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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020609024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902060902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902060902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-09
- Monat1902-06
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Die Delcgirten haben zum großen Thcile Pre toria verlassen, um ihre früheren CvmmandoS zu holen. Diejenigen, die hier geblieben sind, gehen frei umher und erneuern alte Bekanntschaften. Mr. Reitz beabsichtigt, sein Eigcnthum zu verkaufen und seinen Wohnsitz in Europa zu nehmen. General De Wet reiste gestern Abend nach Vrcdefort Road ab. Die Vorkehrungen für die Verpflegung und Unterbringung der einkommenden Corn- mandos sind fast vollendet. Die Frage des Wiederaufbaue» der Farmen ist eine der schwierigsten. Es wird wahrschein lich sehr an Arbeitern fehlen. Jedenfalls bietet sich für Baumeister und Zimmerleute ausgezeichnete Be schäftigung. Es sind Vorkehrungen getroffen worden zur Wiederaufnahme des Nachtdienste- auf den südafrikanischen Eisenbahnen. General SmutS hat vor seiner Abreise den RebcllencommandoS gerathen, an der Eisenbahnlinie entlang zu gehen und sich dem nächsten englischen Offiriere zu ergeben. Ein offtcteller Bericht giebt die Gcsammtverlnste der Engländer auf 22 SSO Tobte, 22 82V Verwundete und 9883 Gefangene und Vermißte an. 76 830 Mann wurden alsInvaltden in die Heimath entlassen. Die Verluste berBoeren sind unbekannt nnd werden auch wohl niemals bekannt werden. Die „Daily News", bemerken zu dieser Ver lustliste: „Die obigen Zahlen stehen in merkwürdigem Wider spruche zu den Schätzungen, die das Ministerium bet Be ginn des Krieges über etwaige Verluste angestellt hat. Die Minister waren der Ansicht, daß sie reichlich gesorgt Haven würden, wenn sie Vorkehrungen für die Unterstützung -er Verwandten von 3000 Gefallenen machten. Mehr alS siebenmal so viel Leute haben ihren Tob in der Schlacht oder in Folge von Verwundungen ober durch Krankheit gefunden. Es ist interessant, diese Verluste mit denen anderer großer Kriege zu vergleichen. Merkwürdiger Wesse war die Zahl der Tobten im Bvercnkrtege ungefähr die selbe, wie die im Krimkrieg c. In -em letztgenannten Kriege verloren wir 22183 Mann durch Verwundung oder Krankheit. Im Krimkriege brachten wir aber nur 08 100 Mann zur Verwendung, während wir im Boeren- kriege wahrscheinlich über 800 000 Mann gebraucht haben. Der Gcsammtvcrlnst an Tobten im Krimkriege belief sich, alle Nationen zusammengerechnet, auf 609 797 Mann. Noch tödtlicher war der amerikanische Bürgerkrieg, durch den 636 000 Menschen ihr Leben eingcbüßt Haven sollen. Der dcutsch-französtschle Krieg hatte einen Gesammtverlust von 290 000 Mann zur Folge. Die Zahl der Gefallenen im russisch-türkischen Kriege wird auf 180 000 Mann geschätzt. Nach Mulball rafften die Kriege von 1790 bis 1880 4 470 000 Menschen hinweg und kosteten 3047 Millionen Pfund Stcrling.7 * spretsrta, 8. Juni. (Revier'» Bureau.) Heute wurde an läßlich des Friedensschlüsse» »in Dankgottesdienst abgehalten, au dem Kitchener, 6000 englische Soldaten und rin« große Anzahl BurgherS theiluahmeu. Kitchener bracht« «in Hach auf den König au», da» begeistert ausgenommen