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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020603021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060302
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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gar nicht gelegt, wenn er nicht schon früher im Namen und im Auftrage de« BundeSrathS dessen Stellung zu dem Ver langen nach Erhöhung der Minimalsätze gekennzeichnet dätte und wenn nicht zu der reichSrechtilcken Unzu lässigkeit der Anträge noch die unerhörte Zumuthung gekommen wäre, der preußische Ministerpräsident von Bülow solle den Reichskanzler Grasen Bülow andern Sinne- machen. Dieser Zumuthung gegenüber war nur eine ganz unzwei deutige Antwort am Platze, und unzweideutiger al« sie erfolgt ist, hätte sie nicht ausfallen können. Daß sie .Entrüstung" bei den conservativ - klerikalen Antragstellern sowohl wie bei den reichSparteilichen Unterzeichnern des „BerständiguagS"- Antrages erwecken würde, konnte Gras Bülow voraus sehen; aus seinem Verhalten geht also hervor, daß er vor einem Eonflicte mit der nach Erhöhung der Minimalsätze dürstenden NeichStagSmehrheit nicht zurücksckreckt. Bon selbst wirft sich nun die Frage auf, ob die Mehrheit nachgeben wird, nachdem Graf Bülow seinerseits das Nachgeben in der bündigsten Form abgelehnt hat. Was zunächst die Confer- vativen betrifft, so scheint bei dem durch die „Kreuzztg." vertretenen Flügel keine Neigung zum Rückzüge zn herrschen, denn da- genannte Blatt erklärt m seiner gestrigen Abend nummer: „Der Ministerpräsident Graf Bülow hat in der heutigen Sitzung drS Abgeordnetenhauses zu dem Anträge auf Verstärkung des landwirthschastlichen Zollschutzes im Sinne der Beschlüsse der Tarifcommission eine Erklärung verlesen, die sowohl hinsichtlich ihres Inhaltes als auch hinsichtlich ihrer Form auf die Conservativen einen überaus peinlichen Eindruck gemacht hat. Er bestritt dem Abgrordnetenhause die Zuständigkeit, au die StaatSregierung eine Forderung im Sinne jenes Antrages zu stellen, da Lieser sich ans Reichsangelegeaheiten beziehe und die parlamentarische Verhandlung über den Zolltarif ausschlicß- lich dem Reichstage gebühre. Graf Bülow übersah jedoch hierbei, daß der Antrag bezweckte, aus die Haltung der preußischen Staatsregierung im BundeSrathe ein« Einwirkung auszuüben. Die Instruction der preußischen Stimmen im BundeSrathe ist eine Landesangelegenheit, sie ist eine Regierungs handlung des Königs von Preußen, und sür sie sind, wie sür alle übrigen RegierungShandlungen, die Minister ver- antwortlich. Bon einem Uebergrisse der Antragsteller konnte also keine Rede sein. Deshalb mußte es diese besonders peinlich über raschen, daß der Minister-Präsident seine Ablehnung der Verhand lung über den Gegenstand in «ine Form kleidete, die sonst nur bei ungesetzlichen oder verfassungswidrigen Uebergrissen gewählt worden ist. Graf Bülow verließ unmittelbar nach der Ber- lesung seiner Erklärung mit den übrigen noch anwesenden Ver tretern der Ctaatsregierung den Saal, und das Haus mußte vor einem unbesetzten Ministertische in die Berathung eiatreten. Ein derartiger Vorgang ist geeignet, die Vermuthung nahezulegeu, daß die Staatsregierung aus ein verständnißvolles Zusammenwirken mit einer loyalen Mehrheit keinen Werth legt. Wir würden von Herzen bedauern, wenn diese Ver- muthung begründet wäre." Vielleicht aber kommt guter Rath schon über Nacht. So blind ist die „Kreuzztg." nicht, um nickt zu wissen, daß sie gerade durch die Stelle „die Instruction der preußischen stimmen im BundeSrathe >st eine Landesangelegenheit, sie ist eine Regierungshandlung des Königs von Preußen" das Verhalten ihrer Parteigenossen auf das Schärfste verurtheilt. Gerade weil die Instruction der preußischen Stimmen im BundeSrathe eine Regierungshandlung des Königs