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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020602020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060202
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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3970 ständigun g zwischen den Verbündeten Regierungen und dem Reichstage fialt zu erleichtern, erschweren kann. Ohne Zweifel wird zwar beider Begründung des Antrages sorgfältig Alles vermieden werden, was auch nur den Anschein der Absicht einer BrüSkirung des Reichskanzlers oder der Regierung erwecken könnte. Namentlich dürste eS auch Seiten- des TentrumS sorgfältig vermieden werden, sich auf die Sätze des in der Zolltarif-Com- Mission angenommenen sogenannten Compromißantrages festzn« legen. Aber man darf nicht vergessen, daß die Gegner und viel leicht nicht blos die Gegner der Zolltarisvorlage Alles daran setzen werden, bei diesem Anlaß die Agrarier nach Kräften mit der Regierung, der unverantwortlichen wie der verantwortlichen, zu verhetzen, und daß es insbesondere ihr eisriges Bestreben sein wird, bei diesem Anlasse eine Unannehmbar-Erklärung seitens der preußischen Regierung in der Art, wie sie der Reichsschatzsekretär in der Zolllarifcommission abgegeben hat, zu provociren. Man darf allerdings vertrauen, daß die Staatsregierung den Gegnern der Zolltaris vorlage nicht in der von ihnen gewünschten Weise auf den Leim gehen wird. Immerhin ist die Wirkung der Verhandlung aus die Regierung nicht mit Sicherheit vorauszusehen, und es wird großer Vorsicht und Geschicklichkeit bedürfen, um zu verhüten, daß die Hand habe, welche die unglückliche Fassung des Antrages den Gegnern bietet, von diesen mit Erfolg ausgenützt wird. Je kürzer, je knapper und mit je größerer Disciplin die Verhandlung geführt wird, um so eher wird sich eine unerwünschte Wirkung derselben vermeiden lassen." Die „Post" und ihre Hintermänner sind sich also klar darüber, daß der conservativ-klerikale Antrag von der preußischen Regierung etwa- fordert, waS sie Weber erfüllen wird, noch erfüllen kann, aber sie wollen trotzdem verhüten, daß Graf Bülow abermals ein „Kon xossumus" spreche. Sie wollen eine Erklärung, in der von „gutem Willen" die Rede ist, die aber Alles im Unklaren läßt, oder vielmehr das bereits durch die früheren Kundgebungen des Reichs kanzlers Geklärte wieder ins Unklare bringt. Und schwiege Graf Bülow, so würde die „Post" dies jedenfalls fo deuten, daß er den Gegnern der weiteren Erhöhung der Getreide zölle nicht habe „auf den Leim gehen wollen". Da es aber dem Grafen Bülow als Reichskanzler ebensowohl wie als preußischem Ministerpräsidenten vor Allem darauf ankommen muß, volle Klarheit zu schaffen und weiteren verwirrenden Agitationen den Boden zu entziehen, so wird er in einer Weise zu antworten genöthigt sein, die jeden Versuch einer Mißdeutung ausschließt. Der Bettelbrief, den ein nunmehr entlassener Vertreter der Firma Johann Faber an polnische Kaufleute sandte, ist in der gesammten Presse mit einer einzigen Aus nahme einhellig aus das Schärfste verurtheilt worden. Diese Ausnahme bildet daS „Organ für Jedermann aus dem Volke", die in Berlin erscheinende demokratische „VolkS-Z tg." Nach längerem Besinnen schwang sich das genannte Blatt zu einer Vertheidigung des bayerischen „Patrioten" auf, indem eS von einer „Nothwehr" der „bayerischen" Industrie sprach und folgende prächtige Com- bination zum Besten gab: „Setzen wir den Fall, die bayerischen Ultramoutanen beobachteten gegen die dortigen Pro testanten ein solches Verhalten, wie eS die preußischen Hakatisten von der preußischen Regierung gegen die Polen fordern; und