wurde, * London, 9. Juni. (Telegramm.) kitchener meldet: Dir Entwaffnung vollzieht sich in befriedigender Weise. Am 7. Juni wurdea 1986 Gewehr, übergebtn; im Ganzen beträgt ihre Zahl 4342. * KlerkSdorp, 8. Juni. (Reuter'» Bureau.) General Lieben berg hat sich am 7. Juni mit 470 Maua ergeben. * London, 9. Juni. (Telegramm.) „Daily Mail" veröffent licht «iu« briefliche Mittheilung au» Pretoria unter dem 18. Mai, wonach am 15. Mai kurz vor Beginn der FriedenSbejprechungen in Verernigiag mehr al» 60 Periouen iu Pretoria wegen Betheilignug an «iner in dieser Stadt angrstellten Verschwörung gegen die englischen Behörden verhaftet worden sind. „Daily Telegraph" giebt eine ähnlich«, brieflich ein- gegangene Nachricht wieder und bemerkt, der telegraphische Bericht darüber sei offenbar seinerzeit von der Leusur unterdrückt worden. Politische Tagesschau. * Leipzig, S. Juni. Der Schluff dir ia der Reich»Hauptstadt tagenden parla mentarischen Körperschaften Lerntet sich ruhiger und glatter vor, alt nach einigen Sturmzeichen und Eonflicttgespenstern in letzter Zeit ängstliche Gemüthe» Voraussagen zu müssen glaubte«. Der VlAHttag berteth und genehmigte am Sonn abend nach Erledigung derVogelschutzeonvention in erster und zweiter Lesung die Aufhebung de» elsaß-lothringi schen Dietaturparagraphen. Elsaß-lothringische Ab geordnete aller Richtungen einschließlich des gewöhnlich alt Protestler geltenden Vbg. Preist gaben ihrer Genug- thuung über diese Maßregel und ihrem Danke gegen den Kaiser Ausdruck, und wean auch der Abg. Preiß dabei de- merkte, daß die Maßregel nur di» splitt Erfüllung eines begründeten Anspruch« de« Elsoff-Lothringer bilde, so waren doch, da auch Mitglieder aller anderen Parteien ihr Ein- verftändnist erklärten, der Soeialdemokrat Bebel und der Pole vonGlebocki di« einzigen, die Mißtöne in die Verhandlung brachten. Perr Bebel stellt« die Aufhebung al« einen Ausfluß augenblicklicher kaiserlicher Laune hin, wahrend Herr Glebocki die preußische Pvlenpolitik mit der Behandlung der Elsaß-Lothringer m scharfen Gegensatz stellte und die Marienburger Rede des Kaisers heftig angriff. Reichs kanzler Graf Bülow, der zu wiederholten Malen das Wort ergriff, wies diese Angriffe schürf zurück und betonte, daß lediglich die Einsicht, d«r Dictaturparagravh sei durch das Verhalten der elsatz-lvihrinaischtn Bevölkerung überflüssig geworden, für seine Aufhebung bestimmend gewesen sei. Außer ihm trat auch Staatssekretär v. Köller den Brbel'schrn Angriff«« und Insinuationen «ntgegr«. Die An- nähme deS Entwurfs wäre «Instimmia «rfvlat, wenn nicht die eonservativen Abgg. Graf Limburg-Stirum und Kropatschrk dagegen gestimmt hätten, schwerlich aber aus Opposttion«lust oder um zu demonstriren, sondern aller Wahrscheinlichkeit «ach, um sich den Rücke« für den Fall zu decken, daß die vor noch gar nicht langer Zeit auch von der Reichsregierung für bedenklich erachtete Auf hebung des Dictaturparagraphen nicht den erhofften Erfolg haben sollte. Und rascher noch als der Reichstag die ersten beiden Lesungen dieser Vorlage, erledigte daS prcutzische Abgeordnetenhaus am Sonn- abend die dritte Lesung deS Gesetzes, betreffend Maßnahmen zur Stärkung des Deutschthums in den Provinzen Westpreußen und Posen. Die polnischen Abgeordneten schienen