01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020605018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060501
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-05
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 2S Reklame« nnter dem N^aetion-strich (4 gespalten) 7» H, vor des Familienna«»- richtea (S gespalten) SO Tabellarischer und Htfferssatz entsprechend höher. — Bebübren für Nachweisungen «ad Ofsertrnanuahm« L8 H (excl. Porto). Ertra-Veilagen (gesalzt), »ar mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbefördermrg SO.—, mit Postbesärderang ^tl 70-—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Au»gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Aa-gab«: Nachmittag« L Uhr. Anzeigen stad stet« an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« urruuterbrochea geöffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig Nr. 289. Donnerstag den 5. Juni 1902. 98. Jahrgang. Der polnische Klerus. -ek- DeL Tod des Erzbischofs von Köln ruft einen Vor gang ins Gedächtniß zurück, der im Sommer vorigen Jahres die allgemeine Aufmerksamkeit erregte. Damals hat bekanntlich ein polnischer Pfarrer, vr. Litz, ausfürltch in polnischen Blättern eine frühere Begegnung mit dem genannten Kirchcnfllrsten in Paderborn geschildert, wo vr. Stmar früher die Würde eines Bischofs bekleidete, und sich in groben Ausfällen und Beschuldigungen gegen ihn ergangen. Als der Bischof diese Darstellung berich tigte, ging vr. Liß in seinem Unterfangen so weit, den Ersteren geradezu der Lüge zu beschuldigen. Man hat nie gehört, daß der polnische Probst wegen dieser That von irgend einer Seite zur Rechenschaft gezogen -vorder, wäre. Wir erinnern uns dieses Vorfalles im gegenwärtigen Augenblick, weil die von dem polnischen Klerus gegen seine deutschen Glaubensgenossen geführte Hetze gerade in letzter Zeit die üppigsten Blüthen treibt.. Die polnischen Priester finden sich offenbar durch das Protectorat, das ihnen ein verbreitetes ultramontanes Organ, das in deutscher Sprache erscheinende rheinische Polenblatt, gewährt, in dem Glauben gestärkt, daß gegenüber dem deutschen Klerus Rücksichten des Standes, der Collegialität oder der Reli gion In keiner Weise beobachtet zu werden brauchen. Der Kampf wird von Seiten des polnischen Klerus gegen die deutschen Katholiken mit einem Fanatismus geführt, daß nachgerade die Frage berechtigt erscheint, ob dem Treiben von staatlicher Seite aus ruhig zugesehen werden darf. Der polnische Klerus in seiner großen Mehrzahl be- kämpft rücksichtslos Alles, was im Osten einen deutschen Namen trägt und sich zum deutschen Vaterlande bekennt, am allermeisten aber den katholischen Priester, der es ab lehnt, die national-polnische Propaganda zu fördern, und die Mutter des Heilandes nicht in erster Linie als „Königin von Polen" ansieht, oder, um unS an die Worte polnischer Quellen zu halten, „als die polnische Himmelskönigin an betet, die augenscheinlich an uns (den Polen) mehr Wohl gefallen gefunden hat, als an anderen Nationen, da sie stets mehr Gnadenbezeigungen und verschiedenere Arten von Wundern über uns ergossen hat." Der polnische Klerus ist bekanntlich an der polnischen Presse sehr wesent lich betheiligt, und während er als Seelsorger aus der preu ßischen Staatseasse besoldet wird, führt er gegen diesen Staat einen erbitterten Kampf. Noch in den letzten Tagen hat ein durch seinen Fanatismus bekanntes polnisches Blatt seinen Lesern die erfreuliche Mittheilung gemacht, daß es ihm gelungen