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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020609018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-09
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vezreg-.PrOls für die übrig« Liüd« last Ledarttm m»tz Elkpetttto»: JvhamrtSgafs« S. Fernsprecher ISS «ch ML FUialrvpevttt««», Alfred Has», vuchhmrdlg* UrtverMt-str.», L Lösch«, K-thari»«-L Ich » Köuig-Pl. L. Harpt-Filitle Vrerdr»; Fernsprecher Amt I Nr. 171L Morgen-Ausgabe. UchMcr.TlWMaü Anzeiger. Hauvi-Filiale Lerlin: KöuiggrLtzerstraß« 11«. Fernsprecher Amt VI Nr. SS«. Amtsblatt -es Königlichen Land- ««- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «n- Volizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 287. Montag den 9. Juni 1902. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petüzeile LS H. Reklamen unter dem Rrdaction-strich (4 gespalten) 7V vor den FamUieonahr- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaannahme LS H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-ilu-gabe, ohne Postbefürderung «0.—, mit Postbesördernug 70.—. Armahmeschluß für Anzeigen: Ab «ad »Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige» sind stet- au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Drnck und Verlag voll E. Polz iu Leipzig. Sk. Jahrgang. Amtlicher Theil Versteigerung. De» S.Iunt -. Js. Nach«. 2 Uhr solle» in L.-Komicwitz im Gxmtoststck« Victoria-Kelleret am Ttratzeudahndepot 1 Mord mit vollst. Geschirr, 2 Alaschenbiertransportwageu» 2 Epültotttche mit Zubehör, 1 Bierabriebapparat, ca. »0 Flaschenkaste«, 2 Pulte, 2 Ne-ale u. A. m. gegea Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 7. Juni 1902. Der Gerichtsvollzieher des König!. Amtsgericht». Verdingung. Die bei dem Neubau eine» Physikalischen Institute» an der Linnüstraße weiter erforderlichen Sandsteinarbeiten (sechster Teil) solle» in» Gediage vergebt» werde». Die Preisverzeichnisse sind im Universität» - Rentamte (Bau- bureau) z» entnehme» und spätesten» am 21. Juni 1VV2 all dasselbe portofrei und verschlossen zurückzugeben. Di« Autwahl unter dell Bewerbern, welche bi» zum 21. Juli 1902 an ihr« Gebote gebunden bleiben, wird Vorbehalten. Diejenigen Bewerber, mit welchen bi» dahin ein BertragS- abkommell nicht vereinbart worden ist, haben ihre Angebote al» abgelehnt zu betrachten. Leipzig, den 7. Juni 190L König!. Landtauamt. König!. UntverfitStS-Neutamt. Seidel. Riemer. Nutzholz-Versteigerung. Universität-Wald Dürrholz. Montag, den 23. Juni 1V02, von Borm. 9 Uhr an: 12 ficht. Stämme v. 12/19 om St. und 11—13 w L. 154 eich. Klötzer - 13-29 - - 1 » » 87 - - . 30/71 . - / ' 9 - - 485 ficht. Derbstangen- 8/15 ... 5—11 . . 910 - Reisslängen » 3/7- . . 2— 6 - - Zusommenkunst auf dem Kahlschlage in Abt. 12. Leipzig, am 5. Juni 1902. Königl. UniverfitatS-Rentamt. ... . Niemer. Koukurs-Auctiou. Montag, den S. Juni 1SV2, von Vormittag IS Uhr an, sollen Leipzig, Sophtenstrafie 20, ini Auftrage des Konkursverwalter-, Herru Kaufmann Jobs. Müller, dar zum Schuüert'jchen Nachlaß- konkurS gehörige RestaurationSmobiliar, alS: 1 Billard nebst Zu behör, 1 Pianino, 1 Regulatoruhr, 14 Tische, darunter 2 runde, 36 Stühle, 1 Musikwerk (Komet) mit 27 Platten, div. Spiegel, 1 Dieropparat mit Zubehör, 2 Sopho, 1 Schreibsekretär, Kleider schränke, 2 Bettstellen mit Matratzen, Belten, 1 Tomode, Bier- und diverse