setzen wir ferner voraus, daß in Folge dessen alle Protestanten Englands, Schwedens, Nor wegens, Dänemarks, der Ostseeprovinzen, Oesterreich- Ungarns u. s. w. preußische Exportfirmen boycottirten, würden die solchergestalt geschädigten preußischen Firmen ruhig für die Thateu der bayerischen Ultramontanen bluten? Oder würden sie schlecht unterrichteten Abnehmern draußen sagen: für das, was in Bayern geschieht, kann man unS, die preußischen Industriellen, nicht verantwortlich machen? AuS der Antwort auf diese Frage erzieht sich die Stellung jedes unbefangenen Menschen gegenüber dem Acte der Noth wehr, den die bayerische Firma begangen hat." — Die Kühnheit der vorstehenden Combination bleibe auf sich be ruhen. Nur dieJrreführung, die das angeblich unbefangene Organ für Jedermann aus dem Volke sich gestattet, sei hier kurz beleuchtet. Sie besteht zunächst in der Unterstellung, als ob der Bettelbrief des bayerischen „Patrioten" sich gegen die preußischen Hakatisten wegen ihrer Forderungen an die preußische Regierung richte. In Wirklichkeit reißt der Bettel brief die Polenpolitik, wie sie in Preußen von der Regierung vertreten wird, auf das ärgste den polnischen Kaufleuten zu Liebe herunter. Aber weit schlimmer als diese Unterstellung ist das Hinüberspielen der ganzen Angelegenheit von dem nationalen auf das confessionelle Gebiet. Nicht um protestantisch und klerikal bandelt es sich in dem Bettelbriefe, sondern um „antipreußisch" und „antibayrisch". Die Nürn berger Firma wird sich ihres entlassenen Vertreters zu schämen forlfahren und daher wünschen, er möge sich da ein nisten, wo tue Berl. „Volks-Ztg." wächst. Der Premierminister von Reu-Seeland ist bekanntlich ein sehr scharfer Herr, dessen Schuld eS z. B. sicherlich nicht ist, wenn England schließlich seine Ansprüche an die Samoa- Inseln aufgegeben hat, und der jetzt mit um so größerer Leidenschaft seine Expansionsgedanken verfolgt. Zu Ehren dieses Herrn Seddon, der auf der Durchreise nach London mit Frau, drei Töchtern und Schwiegersohn vierundzwanzig Stunden lang in Sydney geweilt hat, wurde am 19. April ein Bankett veranstaltet, an dem auch der Premier des Bundes, Herr Barton, Sir William Lyne und die Minister von Neu-Süd-WaleS theilnahmen. Herr Seddon, der von den einzelneu Rednern bald als der große Engländer, bald als der „Zar vonNeu-Seeland" gefeiert wurde, sagte in seinerRede u. A.: „Ich will bezüglich der Josrlfragr nur sagen, daß Neu-Seeland in den letzten 30 Jahren durch seine Staatsmänner eine gut» Politik in Bezug auf die Inseln vorgezrichnet hat und diese bestand darin, daß auf jeder einzelnen Insel unser« grandiose Flagge wehen sollte. (Beifall.) ES ist dir Schuld anderer, dir keinen solchen weiten Blick besitzen, gewesen, daß anderen Nationen gestattet worden Ist, Fuß zu fasse», und dies Fußsassen, daS sage ich Ihnen, ist britischen Interessen feindlich. (Wiederholter Beifall). Da- einzige Ziel Neu-SeelandS ist folgendes: bedacht zu fein, daß diese Inseln für britischen Gebrauch und britische Production erhalten bleiben, und wenn Ihr BundrSpremierminister, ich und andere darüber berathschlageu werden, so werden Sie sehen, daß die Frage nicht von dem engen GesichtSpuuct ihrer Berührung mit Neu-Seeland oder mit Australien in- Auge gefaßt werden wird, sondern aus der breiten Grundlage ihrer Beziehungen zum britischen Reiche. (Lauter Beifall). Ich möchte Sie jetzt einen Augenblick zurücksühren und ohne auf Streitfragen einzugehrn, Ihnen die Zeit in Erinnerung rufen, da Deutschland uns Inseln im Stillen Ocean über ließ und Großbritannien Deutschland britische Interessen in Samoa überließ. ES wurde als klar angesehen, daß