das Mißliche ihrer ursprünglichen Absicht, nochmals einen Ansturm direct gegen die Polenpolitik der Negierung zu versuchen, eingesehen zu haben und so meldete sich zu dem Gesetze überhaupt Niemand von ihnen zum Worte. Die Gesammtabstimmung sollte nach dem Anträge deS Abg. ».JazdzewSki eine namentliche sein, der Antrag fand jedoch nicht die uötbige Unterstützung von 50 Mitgliedern deS Hauses. Außer den Polen und den Freisinnigen unterstützte nur ein Theil deS Cen trums den Wunsch deS polnischen Abgeordneten, die größere Mehrzahl der Mitglieder deS Centrums betrat den Saal erst, nachdem die Ablehnung des polnischen Antrages durch den Präsidenten v. Kröcher schon verkündigt worden war; einzelne CentrumSabgeordnete, wie die Abgg. vr. Hitze und Or. Rügenberg, stimmten direct gegen den Antrag des Vr. v. JazdzewSki. So wurde denn obne nameniliche Ab stimmung die Polenvorlage mit großer Majorität an genommen und daS HauS konnte zur zweiten Berathnng des Gesetze-, betreffend Abänderung des Allgemeinen Berg gesetzes, übergehen. Nach glatter Annahme auch dieses Gesetz entwurf» wurde eine große Anzahl von Petitionen er ledigt und die Sitzung mit «iner Mahnung deS Präsidenten an diejenige« Commissionen geschlossen, die sich sputen müssen, wenn vor der für den 14. Juni ia Aussicht genommenen Schließung der jetzigen Tagung noch daS Erledi gung finden soll, worauf die Regierung besonderes Gewicht legt. Daraus, daß diese Schließung für den 14. d. MtS. in Aussicht genommen ist, ergiebt sich, daß man auch den Reichstag nicht länger Zusammenhalten zu können glaubt. Auch für ihu wird also bald wieder eine Erlösung-- stunde schlagen. Wenn die Interpellation deS Grafen Kanitz wegen des Schifffahrtstruste- vor der Vertagung nicht mehr zur Besprechung kommt, so Wird das Reich dadurch nicht- verlieren. Sehr bedauerlich dagegen wird es sein, wenn auch die Vorlage betreff- des Bahnbaues in Ost afrika wieder unerledigt bleibt. Die Zuckervorlagen und daS Branntwrinsteuergesetz werden aber allem Anschein« «ach noch vor der Vertagung unter Dach gebracht werden. Die Hoffnungen der LinkSliberalen, daß durch die Schärfe der vom Grafen Bülow im Namen des preußischen Staats- ministeriumS am vorigen Montag im preußischen Ab geordnete nhause abgegebenen Antwort auf die klerikal- conservative Forderung bezüglich des Zolltarifs daS Tisch tuch zwischen dem Grafen und Len Eouscrvattve» zer schnitten worden sei, hat sich bis jetzt nicht erfüllt und wird sich nicht erfüllen. Daß und warum der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident nicht daran denken kann, mit den Eonservativen zu brechen, so lange sie ein so starker Machtfactor sind, baden wir bereits dargelegt. Und daß auch auf konservativer Seite die politische Vernunft den Groll zu vertreiben beginnt, geht aus der folgenden Auslassung der bekanntlich dem Grafen Limburg-Stirum nahestehenden „Schief. Ztg." hervor: „Ist man wegen deS peinlichen Vorganges im Abgeordnetenhaus« auch verstimmt, so wird diese Verstimmung doch niemals dazu führen, daß, wie einige liberale Blätter erwarten, die Conservatweu nun eine Politik ad irato treiben. Zu einem solchen Vor gehen werden sich die Conservativen keinesfalls bewegen lassen; daS verbieten ihnen schon ihre politischen Grundsätze. Wer wollte