sei, drei neue Mitarbeiter in der polnischen Geistlichkeit zu finden. Wenn der Probst Szadzinski das deutsche Gebet, das der deutsche katholische Priester lehrt, für eine Sünde erklärt, wenn der Probst Zilla den Bruch des Fahneneides, den deutsche Soldaten vor einem deutschen Priester schwören, nicht für Meineid erachtet, so sind das Symptome, die dem Beobachter östlicher Verhält nisse auf Schritt und Tritt entgcgentrcten. Die deutschen ultramontanen Blätter suchen sie ihren Lesern zu verschwei gen, und es herrscht, wenn man diese Blätter nur liest, eitel Friede und Freundschaft zwischen den Glaubensgenossen im Osten. Erst in letzter Zeit haben einige Vorgänge doch auch in diesen ultramontanen deutschen Kreisen Bedenken erregt. Das bischöfliche Gencralvicariat zu Pelplin in Wcstpreußcn hatte zu dem ersten Pfingstfeiertage eine Kirchcncollecte zum Zwecke der Errichtung einer katho lischen Kirche in Zoppot ausgeschrieben. Daraufhin fordert ein polnischer Geistlicher der Diöcese Kulm die polnischen Katholiken auf, für diese» Zweck keinen Pfennig herzu geben, weil nach seiner Behauptung in Zoppot die Kirche die Germanisirung betreibt. Ein anderer polnischer Geist licher hetzt seine Stammcsgcnossen geradezu gegen das Auftreten des deutschen Generalvicars vr. Lüdtke auf, nnd in einem dritten Blatte werden die polnischen Katho liken aufgefordcrt, auf die deutschen katholischen Geistlichen anfzupasscn, ob sie bei polnischen Predigten die polnische Sprache correct sprechen, ob sie die polnische Predigt ab lesen oder auch nur im Privatverkchr sich Verstöße gegen die polnische Sprache zu Schulden kommen lassen. Diese Fälle sollten dem Blatte gemeldet werden, damit sie von einem Geistlichen der Diöcese gehörig ausgenutzt werden konnten. Diese schimpflichen, von polnischen Geistlichen gegen deutsche Priester getriebenen Hetzereien haben selbst bei dem gedachten rheinischen Polenblatte Bedenken erregt und werden dort als „Ungehörigkeiten schwerster Art be zeichnet. Aber so stark ist die Gewohnheit dieses Blattes, nur auf der deutschen Seite das Unrecht zu sehen, daß cs gleich im nächsten Satze gewissermaßen Abbitte thut und er klärt, diese polnischen Excefse seien nur die Frucht der haka- tistischen Hetzereien. Dabei sei bemerkt, daß die „Kölnische Volkszeitung" unter HakatismuS nicht etwa nur Aeuße- rungen des bekannten, mit diesem Namen bezeichneten Ve^ eins treffen will, sondern darunter Alles begreift, was sich irgendwie deutscher Gesinnung schuldig macht. In diesem Sinne ist auch der Erzbischof Stmar, der ein deutscher Mann gewesen ist und als solcher auch unter Protestanten sich hoher Achtung erfreut hat, in den Äugen jenes Organs ein bösartiger Hakatist gewesen? seine Bemühungen, die im Westen des Reiches lebenden Polen der deutschen Cultur zu gewinnen und den Hetzereien des „Wiarus Polski" ein Ende zu machen, rangirten ihn bei dem Blatte vollkommen in die Reihe der verhaßten Hakatisten, und nur die <-chcu vor einem Theile seiner Leser hält es ab, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Es muß immer wiederholt werden, wenn Jemand die Hetzereien des polnischen Klerus und der polnischen Presse fördert, so sind es gerade die deutschen Blätter vom Schlage der „Kölnischen Volks zeitung", in denen die gegen das Deutschthum gerichteten polnischen Bestrebungen den ausgiebigsten Schutz zu finden pflegen. Mit um so größerer Anerkennung muß cs be grüßt werden, wenn mehr und mehr hervorragende Ka tholiken, wie der verstorbene Erzbischof