen Vor würfe wegen illoyaler Handlungsweise werben in Schutz nehmen müssen, um so mehr werden sie sich mit dem Ge danken vertraut machen müssen, aus eigener Initiative den immer schwerer lastenden Druck abzuschütteln. Bei Lichte betrachtet, verliert ja auch das Schreckgespenst deS Eintritts Sachsens in eine größere Eisenbahngemeinschast völlig den Charakter, den ihm ängstliche Gemüther andichten. Mit vollem Rechte wird in dem letzten Hefte der „Grenzboten" auSgeführt: „Zunächst ist doch auch jetzt die sächsische Eisenbahnverwaltung so wenig ganz „unabhängig", wie die irgend eines anderen Mittelstaates; sie muß in Fahrplänen und Tarifen fort während Rücksichten auf die Nachbarn, vor Allem auf Preußen, nehmen, ohne doch irgend welchen entsprechenden Ein fluß auf dessen Leitung ausüben zu können. Sodann und vor Allem: die preußisch-hessische Gisenbahngemeinschast ist eine Betriebs- und Finanzgemeinschast, keine Besitzgemein schaft, der hessische Staat ist vielmehr im Besitze seiner Eisenbahnen geblieben. Auch ist der Betrieb gar nicht schlechtweg auf die preußische Verwaltung über gegangen, es besteht vielmehr eine gemeinsame preußisch- hessische Eisenbahndirection in Mainz neben der preußischen in Frankfurt a. M. Beide stehen unter einem gemeinsamen BrzirkSeisenbohnrath, und überdies ist Hessen sowohl im preußischen Ministerium für öffentliche Arbeiten, alS im preußischen Eisenbahnrath vertreten, hat also vollkommen Gelegenheit, seine Interessen zu wahren. Von den gemeinsamen Einnahmen bezieht es keineswegs eine feste Rente, sondern einen festen Procentsatz (V»»), eS nimmt also an den gemeinsamen Gewinnen und Verlusten entsprechend theil, die sich doch offenbar bei einem so kolossalen Netze (gegen 32 000 üw) eher ausgleichen, als bei einem viel kleineren; jedenfalls bezieht es schon jetzt eine gegen früher beträchtlich erhöhte Eilenbahnrente (7 Proc). Sachsen würde, in dieselbe Lage versetzt, sein Eigen- thumsrecht an seinen Staatsbahnen behalten wie bisher; es würden nur ein oder auch zwei gemeinsame Eisenbahn directionen in Dresden und Leipzig unter einem gemeinsamen Eisenbahnrathe zu errichten sein, und Sachsen würde seine Vertretung in Berlin haben, also aus den Gesammtbetrieb Einfluß gewinnen, der ihm jetzt völlig fehlt, und an dem Gewinn auch der preußischen Concurrenzlinien einen Antheil haben, die jetzt auf seine Eisenbahnrente drücken, und seine eigenen Eisenbahnverbindungen wesentlich verbessern." Jedenfalls rechtfertigt dieses Zukunftsbild die schwarzen Schilderungen, mit denen die Gegner eines Anschlusses Sachsens an die preußisch-hessische Eisenbaystgemeinschaft die Gemüther zu schrecken suchen, ebensowenig, wie^eö die Schwere der Verantwortung mildert, die unseren Staats männern dadurch erwächst, daß Preußen ihnen die Initiative auf diesem Gebiete zuschiebt. Einige radicale Blätter übernehmen mit Behagen die Nachricht, die von einem kleinen Blatt in Blankenhain in die Welt gesetzt wird: Der Reichstagsabgeordnete Bassermann werde im nächsten Jahre sich nicht wieder um daS Reichstags mandat bewerben. DaS kleine Blankenhainer Blatt will es auS dem Munde deS Herrn Bassermann selbst wissen. Wir glauben, mindestens ebenso gut über die Absichten deS Herrn Bassermann unterrichtet