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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020606010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-06
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4058 nicht vergessen Haven, so erinnern wir un» vielleicht nur unklar der viel bezeichnenderen offictellen Botschaft an die britische Regierung, in welcher der deutsche Minister des Auswärtigen, Baron Marschall v. Bieberstein, erklärte, die Fortdauer der Unabhängigkeit der südafrikanischen Repu blik gehöre zu den „deutschen Interessen". Es ist nothwendig, die frühere Politik der deutschen Re gierung zu recapituliren, damit wir sie mit der weiseren von heute vergleichen und vor allen Dingen auch erklären können, wie das deutsche Volk, so wie so schon mit wenig Freundschaft für England im Herzen, zu beispiellosen Manifestationen von Chauvinismus und Anglophobia ver führt und aufgereizt wurde. Die deutsche Negierung spielte die Flöte und das Volk tanzte darnach, und als dann später die Hoffnungslosigkeit und Nutzlosigkeit dieser Politik vor der ganzen Welt anerkannt werden mußte, da war es zu spät, um die Geister des Hasses und der Verleumdung, die man entfesselt hatte, wieder zurückzurufen. Die „Times" hat in ihren Spalten oft genug uachgewiesen, bis M welchem Grade die Feindschaft gegen England und das britische Weltreich die öffentliche Meinung in Deutschland beherrscht hat. Wenn heute die deutsche Regierung ihre Hände in Unschuld wäscht, so ist dies nur dem Bestreben zu- znschreiben, sich nicht unkluger Weise in Gefahr zu begeben. Die so schnlichst gewünschte europäische Coalition gegen die Seemacht Albions war, Dank -er Haltung des Zaren und der freundschaftlichen nnd geschickten Diplomatie des Mr. Delcasse, nicht zu ermöglichen, und so ging es diesem Phantom, wie der großen Armada, „akklsvit et ckissipati sunt". Heute können wir Engländer angesichts des großen britischen Erfolges in Südafrika das bekannte Wort des alten Kaisers anwcnden: „Welch' eine Wendung durch Gottes Fügung", und im Uebrigen werden die Gefühle der deutschen Nation gegen England der Feder des Geschichts schreibers noch oft genug in späteren Jahren dankbaren Stoff geben. Außerdem liegen genügend Gründe für die Annahme vor, daß britische Staatsmänner mehr und inten siver als je zuvor mit diesem Factor, der immer noch in vollster Blüthc stehenden Anglophobia in Deutschland rech nen werden. Natürlich vermeiden cs die deutschen Blätter ängstlich, att die Thatsache zu eriuncrn, daß es die Boeren waren, die -en Krieg erklärten und in Natal einfielen. Im Uebrigen anerkennt auch England die guten und gediegenen Eigenschaften -er Boeren, und selbst Graf Bülow könnte sie, die Boeren, nicht mit „Kaninchen" und ihre englischen Besieger mit „Hasen" vergleichen. Auf jeden Fall wird es den Boeren unter britischer Herrschaft besser ergehen, als dies mit -en Polen unter preußischem Regime der Fall ist." Man sieht, wie ungeheuer -er alten „Times" der Kamm geschwollen ist, seit sie sich mit der ganzen englischen Nation cinbilden kann, die Boeren wirklich besiegt und unterjocht zu Haben. In einer anderen Colonne agitirt auch das Jingo-Cityblatt für Edclmuth und Versöhnung zwischen Boer und Briten, um dann aber recht unkluger Weise mit vollen Backen Feindschaft gegen Deutschland zu predigen. Natürlich hat die alte Schwatztante niemals in ihrer ganzen Existenz selbst etwas Böses gegen Deutschland gethan oder gesagt, niemals das Geringste dazu beigetragen, daß im deutschen Volke sich auf ganz natürlichem Wege zuerst eine stets wachsende Animosität, dann ein ehrlicher Haß, gemischt mit Verachtung gegen die Krämernation herausbildete, die Kriege führt, wie sie Geschäfte macht, und deren Presse von Alters her die frechste