leugnen, daß die Rechte Ursache habe, sich durch das Auftreten der Staatsregierung am Mootag verletzt zu fühlen? Ist auch nicht zu bestreiten, daß schon das Einbringen LeS bc- kannten Antrages weder politisch noch taktisch richtig war, so wußte doch die Regierung, daß man auf der Rechten weder einen „Ansturm", noch ein „Mißtrauensvotum" beabsichtigt hatte und daß man dort auf eine zwar ablehnende, aber in wohlwollende Form gekleidete Erklärung gefaßtwar. Schwerwiegende Gründe freilich mögen es gewesen sein, die in letzter Stunde den Minister- Präsidenten veranlaßt hatten, die bei ihm so völlig ungewohnte schroffe Seite gegen die Eonservativen hervorzukehren. Eben sowenig jedoch, wie die Eonservativen im Siune hatten, i durch ihren Antrag einen feindlichen Vorstoß gegen den Grafen Bülow auszuüben, ebensowenig empfinden sie die Erklärung deS leitenden Staatsmannes al» eine „Kriegserklärung" der Regierung gegen die Partei. Man ist im conser- vativen Lager immer bereit, den Schwierigkeiten, mit denen Graf Bülow in der Zolltarisfrage zu kämpfen hat, Rechnung zu trage», und erkennt seine Verdienste um die geplant« Besserung des landwirthschaftlichen Zollschutze« nach wie vor daukbar an. Deshalb wird auch die Verstimmung über den Vorfall im Abgeordnetenhaus vor übergehen und keinesfalls auf die Haltung der Rechten zur Regierungspolitik uachwirken. ES ist vielmehr zu hoffen, daß der Vorgang, der auf die Zwangslage der Regierung unzweideutig hinweist, die Compromißparteien des Reichstage» ansporneu wird, von unerfüllbaren Forderungen Abstand zu nehmen und das Erreichbare sicher zu stellen. Vollkommen vergebliche Mühe ist e», wenn die Oppositionsprrsse die Meinung zu erwecken sucht, e» bedürfe nur noch einer beharrlichen und kräftigen Nachhilfe, um dir Regierung von den Eonservativen durch die bekannte tiefe Kluft, die nur ver breitet zu werden brauche, zu scheiden. So thöricht sind dte Eon- servativen nicht, daß sie der Linken absichtlich Wind t» die Segel liefern sollten. Dazu ist dte Verantwortung zu groß, die sie der Laud- wirthschaft gegenüber auf sich genommen haben. — Darum fort mit aller Empfindlichkeit und Hand anSWerk! ES gilt, gemein sam mit der Regierung die Zolltarifreform unter Dach zu bringen; eS gilt die Ergebnisse jahrelanger Vorarbeiten für den besseren Schutz unserer vaterländischen Arbeit auf gleichmäßiger Grundlage zu sichern." Waö die in dieser Auslastung erwähnten „schwerwiegenden Gründe" betrifft, welche die an dem Grafen Bülow so un gewohnte Schärfe veranlaßten, so wird über sie Folgendes erzählt: „Ein der Landwirthschaft besonders nahe stehender preußischer Minister hatte sich Vertretern der interpellirenden Par teien gegenüber vertraulichdahingeäußert, GrafBülowwürde wohl seine ablehnende Antwort auf die Interpellation in die übliche liebens würdige Form kleiden und eine Erklärung abgeben, die sich wie ihre Vorgängerinnen in der programmatischen Diagonale be- Wege. Ob der genannte Minister zu dieser Mittheilung autorisirt war oder ob er lediglich Vermuthungen aussprach, zu Lenen er auf Grund allgemeiner Erwägungen gelangt war, mag dahingestellt Feirillrtsn. 