andere Gläser, Wäsche und Kleidungsstücke u. v. m. meist« bietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Schaarschmidt, Lokalrichter. Versteigerung. Dienstag, den 10. Inni, von Vormittags Ist Uhr ab, sollen in Leipzig, Johaunisgasse 4, im Laden — im Auftrage bez. für Rechnung dem eS angeht — die vorhandenen Flaschenweinbestände, die zum großen Theil aus der Orsk 6. roa Sexckevitn'sobea Vetulcellerel stammen und speciell nur in hochfeinen Sorte» von rotben und weihet« Bordeanxweiuen, st. Burgunder, Madeira, Sherry und Portweinen und in einer Parthie besserer Sorten Ungarweine, ikognae, Arac, Rum und Pnnschesseuzen bestehen, öffentlich gegen svivitige Baarzahlung versteigert werden. VUnkel, Lokalrichter. Die Sparkasse Paunsdorf expedirt täglich von S—12 Uhr Bor- und 2—5 Uhr Nach mittag und verzinst Einlagen mit 3/2 O/o. Bahnverbindung ab Leipzig, Dresdner Bahnhof, Vormittag 8.40, 10.35, 10.58, 11.30, Nachmittag 2.45 und 2.50. Zurück von Pauns dorf nach Leipzig Vormittag 10.14, 11.29, 11.42, Nachmittag 3.47 und 4.01. Ein Rückblick auf die sächsische Steuerreform, m. Im Hinblick auf alle die dargelegten Bedenken mußte man sich ernstlich die Frage vorlegen, sind wirklich die Gründe so zwingender Natur, die die Negierung der Durch führung des Resormprogramms der Zweiten Kammer vom vorigen Landtage entgegengestellt hat? Daß sie es nicht gc- wesen sind, dafür bedarf es eigentlich heute keines Beweises mehr, nachdem die Negierung selbst sie bat fallen lassen. Man konnte aber auch schon vorher zu diesem Urtheile ge langen, denn bei dein ersten der oben angegebenen Gründe bandelte eS sich doch eigentlich nur um die Worlfassnng, ob man sagen wollte kurzweg: „bewegliches Vermögen" oder dicht von der Grundsteuer betroffenes Vermögen"? Die an zweiter Stelle Hervorgehobene Schwierigkeit der Be stimmung der Bestandtheile eines Grundstückes war doch bisher schon bei der Eiuschätzung zur Grundsteuer vorhanden und hier um so wichtiger, als das nicht nut Grundsteuer be- legte Object dann ganz ausfiel, während es nunmehr doch der Ergänzungssteuer unterliegen soll. Der dritte Grund ist von ganz untergeordneter Natur; ernsthaft zu nehmen war ja eigentlich nur die Frage des Schuldenabzugs. Es ist ja nicht zu leugnen, daß eine Steuer, die das Steuer- subject vorwiegend in seiner Persönlichkeit erfaßt, am con- sequentesten ausgebildet werden kann, wenn eS daS Vermögen als Ganzes an diese Persönlichkeit heftet; dann vollzieht sich Aufrechnung von Aktiven und Passiven im Ganzen. Allein man kommt doch über die Nothwendigkeit einer Spaltung des Vermögen« nicht hinweg; so in erster Linie wegen des Ver hältnisses von inländischem und ausländischem Besitz und Gewerbe. Schon das Reichsgesetz über Doppelbesteuerung machte diese Scheidung nothwendig. Sodann aber halte die Regierung doch selbst durch die facultative Grundsteuer bei 8 19 diese Differenzirung und dem entsprechend auch Be- slimmungen über den Abzug der Schuldung vorgeschlagen. Ist, so mußte man fragen, daS, was bei dieser facultative» Ausschaltung der Grundsteuer möglich ist, bei einer gesetzlich vorzeschriebenen unmöglich? und eventuell warum? lieber die Berechtigung dieser Frage war nicht hinweg zu kost,men, und sie fand keine genügende Beantwortung. So konnte denn die Erste Kammer, wenn sie an der gesetz lichen Erhaltung der Grundsteuer festhielt und die Ver mögenssteuer