alle diese Inseln nach einiger Zeit unter britische und australische Control« kommen sollen. Ich kann Ihne», ohne Staats geheimnisse zn verrathen, miltheilen, daß dies« Angelegenheit Ihre Bundesregierung beschäftigt hat; sie hat den Generalgouverneur der Commonwealth beschäftigt und die Dinge werden so gestaltet werden, daß sie berathen und behandelt werden können, wie sie eS sollen, im Interesse von Australien, im Interesse von Neu-Seeland und zum Besten unseres Reiche-." Herr Seddon trägt sich der „Franks. Ztg." zufolge mit der Absicht, nach Berlin zu gehen und dort mit dem Kaiser zu sprechen. Deutsches Reich. * Berlin, 1. Juni. «P r i n z H e i n r i ch i u D u b l i n.) Bekanntlich war von Irland aus die Nachricht verbreitet worden, Prinz Heinrich habe während seines Aufenthaltes mit dem ersten Geschwader vor Kingstown „die Empfang nahme einer Begrüßungsadresse der deutschen Colonie in Dublin abgc lehnt." An diese Meldung hatten irische Blätter Eommentare geknüpft, die deutsche Blätter zu dem Wunsche nach befriedigender Aufklärung veranlaßt hatten. Nach Rückkehr des ersten Geschwaders in die heimischen Gewässer ist nunmehr ein Berliner Mitarbeiter der „Münch. Allgem. Ztg." in die Lage versetzt, die folgende Aufklärung zu geben: „Durch Vermittelung des kaiser lichen Consuls hatte die deutsche Colonie in Dublin dem Prinzen Heinrich ein Schreiben übersandt, welches am 14. Mai beim Geschwadercommando cintraf und in welchem um den Empfang einer Deputation, bestehend aus 40 Herren und 20 Damen, unter Führung des Professors Sells an Bord des Flaggschiffes Keiner könig lichen Hoheit gebeten wurde. Da Prinz Heinrich schon bei seiner ersten Anwesenheit in Dublin von Bremerhaven aus zwischen dem 6. und 12. Mat d. I. für die Dauer des Geschwaderaufenthaltes vor Kingstown bindende Zusagen ans die an ihn ergangenen Einladungen gegeben hatte, so wurde am 17. Mai dem deutschen Consul folgendes auf die Eingabe der deutschen Colonie in Dublin geantwortet: „Seine königliche Hoheit bedauert sehr, die von Professor Sells geführte Deputation nicht persönlich empfangen zu können, da er sich während der nächsten Tage nichtan Bord befinden wird. Er hat jedoch den Commandanten des Flaggschiffes beauftragt, die Adresse entgegen zu nehmen. Dieser wird bereit sein, Donnerstag Nachmittag die Deputation zu empfangen und ihr nachher Gelegenheit geben, S. M. S. „Kaiser Friedrich III." zu besichtigen." Hierauf wurde von dem deutschen Consul in einem Dank- der Gäste an Bord des Flaggschiffes getroffen waren, lief schreiben zustimmend geantwortet. Als dann für Don nerstag, den 22. Mai, alle Vorbereitungen zum Empfang der Gäste an Bord des Flaggschiffes getroffen waren, lief plötzlich folgendes Telegramm des deutschen Consuls ein: „Professor Sells benachrichtigt mich, daß die von ihm ge führte Deputation jetzt verweigert, die Adresse weder zu bringen noch zu senden. Bitte daher keine Boote zum Ab holen zu senden." Wir können die plötzliche Aenderung des Entschlusses -er Deputation nach Lage der Verhältnis nur bedauern. Die in den irischen Blättern ausge sprochene Behauptung, daß der Prinz und seine Officiere sich „auf das strikteste vom deutschen Element" ferngehalten hätten, ist unwahr, denn wo nur eine Berührung mit Deutschen stattgefunden hat, ist ihnen — wie es ganz selbstverständlich ist — auf daS zuvorkommendste entgegen gekommen. Mit deutschen Familien hat sich mancher Ver kehr angebahnt und eine größere Anzahl Deutscher hat sich des Vergnügens erfreut, nicht nur die Schiffe zu besich tigen, sondern auch mit Kriegsschisfbooten zum Besuch an Bord befördert zu werden." * Berlin, 1. Juni. (ZwangSpensionirung