Ueberhebung gegen Deutschland, die gröblichsten Beleidigungen und Verleumdungen gegen das junge deutsche Reich zu ihrem Princip gemacht hat. Wenn heute selbst ein Blatt, wie die „Times", sich so weit vergißt, in dieser niedrigen, jeden Anstandes baren Weise gegen den deutschen Vetter zu Felde zu ziehen, nur weil man an der Themse glaubt, ein kleines Bauernvolk nach zwetein- halbjährigen Kämpfen niedergezwungen zu haben, so ist das wieder einmal ein recht bezeichnendes Exempel von -er politisch-moralischen Verkommenheit John Bulls. Glücklicher Weise sind übrigens die.Zeiten unwiderruflich dahin, wo die „Times" sich noch eines ausschlaggebenden Einflusses rühmen konnte. Deutsches Reich. Berlin, 8. Juni. (Herrn v. Hertling'S römische Mission.) Wie bereits berichtet, läßt sich die Wiener „Polit. Corr." aus Rom melden, Freiherr v. Hertling habe endgiltige Vorschläge der Berliner Regie rung iüber die katholische Facultät in Straß burg gebracht; die wichtigsten dieser Vorschläge räumten dem Straßburger Bischof ein Votum bei den Professoren- Ernennungen ein, wenn auch kein eigentliches Vetorecht, und hierdurch, wie in Folge der Aufhebung des Dictatur- paragraphen, habe die Sendung Hcrtling's ernste Aus sicht gewonnen. Mit dieser Meldung vergleiche man den folgenden Brief, der der hiesigen „Volksztg." aus Rom zugeht: Am 14. Juli 1874 schrieb Gregorobius in sein Tagebuch: „Ich war hier ein Botschafter, in bescheidenster Form, doch vielleicht in einem höheren Sinne, als diplomatische Mi nister." Würdig schließt der nicht zünftige Gelehrte den Reigen der Männer, welche in der „Ewigen Stadt" für Preußen mora lische Eroberungen im stolzesten Sinne des Wortes gemacht haben: B. G. Niebuhr, W. v. Humboldt, Mendelssohn- Bartholdy, H. b. Moltke, Th. Mommsen. Diese Zeiten des geistigen Hochstandes sind vorbei. Giebt's heute eine schwierigere Verhandlung mit dem Vatican, so erscheint der Darmhesse Prof. Georg v. Hertling, Rcichsrath der Krone Bayern, als Vertrauensmann der Berliner Regierung. Sobald dieser Herr mit den Jesuiten in Unterhandlung tritt, wird den armen Nachrichtenhändlern von dem einzigen klerikalen Corvespondenten im Auftrage seiner Oberen ein fetter Brocken hingeworsen „zum Hinaustcelgraphiren" im Sinne Rampolla's. Es find beinahe regelmäßig gewisse liberale und freisinnige Blätter, welche den dienstthuenden Jesuiten in Rom auf den Leim gehen. So flatterte sofort wieder die Ente auf: „Im siebenten Jahre schon gelingt Jakob die Heimführung der Braut, nämlich die famose Theologenfacultät zu Straßburg i. E." Für wie infältig halten doch gewisse Blätter ihre Leserwelt l Laßt doch endlich den alten abgenagten Knochen aus der Jesuitenküche liegen! Franz Krauß hat Euch doch schon vor acht Jahren als scharfäugiger Spectator geschrieben, daß die römische Eurie die Thcologic-Facultätcn an den deutschen Universitäten auszutilgen entschlossen ist, und Rom widerruft nicht. Herr v. Hertling weilt aus einem ganz anderen Grunde in Rom: Die Uebergabe des preußischen historischen Instituts an den klerikalen Professor Aloys Schulte aus Münster in Westfalen, später Archivrath in Karlsruhe i. B., Professor an den Universitäten Freiburg i. B. und Breslau, war der Gesellschaft Jesu nicht genügend. Herr A. Schulte ist dem Rampolla-Zirkel verdächtig; denn erstens weiß er mehr als Spahn der Jüngere, und zweitens hat er seine Mitarbeiterschaft an Franz Kirchheim s „Weltgeschichte in Charakterbildern" zu gesagt, die mit „warmherziger deutscher Gesinnung und un beirrter Forscherrcdlichkeit" gcschrieebn werden soll. DaS wäre noch schöner! Frhr. Goswin von der Ropp, der aus gezeichnete Historiker in Marburg, hat eine durchgreifende Reform des historischen Instituts in Rom und seine Er weiterung zur Reichsanstalt verlangt. Alle Historiker von Namen und Sachkenntniß haben ihm beigestimmt. Auch Liese Fachmänner wurden durch einen von Syncdriumsgeist durchwehten Bescheid abgethan, und triumphirend verkündigten die Centrumsherolde: „llademus psvsm, der treue Katholik, Schulte geht nach Rom; denn daS Haupt der Welt gehört dem Papst!" Dem treuen Sendling aber erging eS derart, daß er nach wenigen Monaten die Flinte in großem Bogen ins römische Korn warf, spornstreichs heimreiste, um fern von dem Monsignori Ehses 8. 