auf das von dieser nicht betroffene Vermögen beschränkte, sich sagen, daß sie damit nur daS Programm zur Verwirklichung brachte, das 'im Landtage vorher die Zweite Kammer als Directive für die Steuerreform aus gestellt batte. ES ist daher ganz unverständlich, wenn Ab geordnete, die für den Antrag Mehnert-Georgi seiner Zeit gestimmt hatten, wie der Vicepräsident Opitz, jetzt sagen konnten, die Grundsteuer passe nicht mehr in den Rahmen der neuen Gesetzgebung, sie gleiche einem alten Schuppen, den man bei einem Neubau nicht beseitige. Es ist ja möglich, daß sie inzwischen ihre Ansicht geändert hatten, aber dann mußten sie doch das begründen und bekennen und nicht denjenigen Vorwürfe machen, von denen ihre eigene frühere Ansicht angenommen worden war, am allerwenigsten aber durften sie dem 8 l9 zustimmen, der die Grundsteuer, nur in viel bedenklicherer Form, als Privileg für sie bcibchielt. Ebensowenig kann man aus den Aus führungen des Abg. Enke klar werden, der s. Z. den Antrag Mehnert-Georgi sogar mit unterschrieben hatte und nun sich darüber beklagte, daß die Erste Kammer bei dem Fallenlassen der Grundsteuer nicht mitgegangen sei; ihr Vorschlag, der doch eben sein eigener war, vermeng« zwei verschiedene Ele mente, eine Ertragssteuer und eine Besitzsteuer, eine Ansicht, die s. Z. von seinem Mitantragsteller Georgi in der Ver handlung der Zweiten Kammer vom 9. Mai 1900 dem Geheimrath Diller gegenüber schon al» irrig nachgewiesen worden war. Die Erste Kammer führte also das Reformwerk nur auf die Grundlage zurück, die die Zweite Kammer ihm im Landtag 1899/1900 gegeben hatte, sie gab andererseits der Zweiten Kammer insofern nach, als sie, waS ich von Anfang an beantragt hatte und was wohl z. Th. nur aus taktischen Gründen abgelehnt worden war, nunmehr den von der letzteren bezüglich der neuen Einkommensteuerscala gefaßten Beschlüssen beitrat. Ein in Consequenz des 8 19 von der Ersten Kammer beschlossener § 19a, der auch für das gewerbliche Einkommen gewisse Fiktionen aufstelleu wollte und dem ich schon deswegen nicht zustimmen konnte, tourte mit 8 19 gestrichen. Es ist dankbar anzuerkennen, daß der neue Herr Finanzminister vr. Rüger zu diesen Umgestaltungen de» ursprünglichen Negierungsentwnrfs ohne Vorein- genommenheit die Hand geboten und eS so ermög licht hat, die Reform noch auf diesem Landtage abzu schließen. Man könnte so mit einer gewissen Befriedigung darauf blicken, wenn nicht etwas sich ereignet hätte, was über das Erreichte Hinwegblicken läßt und zum alleinigen Maßstabe für die Bewerthung des neuen Gesetzes gemacht wird, nämlich die Freilassung des landwirthschaftlichen Betriebskapitals von der Steuer vom beweglichen Vermögen. Es ist nicht anzu nehmen, daß das Urtheil der Presse durch eine ruhige objektiv: Darstellung wird geändert werden können, die Parole ist aus gegeben und daS Rauschen durch den Blätterwald wird sorl- gehen; aber eö giebt doch wohl noch ruhige Leser, die nickt ganz im Banne von Schlagwörtern stehen, und so mag denn mit einigen Worten auf die Frage eingegangen werden: Wenn die Grundsteuer beibehalten werden sollte, so handelte eS sich darum, ob durch sie auch das Betriebskapital mit ge troffen sei, welches dazu gehört, um überhaupt vom Grund besitz einen Ertrag zu erzielen? Die Grundsteuer ist s. Z. auferlegt worden nach einer durchschnittlichenErtragsfähizkeit der betreffenden