zu sein, um dieses ganze Gerede in das Bereich der Fabel verweisen zu können. Abgesehen davon, daß heute nur sehr wenige Parlamentarier schon in der Lage sind, zu sagen, ob sie ihre parlamentarische Thätigkeit sort- sctzen wollen oder nicht, wird man doch dem Führer der national liberalen Fraktion deS Reichstags Zutrauen,daß er seineEntschließ- ungen nicht in einem Augenblicke faßt, in welchem sich überhaupt noch nicht sagen läßt, wie bei den nächsten Wahlen die poli tische» Dinge sich gestaltet haben werden. Gerade der Führer aber hängt zu eng mit dem Gange der politischen Dinge zusammen, als daß er ohne Rücksprache mit den Freunden in der Partei und ohne die künftige Entwicklung übersehen zu können, aus dem politischen Leben sich entfernt, wenn nicht etwa zwingende persönliche Verhältnisse vorliegen. Solche aber liegen nicht vor. Eine Entschließung auS politischen Gründen ist nicht gefaßt und könnte auch gar nicht gefaßt werden. ES ist auch weit und breit kein Grund zu erkennen, der Herrn Bassermann veranlassen könnte, letzt schon über daS nachzudenken, waS er für seine Person im nächsten Jahre zu tbun gedenkt. Noch viel weniger denkt die natioualliberale Partei im Wahlkreise Jena daran, einen Wechsel in der Person ihres Abgeordneten vorzunehmen. Im Gegentheil haben alle Versammlungen, die Herr Bassermann zum Zwecke der Berichterstattung in seinem Wahlkreise abgehalten hat, immer nur aufs Neue ge zeigt, wie unbedingt das Vertrauen ist, das ihm von der Partei im Wahlkreise entgegengebracht wird, und wie sich dieses Vertrauen sogar auf Wählerschichten erstreckt hat, die bis dahin der Partei und der politischen Persönlichkeit deS Herrn Bassermann reservirt gegenüberstanden. Man mag also die frübsommerliche Ente von Blankenhain betrachten, von welcher Seite man will, sie ist und bleibt nichts weiter als eine Ente, die den Freisinnigen und den Socialdemokraten allerdings urkräftigcS Behagen bereitet. Sie ist aber von solcher Beschaffenheit, daß sie unmöglich Verwirrung anzu richten in der Lage ist. In der gestrigen Sitzung der italienischen Deputirten- kammer hat sich der Minister des Aeußern Prtnettt in be- merkenSwerther Weise über den Dreibund und die allgemeine Weltlage ausgesprochen. Wir erhalten hierüber folgende Mittheilung: Nach Barzilai nimmt unter der gespannten Aufmerksamkeit des Hauses Minister Prinettt das Wort. Er sagt zunächst, seine Erklärungen würden die Richtung seiner Politik genau darlegen. Was Tripolis betreffe, so würde er seinen früheren Auslassungen eigentlich nichts hinzuzusügen haben. Nun habe aber Demartino an ihn eine Interpellation gerichtet, des Inhalts, ob nicht nach dem französisch-englischen Abkommen vom Jahre 1899 England der italienischen Regierung wegen der Ostgrenze von Tripolis dieselben Zusicherungen gegeben habe, wie Frankreich bezüglich der Westgrenze. Seine Antwort daraus werde ebenso einfach wie bündig lauten: „Ja, diese Zusicherungen sind unS gegeben." Tie traditionelle Herzlichkeit der Beziehungen zu Eng- land sei also wieder einmal bestätigt worden. Was Albanien angehe, von dem Graf Goluchowski in seiner letzten Rede nichts gesagt habe, wahrscheinlich, weil er seinen Aeußerungen über diesen Gegenstand nichts hinzuzusügen hatte, so könne