derUniversitätS-Professoren.) In Oesterreich und Holland besteht eine Bestimmung, wonach Universitäts professoren mit dem vollendeten 70. Lebensjahre in den Ruhestand treten müßen. Wie es scheint, will man jetzt auch in Bayern diese Bestimmung etnführcn. Der bayerische Cuktusminister hat sich dafür ausgesprochen und einige Eentrumsabgeordnete haben ihm zugestimmt. In der Regel seien die Kräfte zur Ausübung der akade mischen Lehrthätigkeit mit 70 Jahren erschöpft oder doch wenigstens der Erschöpfung nahe. Unter allen Umständen könne der betreffende Docent, auch wenn er einen Nach folger erhält, seine Vorlesungen fortsetzen. Außerdem bleibe er im Genüsse seines vollen GehalteS. Die „Kreuz zeitung" bemerkt hierzu: „Mit der gedachten Bestinnnung hat man in Oesterreich keineswegs günstige Erfahrungen gemacht. Bedeutende Docenten wurden dort genöthigt, ,hre Lehrthätigkeit zu beenden, obwohl sie in jeder Be ziehung rüstig waren. Das wiederholte Vorkommen solcher Fälle hatte zur Folge, daß hervorragende reichs deutsche Professoren einen Ruf nach Oesterreich a b - lehnten , um nicht in die Lage zn kommen, mit 70 Jahren die Lehrthätigkeit aufgcben zu müssen. Wohl beziehen die österreichischen Professoren auch nach dem 70. Lebensjahre ihr volles Gehalt, aber sie verlieren die Collegiengelder, die in vielen Fällen bedeutend höher sind. Von der Erlaub- niß, noch einige Semester Vorlesungen zu halten, haben die betreffenden Professoren fast niemals Gebrauch gemacht, weil erfahrungsgemäß die Masse der Studenten nur die Collegien solcher Professoren besucht, die später die Prü fungen abzuhalten haben. Gerade dieses Recht wird aber den Professoren, wenn sie ihr 70. Lebensjahr vollendet haben, entzogen. So wagt cs Keiner von ihnen, auch nach dem 70. Lebensjahre seine Vorlesungen fortzusetzcn, da auf fortgesetzten starken Besuch nicht zu rechnen wäre, lieber- blickt man die stattliche Reihe jener Universitäts professoren, die auch nach dem 70. Lebensjahre noch erfolg reich und hervorragend wirkten, so wird man die Ein führung einer Bestimmung nicht befürworten können, die mit ihrer schablonenmäßigen ZwangSpensionirung zu weilen vortheilhaft sein mag, gerade in hervorragenden Fällen aber unwägbare Nachtheile im Gefolge haben mutz und für die betroffenen Universitäts-Professoren in hohem Grade cntmuthigcnd und verletzend ist." — Wie nachträglich bekannt wird, hat der K a i s e r dem Generaldirector Ballin nach der Generalversamm lung der Hamburg-Am erika-Linie ein in sehr anerkennenden und warmen Worten gehaltenes Tele gramm gesandt, in dem er ihn zu der unter vollster Wah- rung aller nationalen Interessen durchgeführten Er ledigung der in jener Versammlung behandelten Fragen beglückwünscht. — Der Großherzog von Mecklenbürg-Schwe- rin und Prinz Friedrich August von Sachsen und Gemahlin sind gestern Nachmittag aus Potsdam wieder abgereist. — Der Schah fuhr heute früh zum Besuche des Mausoleums nach Charlottenburg. — Das „W. T.-B." verbreitet folgende Meldung: Die Nachricht, auf den 7. Juni sei eine Herrenhaus sitz u n g anberaumt, ist fa ls ch ; in den Dispositionen deS Herrenhauses ist keine Aenderung vorgenommen, es liegt auch kein Moment vor, was eine Aenderung bedingte. — Im Abgeordnetenhause gedenken nach aus wärtigen Blättern die Conservativen wegen der gesetzlichen Regelung des Contractbruchs ländlicher Ar beiter zu interpelliren. — Von dem verstorbenen Präsidenten des Oberverwal tungsgericht» und ehemaligen Chef des preußischen Volks- schulwesenS I)r. Kügler wird nachträglich ein Schreiben bekannt, da« der Verstorbene an den Lehrerverein der Um gegend von Brom berg gerichtet