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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020603021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^6 60.—, mit Postbeförderung 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 277 Dienstag den 3. Juni 1902. Jahrgang. Der Friedensschluß. Nunmehr liegen auch die englrschen FricdeuSbcdingungen vor. Sie sind im heutigen Morgenblatte mitgetheilt und werden ergänzt durch die folgende Meldung: * London, 2. Juni. Unterhaus (Fortsetzung). Balfour erklärt weiter: Es giebt gewisse wichtige Puncte, die in dem eben ver lesenen Schriftstück, welches das am Sonnabend Abend unterzeichnete Dokument ist, nicht enthalten sind. Milner hat an Chamberlain eine Depesche gerichtet, welche das verlesene Schriftstück ergänzt und in der es heißt: Nachdem ich den Boerendelegirten eine Abschrift deS Entwurfes des Abkommens eingehändigt hatte, las ich ihnen folgende Erklärung vor und gab ihnen eine Abschrift derselben, näm- lich: Die Behandlung der Cap- und Natal-Colonisten, die im Aufstande waren uyd die sich jetzt ergeben, wird, wenn sie nach ihren Colonien zurückkehren, von den colonialen Regierungen und gemäß den Gesetzen der Colonie entschieden; britische Unterthancn, die sich dem Feinde angeschlossen haben, werden dem Gerichtsverfahren LeS Theiles des britischen Reiches unterworfen, dem sie angehören. Die britische Regierung ist von der Capregierung benachrichtigt worden, daß ihre Ansichten hinsichtlich der Bedingungen, die denjenigen britischen Unterthanen, welche jetzt im Felde stehen, oder sich ergeben haben, oder seit dem 12. April 1901 gefangen worden sind, gewährt werden sollen, folgende sind: Gemeine Soldaten sollen, nachdem sie sich ergeben und ihre Waffen ausgeliefert haben, vor dem Magistrat de§ DistricteS, wo die Uebergabe erfolgt, ein Schriftstück unter- zeichnen, in welchem sie sich des HochverrathS schuldig be kennen; ihre Strafe soll, vorausgesetzt, daß sie nicht des Mordes oder einer Handlung schuldig sind, die gegen die Gebräuche civilifirter Kriegführung verstößt, darin bestehen, daß sie lebenslänglich nicht berechtigt sind, in die Wählerlisten eingetragen zu werden oder bei Parlaments-, Provinzialraths, oder MunicipalrathSwahlen zu stimmen. Friedensrichter, Feldcornets und überhaupt alle Per- sonen, die «ine amtliche Stellung unter der Capregierung oder eine autoritative Stellung bezw. ein Commando bei den Rebellen oder Burgher-Slreitkrästen hatten, sollen wegen HochverrathS vor die gewöhnlichen Gerichtshöfe des Landes oder vor solche Gerichte gestellt werden, die hierfür gesetzlich gebildet sind; ihre Bestrafung soll diesen Gerichten mit der Maßgabe überlassen sein, daß unter keinen Umständen Todesstrafe zu verhängen ist. Die Regierung von Natal ist der Ansicht, daß die Rebellen gemäß dem Gesetze der Colonie zu behandeln sind. Balfour fährt dann fort: DaS Abkommen ist unterzeichnet worden von Kitchener und Milner im Namen der englischen Regierung, von Steijn, Dewet, Olivier, Hertzog im Namen der Oranje- Regierung und von Schalk Burger, Reitz, LouiS Botha und Delorey im Namen der Transvaalregierung. Nach Balfour ergreift Campbel! Bannermann das Wort; er beglückwünscht den König und das Land zu dem Abkommen und erklärt, er behalte sich jeden Commentar vor, bis die Schriftstücke vorgelegt würden. Auf eine Frage Lockwoods, ob das Haus nicht bis morgen vertagt werden solle, erwidert Balfour, er könne diese Anregung nicht unterstützen, und fügt hinzu, er werde baldigst ein Dankesvotum für Kitchener und das Heer beantragen. Man sieht sich doch einigermaßen enttäuscht durch diese Friedensbedingungen. Zwar ist das Schlimmste, waS befürchtet wurde, abgewendet, die Seßhaftmachunz der kriegsgefangenen Boeren in anderen Theilen