auch Redner nur seine früheren Erklärungen wiederholen: Italien und Oesterreich-Ungarn stimmten darin überein, in der Er haltung des Status guo in diesem Lande die beste Garantie ihrer gegenseitigen Interessen zu sehen. Die beiden Regierungen würden nicht aushören, mit Gleichmutb und völliger Uneigennützigkeit der natürlichen Entwickelung des albanischen Volkes zuzusehen. — Auf den Dreibund übergehend, betonte der Minister, daß die jüngsten Ausführungen Les Grafen Goluchowski den gegenwärtigen Stand der Dinge klar darlegten. Die drei Regierungen hätten noch nichts unterzeichnet, aber sie hätten gegenseitig den Entschluß kund- gegeben, zu geeigneter Zeit an die Erneuerung des Bündnisses zu gehen. Man habe Italien eine Politik der Jsolirung an- gerathen, der Augenblick hierzu scheine durchaus nicht gut gewählt zu sein, denn die allgemeine Tendenz gehe dahin, sich zusammen- zuschließen oder alle Zusammenschlüsse noch weiter zu festigen. Selbst England habe seine glänzende Jsolirung aufgegeben. Die Vielfältigkeit der Interessen, der Zusammenhang zwischen allen die Welt bewegenden Fragen nöthigten zu solchen Einvernehmen, ohne welche Ueberraschungen immer zu fürchten wären. Was Italien angehe, so könne man zugcben, daß nach dem Einver nehmen mit Frankreich hinsichtlich Les Mittelmeeres die Besorgniß, welche seinen Eintritt in das Bündniß zu bestimmen schien, ziemlich an Werth verloren habe. Es würde indessen ein Jrrlhum sein, zu glauben, daß dies der einzige bestimmende Grund gewesen ist; noch sehr viele andere Interessen von her vorragender Wichtigkeit für Italien haben in dem Drei bund eine Garantie gefunden, deren Werth mehr und mehr gestiegen ist. Dank dem Dreibunde könne Italien darauf rechnen, daß selbst außerhalb Albaniens sich keine Combination ohne sein Wissen und zu seinem Nachtheile in den Balkanstaaten verwirklichen könne nnd daß, wenn jemals gegen seinen Willen und trotz seines Wirkens die Erhaltung des Status guo im Mittelmeere gestört werden sollte, Italien in gleicher Weise sicher sein würde, Niemand zu finden, der ihm den Weg in seinem recht mäßigen Bestrebungen versperrte. Man habe gegen den Dreibund die außerordentlich hohen militärischen Ausgaben und die Sorge um die Erhaltung des Friedens geltend gemacht. Was die militä rischen Ausgaben anbelrifft, so sei es ganz augenscheinlich, daß- wenn jemals ein Staatsmann Italiens die Verantwortlichkeit für eine Nichtrrneuerung des Dreibundes übernehmen würde, seine erste Sorge darin bestehen müßte, wenn er seinen König und sein Land nicht verrathen wolle, die nationale Sicherheit um den Preis der größten Opfer gegen jeden Wechsel zu schützen.— Was die Sorge um den Frieden betrifft, so bilde die doppelte Gruppiruug, die sich ohne gegen seitige Reibung in dem continentalen Europa bildete, ein Unter pfand mehr für den Frieden in Europa und in der Welt. Der Dreibund, ein eminent friedliches und auf die Abwehr ge richtetes Werk, würde nach wie vor das mächtigste Element des Gleichgewichts und deS Friedens sein. Man habe vermuthet, die Erneuerung de» Dreibundes könne den guten Beziehungen schaden, die in so glücklicher Weise wieder mit Frankreich hergestellt seien. Gras Bülow,Graf Goluchowski und Redner selbst hätten schon bei früherer Gelegenheit erklärt, daß der Dreibund, der seinem Charakter nach durchaus friedliche Ziele verfolge, weit davoneutfernt sei, irgend eine der vertragschließenden Parteien z u hindern, sich an Uebereinkommen mit dritten Mächten Feuilleton. ry Der Militarcurat. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck verboten. Fünfzehntes Capttel. Hellgrün schimmern die Oliveten, der See blaut wie das klare Firmament, Sonnenschein vergoldet Berg und Thal, und tagsüber weht laue Luft, die eher an den Früh ling, denn an die Herrschaft des Winters gemahnt. Wenn nicht die Zacken und Rücken -er höchsten Berge Schnee schmuck tragen würden, an das bevorstehende Weihnachts fest wäre kaum zu denken. Nur das Farbenspiel ist ein anderes, das Immergrün leuchtet wie zur sommerlichen Zeit, die Lichtfluth blendet, cs duftet in den Gärten — ewiger Lenz im Süden. Nur wenn die Sonne hinter den Bergen niedcrgegangcn, wehen kalte Luftströme aus den gigantischen Coulisscn heraus, in den Nächten nun doch daran gemahnend, daß das Jahr zur Rüste geht. In der Menage versammelt, gedachten die Officiere gar oft und mit Sehnsucht des deutschen Winters in der fernen Heimath mit seinem zwar frostigen, dennoch er quickenden Zauber im Gebirge, im verschneiten Wald und aus weißen Fluren. Daß Weihnachten im engen Kreise auf deutsche Art gefeiert werden soll, galt ohne besondere Verabredung für ausgemacht, der deutsche Tanucnbaum ist bestellt, wie der Zicrrath und die Kerzchcn dazu. Fritz von Sternburg schwelgte um diese Zeit im Glück, denn Papa war gekommen und vom Liebreh der blonden Marchesa besiegt worden. Loxazza Has die Kapiere erhal ten und in Ordnung befunden, das Heirathsgesuch ist von, Corps genehmigt worden. Der Bräutigam wünschte sich nur noch, die liebliche Braut just auf Weihnachten als „Christkindl" zu erhalten, und in diesem Sinne stapfte Sternburg zum allverehrten Curaten in dessen Wohnung, um eine Beschleunigung der Angelegenheit zu erbitten. Corazza empfing den Besucher lächelnd und erhob deu Zeigefinger schalkhaft drohend: „Komm mir nur nicht als Pressirer, lieber Freund!" „O weh! Ich möchte Dich aber wirklich und recht herz lich bitten!" „Aber Mensch, Christ, Freund, Leutnant, Baron! Katechismus schwach, in der Liebe ausgezeichnet!" „Wieso, verehrter Freund?" „Weißt Du denn gar nichts mehr aus dem Katechis mus?" Kleinlaut sprach Sternburg: „Renommiren könnte ich mit dem Rest von Kenntnissen allerdings nicht! Genügen die Gebote Gottes nicht, Hochwürden?^ „In Deinem Falle nicht! Weißt Du nichts mehr von den verbotenen Zeiten, so sie der Katechismus auszählt?" „Nein! Ich muß die betreffenden Stellen wahrlich ver schwitzt haben, was da heruntcn im Süden lein Wunder ist!" „Keine Ausflüchte, Freund, der Süden ist keine Ent schuldigung und darf auch nicht zum Prügelknabe» ge macht werden! Ich rufe Dir ins Gcdächtniß, daß vom ersten Adventssonntag bis zum Dreikönigsfest feierliche Hochzeiten nicht abgehaltcn werden dürfen. Also wird Freund Sternburg die Güte haben, sich bis zum sechsten Januar zu gedulden!" „Aber dann komm' ich ja um mein Christkindl!" „ES gebt AtM ander-, Neber Freund! Die Kirche», geböte müssen wir erfüllen! Und Du rechnest doch auf den Segen der Kirche zu Deinem Ehcbunde, nicht?" „Ja, gewiß! Ich