von Preußen ist, so ist der Versuch, den preußischen Minister präsidenten zu einer Verneinung jenes Bundesraths-BeschlusseS zu veranlassen, der eine Erhöhung der Minimalzölle für un möglich erklärte und an dem Graf Bülow mit den übrigen preußischen Bundesrathsmitgliedern auf Grund einer Re gierungshandlung feines Königs mitgewirkt hat, ein geradezu unerhörter. Auch das Cent rum wird eS sich wobl noch reiflich überlegen, bevor es der Minimalsätze für Getreide halber den Zolltarif zum Scheitern bringt. Freilich hat eS noch mehr Ursache zum Groll, al» die Conservativen. Denn nachdem Graf Bülow den Versuch des preußischen Abgeordnetenhauses, sich in ReichSangelegen- heit zu mischen, so energisch zurückgewiesen hat, bleibt ihm nichts Anderes übrig, als den „Toleranzantrag" des CentrumS, der eine unberechtigte Einmischung des Reichstags in einzelstaatliche Angelegenheiten verlangt, mit derselben Entschiedenheit im BundeSrathe zu bekämpfen. Jedenfalls wird im Reichstage, der heute seine Plenarsitzungen wieder aufnimmt, wenigstens anfänglich eine etwas ungemüthliche Stimmung zwischen dem Reichskanzler und der „regierenden Partei" herrschen. Mit unleugbarem Geschick haben polnische Federn eS ver standen, die Wreschener Vorgänge zur Erregung von Haß gegen Preußen durch Entstellung der Thalsachen zu ver- werthen. Nicht blos die großpolnischen Blätter, sondern auch französische, tschechische, magvansche, italienische und ameri kanische zeigten sich zur Ausnahme entsprechender Hetzartikel bereit; vor Allem aber war eS die panslawistische russische Presse, die sich zum Echo der polnische» Anklage» wegen an geblicher Bedrückung der preußischen Polen machte. Nahm e« sich doch so gut aus, bei den russischen Polen die Vor stellung zu erwecken, als lebten sie, im Vergleich mit den preußischen Polen, im siebenten Himmel. Inzwischen scheint die verstärkte Auslage großpolnischer Agitationen, sür die in alle» Tbeilen des ehemaligen PoleureicheS di« unverkenn barsten Symptome an- Licht traten, eben jener russischen Panslawistenpresse ziemlich heftig auf die Nerven ge fallen zu sein. Denn die „Nowoze Wremja", die sich der preußischen Polen mit der größten Lebhaftigkeit angenommen hatte, warnt jetzt recht eindringlich die Polen vor der Hingabe an den großpolnischen Gedanken, in dem sie u. A. schreibt: „Den ernsten polnischen Führern in Preußen und Oesterreich muß bekannt fein, daß die Daten über die kindische und schon durch ihren Leichtsinn verbrecherische großpolnische Agitation eifrig von den preußischen Behörden gesammelt werden, nicht so sehr sür den eigenen Gebrauch — Preußen ist nicht so naiv (!) — als vielmehr, um den Nachbarn die Ueberzcugung beizubringen, daß die Polnische Gefahr nicht allein Deutschland bedroht, sondern alle Interessenten zu mächtiger Abwehr vereinigen muß. Einstweilen hatten diese preußischen Insinuationen keinen Erfolg. Für den kaltblütigen Beobachter ist eS ja klar, daß der heldenhafte Widerstand der Polen in Posen einem reineren Quell entspringt, als die unwürdige Hetze, die von einer Horde maulwurfs artig arbeitender Agitatoren, die mit bewußter Herzlosigkeit die Blüthe der polnischen Jugend vergiften, orgauisirt wird. Die ernsten und ehrlichen Elemente de» polnischen Volke- sollten sich nicht auf Proteste in der Presse beschränken, sondern alle Anstrengungen machen, um rechtzeitig dem sinnlosen Spiele der Agi tatoren wirksam ein Ziel zu setzen. Sonst wird eS vielleicht zu spät sein und die preußischen Versicherungen werden das Recht auf allgemeine Glaubwürdigkeit erhalten." Diese scharfe Ermahnung zur schleunigen Beendigung der großpolnischen Agitation ist zwar in einige Schmeicheleien für die „heldenmüthigen" Polen Preußens eingewickelt. Aber trotzdem verliert die vorstehende Absage an das Großpolen- thum nichts von ihrer Bedeutung. Denn