hat. Der genannte Verein hatte ihm auS Anlaß feines Ausscheidens auS dem Ministe rium ein Telegramm gesandt, in welchem die ostdeutsche 1 Lehrerschaft ihre» ehemaligen Chefs in treuer Dankbarkeit immerdar zu gedenken gelobte. DaS vom 15. April d. I. datirte Schreiben enthält unter Anderem folgende bemerkens- werthe Auslassungen: „Sie stehen, meine Herren, auf einem vorgeschobenen Posten in schwerer Arbeit. Aber das Bewußtsein, daß die Zukunft der Ostmarken in erster Reibe auf Ihrer unermüdlichen Pflicht- treue ruht, wird Ihnen wie bisher die Kraft geben, treu aus» zuharren. Ich habe mich Ihnen stet- besonder- eng verbunden ge» fühlt, weil auch ich den Kampf gegen die staatsfeindlichen Be strebungen, unter denen Sie leiden, jahrzehntelang geführt habe." — Da» Oberverwaltungsgericht hat in einem Erkenntniß ausgeführt, daß die Zuständigkeit der LandeS- polizeibehörden zur Feststellung der im amtlichen Verkehr anzuwendenven Schreibweise von Ortsnamen »ach der in der Verwaltung-praxi- und Rechtsprechung herrschenden RechtSauffassunz zu bejaben ist. DaS Oberverwaltungs gericht hat nach der „D. Juristeuztg" u. A. Folgendes auS- geführt: Wenn auch die Aufstellung von Regeln für die Rechtschreibung und deren Anwendung die polizeilich zu schützenden Interessen sonst nicht berühren, so gilt die- doch nicht von der Schreibweise von Namen. Die Ortschaften stellen sich al» unterste staatliche Verwal tungsbezirke dar und bilden die Grundlage öffentlich-rechtlicher, in dem Staat eingegliederter und unter staatlicher Aussicht stehender Körperschaften, der Stadt- und Landgemeinden, sowie der diesen gleich stehenden GutSbezirke; ihre Benennung und NamenSschreibung be rührt also die öffentlichen Interessen in den verschiedensten Beziehungen und nach den verschiedensten Richtungen hin. Aus dieser besonderen Bedeutung der Ortsnamen und ihrer Schreibweise beruht der Satz, den daS OberverwaltungSgericht dahin ausge sprochen hat: „ES ist ein Gebot der öffentlichen Ordnung, daß im amtlichen Verkehr für jede Ortschaft eine allgemein maßgebende Bezeichnung bezw. Schreibweise besteht". Zu wünschen wäre dabei nur, daß die amtliche Schreib weise sich im Allgemeinen mit der von der öffentlichen Meinung bevorzugten deckte, was bei der Neuerwcckung des undcutschen „C" gewiß nicht der Fall ist. — Nach einer Verfügung des preußischen Justiz ministers vom 26. Mai haben die Vormundschafts richter den Waisenrathsversammlungen außerhalb des Gerichtssitzes fortan regelmäßig beizu wohnen. Die Bestimmung über Ort und Zett der Ver sammlung erfolgt durch die Obcrlandcsgerichtspräsidcntcn nach Benehmen mit dell Regierungspräsidenten. — Einen Streik - Unterstützungsfonds wollen die Bäcker Deutschlands gründen, nachdem der Berliner Polizeipräsident im Wege der Aufsicht den vor zwei Jahren eingerichteten Streikabwehrfonds aufgehoben hat. Der Deutsche Bäckcrverband, der 39 000 Mitglieder zählt, hat beschlossen, den Abwehrfonds in eine Streik- unterstützungscasse in der Form einer freien Hilfscasse um zuwandeln. Der Zweck der Casse ist nach den Satzungen, ihren Mitgliedern die Kosten, die beim Eintritt einer Ar beitseinstellung durch Heranziehung von Arbeitskräften aufgewendet werden, zu ersetzen. Der vom 11.