füge mich! Also traust Du uns am Dreikönigstagc, ich bitte Dich herzlich darum!" „Bon Herzen gern!" „Und am Mahl bctheiligst Tu Dich auch, ja?" „Für eine kurze Zeit, mit Vergnügen! Doch für das ganze Diner kann ich mich nicht zur Verfügung stellen, mein Magen erlaubt keine Allotria!" „Hochwürden! Ich hätte noch etwas auf dem Herzen!" „Bitte! Ich höre!" „Ja, so einfach ist das nicht zu sagen! Du weißt, ver ehrter Freund, ich stamme aus reichem Hause, und meine Braut als Italienerin huldigt den Bräuchen ihrer Hei math, sie möchte Dir gern als Zeichen schuldigen Dankes —" ,^Halt' ein, Freund! Ich achte Deine gute, freundliche Absicht und kenne italienische Bräuche, dennoch bitte ich von allen Geschenken Abstand zu nehmen. Besten Dank für die gute Meinung, aber ich lehne Alles ab. Sei mir nicht gram darob! Rcspcctire gütigst meine Grundsätze! Ich will -er arme Curat sein und bleiben und fühle mich zu frieden nnd glücklich in diesen beschränkten Verhältnissen." „Gewiß! Du kennst die Gefühle der Verehrung im Offtciercvrps für Dich, und nichts liegt mir ferner, als Dich irgendwie durch eine Gabe kränken zu wollen. Aber irgend einen Gegenstand kirchlicher Kunst möchte ich doch znm Danke widmen -" „Gieb von Deinem Uebcrflnffe den Armen, das ehrt Euch und thut den Armen wohl!" „Das wird ohnehin geschehen! Mache uns die Freude, ich bitte herzlichst darum!" „Steh' davon ab, theurer Freund! Ich habe einst Bet- ltuhl, einen Christus und etliche Bilder bekommen, bin also überreich, und wüßte nicht, was denn noch meine Hütte schmücken soll. Wenn ich Dich in Deiner Glückseligkeit aber um etwas bitten darf, so lautet die Bitte: Gedenke zur bevorstehenden Weihnachtszeit unserer Soldaten! E > sind von Haus aus arme Burschen dabei, denen die An gehörigen bei», besten Willen nichts schicken können. Unsere Jäger würden Dir und Deiner verehrten Braut gewiß von ganzem Herzen dankbar sein, wenn sie zum Weihnachts feste, fern der Heimath, jeder der Armen eine kleine Gabe bekämen!" „Wie gut Du doch bist, Corazza! Der echte Soldaten pfarrer! Ja, ich bin Dir dankbar für Deine Anregung und bitte Dich, die Bertheilung vorzunchmen. Ich stell: einen Betrag zur Verfügung. Du, der Du die Herzen kennst, wirst am besten die Würdigen heraus zu finden wissen!". „Von ganzem Herzen innigsten Dank! Und wenn Du erlaubst, werde ich ein kleines Sümmchen dazu verwenden, die paar Gräber der hier verstorbenen Jäger am heiligen Abend mit Christbänmchcn zu schmücken — ein Memento, auf daß auch unsere Todten vom Regiment nicht vergessen seien zur Weihnachtszeit nach deutscher Sitte!" In tiefster Rührung rief Sternburg: „Wie edel un gütig ist dieses Gedenken nnd doppelt hoch anzurechnen, da Dir doch deutscher Brauch ferner liegt als uns!" Weich erwiderte Corazza: „Ich habe mich einqelebt in deutsche Sitte, und ich bin ja doch Pfarrer deutscher Sol daten! Habe Dank für Deine Zustimmung! So wollen wir denn fröhliche Weihnachten feiern nnd auch im Gebete unserer Todten gedenken! Du, lieber Freund, wirst ja wohl das Fest aus La Rocca verbringen ?" „Ja! Und Giustina hat mich gebeten, ein deutsches Christbäumchcn zu zieren, zum ersten Mal mit ihr deutsche Weihnachten zu feier»!"
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