die Form des Vorgehens der „Nowoje Wremja" gegen die Polen hat nur den Zweck, eine Brücke von der bisherigen polenfreundlichen Haltung zu einer specifisch russischen, wie sie für ein russische« Blatt selbstverständlich sein sollte, zu schlagen. Da die deutschen Schirmherren der großpolniichcn Agitation, unsere Klerikalen, die Begünstigung der Polen durch die panslawistische Presse Rußlands mit dem größten Eifer gegen die preußische Polenpolilik ausgespielt haben, müssen sie von der jetzigen Schwenkung der „Nowoje Wremja" mit besonderem Interesse Kenntoiß nehmen. Sie werden sich aber auch nicht der Pflicht entziehen dürfen, ihrem Publicum von dieser Schwenkung Kenntniß zu geben. lieber die deutsche» Beschwerde» gegen die Jnstiz- verhältttiffc in Böhme» wird berichtet: In Folge eines letzter Tage gefaßten Beschlusses ber deutschen Volkspartei begaben sich die Abgeordneten vr. v. Derschatta, Professor Franz Hofmann und Prave zum Minister-Präsidenten l)r. v. Koerber, um demselben eine Reibe von Beschwerden, die sih insbesondere gegen die Iustizverhällnisse in Bödmen und Schlesien richten, vorzutragen. Diese Beschwerden gipfeln hauptsächlich darin, daß auch nach Aufhebung der Badenr'schen Sprachenverordnungen die tschechische innere Amts sprache durch tschechische Richter und Beamte in Anwendung bleibe, und daß trotz des bekannten Erlasses des böhmischen Ober-LandeSgerichtS-Präsidiums, welcher sich gegen den wei tere» Gebrauch der internen tschechischen Amtssprache richtet, eine Ahndung der Außerachtlassung dieser Verfügung nicht Platz gegriffen habe. Abgeordneter Prade führte ins besondere Beschwerde über die in der Civilproceß- Ordnung nicht begründete Verwendung eines tschechischen Laienrichters auS Gitschin bei dem Handelssenate des KreiS- gerichteS Rcichenberg, sowie über die in letzter Zeit voll zogenen Ernennungen unter den Rälhen deS böhmischen Ober- LandeSgerichteS. Weitere Klagen richteten sich gegen die Ernennung tschechischer Bezirksrichter, Zuweisung tschechischer Adjuncten zu deutschen Gerichten und gegen die Anstellung eines Osficials in Rcichenberg, welcher der deutschen Sprache gar nicht mächtig ist. Die Abordnung ersuchte den Minister- Präsidenten Namens der Partei, den Beschwerden ab- zubelfen, dem derzeit kranken Iustizminister aber milzu- theilen, daß die deutsche Volkspartei weiteren derartigen Er nennungen nicht mehr ruhig Zusehen werde und entschlossen sei, falls sich solche Dinge wiederholen, den Iustizminister im Hause persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Der Minister-Präsident versprach, genaue Erhebungen zu pflegen. Er sei für eine völlig unparteiische RcchiSpflege und werde gewiß nach Thuolichkeit Abhilfe treffen. Abg. Professor Hofmann wird bezüglich der auf Schlesien bezugbaben- den Beschwerden Montag eine weitere besondere Besprechung haben. Deutsches Reich. A Berlin, 2. Juni. (Beauftragte der Hand» w e r k S k a m m e r n.) Die gewerblichen Berufsgenossen schaften erweitern den Kreis ihrer technischen Aufsichts beamten, die namentlich die Durchführung der Unfall- verhütungsvorschrtften zu überwachen haben, immer mehr. Fast sämmtlich beschäftigen sie solche Beamte, manche sogar eine größere Zahl derselben. Jetzt gehen aber auch die Handwerkskammern mit -er Anstellung von Beauftragten vor. Nach dem HandwerksorganisationSgesetze vom Jahre 1807 sind die Handwerkskammern befugt, durch Beauf tragte die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften in den Handwerksbetrieben zu überwachen und von der Einrichtung der Betriebsräume und der für die Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume Kenntniß zu nehmen. Bis vor Kurzem hatten die Handwerks kammern, die ja die erste Zeit ihres Bestehens zum Aus bau ihrer eigenen Einrichtung, sowie zur Erfüllung anderer, ihnen von dem Gesetze