des englischen (Kolonialreichs. Allein, wenn sie auch in die H-imath zurückkehren dürfen, und so der Plan Chamberlain's, die Boeren als Volk, als Rasse so rasch wie möglich verschwinden zu machen, aufgegeben ist, so ist dies doch nur geschehen, weil man auf andere Weise ebenfalls, wenn auch langsamer, zum Ziele glaubt gelangen zu können, nämlich durch die Masseninvasion angelsächsischer Elemente. Im Uebrizen haben die Boeren so gut wie nichts durch- zusetzcn vermocht. Waffen dürfen nur zum Schutz gegen die Kaffern und wilden Thier« getragen werden und zwar nur auf Grund eines englischen Erlaubnißscheines. Ein Bolk in Waffen sind die Boeren nicht mehr. Am bedauerlichsten ist, das; die Amnestie der Cap- und Natalrebellen eine beschränkte ist. Gerade die durch Bildung, Autorität und Besitz hervorragenden Männer, die daheim und im Felde gegen England eine Nolle gespielt haben, sehen, wenn auch nicht der Todesstrafe, so doch der Consiscation ihres Vermögens und langen Freiheitsstrafen entgegen. Gerade in diesem Puncte kann freilich England kaum größere Milbe üben, da es ein Exempel statuiren muß, wenn es den Hochverrats — und um den handelt cs sich nun doch einmal vom englischen Standpunct aus — nicht geradezu prämiiren will. Auf fallender Weise enthalten die KricgSbedingungen nichts über bas Schicksal der kriegsgefangenen Fremden, unter denen sich auch noch eine ganze Anzahl Deutsche befindet. Es ist den Boeren zweifellos schwer geworden, die treuen Verbündeten aus Natal und vom Cap bis zu einem gewissen Grade preisgeben zu müssen, wenn sie es doch tbaten, müssen sie cs in der Einsicht gelhan haben, daß ihre Sache gänzlich verloren war, daß sie nicht obsiegen konnten, auch wenn sie das Kriegselend noch jahrelang ertrügen; damit hätten sie sich selbst vollständig aufgerieben und den Verbündeten schließlich Loch nichts genutzt. Ein Mit glied der Brüsseler Bocrengesandlschast, das vor nicht langer Zeit noch auf dem Kriegsschauplätze war, äußerte in dieser Beziehung, daß die militärische Lage noch die Fortsetzung des Krieges während zweier weiterer Jahre erlaubt hätte. Wenn die Boeren trotzdem Leu Frieden schlössen, geschehe es, weil die Engländer vielleicht besonders günstige Bedingungen an geboten hätten oder aber um der Frauen und Kinder willen aus Furcht vor einer vollständigen Ausrottung ihrer Rasse. Ein dauernder Friede zwischen beiden Nassen sei niemals möglich. Tausende von Kindern würden heran-- wachsen mit dem einzigen Gedanken, das Blut ihrer Väter zu rächen. ES gebe keine Familie, die nicht ihre Tobten hätte. DaS nächste Ziel der Afrikander müsse nunmehr sein, die niederdeutsche -Sprache gegen baS Vordringen der eng lischen zu schützen. Das letztere wird ihnen jedenfalls äußerst schwer fallen, da das fremde Element, wie schon angedeutet, sich sehr bald und sehr stark bemerkbar machen und zu überwiegen suchen wird. An die Möglichkeit der Rache der nachwachsenden Generationen vermögen wir nicht recht zu glauben. Auf der Transvaal-Gesandtschaft in Brüssel erfuhr man die Nachricht von dem Friedensschluß erst gestern früh auS dem „Petit Bleu". Man war hier durchaus überrascht, denn bekanntlich haben die europäischen Ver treter der Boeren an den Verhandlungen keinerlei Antheil gehabt. Die Boeren-Delegirten hatten zu Anfang voriger Woche den Wunsch geäußert, die Friedensbedingungen möchten Kruger und den Boeren-Delegirten in Holland zur Rati- werden. Die englische Negierung lehnte l-dock, dies entschieden ab und folglich ist bei dem FriedenS- Ichlussc von den Boeren in Holland keine Notiz genommen Wir verzeichnen noch folgende Nachrichten: Pretoria, 2. Juni. Die meisten Boerenführer verlassen die Stadt, um die Co minandos aufzulösen, was etwa vierzehn Tage beansprucht. " London, 