Bodenklassen,man sagte also in der Ersten Kammer, ein solcher Ertrag könne nur erzielt werden unter der Voraus setzung, daß das erforderliche tobte und lebende Inventar vorhanden sei, der berechnete Ertrag beziehe sich also mit auf dieses Inventar und deshalb müsse dieses auch in der Capitalisirung dieses Ertrags mit enthalten sein. Dabci wurde darauf hingewiesen, daß jedenfalls eine anderweit: Besteuerung dieses Betriebskapitals nicht vorhanden gewesen sei, ja daß die alte sächsische Gewerbesteuer die landwirth- schaftlichen Brauereien und Brennereien ausdrücklich aus genommen hätte. In ähnlicher Weise setzt auch 8 11 des preuß. ErgänzungS- steuergesetzcS einen Normalbestand von Inventar als im ge meinen Werthe daS Grundstück inbegriffen voraus — ein schließlich der Nebenbetriebe — mit der Maßgabe, daß Mehr oder Mindcrwerlhe gegenüber einem normalen Bestände in Zu- oder Abrechnung beim gemeinen Werthe zu bringen sind. So sagte auch 8 16 deS sächsischen Vermögenssteuer gesetzentwurfs: „Bei Besitzern selbstbewirthschafteter Grund stücke ist daS landwirthschaftliche Anlage- und Betriebskapital nicht gesondert in Ansatz zu bringen." DaS badische Gewerbe- steuergesetz (Art. 2) in Verbindung mit dem Grundsteuergesetz läßt nicht nur das eigene Betriebskapital des Grundbesitzers, sondern auch daS deS Pächters von einer besonderen Be- Forrrllotsn. Frau Nachtigall im Nosenhag. Bon Dr. EurtRubolfKreuschner (Friedenau), »tachdiu» verboten. In einem deutschen Volkbliede des 16. Jahrhunderts heißt eS: Guckguck hat sich zu tobt gefallen An emer holen weyden. Wer soll un» diesen Sommer lang Die zeit und Wehl vertretchen? Ey das soll thun Fratv Nachtigal, Die sitzt aufs grünem zweyge; Sie singt und springt, ist allzeyt fro. Wenn andre Vögel schweygen. Bor und nach jener Zeit haben Hunderte von Dichtern in vielleicht klangvolleren rhythmischer gesetzten Worten daSLob -er unscheinbaren Sängerin verkündet, die ihre berückenden Arien vom späten Abend, wenn die anderen Bögt! verstummen, durch alle Stunden der Nacht bis in das dämuternde Frühroth hinein erklingen läßt. Das Ent zücken an Philomelcns Lieve ist aber immer das gleiche ge blieben, seit vernunftbegabte Menschen sich an den Reizen deS wiederkehrenden Lenzes freuen, vor dessen warmem Windhauch auch ein Theil der harten eisigen Rinde hin- tpegschmilzt, die der Rauhreif un- die Fröste der Lebens erfahrungen um das in idealem Jugenbfeuer erglühende Herz legen. Gewiß giebt es Singvögel, deren Kehle an Wohllaut in mancher Beziehung mit demjenigen der Nachtigall in Wett bewerb tritt. Wer hörte sie nicht gerne: die Amsel, den Zeisig, den Finken, die Grasmücke und die Lerche, wenn die Prima donna deS vielstimmigen BogelconcerteS schweigt? Und die reinen Töne, die sanfte Klangfarbe, die geschickte Modu lation sind Vorzüge, von denen die anderen gefiederten Sänger bald diesen, bald jenen in gleicher Vollendung be sitzen. Die Nachtigall aber übertrifft doch sie alle, «veil sie diese Fähigkeiten sämmtlich in sich vereinigt, und weil sie in der Mannigfaltigkeit ihrer Erfindungsgabe dem gottbe gnadeten Komponisten gleicht, der, auS dem unergründ liche« Borne seines Liederschätze» schöpfend, in freier Phan tasie den fessellosen Strom der Melodien durch den nächt lichen Hain dabtnfließen läßt. Da» Nachttgallenlied wird niemals eintönig. Wenn andere Singvögel nur über einige wenige Motive