gestellten Aufgaben ver wandten, die Ausübung dieser beaufsichtigenden Thätig- kett nicht in die Hand genommen, jetzt wird auch mit der Ausführung dieser gesetzlichen Vorschrift der Anfang ge macht. Es darf darauf hingewiesen werden, daß die Handwerker gesetzlich verpflichtet sind, den Beauftragten gegen Vorzeigung -er von dem Vorsitzenden der Hand werkskammer ausgestellten AuSwciskarte die Betriebs räume, sowie die Unterkunftsräume während der Werkzcit zu zeigen. Man wird erwarten können, daß die Beauf tragten der Handwerkskammern, ebenso wie ihre College« in der Industrie, auf die Ausführung der erlassenen Vor schriften streng wachen, andererseits aber auch nicht etwa in Widerspruch zu anderen Organen, wie der Polizei, ge- rathcn. Man wird sich erinnern, daß die Beauftragten der Berufsgenofsenschaften eine Zeit hindurch bei der Ueber- wachung der industriellen Betriebe mehrfach mit den Ge werbeaufsichtsbeamten in Conflict geriethen. Unter diesen unerquicklichen Verhältnissen hatte am meisten die In dustrie zu leiden, die bald diese, bald jene Einrichtung treffen mußte, wenn sie den Anforderungen der ver schiedenen Aufsichtsbeamtcncategorien gerecht werden wollte. Für die Beauftragten der Handwerkskammern liegt ja die Veranlassung zu Conflicten nicht in so hohem Maße vor, möglich sind die letzteren aber auch. Es wäre gut, wenn das Handwerk von den Erfahrungen, welche die Industrie auf diesem Gebiete gemacht hat, verschont bliebe. O Berlin, 2. Juni. (Verschlechterung des Ar beit c r s ch u tz e s.) Unter dieser Ueberschrift bringt der „Vorwärts" <Nr. 123 vom 30. Mai d. I.) einen Artikel, in welchem er ausführt, daß der Bundesrath bei der am 27. Mai d. I. beschlossenen Erneuerung der Bekannt machung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz- und Hammer werk en eine Bestimmung über die Anrechnung kürzerer als einvicrtelstündiger Pausen neu eingefügt habe, welche einen Rückschritt gegenüber der bisherigen Verordnung enthalte. — Thatsächlich hat cs mit dieser behaupteten Ver schlechterung des Arbeiterschutzcs folgende Bewandtnis;: Die als eine tadelnswcrthe Neuerung bezeichnete Vorschrift war bereits in der früheren Verordnung enthalten; sie ist aus dem Text der letzteren, wie aus der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 1. Februar 1895 hervorgcht, wört lich übernommen. Dagegen hat der Bundesrath in einigen anderen Punkten Aenderungcn gegenüber der bisherigen Verordnung beschlossen. Diese Aenderungcn erwähnt der „Vorwärts" nicht; sie zielen auf eine Erweiterung des den jugendlichen Arbeitern zu gewährenden Schutzes ab: Nach den neuen Bestimmungen beschränken sich nämlich die bisher allen Metall-, Walz- und Hammerwerken ge währten Ausnahmen vom 8 138 der Gewerbeordnung auf die Werke, welche Eisen oder Stahl verarbeiten. In den Betrieben zur Verarbeitung anderer Metalle wer den daher die jugendlichen Arbeiter künftig -en vollen Schutz des 8 186 a. a. O. genießen. Indem ferner die neue Verordnung nur für die Beschäftigung jugendlicher Ar beiter bet -em unmittelbaren Betriebe der Werke Erleichterungen eintreten läßt, hat sie die Wirkung, daß in denjenigen Werksabtheilungen, welche mit dem con- tinuirlichen Ofenbctriebe nicht im unmittelbaren Zu sammenhänge stehen, die Vorschriften des 8 136 voll zur Durchführung gelangen. Thatsächlich enthält sonach die neue Bekanntmachung keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung -es Arbeiterschutzcs. — Ueber das Recht zur Führung von Medaillen schreibt die ministerielle „Berl. Corr.": In einem Theile der TageSvressr wird eine Entscheidung de» Ministers für Handel und Gewerbe angegriffen, wonach di« einer Firma verliehene StaatSmedaille für gewerbliche Leistungen nach Auflösung der ursprüuglichen Firma von einer oder mehreren an ihre Stelle tretenden neuen Firmen nicht