7-» Ehrle 8. /., Grisaro 8. Stein huber 8. jetzt auf der Liebichshöhe in Breslau frische Luft zu schöpfen. Niemals hat die preußische Unterrichtsverwaltung eine größere Niederlage erlitten, niemals eine verdientere. Jetzt weilt der ewige Unterhändler in Rom, um „als Director der Görrcsgesellschaft für historische Studien" im Nebenamt für das preußische Institut zu sorgen. Es muß dies mit einem Individuum besetzt werden, das der Gesellschaft Jesu gefällt und Garantien dafür giebt, daß niemals ein deutscher Gelehrter, ähnlich dem schlimmen Grcgorovius, 22 Jahre lang päpstliche Bibliotheken und Archive benutzen kann für ein verdammtes Werk. * Berlin, 5. Juni. Im bayerischen Landtage hat kürzlich die Resolution deS für diesen geltenden Wahlrechts einstimmige Annahme gefunden, da auch die Socialdemo kraten ihr zustimmten. Nachdem nun schon der „Borw." vor einiger Zeit die bäuerischen Genossen wegen dieser Haltung getadelt hatte, greift jetzt auch Bebel in der »Neuen Zeit" die socialdemokratische LandtagSfraction scharf an. Er meint, eS sei ein »böser, verhängnißvoller Geist", der sie beherrscht und bestimmt habe, dieser Resolution ihre Zu stimmung zu geben. Er fragt, ob der staatsmännische Geist darin bestehe, daß man im gegebenen g^lle auf alle grund sätzlichen Forderungen Verzicht leiste und den politischen Gegnern bis zur Selbstentmannung entgegenkomme; wenn dies der Fall sei, dann thue man am Besten, das Programm in die Tasche zu stecken und überhaupt einzupacken. Die bayerische LandtagSfraction bat nach Bebel'S Meinung mit dem Beschlüsse, den sie gefaßt hat, ihrer selbst gespottet, ohne eS zu wissen; sie habe der Partei eine moralische Niederlage zuaefügt, wie sie härter ihr kaum beigebracht werden konnte. „Mehr solcher Püffe verträgt die Partei nicht", so schließt die Kritik Bebel'S. — Die „Münchner Post" Vollmar'S bleibt die Antwort nicht schuldig. Sie polemisirt in einem längeren Artikel gegen Bebel, dem sie mangelhafte Kenntnisse der bayerischen Verhältnisse vorwirft. DaS Blatt sagt unter Anderem: „Eine zusammenfassende Behandlung der Wahl reform erfolgt in Ludwigshafen auf dem bayerischen Partei tag und im Uebrigen bitten wir unsere Principienwächter, sich zu beruhigen. Kein „Teufel der StaatSmännischkeit" hat die socialdemokratische LandtagSfraction „verführt". Sie hat einstimmig aus eigener kühler Erwägung heraus und unter Beachtung der ihr doch einigermaßen bekannten Verhältnisse gehandelt. Und sie wird in jedem ähnlich gearteten Falle genau ebenso verfahren." (D Berlin, 5. Juni. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung deS BundeSratheS wurde der Entwurf der Bestimmung über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Hechelräumen und dergl., sowie die Vorlage, betr. die Verleihung von CorporationSrechten an die mit dem Sitze in Berlin gegründete deutsche Samoa-Gesellschaft, den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Die Zustimmung wurde ertheilt den Beschlüssen deS Reichstages zum Gesetz entwurf, betr. die Abänderung deS ß 7 der Strafproceß- ordnung, ferner den Anträgen deS Ausschusses über die Vor lage, betr. den Aufruf und die Einziehung der Notenbank für Süddeutschland in Darmstadt, sowie über den Gesetzentwurf wegen Aufhebung der außerordentlichen Gewalten des