verfügen, die 1» kurzer Folge wiederkehren, so kommt deren Gesang nur einem einzigen kleinen Stücke au» -em Repertoire der Shorfübrerin de» Lenze» gleich. Fast niemals bringt sie Wiederholungen und, wenn sie eine Tonfolge wirklich ein mal wiederholt, so geschieht e» unter Nuancirungen »nd Ausschmückungen in der Art, wie etwa ein Tonsetzer sein Thema varitrt, indem er alle erdenklichen Au»druck»weisen wählt. Mit einem leisen, fast schüchternen Präludium be» ginnt -er Sang, al» ob sie selbst noch unentschieden wäre, welche Tonart die beste wäre; dann wird sie allmählich sicherer, lebhafter und feuriger. In die schwungvollen Töne der Leidenschaft klingt es dazwischen hinein wie dumpfer Geisterchor, dem wiederum schnelle und glänzende, dithyrambische Tonfolgen sich anreihen. Sie singt, wie Buffon sagt, mit Kraft und selbst mit geschmackvoller Härte. Sie wechselt mit Klagelautcn, kunstvoll angesponnen, im weichsten Tonmaß gesungen, mit seelcnvoll angcschwelltcn bezaubernden und ergreifenden Tönen, wahren Seufzern der Liebe und der Wollust, die aus dem Herzen zu quellen scheinen und bewirken, daß alle Herzen klopfen, mit Lauten der Leidenschaft, die alles, was fühlt, in sanfte Bewegung, in rührendes Schmachten versetzen. Man erkennt in ihnen die Sprache des Gefühls, die ein glücklicher Gatte an eine geliebte Gefährtin richtet, und die nur sie ihm einzuflößen vermag, während man in anderen, vielleicht erstaun licheren, aber nicht so ausdrucksvollen Stellen den einfachen Zweck erkennt, sie zu ergötzen oder ihr zu gefallen oder auch vor ihr mit anderen, auf seinen Ruhm und sein Glück eifer süchtigen Nebenbuhlern um den Preis zu singen. Zur Erhöhung des Eindrucks tragen nicht wenig die effectvollen Pausen bei, die die Nachtigall in ihrem GIangc einschiebt und die den lauschenden Naturfreund immer in der Spannung auf das weiter Kommende erhalten. Dazu kommt aber dann noch, daß die Nachtigall eine Solistin ist, die deS Nachts singt «nd die Begleitung anderer Vogel stimmen verschmäht, gleich als ob sie cs wüßte, daß der Wohlaut ihrer Lieder durch jene nur verdunkelt werden könne. Dieser Thatsache verdankt sie auch ihren deutschen Namen, über den sich schon mancher den Kopf zerbrochen hat, und der etymologisch doch so einfach zu erklären ist. Mit -em schmachtenden „Galan", den man darin hat ent- decken wollen, hat er allerdings nichts zu thun. Auf Alt hochdeutsch lautet er „Nachtagalla" und ist mit Einschiebung eines a, bezw. in neuer Sprache eines i, aus Nacht und der Wurzel „gallan", b. t. so viel wie „Gellen, laut singen", zusammengewachsen, so -aß Nachtigall wortgetreu mit „Sängerin der Nacht" übersetzt werden kann, weswegen sie auch der Dichter des „Simplicius Simplicissimus". mit den Reimen apostrophirt: Komm, Trost der Nacht, o Nachtigall! Latz Deine Stimm mit Freudenschall Auf» lieblichste erklingen, und Rückert, der zweifelsohne ihre Bedeutung als Liebes- botin in deutschen und französischen Volksliedern gekannt hat, singt von ihr: Die Nachtigall, sie gellt in tausend Nächten Nicht au» die ew'ge Melodie der Rose. Aristoteles sagt von der Nachtigall, ihr Gesang währe nur so lange, al» die Bäume sich belauben, nämlich 15 Tage und 15 Nächte. Diese Behauptung ist aber nur insofern richtig, al» -er Bogel in unseren Bretten im April — in Griechenland natürlich entsprechend früher — zu schlagen beginnt. Die Dauer der