Simar, wie Graf Hoensbroech und andere, ihren Glaubens genoffen beweisen, daß sie ein Herz für die deutsche Sache und somtr ganz besonders für die deutschen Katholiken im Osten haben. Der Friedensschluß. Die Boereuführer. Die »Time»" berichtet an« Pretoria vom 1. Juni: Di« Boerensiihrer kehrten nach Vereeuigiug zurück, wohin ihnen Kitchener unverzüglich folgte, um sie i« ihrem Lager m besuchen. Im Laufe einer kurzen Ansprache drückte er die Ueberzeugung au-, die Briten und die Boeren würden Freunde werden. Dies wurde mit lautem Jubel aufge- nommen. (?) Bis zur allgemeinen Unterwerfung und zur Uebergabe der Waffen und Munition werden die Truppen von den Posten und Blockhäusern nicht zurückgezogen; aber eS werden Vertreter aller Waffengattungen sofort nach England geschickt werden, um am KrönungSzuge Theil zu nehmen. Krüger uu« feine Umgebung. AuS Utrecht, 3. Juni, wird der „Franks. Ztg." berichtet: Nach einer kurzen Vorbesprechung in einem hiesigen Hotel, an der vr. LeydS nicht theilnahm, begann um 4 Ubr die Conferenz bei Krüger, die LeydS, Fischer, Wessels, WolmaranS, Boeschoten, Debruyn und Grobler etwa eine Stunde zusammenhielt. Hierauf wurde noch etwa eine halbe Stunde ohne die beiden letzteren verhandelt. Um 8 Uhr reisten WolmaranS und Wessel- zurück nach dem Haag, Fischer und LeydS blieben hier. Ganz im Gegensatz zu früher halten die Delegirten streng mit jeder Aeußerung zurück. Wol maranS, den ich fragte, waS Krüger zu thun gedenke, gab die merkwürdige Antwort: „Schreiben Sie, der Präsi dent ist gesund." vr. LeydS empfängt keinen einzigen Jour nalisten. Bei Krüger melden sich zahlreiche Besuche, doch Niemand wird zugelafsen. Selbst der Umgebung des Präsi denten fällt eS schwer, Krüger zu sprechen. Ein Beamter KrügerS erklärte mir leidenschaftlich, daß er, der Beamte, niemals nach Südafrika zurückkehreu werde. Es macht den Eindruck, al« ob man in Krüger'S Umgebung noch an die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit geglaubt habe, als sich Pie Delegirten über deren Preisgabe bereit» klar waren. Daß Krüger'» Einfluß vorbei ist, wurde mir bereits gestern von einem BoerenstaatSmann zugegeben, und e» scheint, als ob Krüger in Holland bleiben will. (Siehe dagegen die folgenden Meldungen.) Ein Utrechter Correspondent deS „Berl. Loc.-Anz." be richtet: Der Ex-Präsident hatte den ganzen Tag ein dumpfes Schweigen zu der Friedensnachricht bewahrt. Es muß in dem alten Staatsmann« gar Vieles vor sich gegangen sein, als die Zeitungen die ersten Nachrichten brachten. Der Präsident schien müde und ist nach seiner Gewohnheit früh schlafen geaangen. In der Umgebung des Präsidenten konnte man die Nachricht fast nicht glauben, so unwahrscheinlich lautete sie nach den optimistischen Berichten, die man noch vor kurzer Zeit von den Führern erhalten hatte. Die plausibelste Erklärung des plötzlichen Umschwunges der Führer ist, daß die Note der niederländischen Regierung großen Eindruck auf die kämpfenden Boeren ge macht hat, und daß sie vielleicht daraus den falschen Schluß gezogen haben, ihre Sache sei hoffnungslos. Soviel ist sicher, daß die Führer in Europa gar nicht zu Rathe gezogen worden sind. vr. Hymans, der Leibarzt deS Präsidenten, theilte mir auf eine Frage nach der Gesundheit des Präsi denten Steijn mit, er habe Nachricht empfangen, daß Steijn in Krügersdorp wegen eines Augenleidens von dem Arzt Vandermerwe behandelt werde. Die Herren aus Kiüger's Umgebung meinen, daß der Präsident, wenn die englische Regierung ihm