Statt halters von Elsaß-Lothriugen. Der officiös bediente „Hamb. Corr." dementirt die Nachricht von einem unmittelbar bevorstehenden Rücktritt des preußischen Eisenbahnministers. DaS Blatt schreibt weiter: „Es scheinen gewisse Hintermänner ein besonderes Interesse Sn dem Rücktritt zu haben, indessen können wir versichern, daß weder Herr v. PodbielSki noch der mehrfach genannte General Schubart als Candidaten für die Nachfolgerschaft in Betracht kommen dürften. Der „kommende Mann" dürfte wohl mit Sicherheit im Eisen bahnressort selbst zu suchen sein, indessen hat das Suchen noch gute Weile. Herr v. Thielen erfreut sich hoffentlich noch lange so guter Gesundheit und Arbeitsfreudigkeit, wie er eS gerade gegenwärtig thut." * Marienburg, 5. Juni. (Telegramm.) Bei der Feier der vollendeten Wiederherstellung des Hoch- schlosseS Marienburg versammelten sich die Majestäten, die Herrenmeister deS Johanniter-OrdenS, Prinz Albrecht von Preußen, die Prinzen aus den souveränen Häusern in deS Meisters Sommer-Remter, die Commendatoren und Ehren- commendatoren, die NeichSrilter des Ordens St. Johannes vom Spital zu Jerusalem, und die Mitglieder der aus ländischen Deputationen in deS Meisters großem Remter. Die Kaiserin, in gelbweißer Toilette, begab sich mit ihren Damen und Herren über die Zugbrücke aus dem Zwinger in die Schloßkirche und nahm rechts vom Altar Platz. In der Kirche hatten außerdem die geladenen Gäste, darunter die Botschafter v. Szögyeny und LaScelleS, höhere Provinzialbeamte und an der Herstellung deS Schlosses betheiligt gewesene Architekten und Künstler, Platz genommen. Inzwischen ordnete sich der Zug der Ritter. Der Kaiser begab sich unter Vortritt des Herrenmeisters und der anderen Prinzen über die Hofmeistertreppe vor daS Portal und nahm dort Aufstellung. Mehrere Fanfarenklänge vom Capitelthurme herab ertönten. Der Zug schritt vom großen Remter unter Glockengeläut« an dem Kaiser vorüber. Voran schritt der OrdenSmarschall mit dem Marschallstabe und sodann weit über 100 Ehrenritter und RechtSritter des Johanniter-OrdenS, paarweise; ein zweiter OrdenSmarschall führte die Ehren- commendatoren und Commendatoren in gleicher Ordnung. Nun kamen die Deputationen der Johanniter englischer Zunge, deS deutschen Ordens und des deutschen Ordens auS Oesterreich. ES folgten die prinzlichen Mitglieder des Ordens und der Ordenshauptmanu, das Ordensschwert tragend. Hieran schloß sich der Großmeister Prinz Albert und der Kaiser, dem zwei Osficiere des Grenadier-Regiment- „König Friedrich der Erste" vortraten. Unter andauerndem Glockengeläute ging der Zug durch ein Spalier von Mannschaften in dem Costüm des TroffeS der deutschen Ordensritter, über die Zug brücke durch den Zwinger und Uber die Treppe in den Capitelsaal, wo der Kaiser zu einer kurzen Begrüßung Cercle abhielt. Nunmehr bewegte sich der ZuA zur Schloßkirche, aus der die Klänge des 84. Psalms „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth", gesungen vom Berliner Domchor, ertönten. Am Eingang der Kirche empfing den Kaiser di« Geistlichkeit, darunter GeneralsuperintendentOberhosprediger vr. Dryander, Braun und Doeblin, welche den Kaiser nach dem Hochmeister sitz geleiteten. Hierauf nahmen der Kaiser und die Herren meister Platz. Der Bläserbuud intonirte Beethoven'- „Die Himmel rühmen deS Ewigen Ehre" und der Gottesdienst begann. Nach dem Gesang der Gemeinde und nach der Liturgie hielt Oberhosprediger vr. Dryander die Weihred e. Anden Gesang der Gemeinde „Großer Gott, wir loben Dich" schloß sich der Weiheact und das Gebet au, den Schluß bildete da niederländische Dankgebet. Darauf setzte der Bläserbund mit der Hymne von Stadler ein und der Zug begab sich nach dem Capitelsaal. Hier wurden die Mantel ab gelegt, dann ging e- weiter durch den