Gesang»zeit ist aber viel länger, al» der hellenische Gelehrte angtebt. Sie beginnt, sobald der Bogel von seinem Winteraufcnthalt in Nord- und Mittelasrika in den Norden zurückgekchrt ist und an den Nestbau herangeht, und endet erst um Johanni herum in -er Zeit der kürzesten Nächte de» Jahre». Auch da» schöne, poetisch« Märchen, daß da» Nachtigallenmännchen nur singe, nm das brütende Weibchen zu erfreuen und ihr die Lange weile zu vertreiben, bedarf einiger Corrccturen. Allerdings singt das Männchen während der Zeit der Eiablage fast die ganze Nacht; cs hält sich dafür durch einen Tagcsschlaf schadlos, der ein fortgesetzter Traum zu sein scheint, weil man den Vogel während desselben doch zwitschern und ganz leise singen hört. Merklich ninnnt der Gesang aber erst ab, sobald die Jungen die Eier verlassen haben; denn „des Lebens schönste Feier endet auch des Lebens Mai", und an die Stelle des wonnevollen Liebcstraumcs tritt die beständige Fürsorge für die Nesthäkchen. Im Juli hört die Mchtigall dann gänzlich auf, zu singen. Die Stimme ändert sich in ganz unglaublicher Weise in ein heiseres Krächzen um und kehrt auch dann nicht zu den alten Melo dien zurück, wenn die Pärchen zu einer zweiten Begattung und Brur schreiten. Man glaubt einfach nicht, denselben Vogel vor sich zu haben, der um diese Zeit übrigens auch sein ohnehin nicht prunkvolles Hochzeitsgcwand ablcgt und die allerschlichtesten, rosarothgraucn und gelblichgrauen Farben annimmt. Ganz anders verhalten sich die gefangenen Nachtigallen, die acht bis neun Monate des Jahres singen, besonders wenn ihnen durch Ausschmückung des Käfigs und seiner Umgebung mit Blumen und blattreichcn, schönen Ge wächsen ein ewiger Frühling vorgczaubert wird, der ihre Ltebtzsgluth immer auf s Neue anfacht, ohne daß ihr Be friedigung gewährt wird. Der Anfang der Gefangenschaft ist freilich ein recht schwerer. Wenn es auch manche, aus gewachsen gefangene Nachtigallen giebt, die schon nach wenigen Stunden im Käfig zu singen beginnen, so sin- andere dafür so todttraurig über den Verlust der Freiheit, daß sie sich um ihr Leben hungern würden, wenn man ihnen nicht künstlich Nahrung aufnüthigte. Vögel, die sich schon einmal gepaart haben, sterben ohnehin in der Gefangen schaft ziemlich schnell, und auch jüngere verlangen die sorg samste Pflege und das auserlesenste Futter. Die Nachtigall theilt das Loos der Canarienhähne und der menschlichen Gesangstalente in der Hinsicht, daß die eine sich zur unübertrefflichen Künstlerin entwickelt, während eine andere zeitlebens ein höchst mittelmäßiger Dilettant bleibt. Man will sogar beobachtet haben, daß die Durchschnittsleistungen der Nachtigallen aus den ver schiedenen Ländern nicht gleichwerthtg seien, und in Eng land B. genießen die Nachtigallen aus Surrey bei Weitem den Vorzug vor denjenigen au» Mtddleflcx. Seltsamer Weise finden sich bei den Nachtigallen häufiger als bei anderen Singvögeln die Beispiele, daß Weibchen einen dem männlichen Stimmorgan ähnlichen Kehlkopf haben und von der ihnen verliehenen Gabe auch Gebrauch machen. Der Gesang dieser Weibchen ist demjenigen der Männchen ziemlich ähnlich und steht hinter diesem nur in der Mannig faltigkeit -er Erfindung und in der Stärke deS Tones etwa» zurück. Die singenden Weibchen setzen jedoch mit dem Gesänge allemal zum Beginn der Frühlingszeit auS, weil dann die müterlichen Instinkte übermächtig