7i Verfehlte Liebe. Roman von E. Hei«. Nachdruck verdat«!. Als er zu Hause von seinem Besuche berichtet hatte und nur bedauerte, nicht gleich fünfzehnhundert Mark geborgt zu haben, da fiel ihm seine Frau ins Wort und erging sich in Lob preisungen der Familie Friedrich, malte die herrlichsten Zu kunftsbilder auS und freute sich unbändig auf Hugo'» Hochzeit; vielleicht bedauerte sie, nicht selbst Friedrich heirathen zu können. Der Rath zweifelte nun auch nicht mehr an Hugo's Erfolg, und so wurde denn gleich die Rolle mit den Zwanzigmaristücken ge öffnet und eine Doppelkrone wanderte in da- Küchenporte monnaie der Frau Rath, die schleunigst da» Mahl für den Sonntag verbesserte. Der Rath aber nahm eine ander« Doppel krone und begab sich nach einer Weinstube, wo er sicher unbe kannt war, aß sehr gut zu Abend, trank eine Flasche Rüdesheimer und verstieg sich sogar noch zu einer halben Flasche deutschem Sect. Als er an seinen Stammtisch ziemlich spät kam, war er sehr fidel. Fräulein Clara lächelt« den ganzen Abend siegesgewiß vor sich hin und Hugo'» Fieber beruhigte sich merklich. - Nun war der große Tag angebrochen. Seit sieben Uhr war die gesammte Familie Keller in fieberhafter Aufregung. Noch hatte der Schuhmacher Hiigo'S neue Lackstiefel nicht gebracht, auf das nagelneue, elegant gestickte Hemd war rin Kafferfteck gekommen, kein Mensch wußte, woher, der Barbier, der den Flaum von den Backen kratzen sollt«, hatte sich verspätet, der Gärtner hatte bis zehn Uhr daS Bouquet noch nicht geschickt, kurz, eS herrschte die größte Aufregung. Endlich gegen 11 Uhr kamen Gärtner, Barbier, Schuhmacher hinteremander. Frau Keller frisirt« höchsteigenhändig ihren Sprößling, auf dem di« Hoffnung und Zukunft der Familie beruhte, Mathilde brachte Cravatte und Kragen, nnd sogar Clara sprengt« ihr letzte- Eau de Mille Fleurs auf Hugo'» Taschentuch. Endlich war er fertig. Aber wie sah der arme Mensch an»? Seine hübsche rosige Gesichtsfarbe war verschwunden und hatte einem gelblich blaffen Scheine Platz gemacht, hin und wieder befiel ihn ein Zucken und Zittern, so daß er sich anhalten mußte, die Lippen waren blau und ein kalter Schweiß trat auf die Stirn. Da» Anziehen der weißen Handschuh» machte ihm unsägliche Schwierigkeiten und die Cravatte wollte durchaus nicht sitzen. Endlich, endlich war er fertig. Ueber den Frack war der Sommerüberzieher ungezogen, für den man sich entschieden hatte, da er repriisentabler al» der Wintrrrock au»sah. Den Cyltnder auf dem Kopfe, den Strauß in der linken Hand, nahm Hugo nochmal» von den Seinen Abschied. Unten stieg er in eine Droschke. Er gab dem Kutscher Schtllrrsiraße 14 al» Ziel an. Bei Rechnungörath» versank Alle» in Erschöpfung. Die Auf regung war zu groß. Der Rechnungtrath vertiefte sich in das Tageblatt, aber »r la» nicht, e» gingen ihm allerhand Ge danken durch den Kopf. Die Frau Rath schien plötzlich alle Hoffnung verloren zu haben. SS war ihr, als ob alle die guten MahnunHen und Ermunterungen in den Wind gesprochen seien, wehmüthlg sah sie auf den sich bräunenden Kalbsbraten, Clara lächelte immer vor sich hin, verwechselte aber da» Waschbecken mit der Wasserflasche und reichte ihrer Schwägerin anstatt Zucker Mehl. Nur Mathilde schien ruhig. Sie dachte an ihren Willy, er brauchte keine Angst zu haben, wenn er käme, fände er gewiß offene Arme. So lag rin« dumpfe Stille über der Familie, der Rechnungtrath schlief sogar sanft ein. Der Wagen war mit Hugo davongervllt. Einige Neugierige aus der Nachbarschaft hatten ihn fortfahren sehen. Hugo zitterte wie Espenlaub. Er war thatsächlich einiae Minuten ohne klar« Besinnung. Er konnte sich nicht Rechenschaft geben, über da», wa» er that. Endlich weckte ihn da» Humpeln de» Wagen». Er sah zum Fenster hinau», gleich mußte er da sein. Hier war die Ecke der Echillerstraße. 