Westkreuzgang, den Zwinger, über die Zugbrücke nach dem Hof deS MittclschloffeS. Thurmfaofaren begrüßten hier den Zug; dieser bewegte sich weiter durch die St. BartolomäuS- Capelle nach den Gastkammern, wo die Ordensritter Plätze an den Tafeln angewiesen erhielten. Es begann das Bankett, bei dem der Blaserbund die Tafelmusik au-führte. Die Tafeln in den Gastkammeru waren mit Tafelsilber, besonders mit schweren alten Humpen besetzt und mit frischem Tannen grün geschmückt. Bei dem Bankett saß der Kaiser rechts von der Kaiserin, nach xecht- folgten Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg, Fräulein v. Ger-dorf, der Reichskanzler Graf v. Bülow, der Oberhofmarschall Graf zu Eulenburg, Graf v. Görtz-Schlitz, Fürst zu Castell-Castell, Graf v. Ziethen- Schwerin, General v. Plrssen, Rittmeister Prinz zu Hohen lohe-Waldenburg. Links von der Kaiserin saßen: Der Herzog Nicolau- von Württemberg, die Gräfin zu Stolberg-Wer nigerode, der Oberkämmerer Graf zu SolmS-Baruth, der Chef des CivilcabinetS v. LucanuS, Staat-minister v. Goßler, Wirkl. Geheimrath v. Wilamowitz-Moellendorf, der groß britannische Oberst Fekyll, der Generalleutnant von Braun schweig, der Oberjägermeister Freiherr v. Hrintze-Weißenrode. Der Zug der Johanniter zur Kirche bot ein Bild unver gleichlicher Pracht und Farbenfülle. Die alte Architektur der Kirche in der Hellen Sommersonne, die militärischen Gestalten der Troßknechte, malerisch auf Lauzeu und Schwerter gestützt, boten den Hintergrund. Die Ritter trugen über ihrer rothen Uniform einen Mantel von schwarzem Moiröe,die österreichischen Ritter trugen lange weiße Mäntel mit schwarzem Kreuze. Recken haft nahmen sich die Gestalten der vierOsficiere, die in der Tracht des Deutschen Ordens, da- schwarze Kreuz auf dem weißen Mantel, mit gewaltigem Schwert und Schild, dem Kaiser und dem Prinzen Albrecht voranschritten. Der Herrenmeister trug über seiner Uniform einen langen schwarzen Mantel, den Pagen hielten, der Kaiser al- Hochmeister trug einen gleichen Mantel, der ebenfalls von Pagen gehalten wurde, und darüber eiuen Kragen von Hermelin, auf dem Haupte einen mit Weißen Federn verbrämten schwarzen Hut. Lang sam und feierlich bewegte sich der Zug nach der Kirche. Hier herrschte Kühle und matteS Licht, daS au- bunten alter- thümlichen Zierrathen hervorleuchtete. Den. Majestäten gegenüber hatte Prinz Albrecht zwischen dem österreichischen und ungarischen Botschafter, General der Cavallerie von Mauchenheim, dem Fürsten zu Hohenlohe-Langen burg rechts und dem großbritannischen Botschafter LaS celleS, Marquis Breadelbane und dem General der Cavallerie Graf v. WartenSlebeu links Platz genommen. Nach der Tafel wurde Cercle gehalten, dann unternahmen die Majestäten einen Rundgang durch die Räume des Schlosses und besichtigten dabei daS Münzcabinet und die zahlreichen von Anschütz gefertigten Photographien der Burg. Der Kaiser schenkte sein Bildniß in der Tracht als Protector des Johanniter-OrdenS dem Orden und ließ es in dem großen Remter aufhäugen. * Wiesbaden, 4. Juni. Herr Professor Wedewer theilt der „Frkf. Ztg." mit, daß die Nachricht, gegen ihn sei in Zusammenhang mit dem Selbstmorde des früheren Gymnasiasten Bresgen eine Disciplinar- untersuchung eingclettet worden, unzutreffend sei. Das „Wicsb. Volksbl." giebt folgende Darstellung des Falles: Wohl hat der Vater des unglücklichen jungen Mannes, dessen Schmerz und Aufregung ja begreiflich genug ist, geglaubt, -aß Professor vr. Wedewer seinen Sohn heim lich getauft und in die katholische Kirche ausgenommen habe, und hat deshalb Beschwerde erhoben beim Pro- vinzial-Schulcollegium zu Cassel, welches diese Beschwerde — mag sie auch noch so grundlos sein — selbstredend ordnungsgemäß prüfen muß und sie deshalb an Herrn Prof. W. zur „Aeußerung" übersandte. Das ist Alles. — Herr vr. Bresgen erklärt in einer Zuschrift an den „Rhein. Cour", er habe beim Director des hiesigen könig lichen Gymnasiums wohl Anzeige gegen Prof. Wedewer erhoben, nicht aber behauptet, daß Prof. Wedewer seinen Sohn „heimlich in die katholische Kirche ausgenommen habe". Nicht ein Brief seines Sohnes an Professor Wedewer allein komme in Betracht, sondern außer dem Antwortbriefe W.'s noch eine ganze Reihe von Aussagen Anderer. Feststellcn müsse er auch, daß sein Sohn von seinen angeblichen Wünschen ihm niemals Mittheilung ge- macht habe. Er wisse nur, daß man den evangelischen Sohn eines vor langen Jahren evangelisch gewordenen Katholiken schon von klein an versucht habe, zur römischen Kirche hinüberzuziehen. Stuttgart, 4. Juni. Erst wenn die Straßen bahn streikt, erkennt -er Großstädter die volle Be deutung dieses Verkehrsmittels, das man in normalen Tagen als etwas Selbstverständliches ohne besondere Werthschätzung hinnimmt und so gern beim geringsten An laß bekrittelt. Unser gesammtes Verkehrs- und Gesell schaftsleben leidet schwer unter der fatalen Störung, die nun schon fünf Tage dauert. Kein Haus, kein Geschäft, keine Schule, kein Vergnügungsetablissement, wo die Wirkung des Ausstandes nicht peinlich empfunden würde. Außer der Straßenbahngescüschaft selbst haben wohl die an den Enden der Stadt gelegenen Sommertheater den größten finanziellen Ausfall. Mit wachsender Ungeduld und Erbitterung verlangt das Publicum die Beendigung des unerträglichen Zustandes. Auf zwei Linien ist zwar für den größten Theil -es Tages mit Hilfskräften ein Theilbetricb seit vorgestern hergestellt, aber damit ist wenig geholfen, zumal -a auch auf diesen zwei Strecken von 6 Uhr Abends an aus Sicherheitsgründen nicht mehr gefahren werden kann. Jeden Abend kommen Ausschreitungen und Unruhen vor, bei denen die Polizei eine schwere Aufgabe hat. Die Ausständigen selbst scheinen bei diesen Excessen 1 Beschimpfungen und thätlichen Insulten gegen die „Streik brecher", Steinwürfe auf die fahrenden Wagen, Ver stopfung der Gleise mit Steinen u. s. w.) nicht betheiligt zu sein, vielmehr allerlei lichtscheues Gesindel, wie es in jeder Großstadt bet derartigen Gelegenheiten mit übereifrigen Demonstrationen rasch bei -er Hand ist. Nachdem die aus ständigen Straßenbahnbediensteten alle übertriebenen For derungen zurückgezogen haben, nimmt die öffentliche Mei nung immer entschiedener für die Streikenden Partei und verlangt immer dringender, daß die Direction der Straßenbahngesellschaft nun durch Zugeständnisse ihrer seits dem Streik ein Ende macht. Die Presse aller Par teien nimmt jetzt cinmüthig gegen die Direction Stellung, auch der Gemeinderath hat in der heutigen außer ordentlichen Sitzung sich einstimmig dahin geäußert, daß die jetzigen Forderungen der Straßenbahner berechtigt seien. Den Hauptstreitpunct bildet jetzt eigentlich nur noch das Verlangen auf Aushebung des Dienstbefehls, der -en Angestellten verbietet, dem Centralverbande der Handels-, Transport- und Berkehrsarbetter beizutreten. Dieses Ver langen nach Coalitionsfreiheit wird von der Direction immer noch schroff abgewiesen. Der Gemeinderath be auftragte den Oberbürgermeister, nochmals bei der Direction dahin vorstellig zu werden, daß sie in Unter handlungen mit ihren Bediensteten trete. In einer gestrigen Zuschrift an die Strcikcommission erklärt die Di rection die Ausständigen als vertragsbrüchig und entlassen, und betonte, daß sie auf weitere Verhandlung nicht ein gehen könne. * München, 4. Juni. Der „Bayer. Cour.", der in seiner neuen Gestaltung centrumsofficiös ist, tritt der der jüngsten, vermuthlich regierungsofftciösen Mittheilung der „Allg. Ztg." entgegen, daß Monsignore Macchi zum Nuntius in München ausersehen