—12. August dieses Jahres inKöln tagende Centralverbands tag soll endgiltig über diese Angelegenheit beschließen. — Der General der Infanterie Frhr. v. Gemmingen, Prä sident deS RelchS-MilitärgerichtS. ist von Karlsbad hier wieder ein- getroffen. Der Wirkl. Geh. Rath PerelS, Director des Ver- waltungSdepartementS des Reichs-MarineamtS, hat sich nach Düssel dorf begeben. — Der Anschluß der deutschen evangelischen Gemeinde Caracas in Venezuela an die Landeskirche der älteren Provinzen der preußischen Monarchie ist genehmigt worden. — Der gesammte Vorstand der Lichtenberger Orts kranken casse ist der „Post" zufolge durch eine Verfügung der Aufsichtsbehörde seines Amtes enthoben worden. Zwischen dem Vorstande und dem Rendanten bestanden Zwistigkeiten, bei deren Beurtheilung die Aufsichtsbehörde sich auf die Seite des Ren danten stellte, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, daß sie ihn, nach Absetzung des Vorstandes, mit der commissariscben Wahrnehmung derVorstaiidSgeschäfte betraute. Zur Entscheidung der Streitfragen war eine Generalversammlung der Krankencassenmitglieder einberufen worden. Der neue Commissar vertagte die Abhaltung dieser Generalversammlung, die übrigen- zu seinem eigenen Verhalten Stellung nehmen wollte. * Posen, 1. Juni. Der Wreschcner Unter st ü tz u n g s f o n d s , der am 21. April 178 349,06 be trug, ist, wie das Comits berichtet, bis auf 180 796,26 angewachsen. Der „Fondsfürdiejunge Gene ration" ist in derselben Zeit von 27212,62 auf 29 494,72 gestiegen. * Braunschweig, 1. Juni. In Uebereinstimmung mit der bereits mitzetbeilten officiösen Berliner Auslassung über das angebliche „Kopfschütteln" im Reichsjustizamt über die Denkschrift deS braunschweigischen StaatSmini- sterium« steht die von Herrn LandgerichtSrath W. Kule- mann in Braunschweig an den „Hann. Cour." gerichtete Zuschrift: „Bor einigen Wochen erhielt ich von einem Beamten deS Reichs- justizamtS einen Brief, in welchem er gelegentlich einer privaten An- gelegenheit zugleich sich über die Denkschrift des hiesigen Staats- Ministeriums in der Welfenfrage, sowie den Bericht der Justiz, commission des Landtages äußerte und sie einer abfälligen Kritik unterzog. Die hiesige „Vaterländische Volkszeitung" hat darüber eine Mittheilung gebracht, die auch von Ihnen übernommen ist, die aber in einem wichtigen Puncte nicht zutrifft, nämlich Hinsicht- lich der Behauptung, die Denkschrift habe „bei dem Reichsjustizamt ein allgemeines und gewaltiges Kopfschütteln hervorgerufen". Der Briefschreiber hat mir gar nicht mitgetheilt, welche Auffassung man im ReichSjustizamt über die Sache habe, sondern hat mir lediglich seine private Ansicht geäußert, die dahin ging, daß die staat-recht- lichen Ausführungen der Denkschrift und deS Berichte- der Justiz- commission, der Landesherr eines deutschen Staates bedürfe zum Antritte seiner Regierung einer durch den BundeSrath auS- „Na, Sie sind doch aus der Stadt; Sie müssen doch wissen, wie lange Sie heraus gebraucht haben, so viel brauchen Sie wieder hinein." „Grobsack", lachte Weithaas; aber nun gab er erst recht daS Gespräch nicht auf. „Ja, wenn ich direkt hierher gekommen wäre, dann wüßte ich es, aber ich komme über. . . über ..." Es war recht fatal, es siel ihm kein in der Nähe gelegenes Dorf ein, endlich hatte er es: „. . . über Liebenhain." „Neber Liebenhain?" lachte der Wirth, und seine Gäste be gleiteten ihn. „Na, dann brauchten Sie doch nicht über Oelz zurück, das ist komisch." „Ich habe einen Spaziergang gemacht, und in der Finsterniß kann man nicht gut fortkommen. Die Chaussee war auch so glatt.» Die Gesichter der Bauern wurden wieder länger; wollte der Mann sie foppen? Endlich sagt« der Wirth: „Wir haben ja gar keine Chaussee nach Liebenhain, das ist ja nur ein Feldweg." „Na, dann 'war eS ein Feldweg", platzte Weithaas ärgerlich heraus. „Nun hört doch aber Alles auf", mischte sich einer der Bauern ins Gespräch. „Einen Feldweg müssen Sie doch von einer Chaussee unterscheiden können. So dunkel ist eS nicht, denn der Schnee leuchtet, daß Sie die Bäum« an der Chaussee