2. Juni. Ter König erhielt aus der ganzen Welt z un FriedenSjchluß glückwünschende Depeschen. Auch Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph sandten sehr herzliche Glück- wünsche. * Loudon, 3. Juni. (Telegramm.) AuS allen englischen Colonien einlaufende Telegramme berichten, daß überall freudige Stimmung über Len Friedensschluss herrscht. * London, 2. Juni. (Oberhaus.) Lord Salisbury giebt dieselbe Erklärung ab, wie Balfour im Untcrhause. Rosebery beglückwünscht die Negierung herzlich zum Friedensschlüsse und hofft, daß von nun an eine neue Epoche Les Friedens, des Wohl- staudes und der commerziellen Entwickelung für Südafrika beginnen werde. Tic Stimmung in London kennzeichnen folgende Telegramme der „Franks. Ztg.": London, 2. Juni. Tie Friedensnachricht war gestern Vor mittag schon im Kriegsministerium eingetroffen, wurde aber des Vergleiches halber nach Pretoria zurücktelegraphirt, und nachdem von dort angezeigt worden war, daß das Tele- gramm hier richtig ausgenommen sei, wurde die Nachricht dem König und dem Cabinet übermittelt. Der König ver- ließ den Buckinghampalast um 3 Uhr in einem verdeckten Motor- wagen. Er hatte den portugiesischen Gesandten Marquis Soveral bei sich und es wurde allgemein bemerkt, daß der König sehr ver- gnügt aussah. Natürlich wußte noch Niemand den Grund, da das Telegramm Kitchencr's erst zwei Stnnden später publicirt wurde. Um 6 Uhr fing die Nachricht erst an bekannt zu werden. Es gab eine große Ansammlung vor dem Mansion House, wo der Lord Mayor die Nachricht formell bekannt machte. Etwa um 8 Uhr erschienen Extraausgaben von Zeitungen, Verkäufer von Fahnen und Carnevals-Jnstrumenten tauchten auf und es entwickelte sich großer Lärm im Centrum jLondons. Es gab wenig Betrunkenheit und Ausschreitungen, weil die Wirthshäuser Sonntags um elf Uhr schließen müssen. * London, 2. Juni. London holt heute den Friedensjubel, der gestern zu kurz bemessen war, reichlich nach. Ueberall wird gelärmt und mit kleinen Fahnen und Mützen und Bändern in den National- färben demonstrirt. Der Jubel giebt heute dem Maseking-Lärm nicht viel nach. Die Omnibusse und Droschken sind mit Fahnen decorirt und manche Eisenbahnzüge kamen heute früh mit bekränzten Locomotiven an. Auf der Börse herrschte heute der größte Enthusiasmus. Die Straßen um die Börse waren unpassirbar. Um Downing Street erwartete eine erregte Menge die Minister, welche sich zum Ministerrathe begaben. Einzelne Minister kamen in Uniform an, da sie sich nachher zur LevSe des Königs begeben mußten. Chamberlain kam in Civil mit seiner unvermeidlichen Orchidee im Knopfloch ungefähren. Die Menge erhob einen gewaltigen Lärm, Hüte, Taschentücher und kleine Fahnen wurden geschwenkt, als Chamberlain hindurchfuhr. Die Demonstra tionen wiederholten sich, als die Minister nachher Downing Street wieder verließen. „Daily Mail" giebt heute bekannt, wie sie sich über die Friedensverhandlungen aus dem Laufenden erhielt. Tas Blatt umging den Censor dadurch, daß es sich Telegramme ous Johannisburg schicken ließ, die an ein hiesiges Geschäftshaus adressirt waren und in echtem Börsenjargon über den Verkauf einer angeblichen Goldmine Paxfontein an eine Gesellschaft berichteten. Die Verkäufer waren die Boerendelegirten, die kaufende Gesellschaft die englische Regierung. Alle Einzelheiten der Friedens verhandlungen waren aus diesen angeblich commerziellen Depeschen leicht herauszulesen. Ter holländische Ministerpräsident vr. Auyper. * Haag, 2. Juni. Die Frage, inwieweit Or. Kuyper Tbeil gehabt hat an den einleitenden Schritten zu den Friedensverhandlungen, ist noch immer offen. Der Ministerpräsident, den ich soeben sprach, gab darüber keine präcise Auskunft. „Das sind heute noch Staatsgeheimnisse", sagte er, „und erst die