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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020612021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-06
- Tag1902-06-12
- Monat1902-06
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4220 -ist, die deutsche — In magyarischen Blättern heißt sie immer die „pangermanische" — Bewegung in Ungarn zu unterstützen, die namentlich den Landesverrat- propagire. Namentlich wird der verstorbene Sekretär des Generalconsulats, Hofrath Jager, ibeschMdigt, mit Hilsc des Abg. Schm ick er solchen Landesverrat en rrros be trieben zu haben. Schwicker ist allerdings ein deutsch ge sinnter Mann, aber von so ausgesprochen oportunistischer und geradezu prineipiell regierungsfreundlicher Färbung, daß an ihn, was auch nur die Förderung der völlig legi timen deutschen Bewegung anlangt, nicht der leiseste Ver dacht herantreten kann. — Im hohen Grade bezeichnend für die dritte Republik ist der Umstand, daß ein Mann wie Rouvier trotz seiner mehr als bedenklichen Vergangenheit aufs Neue Finanz minister in Frankreich werden konnte. Nicht weniger als siebenmal war Rouvier Minister gewesen, als der Panama- scandal ausbrach und ihn hinwegschwemmte. Da mals verteidigte Rouvier seine eigen thüm- lichen Beziehungen zu der Hochfinanz mit anerkennenswerther Rückhaltlosigkeit. Aber was er sagte, war geeignet, ihn nur um so schwerer zu belasten. In seiner Erklärung vor -er Abgeordneten- tammer am 20. Deeember 1892 äußerte er: „Ich war Ober haupt der Regierung in einem schwierigen ttlugenblicke. Ich fand in den Staatscässen kein Geld für gewisse Staats bedürfnisse vor. Meine Vorgänger hatten die geheimen Fonds mitgenommen oder erschöpft. Ich konnte im Jahre 1887 die Republik nicht verteidigen, wie cs nöthig war. Ich war glücklich, unter den Finanzleuten gute Freunde zu haben, die mir beisprangen. (Anhaltendes Murren.) Glauben Sie auf der Rechten etwa, daß Ihre Staats männer anders regiert haben? Ich nahm also damals die Dienste von zwei Finanzleuten in Anspruch. Ich sage das hier öffentlich, weil ich den Meinigen einen makellosen Namen hinterlassen will. Was ich 1887 that, das haben alle Politiker gethan. Sie murren. Wären die, welche mich jetzt unterbrechen, damals anders verteidigt worden, als ich sie vertheidigt habe, sie säßen heute nicht auf ihrer Bank. Ich habe Geld genommen, um die Republik zu ver teidigen, aber nie für mich, nie von Panama." Es sind eigentümliche Ansichten, die Rouvier damals äußerte, und die er sicherlich noch heute hegt. Rouvier nimmt keinen Anstand, Gelder von der Hochfinanz zu nehmen, vielleicht gar zu verlangen, um die Parteiregie rung, der er angehört, zu stützen und deren Gegner zu be kämpfen, um zu diesem Zweck die Wahlen zu beeinflussen. Damals behaupteten verschiedene Blätter, daß ihm Roth schild zu diesem Zwecke 4 Millionen Francs überwiesen habe. Diese Kontribution der Hochfinanz durch die fran zösische Regierng ist eine ganz neuartige Erscheinung und rückt die gouvernementale Korruption, wie sie in Frank reich besteht, in ein Helles Licht. Rouvier behauptete da mals, daß Constans im Jahre 1889 die Kosten der allge meinen Wahlen größten Theiles aus Panamageldern be stritten habe. In diesem Umstande erblickt Rouvier allem Anscheine nach eine Rechtfertigung seines Thuns. Es ist also schließlich die Geldmacht, die in der französischen Re publik den Ausschlag giebt. Man begreift, daß Rouvier persona gratissüna bei der Hochfinanz, wie an der Börse ist, und daß die börsenfreundlichen Blätter seinen