solches gestattet, nach Südafiika bald zurück kehren wird, um dort seine letzten Tage zu verbringen. Er hängt an seinem Vaterland, wo er seine ganze Familie hat. Dort will er auch sterben. Ein Brüsseler Telegramm des „Daily Telegraph" be- sagt, Krüger, LeydS und deren Anhänger seien sehr un zufrieden mit den Friedensbedingungen. Ein Telegramm Louis Botha's an seine Brüsseler Freunde erklärt, die Friedensbedingungen seien sehr ungünstig, für die BurgherS sei eS aber unmöglich gewesen, bessere zu erlangen. Da die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten ummöglich war, blieb den Boerenführern nichts Anderes übrig, als Kitchener's Bedingungen anzunehmen. * Haag, 4. Juni. (Telegramm.) Die gestrige Utrechter Boerenconferenz beschloß, vorläufig von jedem öffentlichen Protest gegen den Fricdensschluß abzusehen. Die Conferenz mißbilligte ein stimmig den FriedenSjchluß. (Magdeb. Ztg.) „Daily Mail" erfährt aus Amsterdam, die britische Regierung wolle Krüger die Reise nach Südafrika an Bord eines britischen Schiffes und andere Erleichterungen anbieteu unter der Bedingung, daß er sich nach seiner Farm Nustenburg zurückziehe. Dieses Schiff soll auch die ganze Umgebung Krüger'S mit Ausnahme von LeydS nach Südafrika zurückfübren. Der britische Gesandte in Bern, Greene, früher britischer Agent in Pretoria, ist im Haag an gekommen, um im Verein mit dem Minister Kuyper dieses Anerbieten Krüger zu unterbreiten. * Loudon, 4. Juni. (Trlegr. d. „Magdeb. Ztg.") Tie eng- landseindliche Haltung einzelner deutscher Blätter anläßlich Les Friedensschlusses wird hier sehr übel vermerkt. Die „Times" protestirt gegen die deutsche Weissagung, England werde sein Grab in Südafrika finden. Die Boeren würden unter der bri- tischen Flagge besser daran sein, als sie es jemals unter Krüger hätten werden können. Es sei kein böses Zeichen, daß die Boeren selbst sich außerordentlich über den Frieden freuen. (?) Der Verlauf der Fricdcnsvcrhandluugen. Die vvrgcstern dem britische» Parlamc»t vvrgclcgtcn Documente, betreffend den Gang der Fricdensvcrhand- lungc», lassen erkennen, daß Schalk Burghcr am 12. März Lord Kitchener davon in Kenntniß setzte, daß er beabsichtige, Friedensvorschlägc zu machen. Einen Monat später brachten die Bocrcn-Repräscntantcn die Meinung zum Ausdruck, daß der Augenblick gekommen scheine, Alles zu thun, was in ihren Kräften stünde, nm den Krieg zu beenden und be schlossen deshalb, Lord Kitchener gewisse Vorschläge zu machen, welche dazu geeignet seien, als Basis weiterer Verhandlungen zu dienen. Die Puncte, auf welche sie besonders Werth legten, waren Freiheit, gleiche Rechte für die holländische, wie die englische Sprache in allen Erzichungsangelegenhcitcn, Zoll verein, Schleifung aller Forts und Befestigungsanlagen im Transvaal und im Orange-Freistaat, Post-, Tclcgraphen- und Eisenbahn-Union, Schiedsgericht in Fällen zukünftiger Differenzen, bei welchen nur Untcrthancn der Parteien als Richter zu fungiren hätten, wechselseitige Amnestie. Sie fügten hinzu, daß, wenn diese Bedingungen nicht passend erschienen, sie zu wissen wünschten, welcher Art die Be dingungen seien, welche die britische Regierung zu ge währen beabsichtige, um zu dem von Allen in gleicher Weise hcrbeigewünschten Ende zu gelangen. Am 13. April depeschirte Kriegsminister Brodrik, zum Ausdruck bringend, daß die Regierung die Friedensab sichten der Boeren willkommen heiße, dabei aber nochmals wiederholend, daß Unabhängigkeit nicht gewährt werden würde. Am folgenden