Zukunft wird sie klar legen. Der Verlust der Unabhängigkeit der Boerenrepubliken bedeutet für uns eine Enttäuschung und er wird in ganz Holland Trauer Hervorrufen. Was er für die Zukunft der beiden Republiken bedeutet, kann Nie mand sagen, da bis jetzt Niemand die Friedensbedingungen kennt, auch ich nicht. Möglicherweise werden sie sich doch noch entwickeln können, zumal wenn sie in einer Staatssorm an England geknüpft sind, wie Canada etwa. Was bis heute den englischen Colonien Südafrikas schadete, war der stete Ministerwechsel und daß der folgende so oft dem vorher gegangenen Minister entgegenarbeitete. Ser dem, wie es wolle, wir wollen uns freuen, daß das Blutvergießen auf gehört hat." Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. IM. So hat das preußische Ministerium denn doch mehr Consequenz und Energie gezeigt, als wir ihm zugetraut hatten. ES Hal gestern im Abgcor-netenhaufe — zweifellos auf Grund eines vorher gefaßten Beschlusses — rundweg die Betheiligung an der Berathung der conservativ-klerikalen und freiconservativen Anträge, die eine Einwirkung der preußischen Regierung auf den Bundesrath zu Gunsten entweder einer Erhöhung der Mini malsätzederZolltarifvorlage oder wenigstens einer „Verständigung" mit der eine solche Erhöhung wünschenden Reichstagsmajorität verlangten, abgelehnt. Diese Ablehnung hat eine doppelte Bedeutung: erstens macht sie der ein gerissenen Gepflogenheit einzelstaatlicher Volksvertretungen, Reichsangelegenheiten zu behandeln und die Minister, die im Bundesrathe nach Vereinbarungen mit ihren Staatsober häuptern ihre Stimme abzugeben haben, von dem Willen der Mehrheiten der Volksvertretungen abhängig machen zu wollen, ein Ende — denn die vom preußischen Ministerium gestern beobachtete Haltung werden die Ministerien der übrigen Einzelstaaten sich zum Muster nehmen; und zweitens zerstört sie von Grund aus die Hoffnung der mit jenen Minimalsätzen unzufriedenen Reichstagsmajorität auf einen Umschwung der Meinungen im Bundesrathe. Vielleicht hätte Graf Bülow so großes Gewicht auf die Unzulässigkeit des Versuches, in eine Reichsangelegenheit sich zu mischen. Feuilleton. si Verfehlte Liebe. Roman von E. Hei». Nachdruck «erboten. Es war i/j>9 Uhr, als Weithaas das Zimmer seines Directors verließ. Sein erster Schritt war in die Landesbank. Da war' noch kein Cassirer da. „Die Herren kommen erst um 9 Uhr", belehrte ihn der Comptoirdiener. Er ging auf das Steueramt. Vor 1/2IO Uhr werde der Vorstand kaum da sein. Was sollte er nun thun? Um 9 Uhr wollte er mit. dem Gendarmen die Untersuchung in Oelz aufnehmen. Er ging auf das Amt zurück und ersuchte den Wachtmeister, den Laufzettel in Bewegung zu setzen, auch die Auskunft über die Vermögensverhältnisse des Friedrich einzuholen. Als er in Oelz ankam, schlug es 9 Uhr, der Gendarm stand schon vor Friedrichs Thür. Es war ein klarer, schöner Wintermorgen, es hatte in der Nacht gefroren. Seit Sonntag Abend hatte es nicht geschneit. Der Gendarm grüßte Weithaas militärisch und wollte die Hand auf den Thor- driicker legen, als ihn der Polizist davon abhielt. „Nein, guter Freund", sagte er, „lasten wir das jetzt noch. Erst will ich mir das Haus bei Tage besehen." Das Haus stand in einer Ecke, die durch die Dorfgasse und einen Ausgang zwischen dem Nachbargrundstück, das auf das Feld führte, gebildet wurde. Nach diesem Ausgang oder dieser Schlippe, die sechs Schritte breit war, so daß ein Heuwagen durchfahren konnte, ging nur «in Fenster, das war vergittert unld gehörte zur Küche. Nach der Dorfstraße gingen im Erd geschoß zwei Fenster, sie ivaren auch jetzt mit Läden verschlossen und gehörten jedenfalls zur guten Stube. Ueber dieser guten Stube lag eine Giebelkammer, die Schlafstube der Tochter. Links von der guten Stube, wenn