Wieder einritt in die Geschäfte und zugleich seine Rehabilitirung mit Freuden begrüßen. Rouvier war ursprünglich Buch halter und Cassirer bei einem griechischen Großhändler und schloß sich zu Ende der Kaiserzeit der republikanischen Opposition an. In Finanzgeschäften entwickelte er als Politiker von Anfang an eine erstaunliche und zugleich „ergiebige" Thätigkeit. Interessante Angaben darüber finden sich ip dem Buche von Numa Gilly, „Mes Dossiers", und bei Edouard Drumont, „La Dernisre Bataille". Für die Kenner seiner Thätigkeit war Rouvier schon vor dem Panamascandal moralisch anrüchig. Seine Freunde und Parteigenossen rühmen ihm technische Gewandtheit und formelle Korrektheit nach. Als Finanzminister hat er nunmehr aufs Neue Gelegenheit, seine Maximen in die Praxis umzusetzen. Der russische Finanzmini st erWitte hat soeben eine bemerkenswerthe Anordnung in Bezug auf -en Dienst in seinem Ressort getroffen. In Zukunft sollen im Finanzministerium zu Petersburg und überhaupt in den Centralstellen nur solche Beamte angestellt werden, die praktische Erfahrungen in den provinziellen Institutionen gesammelt haben. Von den jungen Leuten, die nach Ab schluß ihrer Bildung auf den Hochschulen im Finanz ministerium Beschäftigung suchen, sollen nur wenige in Petersburg bleiben, die meisten will man zuerst eine prak tische Schule in den Provinzialbehörden durchmachen lassen, nur allmählich werden sie in die Residenz gelangen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Anordnung eine überaus zweckmäßige und praktische ist. Auf diese Weise wir- es vermieden, daß im Ministerium nur solche Per sonen dienen, die allerdings Petersburg sehr genau kennen, vom übrigen Rußland aber so gut wie keine Ahnung haben. Außerdem werden die Beamten in Zu kunft bester über die Bedürfnisse der Bevölkerung unter richtet sein. Voraussichtlich bleibt die Anordnung nicht nur auf das Ftstan-mtntsterLmi beschränkt, sondern wirb allmählich auch auf die anderen Ressorts ausgedehnt. Deutsches Reich. Sö BerliS, 11. Juni. ZurDeportatioitssragc äußerte sich Joachim Graf v. Pfeil in einem Vor trage vor der Abtheilung Liegnitz der Deutschen Colonial gesellschaft u. A. dahin, daß von großer wirthschaftlicher Bedeutung für Mutterland und Schutzgebiet nicht die Hinüberführung entlassener Strafgefangener, sondern die Zwangsdepvrtation der Zuchthäusler selbst sei. Der eifrige Verfechter der Deportation beantwortet die Frage: „Wohin sollen aber unsere Verbrecher gebracht werden ?" dahin, daß Besiedelungsevlonien wie Deutsch»S üd- westafrika als Deportationsgebiete ausgeschlos sen sein müßten. Ehrlichen Bauern, Pflanzern und Viehzüchtern sei nicht zuzumuthen, mit schweren Ver brechern zusammen zu leben. Ein Gebiet, sür diesen Zweck vorzüglich geeignet, sei beispielsweise die Insel Neu- Pommern (Bismarck-Archipel). So groß wie Schlesien, sei das Land zwar an der Küste nicht fieberfrei, aber in der Höhenlage von 500—MO Meter sei es das schönste un gesündeste der Welt. Nach derartigen Inseln solle man die Verbrecher schicken. Einer Controle brauche man sie dort nicht zu unterwerfen, denn fortlaufen könnten sie nicht; auch Häuser brauche man ihnen nicht zu bauen. Nur eine Axt gebe man ihnen, dann würden sie sich ein Buschhaus bauen, und Lebensmittel bringe das Land die Hülle und Fülle, sie dürften sie nur anbauen. Ein Jahr lang werde man sie unterstützen, sie anhalten müssen, Produkte zu ziehen, die einen Marktwerth haben, dann aber werde die unbezahlte Kraft für uns hier eine solche Menge von Roh produkten