erkennen müssen." „Ich sage Ihnen ja, ich bin hier ganz unbekannt." „Den Weg am Walde hin hätte Ihnen Jedermann gezeigt, das ist doch der nächste", sagt« rin zweiter. Bei dieser Frage spielte rin Lächeln über di« derbknochigen Gesichter der übrigen. Weithaas bemerkte es nicht. „Ich bm erst ein Stück am Wald« hingegangen, dann aber hier abgebogen, weil ich Licht sah." Jetzt platzte die ganz« Gesellschaft in ein kräftiges Lachen aus. „Hier giebt es auf zwei Stunden im Kreise keinen Wald, lieber Mann", lachte sein Befrager, „wenn Sie wieder etwa» wollen, müssen Sie es gescheidter anfangen." Weithaas wurde dunkelroth vor Aerger. Sich so zu ver fahren! Er hatte bei den Leuten den ganzen Respect verloren; das waren schlechte Aussichten für sein« Geschäft«. WaS thun? Sich betrunken stellen, das hatte keinen Sinn; aber was? Schon rüsteten sich die Leut« zum Aufbruch. Er trat «inige Schritte nach dem Tische zu, zog dabei unbemerkt den Hut etwas ins Gesicht und lachte mit. „Meine Herren", sagte er, „ich bin natürlich nicht in Lieben hain gewesen. Mich hat die Neugierde aus der Stadt geführt, denn ich habe heute von «inem großen Diebstahl gehört, und daß ein« Belohnung auf die Ergreifung des DirbeS auSgesetzt ist, und wollte nun hier etwas Näheres erfahren." „Das haben Sie sehr dumm angefangen", bemerkt« trocken der Wirth, „übrigens ist das schnell inder Stadt herum, daß hier gestohlen wurde; aber ein« Belohnung? Wißt Ihr was von einer Belohnung, die Friedrich ausgesetzt hat? Du mußt eS doch wissen, Karl, Du bist doch sein Schwager." „Belohnung — der? Nein, da» glaube ich nicht — das thut der nicht. So geizig, wie er ist, setzt er schon auS Geiz keine Belohnung aus." „Ich glaube eS auch nicht", pflichtete ihm rin Anderer bei. „Wer seinen Jungen wegen ein paar hundert Mark verstößt, sein eigen Fleisch und Blut, der giebt keine Belohnung. DaS Geld kriegt er doch nicht wieder." , „Braucht er auch nicht", meinte «in Anderer. * „Dann braucht er es nicht zu versteuern." „Vielleicht hat er es noch." Kaum war des letzte Wort vom Munde des Wirthes ent flohen, da wurden sie Alle mäuschenstill, a-l« hätten sie zusammen «ine große Dummheit gemacht. Weithaas war das nicht ent gangene Er wollte nun nochmals fragen. „Hm, hm, Steuer", sagt« er, „wäso nicht versteuern? Es ist wohl gar nicht gestohlen worden?" Aber Niemand gab ihm ein« Antwort. Sie erhoben sich All«, nahmen stillschweigend ihr« Hüt«. „Adses, adjes", sagt«» sie und ging«» langsam ab. Der Wirth schraubte die Lamp« rin und hakte auf wiederholtes Fräsen nur dre Antwort, daß er jetzt schließen wolle. Weithaas mußte gehen. Auf dem Heimwege überlegte er sich, was er gehört hatte. Immer kam die Bemerkung: „Vielleicht hat er es noch" in seine Gedanken. „Zu dumm", murmrlt« er, „ich hätte di« 'Kerle, d« mich so annarrten, doch wegen ihrer Lotterie arretiren sollen. Jetzt sind mir die entwischt und au» der Friedrich'schen Sache wird wohl gar nichts." Nach einer Viertelstunde Weges war er an der Stadtzrenz«. Er bestieg einen Pferdebahnwaoen und fuhr nach dem Polizei amt«. Dort lag nichts m«hr für ihn vor. Er wollte gern noch etwas erfahren. In Blumenthal würde man vielleicht etwas wissen. Er begab sich nach diesem Vorort in eine Kneipe, wo gewöhnlich Baugewerken verkehrt«», und ließ sich «inen Schoppen geben. Ein Bauunternehmer Müller kannte ihn und befragt« ihn, ob «S etwas Neues gebe. Eingedenk dessen, waS ihm passirt war, schwieg er. Dann brachte er unauffällig das Gespräch auf die Bauverhältnisse, denn sein Nachbar mußte doch etwas über Friedrich wissen, der so viele Baugelder verborgte. Er wußte auch etwas. Er hatte Land von Friedrich gekauft