man gegenüber stand, war das Hofthor, das mit der Straßenfront des Hauses «ine Linie bildete; an das Hofthor schloß sich die Giebelseite der Scheune. Wenn man in den Hof trat, hatte man links diese Scheune und rechts das Haus. Hier gehörte das erste Fenster noch zur guten Stube, es war durch ein Weinspalier verdeckt. Dann kam di« Hausthür, dann dos Fenster der Wohnstube. Nun war das eigentliche Haus zu Ende, und es schloß sich ein kleiner Anbau an, die Wohnung der Magd. Dann kam ein klein«s Stallgebäude mit Schweinen und F«dervieh. In weiterer Verlängerung deS Stalle» und der gegenüberliegenden Scheune kam nun der ziem lich große Gras- und Gemüsegarten. Die eigentliche Landwirth- schaft hatte Friedrich aufgegeben. „Wenn der Mann so viel Geld hat, warum wohnt «r in diesem alten Hause?" fragte Weithaas. Der Gendarm zuckte die Achseln. „Es machen 's hier Alls so. Die Leut« richten nichts neu ein." Nochmals ging Weithaas um das Haus herum. Aufmerk sam betrachtete er das Küchenfenster. Ob die Eisenstäbe fest waren? Er probirte. Sie hielten Stand. Er trat wieder zurück und sah auf das niedrige Dach, dann auf den noch niedrigeren Anbau. Jetzt maß er die Schlippe noch einmal. Da sank er an dem Anbau einige Centimeter tief ein. Es mußte hier ein Loch sein, das durch den leicht gefrorenen Schn«« ver deckt war. Er stocherte mit seinem Stocke darin herum. „Kommen Sie einmal her", rief er dem Gendarm zu, der mit Befremden seinen Maßnahmen zugeseh-n hatte. Hier sind zwei mächtige Trittspuren. Das muß ein schwerer Mann gewesen sein, der sie Hinterlasten hat." Neugierig betrachtete er den Putz an der Wand und die erste Ziegelreih« am Sims des Daches. „Ich hab's, ich hab's! Von Freitag bis Sonntag hat es ge schneit. Die Spuren eines großen Fußes haben sich in dem Morast, der am Montag früh fror, erhalten; der leichte Schnee deckte diese Spuren zu. Hier hat Jemand gewartet, und ist dann über das Dach des Anbaues in das Haus geklettert. Vielleicht durch die Este in die Küche und von dort ist er in die Wohn stube gelangt. Das ist auch das einzig Wahrscheinliche, denn sonst konnte er doch gemüthlich über den niedrigen Zaun steigen." Erfreut über sein« Entdeckung, klinkte er nunmehr das Hof thor auf. Sofort schlugen die Hunde des Nachbars an, währrnd sich der Spitz Friedrichs erst nach einer Weile hören ließ. Sie traten in das Haus. Der erste Blick Weithaas' galt der Küche. In ihr saß ein schönes, schlankes Mädchen mit schwarzen Augen und schwarzem Haar in sauberer, halb städti scher Kleidung und schälte Kartoffeln. „Der Vater da, Fräulein Minna?" fragte der Gendarm. „Gehen Sie nur hinein!" „Ist das dir Tochter?" fragte Weithaas leise. „Sie spricht nicht Dialect." „Nein, sie ist lang« Zeit in die Stadtschul«n gegangen und führt erst seit zwei Jahren dem Vater die Wirthschaft, seit die Frau todt ist." ... Dir Männer traten in die Wohnstube ein. Friedrich saß am Tisch und frühstückte. „Guten Morgen, Herr Friedrich", sagte der Gendarm. „Ich bringe Ihnen hier den Criminalwachtmeister Herrn Weithaas, der mit der Untersuchung des Diebstahls bei Ihnen beauf tragt ist." Friedrich erhob sich langsam von seinem Stuhle. S«ine grauen Augen schauten scharf unter den ergrauten Augenbrauen und dem hageren, starkknochigen Gesicht mit der scharf ge schnittenen Nase hervor. „Guten Morgen, meine Herren", erwiderte er, und fuhr sich mit der rechten Hand durch das dicke graue Haar. „Sie kommen wegen der dummen Geschichte. Ich gestehe, daß ich bedauere, die Sache angezeigt zu haben. Was ich da für Scherereien bekomm«, das ist nicht gerade hübsch, und mein Geld bekomme ich doch nicht wieder. „Vor allen Dingen, Herr Friedrich . . ." hob Weithaas an, „Na, setzen Sie sich mal zuerst, das ist die Hauptsache, und indem er die