weitergesührt werden dürfe. Dabei wird darauf hiugewiesen, daß die Firma K- u. Tb. Möller, Brackwede, die bei dem Ausscheiden des Herrn Handel-Minister- auS einer offenen Handelsgesellschaft in eine Gesellschaft mit brschräakter Haftung umgewandelt worden ist, die auf Ausstellungen früher erhaltenen Auszeichnungen auch jetzt noch führt«. Dazu ist zu bemerke», daß di« erwähnte rntschetdvng einer seit Jahrzehnte» im Haudrl-miaisterium geübte», au- der Natur der Sache sich ergebenden Praxi» entspricht, und daß di« Berufung auf da» Verhalten der Firma Möller unzutreffend ist, da eS sich bei dieser nicht um Staat-Medaillen, souderu um private, auf Ausstellungen erhaltene Auszeichnungen handelt, über deren Fortführung den staatlichen Verwaltungsbehörden eine Ent scheidung nicht zusteht. — Wie -er Wiener „Pol. Corr." aus Rom berichtet wird, hat der seit Kurzem daselbst weilende Freiherr v. Hertling die endgiltigen Vorschläge der Berliner Regierung in Angelegenheit -er k a t h o l is ch - t h e v lo gischen Facultät in Straßburg überbracht. Weiter berichtet -er Gewährsmann des officiüsen Organs: „Der wichtigste dieser Vorschläge geht dahin, daß der Bischof von Straßburg, ohne ein Vetorecht im strengsten Sinne des Wortes auszuüben, in Bezug auf die Er nennung von Professoren an dieser Facultät ein Votum besitzen soll. In kirchlichen Kreisen glaubt man, daß nunmehr die Sendung des Freiherr» v. Hertling ernste Aussichten habe, zu einem Erfolge zn gelangen. Einer der Gründe, die den Batican bisher bestimmten, die Errichtung einer katholischen theologischen Facultät in Straßburg abzulehncn, bestand in der Besorgnitz von einer Verstimmung der katholischen Kreise im Elsaß, von denen ein Theil sich einer loyalen Annäherung an Deutsch land unversöhnlich widersetzte. Nach der Aufhebung des Dictatur-Paragraphen im Elsaß erscheint jedoch den vatikanischen Kreisen diese Besorgniß wett weniger begründet als bisher, da durch diese Maßregel nicht blos das Fortschreitcn der Beruhigung der Stimmung im Elsaß erwiesen, sondern gleichzeitig eine weitere Förde rung dieses Fortschrittes herbeigeführt wird. Jedenfalls ist es eine Thatsache, daß man in einem großen Theile der kirchlichen Kreise, namentlich in jenem der Congre- gation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten, dem Projekte -er Errichtung dieser Facultät wohlwollend gtgenübersteht." — Der Verband Deutscher Po st- und Tele graphen-Assistenten hält von Mittwoch, den 4. bis Sonnabend, den 7. d. M., seinen zwölften Verbandstag in den Räumen des Verbandscasinos in Berlin ab. Am Mitt woch findet außer den regelmäßigen Verhandlungen des Plenums eine außerordentliche Versammlung der Wtrth- schaftsgenossenschaft statt. Am Donnerstag werden Bor träge und Besprechungen über Rechtsschutz und Haftpflicht, die Fürsorgecasse und die Hygieinc in denDiensträumcn ab- - gehalten. Am Freitag ist Bezirksobmänner-Bcrsammlung und General-Versammlung der Wirthschaftsgenossenschaft. Am Sonnabend, den 7., findet die zweite Plenarsitzung mit -en Wahlen und der Festsetzung des Ortes für den nächsten Verbandstag statt. — Vom Milchkricge wird berichtet: Die Ministerien des Handels, der Landwirthschaft und der öffentlichen Ar beiten haben die Eingabe des Verbandes deutscher Milch- händlcrvereine, auch dem Milchhandel eine angemessene Vertretung im Bezirks-Eise nbahnrathe zuzugc- stehen, abschlägig beschicken. — Großfürst Paul Alexa ndrowitsch ist am Sonnabend und Großfürst Alexis Alexandry- witsch von Rußland heute früh hier eingetroffen. — Der Minister der öffentlichen Arbeiten v. Thielen hat Ein ladungen zu einem parlamentarischen Diner am Dienstag, den 10. d. M., Abends, an zahlreiche Mitglieder des Landtages er gehen lasse». — Der sächsische Gesandte Graf v. Hohenthal und Bergen ist nach Berlin zuriickgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen. — Der persische Gesandte in Wien General Nerimau-Khan hat sich von hier auf seinen Posten zurückbegeben. * Lehe (bei Bremerhaven), 1. Juni. Der angekündigte Zwiespalt in der s o c ia l d c m o kra t i s ch c n Partei unserer Hafenstadt ist jetzt zum vollen Ausbruch gekommen. Die vom socialdcmokratischen Verein ausge schlossenen und zur Mandatsniedcrlegung aufgcfordcrten 5 Stadtverordnete» haben in einer gestern Abend abgc- haltcncn Wählcrvcrsammlnng den Schiedsspruch ihrer Wähler angernfen und dieser lautete zu ihren Gunsten, indem ihnen, wenn auch erst nach stürmischen Auseinander setzungen und mit nicht sehr großer Majorität» ein Ver trauensvotum erthcilt wurde. Jetzt ist die Entscheidung des Berliner Ccntralvvrstandcs angerufen. * Guben, 2. Juni. Der heute hier eröffnete ^.bran denburgische Städtctag, dem -er Oberpräsident von Bethmann-Hollwcg beiwohnte, nahm den Antrag des Oberbürgermeisters Ancker-Landsberg a. W. an, daß eine Haftpflichtversicherung derLehrer durch die Städte unnöthig fei. t Eisenach, 2. Juni. In der heutigen Sitzung der deutschen evangelischen Kirchenconferenz machte der Vorsitzende die Mittheilung, daß die beiden Mit. glieder der Confercnz, die in letzter Sitzung bei dem Be schlüsse hinsichtlich einer engeren Verbindung der deutschen evangelischen Landeskirchen ihre Abstimmung sich Vorbehalten hatten, die Zustimmung zu „Haben Sie denn noch gar keinen Verdacht, ist denn kein« Spur vorhanden, wer Herrn Friedrich das Geld gestohlen haben könnte?" Statt des >Gendarms antwortet« W«iihaaS: „Es wird nicht mehr «lange dauern, dann Haden wir ihn." Er glaubte wieder «in« große Geschicklichkeit bewiesen zu haben, denn wenn der Gehilfe daS Geld gestohlen hatte, so mußt« diese selbstbewußt« Antwort Eindruck auf ihn machen. Das war nun freilich nicht der Fall, denn der Gehilfe blieb völlig gleichmüthig und sprach den Wunsch auS, daß der Dieb bald entdeckt würde. Dann ging er ruhig, wie er gekommen war. Weithaas hatte nicht mehr viel zu fragen. Im Beisein Friedrich's ging er durch all« Stuben, untersucht« die Schlösser, betrachtete aufmerksam die Herdfeuerung und ld« Oeffmmg der Esse, prüft« die Finster und die Weinspalrere und schickt« sich an, die Treppe zur Oberstube zu besteigen. „Was wollen Sie denn da oben? Da ist ja der Boden, und in der Stube wohnt meine Tochter." In diesem Augenblick« kam Minna vom Hof« herein in die Hausthllr und an Minna wandt« sich jetzt Weithaas: „Lieber Fräulein, Sie erlauben, daß ich einmal Ihr« Kammer besichtige." Ein starkes Roth huschte über die Wangen de- Mädchens; Weithaas bemerkte das sofort. Er entschuldigte sich deshalb noch einmal und stieg, gefolgt von Friedrich und dem Gendarm, die Treppe hinauf. Der Boden war bald durchforscht, von hier auS konnte Niemand zum Dach« hinaus, und nicht hinein; e» war das ja auch bei dem niedrigen Hause nicht nöthig. Anker war <s mit Minna's Schlafkammer. Die Kammer war im Giebel, aber ziemlich geräumig, sie lag gerckde über der guten Stube. Man sah, daß hier nicht ein gewöhnlicher Bauernmädchen hauste, sondern ein« Dame wohnte. Die Möbel und das Bett waren zwar im „Stil" des Hauses, aber da- hübsche Bücherregal mit txn Klassikern, Basen und künstlichen Blumen, Nippe-, Deck chen, ein Stickrahmen, «inig« schone Bilder zeugten davon, daß die Tochter des Hause- in der Pension mehr al- äußeren Schliff bekommen hatte. Auf dem Fensterbrett standen Hyazinthen- gläser, und diese mußt« Weithaas erst bei Seite setzen, al- er das Fenster öffnen wollte. „Warum machen Sie denn da- F«nster auf, Herr Wacht- meister? Wa- bezwecken Eie damit?" fragte Friedrich. WeithaaS hatte hinau-gesehen und schloß jetzt da- Fenster wieder. „Gar nicht-, Herr Friedrich; ich wollte nur einmal sehen, wie weit die Au-sicht reicht. Zu entdecken ist hier