Tage trafen Lord Kitchener und Lord Milner und die Boeren-Repräsentanten zusammen, die Be- rathungcn mußten aber hinausgcschoben werden, weil die Nurghers erklärten, sie seien nicht bevollmächtigt, über Be dingungen zu Rathe zu sitzen, ohne die im Felde stehenden Burghers nm ihre Meinung zu befragen. Hierauf depeschirte Minister Brodrick am 16. April, nm der Verwunderung der Regierung darüber Ausdruck zu verleihen, daß die Boerenvertrcter den Gedanken an Un abhängigkeit noch nicht aufgegebcn hätten, „wir sind hin gegen", so fügte der Kriegsminister hinzu, „wie wir cs von Anfang an gewesen sind, dringend bemüht, weiteres Blutvergießen zu verhindern und den vom Kriege be troffenen Ländern Frieden nnd Gedeihen zurückzübringen, und Sie (Kitchener) und Lord Milner sind deshalb autori- sirt, die Boerendelegirten ans die General Botha vor mehr als 12 Monaten gemachten Vorschläge zn verweisen, und sie davon in Kenntniß zu setzen, daß, obwohl die inzwischen eingetretene große Verminderung der feindlichen Streit kräfte und die menschlichen Opfer, welche wir haben bringen müssen, durch eben jene Nichtannahme unserer Vorschläge uns dazu berechtigten, nunmehr weit härtere Bedingungen zu stellen, wir in der Hoffnung auf dauernden Frieden und endgiltigc Versöhnung dennoch bereit sind, eine allgemeine Uebergabe zu acceptiren, die in den Grundzügen unserem damaligen Anerbieten entspricht, und deren Details gegen seitiger Uebercinkunft unterliegen." Am 14. März machten die Boeren folgende Vorschläge, welche, weil gänzlich verschieden von den durch die Regie rung niedcrgclcgtcn Principicn, von Milner und Kitchener verworfen wurden: „Wir sind bereit, unsere Unabhängig keit, soweit sic die auswärtigen Beziehungen anbctrifft, aus zugeben. Wir wünschen Selbstregicrung unter britischer Oberhoheit zu behalten. Wir sind bereit, einen Theil unseres Grundbesitzes abzntrctcn." Am 26. Mai fragte Chamberlain bei Milner an, ob die Vcrbannungsproclamation Wegfällen solle und erklärte, daß er nichts hiergegen einzuwenden habe. Lord Milner antwortete: „Wenn cs zur Uebergabe kommt, werden wir die Verbannung stillschweigend fallen lassen. Ich war sür die Vcrbannungsproclamation und dachte sogar, noch weiter zu gehen. Weit davon entfernt, den Erlaß derselben zu bedauern, bin ich der Ueberzeugung, daß sic großen Einfluß darauf gehabt hat, die Zahl der sich ergebenden Boeren zu vermehren und die noch im Felde stehenden Boeren von weiteren Kämpfen abznhaltcn. Dies ist sicherlich auch Kitchener's Meinung, da er auf die detail- lirteste nnd umständlichste Veröffentlichung der Liste ver bannter Führer stets größten Werth gelegt hat. Aber es würde, wenn die Boeren sich jetzt allgemein übergeben und als britische Untcrthancn leben wollen, ein Fehler sein, eine Verordnung aufrecht zu erhalten, welche die bitteren Ge fühle wachhaltcn und dazu führen würde, die friedliche Regelung des Landes zu stören. Kitchener ist absolut meiner Ansicht." Am 28. Mai depeschirte Lord Milner das Eiuvcrständ- niß der Regierung mit den vorläufig aufgestellten Ab machungen, welche den Boeren für entweder „Ja" oder „Nein" vorzulcgcn seien und fügte hinzu, daß, falls diese Gelegenheit, eine ehrenvolle Beendigung der Feindselig keiten herbeizuführen, nicht innerhalb einer von den Briten festgesetzten Zeit angenommen werden sollte, die Conferenz als beendet betrachtet nnd die Regierung S. M. sich durch die gegenwärtige Erklärung in keiner Weise mehr gebunden erachten werde. Der Obcrstcommandirendc