2, 4 . . . wa» war da»? Der Waarn fuhr weiter. E» kiel ihm «in Stein vom Herzen. Der Wagen fuhr falsch, er konnte sich also noch ein wenig präpariren. 6, 8, 10, 12, 14. Der Wagen hielt. Der Kutscher öffnete den Schlag. „Hier ist «» nicht", sagte Hugo, „e- ist Nummer 4, aber da» ist gleichgtuig, fahren Sie jetzt nicht dorthin, fahren sie erst durch ein paar andere Straßen und dann halten Sie vor Nummer 4." „Da- kostet ab«r fünfzig Pfennig« mehr." „Jawohl", sagte Hugo nnd zwängte mit Gewalt seine be handschuhte Hand in die Hosentasche, um da» Portemonnaie hervorzuholen. Der wagen raffelte weiter. Die Hinaukschirbung der Entscheidung hatte so viel bewirkt, daß Hugo wieder klare Gedanken faßte. Er sprach sich Muth zu, und al» nach zehn Minuten der Waaen vor der richtigen Thür hielt, hatte er seine gatzze Kraft und eine Dost» Humor wieder. „wa» schadet'» ,^fagtr er zu sich selbst, "-ich mache oben Offerte. Sonst biete ich Margarine oder Böklinge an, jetzt mich selber." Er klingelte. Das Dienstmädchen machte große Augen und führte ihn in den Salon. Das Fräulein sei in der Küche, es werde gleich kommen. Nach einigen Minuten kam Minna. Sie begrüßte Hugo mit Höflichkeit, reichte ihm die Hand und bat ihn, Platz zu nehmen. Sie fragte nach den Eltern, nach Mathilde und Fräulein Clara. Hugo konnte nur antworten. Endlich fiel ihr doch die etwas sehr steife Zurückhaltung Hugo's auf, sie bemerkte seinen Frack und den Strauß. „Ei der Tausend, Herr Keller!" rief sie aus, „Sie wollen wohl heute noch eine Reihe Besuche machen. Sie haben ja einen so feierliches Kleid angelegt und ein Bouquet — wirklich schön. Wer ist denn die Glückliche, die es haben soll? Für mich ist es doch nicht, denn mein Geburtstag ist heute nicht." Hugo dankte dem Himmel für diese glückliche Ueberleitung, Minna schien ihm ja geradezu entgegenzukommen. Sein Muth stählte seine Spannkraft. „Fräulein Friedrich", begann er in einem etwas feierlichen Tone, „der Strauß ist für Sie. Ich wollte Ihnen ihn mit einer Bitte überreichen. ES fällt mir schwer, die rechten Worte zu finden, welche Bewandtniß es mit diesem Strauße hat. Sehen Sie, ich würde eS niemals gewagt haben, Sie zu belästigen (Hugo wurde jetzt ganz Geschäftkreisender, es war ihm, als ob e» sich um einen Anker Sardellen handelte), wenn nicht Ihre große Liebenswürdigkeit, die Sie meiner Familie so oft bezeigt haben, wenn nicht die Auszeichnung, die Sie mir in ver schiedenen Fällen erwiesen haben, mich dazu ermuthigte." , Minna fing an, gespannt zu lauschen. „Sehen Sie, sehr geehrtes Fräulein, dieser Strauß (diese Probe- Sardellen) soll Ihnen den Beweis meiner Hochachtung geben, soll Sie davon überzeugen, wie sehr ich Sie verehre und wie mir selbst darum zu thun ist, von Ihnen das Gleich« voraui- setzen zu dürftn (die Sardellen sind wirklich gut). Er ist mir «in heilige» Bedürsniff, e» ist mir «ine absolute Nothwendigkeit, es