nicht-." Damit tvar der Zwischenfall und die Lscakbefichtiguag de- Hauses beendet. Die beiden Besucher empfahlen sich, Minna war nicht zu «rblicken. Auf dem Wege durch di« Dorsstraße guckten ihnen die Leute nach; vor der Schenke stand der Wirth und machte «in «rstauntes Gesicht, als er den Gendarm mit seinem gestrigen, späten Gast sah. Der Gendarm mußte seinen gewöhnlichen Gang zum Ortsvorstande machen. Weithaas ging nicht mit, er legte auch dem Gendarm Stillschweigen über di« Besichtigung auf. Dann, als sie sich schon getrennt hatten, kehrte er noch einmal um und sagte so gang beiläufig: „Das Mäd chen paßt nicht recht in die Verhältnisse; s«it wann ist si« bei ihrem Vater?" „Seit zwei Jahren." „Leben sie gut mit einander?" „Ei gewiß, es ist noch nie ein Streit beobachtet worden. Sie ist sehr ruhig, er ist sehr anspruchslos. Etwas ver schlossen ist si«. Das haben alle Friedrichs, alle Bauern hier draußen." „Reden die Leut« über sie?" „Nicht das ich wüßte. Sie kommt fast mit Niemand zu sammen." Jetzt trennten sie sich. Gegen zwölf Uhr war Weithaas wieder auss dem Bureau beim Polizeiassessor, dem di« Sache vom Direktor überwiesen war. Er berichtete Alles haarklein und gab seinem Bedauern Ausdruck, daß er nichts erreicht habe. „Wir haben auch nicht viel erreicht", bemerkte der Assessor. „DaS Steueramt hat nur auf wiederholten Wunsch und mit Vorbehalt der Verschwiegerthoit geantwortet. Der Friedrich muß mächtig reich sein. Der Poliz«idirrctor hat mir nicht die Summe genannt, di« er versteuert, aber in der That, da machen 23 000 Mark nichts au-, und die Banken haben zwar zugesagt, auf zupaffen, aber irgend «ine Gewähr für länger als dies« Woche nicht gegeben. Die Cafftrer könnten unmöglich jeden Dausend markschein auf die Nummer hin prüfen, dazu fehl« «S an Zeit, klebrigen! einer intereffirt mich, di« starken Eindrücke von Stiefeln in der Schlipp« und di« Spuren an der Wand, idie gewiß von Jemand herrühren, der auf das Hau» geklettert ist. Durch di« Bodenfenster konnte er nicht herein, sagen Sie, aber da» Fenster der Tochter konnte er «rroichen? Hören Sie Wrrthaa», wenn die mit fm Spiel« wäre — «- ist doch All«S schon dogrw«s«n. Sie sagen, daß 'das Verhältnlß zwischen Vater und Tochter auf sie «inen befremdlichen Eindruck gemacht habe. Sie erklären da» mit der Bildung der Tochter. Nun ja, da» mag richtig sein — allein wenn sie doch einen Schatz hätte, der ihr Nacht üder da- Dach Besuch« abstattete — wenn der Mensch Geld gebraucht hätte? Sollt« vielleicht der Alte so etwas merken, da ihm an der Entdeckung des ThäterS nichts gelegen scheint? Darauf müssen wir unser Augenmerk richten!" „ES könnte unter anderen Verhältnissen ein solcher Verdacht möglich sein, hier ist er es nicht. Ich sage Ihnen, Herr Assessor, die Tochter ist ein feines Mädchen und schön. Sie hat aber gewiß auch keinen Liebhaber, sie sieht nicht darnach aus, eher könnte sie einen gewissen Kummer haben — aber warum? Ein so reiches Mädchen!" Der Assessor war nachdenklich geworden. Der Gedanke schien ihm schon wieder leid zu thun, indessen die Spuren waren da. Es schien lohnend, der Sache nachzuspüren. „Ja, was thun?" sagte er nach einer Pause. „Behalten Sie die Sache im Auge, hier ist einstweilen eine neue Aufgabe." Damit gab er Weithaas ein Packet Acten und entließ ihn. Andere Meldungen kamen und er wandte sich diesen zu. So waren drei Tage ins Land gegangen und unter der Last der Tagesarbeit hatte Polizeiassessor Dr. HanS Krüger bei nahe den Diebstahl in Oelz vergessen. Da erinnerte ihn eine- Tages sein Chef, der Polizeidirector, an die Sache, indem er ihm eine Anfrage der Staatsanwaltschaft wegen des Diebstahls hinschob. Krüger ärgerte sich über die Erinnerung, er konnte aber nur die Auskunft geben, daß noch keine Spur entdeckt sei. In seine Stube zurückgekehrt, ließ er WeithaaS rufen, der