werden und auch da» gattenlose Weibchen an den Nestbau und daS zwecklose vrutgeschäft geht. Ein Jesuitenpater de» 13. Jahrhundert» Namen» Kircher hat sich die Mühe gegeben, den Nachtigallengesang auf das Eingehendste zu studiren und in Noten zu setzen, die er dann von einem geschickten, des Vogelgesanges kun digen Flötenspieler in Töne umsetzen ließ. Das Resultat war natürlich ein niederschmetterndes, weil kein künst liches Instrument, mag es auch das vollendetste sein, die Modulationen des lebenden Kehlkopfes wiedcrzugeben ver mag, ebenso wie ja auch die mechanische Nachahmung des Vogclfluges daran scheitert, daß die feinste Maschinerie nie die Feinfühligkeit der Nervenleitung und der Gleichge wichtsorgane erreichen kann, über die der Segler der Lüste in seinem Hirn nnd seinen Schwingen verfügt. Dagegen besitzt das menschliche Stimmorgan in nicht so seltenen Fällen die Fähigkeit, den Nachtigallenschlag so täuschend nachzuahmen, das; dadurch die Nachtigallen angelockt und sogar gefangen werden können. Leider hat die „Königin der Büsche", wie sie der Dickt.-c Brockes nennt, ihren Platz auch auf der Tafel der Fein schmecker gefunden. Der berühmte Fabeldichter des Alter- thums, Acsop, der sich aus hundert Vögeln, die sämmtlick sprechen nnd singen konnten, ein Gericht bereiten ließ, wird noch weit übertroffen durch die tolle Idee des wahn sinnigen Kaisers Heliogabalns, der sich eines Tages ein Ragout aus Nachtigallenzungcn componirtc. Die Nenzen weiß von derartigen kulinarischen Greueln, wie sie eben nur eine Eüsarenlaune ersinnen konnte, nichts zu berichten. Aber in der Otascognc hat man doch eigene Mastanstalten für Nachtigallen, die an Wohlgeschmack sogar den Orto- lanen den Platz streitig machen sollen nnd einer der theucrstcn Leckerbissen sind. Besonders in früheren Jahrhunderten waren über die Nachtigallen die unglaublichsten Märchen im llmlaus. Eines davon, das Gesncr mittheilt, hat wenigstens den Vorzug, witzig zu sein, und soll deshalb hier wiedergegcben werden. Es handelt sich um zwei Nachtigallen eines Regensburger Hotelbesitzers, die sich Nächtens in deutscher Svrachc über die politische Lage Europas unterhielten, und sowohl die Vergangenheit, wie die Zukunft in den Bereich ihrer Er örterungen zogen. Der Bricfschrcibcr, der Gesnern dieses erstaunliche Factum mittheilte, setzt freilich etwas kleinlaut hinzu, daß diese Wundcrvögcl nur über Dasjcniae varliri hätten, was sic von einigen Officicrcu und Reichstags abgeordneten erlauscht hätten, die den Gasthof zu besuchen pflegten. Die Nachtigall ist in ihrem Leben und Treiben ein Ein siedler. Alleinreiscnd zieht sic ^n ihre nordische Sommer frische und allein kehrt sie im September in den sonnigen Süden zurück. Auch die chcschlicßendcn Pärchen lieben kcinc»Gcscllschaft und vertreiben andere Nachtigallen rück sichtslos aus ihrer Nähe. Wenn man berühmte Sängerinnen, wie Jcnnu Lind, mit Nachtigallen verglichen hat, so ist das ein Eomplimcnl, das beide Theile ehrt. Seltsamer muß cs erscheinen, wenn man die unbändig langen Riescngeschütze des 15. nu llt. Jahrhunderts also getauft hat. Aber „Siiigcrin" und „Nachtigall" sind gleichwohl die Namen, die sich auf mancher Kartaunc aus jener Zeit finden. Eher läßt cs sich ver tragen, daß man ein harmonisches Glockengeläut«: als metallene Nachtigallen bezeichnet.
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