hielt 48 Stun den für ausreichend genug, wünschte dagegen in keiner Weise zu drängen. Endlich kommen dann die beiden Telegramme Kit- chcner's, wie sie vom Kricgsamte am Sonntag Abend ver öffentlicht wurden, und als Supplement ist noch folgendes Feuilleton. Neues aus der Technik. Bon W. Berdrow (Coswig). »iaLdniS »erboten. Elektrischer Torf und elektrisches Eisen. — Neues von der draht losen Telegraphie. — Ein merkwürdiges Luftschiff. — Elektro mobile. — Petrolcumfeuerung für Locomotivcn. — Ein Riesen tunnel. — Schutz bei Eisenbahncntgleisungen. Das vielumworbcne Problem, die ungehobenen Schätze der Torfmoore durch die Herstellung von Torfkoks in einer concentrtrtcn Form transportabel zu machen, sucht man gegenwärtig in Norwegen auf elek trischem Wege zu lösen. Zu Stangfjordcn ist zu diesem Behufc eine elektrische Kraftanlage von etwa 600 Pferde stärken in Thätigkcit gesetzt. Der gestochene Torf wird auf Haufen gebracht und sein Wassergehalt durch Luft trocknung auf 20 v. H. (gegen 00 v. H. Wassergehalt des frischen Torfes) rcducirt. Zur Verkohlung der getrock neten Soden dienen Thonretorten, in deren Wandung elektrische Heizspiralen eingelegt sind. Bei der Erhitzung destillirt eine theerhaltlge Flüssigkeit über, die auf Ammoniak, Methylalkohol und Paraffin behandelt werden kann, daneben entwickelt sich ein sür Heiz- und Beleuch- tungszwecke brauchbares Gas. Die übrigbleibende Torf kohle kann den Dienst von Holzkohlen oder GaSkvks ver richten. Eigenthümlich ist cs allerdings, daß man cs vor gezogen hat. sich der elektrischen Heizung zu bedienen, an statt bas auS den Retorten abströmende Gas zur Heizung zu verwenden. Vielleicht ist die selbstverständlich von einem der Gebirgsflüsse gelieferte Elektricität wirklich so billig, daß man das Gas besser verkauft, als direct verbraucht. In ähnlicher Lage, wie Norwegen, befindet sich bezüglich seiner überflüssigen Wasserkräfte Italien, weshalb es sich als Hctmath der ersten und meisten elektrischen Voll bahnen und vieler anderer, an anderen Stellen vielleicht gewagter Experimente bereits eine gewisse Berühmtheit erworben hat. In Italien ist denn auch kürzlich zum ersten Male der Versuch im Großen gemacht worden, den Hohofen als Rohetsenguelle durch den elektrischen Schmelz ofen zu ersetzen. Die vorhandenen drei Ocfcn wurden mit künstlich gepreßten ErzbrikettS gefüllt, in denen dem Erz so viel Kohle und Kalk beigcmtscht ist, wie rechnungs mäßig zum Reductren der Erze, d. h. -um Abtrenncn des Sauerstoffes und der sonstigen Beimengungen und zum Nicbcrschmelzen deS reinen Eisens erforderlich sind. Der durch den Ofen und seinen schlecht leitenden Inhalt ge leitete Strom schmilzt die ganze Masse nieder, woraus sich die Verbindungen und Scheidungen der Stoffe von selbst vollziehen. Natürlich hängt ber Erfolg ganz davon ab, ob die erzielte Etsenmcnge sich mit den Kosten der Strom erzeugung in Einklang bringen läßt. Es ist ein weiter Schritt von der Elektrometallurgie mit ihren etscnschmelzenden Strömen bis zu den unfühlbaren Wellen der Funkentelegraphte, und doch ist hier und da die bewegende Kraft dieselbe. Auch auf dem Ge biete ber brahtlosen Telegraphie haben sich neuerdings gar große Wandlungen ereignet, Kämpfe und Enttäuschungen, Erfolge und Hoffnungen. Die englische Marcont-Gesell- schaft hat eine Reihe von Funken-Verbindungen über größere Entfernungen mit Erfolg hergestcllt und betrieben, wenn auch die Sicherheit der älteren Kabclverbindungcn mit den neuen Apparaten naturgemäß noch