war aber gerade nicht da. Gut, sagte er zu sich, dann werd« ich die Sache selbst in die Hand nehmen. Weithaas scheint hier eine große Dummheit gemacht zu haben. Al» er zu Mittag ging, erklärte er, daß er später als gewöhnlich kommen werde. vr. HanS Krüger war ein schneidiger Kerl, so bezeichnete er sich selbst, und er wird es wohl wissen. Groß, stark, mit einem runden, klugen Gesicht, einem hübschen braunen Schnurr bart, einer Fülle brauner, kurz gehaltener Locken, ein paar Renommirschmisten auf der linken Wange, elegant und ver bindlich in seinem Benehmen, machte er immer einen vortrefflichen Eindruck. WaS sein AeußereS anbetraf, so war er mit sich zu frieden, auch seine Kenntnisse und Fähigkeiten gaben ihm selbst keinen Grund zum Tadel, nur sein Einkommen machte ihm Sorge. In diesem Jahre überschritt er die Dreißig und Haiti eS erst auf dreitausend Mark Gehalt gebracht. Dazu die Schulden aus der Studentenzeit, die er jährlich mit dreihundert Mark abzahlte, blieben ihm immer nur neunhundert Thaler, und mit diesem Einkommen konnte er wahrhaftig keine großen Sprünge machen. Und «r hätte sie recht gern gemacht. Seiner Natur nach war er zu einem Grandseignmr geschaffen. Er suchte de»halb schon lang« nach einer reichen Frau. Er konnte sie nicht finden. Er machte auch zu große Ansprüche. Reich, gesund, elegant, gescheidt, höchstens 24 Jahre alt ...» er hatte sie erst einmal gefunden, und als er beschloß, einen Anlauf zu machen und der Dame sein Herz zu Füßen zu legen, bekam er gerade ihre Verlobungsanzeige. An dieses unliebsame Zu sammentreffen dachte er, als er in seiner Stammkneipe sein be scheidenes Mittagsessen verzehrte; er dachte aber auch an das, was ihm Weithaas über Friedrich's Tochter gesagt hatte, und es beruhigte ihn gewissermaßen, daß Weithaas jeden verdächtigen Verkehr der Tochter von sich gewiesen hatte. Reich, sehr reich muß sie sein, murmelte er vor sich hin, schließlich nehme ich ein bischen Bauerndummheit mit in Kauf, das schleift sich ab, Geld, Geld deckt viel zu. Langsam war er nach Oelz geschlendert, nicht ohne oft nach dem Wege zu fragen, denn die Gegend war ihm nicht bekannt. Am Wirthshaus im Dorfe blieb er einen Augenblick stehen. Ob er nicht lieber eintreten sollte? Vielleicht erfuhr er etwas. Er verschob es auf später. Erst wollte er sich einmal das Friedrich'sch« Haus ansehen. Nach der Beschreibung Weithaas' fand er eS sofort. Er sah noch die Stiefelspuren an der Mauer, in der Gosse sah er nicht- mehr, der Schnee war geschmolzen. Er bemerkte sofort, daß von der Schlippe aus ein Einstieg in das Zimmer der Tochter sehr leicht zu bewerkstelligen war und, das merkte er, als er das Hofthor aufklinkte und die Nachbarhunde wie rasend bellten, während sich Friedrich's Hund einige Zeit zur Begrüßung ließ, daß Jemand, der von der Schlippe aus in das Giebelstübchen einstieg, von dem Hunde nicht bemerkt werden konnte. Während er von dem Hofthor bis nach der Hausthür schritt, mußte er sich allerdings gestehen, daß ein Ein bruch durch der Tochter Zimmer sehr unwahrscheinlich war, denn war sie mit dem Diebe im Bunde, so hätte sie ja bequemer den Betrag selbst nehmen können, war sie es nicht, so hätte sie doch den Eindringling bei Oeffnung des Fenster- durch Schreien verscheucht. Er öffnete nun die Husthllr, ging über den Dor saal weg, an der Küche vorbei, auf die Wohnstube zu, deren Lage ihm Weithaas beschrieben hatte. Er klopfte an, keine Ant wort, er klopfte noch einmal, nur der Hund knurrte. Er öffnete und trat ein. Das Zimmer war leer. Der Hund wollte ihn wieder anknurren, doch Krüger kraute ihn ein wenig hinter den Ohren. Er sah sich um. So verging eine Minute, sie dünkte ihm ewig lang. Noch eine Minute, er sah nach der Uhr, noch eine, zwei, drei Minuten. (Fortsetzung folgt.)
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