ziehen, -aß eine Rentabilität eintrete. Abgesehen hiervon eröffne ein solches Vorgehen einen weiten Ausblick auf die Erschließung unsere Schußgebiete, die sich in Folge Arbeiter- und Kapitalmangels so langsam und schwer wirthschaftlich entwickelten. Darin liege Moral und Äirth- schaftlichkeit. Und die ethische Seite: Was werde hier im Vaterland mit Denen die nach fünfzehnjährigem Zuchthaus Arbeitsuchen? Alles wende sich ab von ihnen. Es würden ja Versuche gemacht, diese Entlassenen der Menschheit wiederzugeben, aber sie seien vergeblich, so lange man nicht auf das einzige Heilmittel, die Arbeit, komme. Dort in den Colonien aber gebe es Arbeit, bei der der Zuchthäusler die hiesigen Nachtheile nicht empfinde. Die Verhältnisse zwängen ihn dazu; da er aber zunächst für seine Selbst erhaltung arbeite, würde er Lust zur Arbeit bekommen. Wenn dabei für Diejenigen, die sich lange Zelt gut geführt haben, Aufsichtsprivilegien in Aussicht genommen würden; so sei begründete Hoffnung vorhanden, Menschen und Menschenseelen zu retten. * Berlin, 11. Juni. (Bergarbeiter-Löhne in Preußen.) Der „ReichSanz." enthält eine Nachweisung über die in den Hauptbergbaubezirken Preußens im ersten Vierteljahr 1902 verdienten Bergarbeiterlöhne, der zu ent nehmen ist, daß gegenüber dem vorausgegangenen Vierteljahr unv dem entsprechenden Vierteljahr des VorjabrS ein sehr erheblicher Rückgang der auf den einzelnen Arbeiter entfallenen Arbeitsschichten, der Schichtlöhne und der Ge- sammtlöhne stattgefunden hat. Dabei ist die Zahl der Berg arbeiter fast unverändert geblieben oder noch sogar gestiegen, so daß augenscheinlich die ungünstige Lage der Montan industrie nicht zu Arbeiterentlassungen, sondern zu Vermin derung der Schichten und Löhne geführt hat. Im Steinkohlenbergbau betrug die gesammte Belegschaft 398932 Arbeiter gegen 399 848 im IV. Quartal 1901 und 388865 im I. Quartal 1901. Die Abnahme gegenüber dem vorigen Vierteljahr belief sich also aus nur 1084 Personen, wo gegen im Vergleich zum entsprechenden Quartal des Vorjahres noch eine Zunahme um über 10000 stattgefunden hat. Die auf einen Arbeiter durchschnittlich entfallenden Arbeitsschichten sind im Oberbergamtsbezirk Dortmund auf 69 gesunken, während sie im vierten Vierteljahr 1901 74 und im ersten Vierteljahr 1901 ebenfalls 74 betragen hatten. Im oberschlesischen Revier sind sie gegenüber dem vorigen Vierteljahr von 69 auf 66, im nieder schlesischen von 74 auf 70, im Saarbrückener von 74 auf 72 und im Aachener von 77 auf 73 zurückgegangen. Der verdiente reine Lohn (nach Abzug aller Arbeitskosten sowie der Knappschaft?-, Jnvaliditäts- und Altersversicherungsbeiträge) ist gegenüber dem IV. Quartal vorigen Jahres von 108,1 aus 99,3 Millionen Mark gesunken; darunter allein im Dortmunder Revier von 71,3 auf 64,6 Millionen Mark. Seit dem I V. Quartal 1900, daS den Höhepunct kennzeichne», sind im Dortmunder Oberbergamtsbezirk die Löhne der Steinkohlenbergarbeiter um 12,7 Millionen Mark oder 16,4 v. H. gesunken. Der auf einen Arbeiter und eine Schicht entfallende Lohn ist gegenüber dem vierten Vierteljahr im niederschlesischen Revier um 11 /H, im Dortmunder um 10, im cberschlesischen um 8 und im Aachener um 2 gesunken, dagegen im Saarbrückener noch um 1 gestiegen. Der auf den Arbeiter entfallende Lohn im ganzen Vierteljahr betrug im niederschlesischen Revier 193 (im IV. Vierteljahr 1901 213 ^i) im ober schlesischen ISS (LIL), tm Saarbrückener Lvk (LSI), km Dort munder 269 (297) und im Aachener 272 (287 ^t). Der Rückgang war also im