nicht erreicht worden ist. Erst kürzlich ist wieder im Congostaate eine wichtige Tclcgraphcnverbindung der Gesellschaft in Auftrag gegeben worden. Große Aufregung hat die Botschaft er weckt, daß es dem Italiener gelungen ist, über den Atlan tischen Occan zu tclcgraphiren, und es sind an diesen Erfolg die kühnsten Erwartungen und die absprcchcndstcn Urthcilc geknüpft worden. Daß die transatlantische Telegraphie ohne Leitung eine physikalische Unmöglichkeit sei, wird auch von den Gegnern Marcont's kaum noch einer behaupten, aber bis zum tadellosen Functionircn der ersten Verbin dung über diese Entfernung werden doch wahrscheinlich noch so viele Jahre vergehen, daß inzwischen die älteren Kabclgesellschaften ihr Heu bequem ins Trockene bringen können. Mittlerweile reiht sich allerdings ein Fortschritt an den anderen, und kürzlich wurde in den Vereinigten Staaten breits ein neuer, den Fritter oder Cohärer er setzender Empfänger für Wcllendcpesck>cn erfunden, der nicht allein viermal schwächere Stromznckungcn wahrnchm- bar machen, sondern auch eine weit größere Schnelligkeit des Depeschenaustausches erlauben soll. Sicherlich steht die Lache der Fnnkentclegraphie, tech nisch betrachtet, besser, als die der lenkbaren Luft schifffahrt nnd der Flugmaschine, für die ja bereits ungezählte Millionen — zu Luft geworden sind. Eine neue Maschine, die der englische Ingenieur Barton tm Auftrage oder doch mit Unterstützung des britischen Kriegsmini- stcrinmS baut, ist indessen doch einer kurzen Schilderung wcrth. Sie stellt einen neuen Versuch dar, die Principicn des BallonS in seiner Vollendung, etwa tm Typ Zeppelin- Santos Dumont, mit denen der Flugmaschinc, und zwar des sogenannten Aeroplans, zu vereinigen. Der Ballon hat 55 Meter Länge, 12 Meter größte«« Turchmcsscr und einen Inhalt von rund 4000 Cubikmctcrn, seine Tragkraft soll während der Fahrt nm ein Zehntel durch den zwischen dem Ballonkörpcr und der Lanfbrückc angebrachten Flächcnapparat erhöht werden. Dieser besteht aus drei drachcnartigcn Horizontalflächcn, die wie beim Hargrave- Drachen, wieder mehrere Etagen über einander besitzen und bei der Fortbewegung des Luftschiffes seine Tragkraft be deutend erhöhen, bczrv. das Sinken verhindern. Die Ctc- sammtfläche der drei Acroplänc beträgt rund 190 Quadrat meter. Besonders auffallend ist die Stärke des Antriebs mechanismus, der aus drei Lchranbcnpaaren und drei zu gehörigen Motoren besteht. Jeder Motor ist vicreylindrig, für Petroleum- oder Benzinantricb, und soll eine Kraft von 45 Pfcrdckräften entwickeln. Das erscheint um so auf fallender, als selbst das viel größere Luftschiff von Zeppelin nur 32 Pferdestärken, gegenüber 1-15 Pferdestärken des eng lischen Fahrzeuges, zur Verfügung hatte. Freilich ist in zwischen (die Zcppclin'schcn Motoren wurden 18W gebaut) die Motvrentcchnik ganz bedeutend fortgeschritten. Man erwartet von dem Bartvn'schen Fahrzeug, dessen sonstige Verbesserungen ich hier nicht alle ausflihrcn kann, eine Ge schwindigkeit von 9 Metern in der Secnndc, gleich 32 Kilo metern stündlich. Bet Windstille würde die vorhanden: Maschinenkraft sogar eine bedeutend größere Geschwindig keit erwarten lassen. DaS neue englische Luftschiff zeigt zum 1. Male seit mehreren Jahren einen bedeutsamen construc- tivcn Fortschritt, nnd man kann nur «Pünschen, daß seine Erfolge nicht durch eine«« der unglücklichen Zufälle gestört werden, die so häufig die aeronautischen Versuche begleitet
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