sei. Das Blatt schreibt: „Der neuerdings nominirte Jnternuntius für Brasilien, Monsignore Guiseppe Macchi, dürfte schwerlich nach München berufen werden. Er wirkt schon seit fünf zehn Jahren in Amerika und darf bei seinen hohen Vcr- dtensten darauf rechnen, im Falle eincid Veränderung den Cardinalshut oder eine Nuntiatur erster Classe in Brasilien zu erhalten. Seine Berufung nach München wäre für ihn keine Promotion. In Betracht dürften für München kommen, der beobachteten Reihenfolge nach, die Jnternuntien Locatelli, Celli oder Gasporri." „Nach unseren Informationen", schreibt das Blatt weiter, „hat vor Allem der hl. Vater bis jetzt über den Nach folger Gambucetti's in München noch keinerlei Ent scheidung getroffen. Man nimmt als sicher an, daß die Nuntiatur in München noch einige Zeit, etwa 1—3 Monate, unbesetzt bleibt." Der Wiederbesetzung sicht man deshalb mit einigem Interesse entgegen, weil die Regierung sich bemüht, eine wohlwollende und verträgliche, mit den Ver hältnisses billig rechnende Persönlichkeit hierher btt kommen, während beachtenswerthe Kräfte an der Arbeit sind, einen intransigenten Nuntius nach München zu er halten. Oesterreich - Ungarn. ZuiS Los»von»Rom'Bervegirug. K. Eine mächtige Kundgebung der evangelischen Be wegung in Oesterreich war die Grundsteinlegung der evangelischen Dreifaltigkettskirche in Deutsch-Horschowitz bet Podersam in Böhmen. Gegen 8000 Personen waren am zweiten Pfingstfetertag nach dem kleinen, übergetretencn Dorfe Horschowitz ge strömt. An -er Spitze des Festzuges schritt die Schuljugend von Horschowitz und Fürwitz, die Knaben mit Fahnen und die Mädchen mit Blumenkörben. Daran schlossen sich 40 weißgeklei-ete junge, meist noch katholische Mädchen, die Gemeindevertretung und die Vereine von Horschowitz und Umgegend. Pfarrer Piesch aus Komotau hielt die Festrede, die die Versammlung mächtig ergriff, Curatvr Patzl verlas die Urkunde, der Ortsgeistliche Vicar Held sprach das Weihgebet. An die Feier der Grundsteinlegung schloß sich ein erhebender, allen Theilnehmern unvergeß licher Familienabend. Der Tag der Grundsteinlegung ist der denkwürdigste, den Horschowitz bisher erlebt hat. Wenn glaubensbrüderliche Liebe den Horschowitzern, die zuerst im Saazer Land dem Evangelium die Bahn frei gemacht und in Tagen schwerster Anfechtung treu ausgehalten haben, weiter hilft, werden sie noch in diesem Jahre ihre Kirche weihen können. Todesfall; die Lemberger Vorfälle. * Wien, 5. Juni. (Telegramm.) Der frühere General- Jnspecteur und General der Cavallerie in Pension, Frhr. v. Gagern, ist heute früh gestorben, v. Gagern war im Jahre 1830 in Schwedt in Preußen geboren. * Lemberg, 5. Juni. (Telegramm.) Die Bau arbeiter und Maurer nahmen heute früh überall die Arbeit wieder auf. * Lemberg, 5. Juni. (Telegramm.) Die Hörer des Polytechnikums sind neuerdings in nachdrücklichster Weise aufgefordert worden, unverzüglich die Vorlesungen zu besuchen. Sollte dies bis Dienstag nicht erfolgen, so würde der Unterricht im Polytechnikum endgiltig eingestellt werden, was den Ausfall der Prüfungen und die Nichtbestätigung der Semesterfrequentation zur Folge haben müßte. Teutsche Eindringlinge. * Pest, 5. Juni. (Telegramm der Voss. Ztg.) DaS Berliner Deutsche Theater eröffnet morgen im hiesigen Lustspieltheater sein Gastspiel. Mehrere chauvinistische ungarische Blätter agitiren bereits heute in heftigster Weise und fordern daS Publicum auf, gegen die deutschen Eindringlinge zu demonstriren. (Die Magyaren können sich diese Thor- heiten nicht abgewöhnen und so erhält die ungarische Gast lichkeit durch diese geschmack- und grundlose Radaumacherei der Chauvinisten immer wieder ihr Fleckchen. Red.) Schweiz. Texttlarbcitcrcongretz; Zolltarif. * Zürich, 5. Juni. (Telegramm.) Der internationale