Thür öffnete, riel er zur Küche hinaus: „Minna, bring' mal ein paar Flaschen Bier und noch zwei Gläser." Er blieb so lange an der Thür stehen, bis seine Tochier ihm das Gewünschte in die Hand gegeben hatte, dann stellte er die Gläser und Flaschen auf den Tisch, schänkte «in und setzte sich. „So, nun fragen Sie nral los, Herr Wachtmeister." „Ich werde nicht viel zu fragen haben, Herr Friedrich, Ihre Aussage, die Sie meinem Collegen hier gemacht haben, ist mir bekannt. Aber einige Lücken blieben doch übrig. Zuerst: Sind Sie ganz sicher, daß das Geld Ihnen gestohlen worden ist, und zwar 23 000 Mark?" Friedrich lacht- kurz: „Es wird wohl so sein, denn es ist nicht mehr da, wir baden ja gestern Alles von unten zu obcrst gekehrt, nicht wahr, Herr Wachtmeister?" „Das stimmt", antwortete der Gendarm, dem man den Titel Wachtmeister beilegte. „Nun, Sie könnten es doch verlegt haben — oder aus gegeben?" , Wiederum lachte Friedrich: „M«inen Sie, daß man 23 000 Mark ausgiebt, ohne es zu misten?" Weithaas that, als hör« er die Antwort nicht. „Bon wem war das Geld, bas sie am 1. uno 2. Januar erngenommcn haben und das Ihnen gestohlen wurde?" „Gehört das absolut zu d«r Untersuchung?" fragte Friedrich, indem er einen scharfen Blick auf den Criminalrsten richtete, „ich glaube nicht, das sino doch ganz besondere private Verhältnisse. Als das Geld verschwand, gehörte es mir." Weithaas sah ein, daß er ein Recht, da, zu erfahren, vorläufig nicht hatte, aber der Gedank«, daß Friedrich schließlich den,Dieb stahl der Steuer wegen fingirt habe, setzte sich in ihm fest. „Nun, so können Sie mir wohl wenigstens sagen, ob Ihnen der Bauunternehmer Müller am 2. Januar «inen Tausendmark schein mit den Zinsen gezahlt hat?" Friedrich stutzte: „Woher wissen Sie das?" Der Criminalist lächelte vor sich hin. Endlich hatte er doch diesem verschlossenen, Alles bester wissenden Bauern gezeigt, daß di« Polizei noch andere Quellen, als die Brosamen von Oelz yatte. „Wir wissen Manches, was man nicht denkt. Beantworten Sie bitte meine Frage." Friedrich «besann sich ein wenig, dann sagte er langsam: „Ich glaube, es war ein Tausendmarischein und ein Hundertmark« ichein." „Wissen Sie die Nummer des Tauscndmarkscheines?" „Nein." „Haben Sie gar keinen Verdacht?" fragte Weithaas un vermittelt weiter. „Nein." „Kann Jemand durch die Fenster herein?" „Nein, es sind ja die Spaliere davor. Auch der Hund würde gewiß Lärm geschlagen haben." „Die Magd?" „Die ist treu wie Gold." „Kann der Barbiergehilfe, währenv Sie sich abwuschcn, nicht einen Griff in den Tischkasten gcthan -haben?" „Das ist nicht möglich, und wenn es -der Fall gewesen wäre und ich hätte es nicht bemerkt, so konnte er doch keinesfalls das Geld aus dem Schranke holen, und das ist doch auch ver schwunden. Uebrigens kenne ich d«n Mann, er kommt schon seit Jahr und Tag zu mir." In diesem Augenblick wurde die Thür geöffnet und der Barbiergebilfe trat herein. Er grüßte die Anwesenden, stellte einen Stuhl zurecht und lud Friedrich ein, sich zu setzen. Das geschah Alles mit solchem Glcichmuth, mit solcher selbstverstänv liehen Gewohnheit, daß Weithaas und der Gendarm jeden Arg wohn unterdrückten. Der Gehilfe war ein ruhiger Mensch, schlank, scmmelblono mit graublauen Augen und einem kleinen, wohlgepflegten Schurrbärtchen. Weithaas beobachtete ihn uno erwog im Stillen die Möglichkeit, wie er den Diebstahl hätte bewerkstelligen können, wenn «r ihn, während Friedrich sich wusch, begangen hätte. Er fand keinen Anhalt. Was ihn wun derte war nur, daß der Gehilfe nicht von dem Diebstahl, von dem er doch wissen mußte, zu reden anfing. Erst «als er sein Schaum becken ausspritzte und fein Messer abwischte, sprach er zum Gendarmen gewandt:
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