und mit dessen Gelbe gebaut. Weithaas fragte ihn, ob er noch mit Friedrich in Verbindung stehe. Natürlich, er hatte ihm am zweiten Januar erst 1100 Zinsen gezahlt. „Vierteljährliche?" fragte Weithaas beiläufig. „Nein, halbjährliche; aber wenn ich Geld brauchte, ich kriegte von dem noch mehr. Der hat unmenschliches Geld. Der weiß nicht, was er damit anfangen soll. Ich glaube, der läßt sein ganzes Geld zu Hause liegen. Als ich einmal in Verlegenheit war . . ., es war im vorigen August, ging ich zu ihm, um mir tausend Mark zu borgen. Und wißt Ihr, WaS ich bekam? Denselben Tausendmarkschein, den ich ihm am 1. Juli bezahlt hatte. Ich notire mir nämlich immer die Nummern der Lausender." „So, so, das ist praktisch", meinte Weithaas, äußerlich ruhig, während in ihm das Polizeifieber loderte, „haben Sie denn dies mal auch notirt?" „Gewiß, ich mache es immer so." „Welche Nummer haben Sie ihm denn gegeben?" „Warum fragen Sie mich denn? Ist denn was los?" „Nicht, daß ich wüßte, ich frage nur so, weil mich doch daS interefsirt. Wann bekommt unsereiner denn einen Tausendmark schein zu sehen. Ich weiß gar nicht, ob er grün oder roth auS- sieht." „Ihr von der Polizei bekommt freilich keinen als Gehalt. Uebrigens", protzenhaft zog der Bauunternehmer seine Brieftasche und entnahm ihr einen braunen Schein, „so sah er aus und die Nummer war die vorhergehende, 21897, ich hatte die beiden Scheine, funkelnagelneu, von der Reichsbank bekommen." „Hm, hübsches Geld", lacht« Weithaas, „schade, daß ich kein solches habe." „Er nahm den Schein in die linke Hand und beguckte auf merksam die Figuren. Seine Augen brannten auf den Ziffern, um sie nicht zu vergessen. Was sollte er thun? Sich di« Nummern im Buch nottren, das wäre auffällig gewesen. Er hatte doch noch das Amtsgeheimniß zu wahren. Er sann einen Augenblick nach. Verloren sah er in da» GlaS. „Polizeirath, gebt mir nun meinen Schein wieder. Ich brauche ihn morgen.*.. Er gab den Schein zurück und ein freudiges Lächeln zuckte über sein Gesicht. Er hatte sich die Nummer für immer gemerkt: 2 und die Jahreszahl 1897, also mußte der Schein, den Fried rich erhalten hatte, 21896 numerirt und ganz neu sein. Mit sc einem Anhaltepuncte ließ sich schon etwas machen. Er fragte noch dies und jenes, aber man konnte ihm nicht mehr mittheilen. Dann ging er nach Hause. Am Morgen des 5. Januar, einem Dienstage, sehr zeitig, ließ sich Weithaas bei dem Polizeidirector melden. „Nun, Weithaas, was haben Sie bis jetzt herausgekriegt? Sie haben wohl noch gar nichts machen können, es war gestern zu spät." „O doch, Herr Director, ich habe zweierlei erfahren." „Etwas wichtiges?" „Es kann sein." „Schießen Sie los!" „Ich war gestern Abend noch in Oelz. Man scheint da nicht gut auf den Bestohlenen zu sprechen zu sein." „So, so." „Ich habe mich mit einigen Bauern unterhalten und man sprach verblümt die Vermuthung aus, daß der Diebstahl gar nicht geschehen sei, daß Friedrich der Steuer gegenüber ihn nur fingirt hätte." „Hm, hm, Dummheit, nützt ihm doch gar nichts. Der Ver lust geht vom Capital, und das zweite?" „Ein Bauunternehmer hat an Friedrich einen Tausendmark schein gezahlt; er hatte sich die Nummer notirt, ich habe sie." „Famos Weithaas, famos. Wo haben Sie den Mann auf gegabelt?" Weithaas erzählte. „Das haben Sie sehr gut gemacht. Wirklich ausgezeichnet. Jetzt wollen wir sofort einen Laufzettel an die Banken auS- fertigen, damit sie den Schein anhalten, besorgen Sie da» gleichfalls und ... auf das Steueramt können Sie auch gehen, ich gebe ihnen eine Vollmacht mit. Vielleicht erfahren Sie doch etwa-." (Fortsetzung folgt.)
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