Textilarbeitercongreß hat den von den englischen Delegirten gestellten Antrag auf Gründung eines internationalen Streikfonds angenommen. Jede Gewerkschaft der einzelnen Länder hat pro Jahr und Mitglied fünf Centimes einzu zahlen. Bis zum nächsten Congreß darf der Fonds nicht angegriffen werden. * Bern, 5. Juni. (Telegramm.) Der Ständerath be gann heute die Einzelberathung des Zolltarifentwurfs. Rußland. * Petersburg, 5. Juni. Der deutsche Botschafter Graf v. AlvenSleben gab gestern zu Ehren des Landgrafen von Hessen ein Diner, dem der Stadt hauptmann Kleigels, der Cbef der eigenen Kanzlei des Kaisers, Tanejew, der Chef des HoforchesterS, Baron Stackelberg, der dänische Gesandte v. Lövenörn, der dem Landgrafen als Ehrendienst beigcgebene Ceremonienmeister Fürst Meschtscherski, das Gefolge deS Landgrafen und die Mitglieder der deutschen Botschaft beiwohnten. In den Räumen deS HoforchesterS fand gestern auS Anlaß der Anwesenheit deS Landgrafen ein Concert statt, dessen Programm aus Orchester-Compositionen russischer Musiker bestand. Amerika. DaS Geschenk Kaiser Wilhelm s sür die Bereinigten Staaten. 6. New Aork, 2. Juni. Die keineswegs deutsch freundliche „Sun" schreibt: Nach unseren aus der nächsten Umgebung des Präsidenten stammenden Erkundigungen liegt die starke Wahrscheinlichkeit vor, daß der Congreß, wenn er betreffs Annahme des kaiserlichen Geschenkes be fragt würde, mit überwältigender Mehrheit seine Freude und Dankbarkeit für das angebotene Geschenk aussprechen würde. Gleichwohl hat sich der Präsident Roosevelt noch nicht darüber entschieden, ob er die Angelegenheit dem Congreß nnterbreiten wird. Andererseits ist es sicher, daß sich alle maßgebenden Kreise der Union an der Zeichnung sür die Gegengabe eines Standbildes Washington's betheiligen werden. Dabei wäre je doch für die beiden betheiltgten Kreise diesseits und jenseits des Occans ein wesentlicher Punct der Beachtung zu em pfehlen. Je mehr dieser Austausch von Geschenken den Charakter privater Freundschaftsbeweise bewahren wird, desto größer wird der gegenseitige Nutzen sein. Wollte man dagegen der Angelegenheit politische Bedeutung beimessen, so würde ihr Werth herab- geminderr oder ganz in Frage gestellt werdem Marine. * «erlitt, 5. Juni. S. M. S. „Rhein" ist am 2. Juni in Helgoland eingetroffen, am 3. Juni wieder noch der Jade in Ce« gegangen und in Wilhelmshaven eingetroffen. S. M. S. „Grille" ist am 3. Juni in Wilhelmshaven eingetroffen. S. M. S. „Kaiserin Augusta" und S. M. Tpdbte. 8. 91 und 8 92 sind am 3. Juni in Wilhelmshaven eingetroffen. S. M. S. „Ziete n" ist am 3. Juni von Wilhelmshaven zu Kreuzfahrten in See gegangen. S. M. SS. „Baden" und „Württemberg" sind am 3. Juni in Wilhelms haven eingetroffrn. S. M. S. „Friedrich Carl" ist am 3. Juni in Saßnitz eingrtroffen. S. M. S. „Blücher" ist am 4. Juni nach Erledigung der Meilenfahrten von Eckernförde nach Kiel in S« gegangen und daselbst eingetroffen. Colonial-Uachrichten. * Nach der Meldung des „Loc.-Anz." aus dem Bis marck-Archipel sind die zwei Mörder der Frau Wolff und ihres Kindes, welche in dem Busch entkommen waren, von den Eingeborenen erschlagen und ver zehrt worden. Gebratene Theile ihrer Körper sind von der Polizei gefunden worden. Der Anstifter der Mordthat, Tobilan, ist von Polizisten erschossen worden. Towagira, ein Tomanrika-Häuptling, der alle Weißen bitter haßt, ist noch nicht ergriffen, seine Auslieferung aber von seinem Stamme versprochen worden. Bei der Gesammtauflage der vorliegenden Nummer befindet sich eine Extrabeilage, betreffend das im Berlage von Paul Parey, Berlin 8^V., Sedemannstraße 10, erschienene Werk „Hampel - Bartenbnch für Jedermann", worauf wir auch an dirser Steve Hinweisen.
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