au»zusprech«n, daß (Eie dürfen unsere Sardellen kaufen) ich, seit ich Eie gesehen hab«, «inen so nachhaltigen Eindruck em pfangen habe, daß ich mir lange Zeit nicht Rechenschaft darüber ablegrn konnte. Ich habe mtr lang« Zeit übrrlrgt, wie ich es anfangen sollt«, Ihnen dte Gefühle auszudrücken, die mich für Sir beseelen, heut« habe ich mir ein Herz gefaßt und dieses Bouquet (der Anker Sardinen ist wirklich billig und die Fische out) soll Ihnen gewissermaßen sagen, wo» ich fühle ... soll Ihnen .... er war aufgestanden und wollte Minna den Strauß Überreichen, „soll Ihnen von meinem glühenden Wunsche Kenntniß geben, daß Sie . . . daß Sie, geehrte» Fräulein. » , soll Sie überzeugen, daß . . ." Minna war aufgestanden. Ein Schatten flog über ihr Ge sicht, als sie ihn unterbrach: „... soll ... soll .. . rin HeirathSantrag sein . . .?" „So ist es, Fräulein Friedrich." Hugo athmete erleichtert auf. Einige Sekunden Pause. „Herr Keller", sagte Dann Minna, „ich kenne Sie als einen Ehrenmann, als einen tüchtigen Geschäftsmann, und Ihr Antrag ehrt mich. Aber ich muß ihn ablrhnen, durchaus ablehnen. Ich habe mir bis jetzt noch keine Rechenschaft darüber gegeben, ob ich heirathen will oder nicht, ich könnte Ihnen mit gutem Gewißen nicht einmal sagen, daß ich je daran gedacht hätte. Das ist, ab gesehen von der großen Ueberraschung, Vie Sie mir bereiten, der Grund. Bitte sprechen Sie kein Wort weiter. Alles, was Sie sagen würden, weiß ich im Voraus, und wir ersparen uns eine peinliche Viertelstunde, wenn wir di« Unterredung so schnell als möglich beenden . . . di« Unterredung über 'dieses Thema. Sonst, Herr Keller, sind Sie mir stets willkommen. Unterlasten Sie, mich wegen meiner zukünftigen Stellung zu Ihrem Antrag zu fragen. »Sir wissen, ich bin ziemlich selbstständig, und dann würde mich das leiseste Versprechen binden. Das will ich nicht. Streichen Sie diese Stund« aus dem Gedächiniß. Ich werde sie mir gar nicht rinprägen ... Ich will Ihnen nicht weh« thun", fuhr sie fort, al» sie Hugo's Niedergeschlagenheit bemerkte, „das ist fern von mir, ich will aber nicht Hoffnungen erregen, deren Erfüllung ich nicht im Geringsten Vorhersagen kann." Sie reichte ihm die Hand. Hugo drückte sie stumm. Ec sagte weiter nicht», al»: „Ich bitte um Entschuldigung, geehrtes Fräulein, «S thut mir leid, daß ich Sie belästigt habe. Seien Sie mir nicht böse." „Gott bewahre, nein, lieber Herr Keller. Empfehlen Sie, bitte, mich zu Haufe." Hugo stand vor der Saalthür, der Strauß lag noch drinnen auf dem Stuhle. Langsam stieg er -di« Stufen hinab. Aber es war ihm nicht mehr so ängstlich ums Herz. Ganz leicht war ihm. Er schien sich fast zu freuen, daß es so gekommen war. „'s ist ein verteufeltes Frauenzimmer", sagte er, als er auf der Straße angekommen war. „Sie hätte für mich doch nicht gepaßt, die steckt mich zehn Mal «in. Brrr, brrr. Schön »ist sie und reich ... na, hat «S bis jetzt gelangt, wird's auch weiter reichen. Ich werde mich in mein Geschäft stürzen und die schöne Minna vergessen. Ich hab« e» meiner Mutter ja gleich gesagt, daß es nicht» fern -würde. Run habe ich die Blamage ohne dir». Wa» nur meine Mutier auch Alles gi schen hat . . . hätte ich doch nicht gefolgt ..." So redele er
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