Dortmunder Revier am beträchtlichsten. Gegenüber dem IV. Vierteljahr HSOO zeigt sich dort «ine Ab nahme um 64 oder 29 v. H. Im Braunkohlenberg bau des Bezirks Halle ist seit dem IV. Quartal 1901 dl« Arbeiter- zahl von 36 515 auf 34 553, der durchschnittliche Schichtlohn deS Arbeiters von 75 auf 73, der Schichtlohn von 3,03 auf 2,87 und der auf einen Arbeiter entfallende Lohn von 229 aus 211 zurückgegaugrn. Im Salzbergbau ist bei nur wenig veränderter Arbeiterzahl die Zahl der Schichten um 2, der Schichtlohn um 16 und der Gesammtlohn von 283 auf 168 zurückgegangen. Ebenso ungünstig liegen die Verhältnisse im Erzbergbau. Hier ist der Schichtlohn in den ein zelnen Revieren bei zum Theil noch etwa- gestiegener Arbeiterzahl um 4—11 /H, im Mansfelder Kupferbergbau sogar um 38 zurückgegangen; nur im Oberharz hat eine Zunahme um 1 statt gefunden. Der auf den Arbeiter entfallene reine Lopn zeigt Rück gänge bis zu 37 An dem Rückgänge der Schichtlühne sind alle Arbeiterklassen betheiligt, vor Allem aber die unter irdisch beschäftigten eigentlichen Bergarbeiter. — Der Kaiser besichtigte heute Morgen von 6 Uhr an auf dem Tempelhofer Felde das Garde-Kürassierregiment und das 2. Garde-Ulanenregiment. Der Besichtigung wohnten das Hauptquartier, die direkten Vorgesetzten der Regimenter, die sremdherrlichen Officiere und die öster reichische Deputation bei. Den Schluß bildete ein Feuer gefecht, bei dem auch das 4. Garde-Regiment zu Fuß und eine Maschinengewehr-Abtheilung in Action traten. Nach der Kritik nahm der Kaiser einen zweimaligen Vorbeimarsch der betheiligtea Truppen ab. Die berittenen Truppen gingen zuerst im Trab, dann im Galopp vorbei, die In fanterie erst in Compagniefront, dann in RegimentScolonne. Der Kaiser führte darauf das 2. Garde-Ulanenregiment durch die Stadt zum Casernement, wo er an einem Frühstück im OfficierS-Casino theilnahm. Nachmittags hörte der Kaiser den Vortrag des Chefs deS CivilcabinetS vr. v. LucanuS und begab sich später nach dem Neuen Palais. — Die Kaiserin besichtigte gestern in Gegenwart der Bau commission den Neubau der Kaiserin Augusta-Stiftung in Potsdam. Heute Vormittag wohnte die Kaiserin in Berlin der Einsegnung der Probeschwester Ida von Kall in dem Augusta-Hospital bei. — Der R e i ch s k a n z l e r hat den bayerischen Mitgliedern des Reichstages, die morgen früh in München zu den Sitzungen des bayerischen Landtages an wesend sein müssen, die nöthigen Wagen für den heute Nacht dorthin abgehenden Expreßzug zur Verfügung stellen lassen, damit sie noch an den Schlußabstimmungen über die Zucker- und die Branntweinsteuer im Reichstage thcilnehmen konnten. — Die „Braunschw. Landesztg." will aus Berlin von unterrichteter Seite erfahren haben, zum Nachfolger des Ministers v. Thielen sei der Wirk!. Geh. Oberfinanz rath Lehmann, zur Zeit im Finanzministerium, aus ersehen. Herr Lehmann ist erst am 26. November 1901 als Nachfolger Lehnert s zum Unterstaatssekretär im Finanz ministerium, dem er als vortragender Rath angehörte, ernannt worden. Er hat im Kriege von 1870 das Eiserne Kreuz erhalten, wurde 1877 Referendar im Bezirk Cassel, 1882 Gerichtsassessor und trat dann in die Eisenbahn verwaltung über, und zwar bei -er Direktion Frankfurt am Main. Zwei Jahre später wurde er zum Etsenbahn- director und 1889 zum Director des Eisenbahnbetriebs amtes in Braunschweig befördert, dem er bis zu seiner Be rufung in das Finanzministerium, 1891, vorstand. Seit dem 1. April 1900 war er auch Treuhänder der Deutschen Hypothekenbank. Der „Magdeb. Ztg." wird übrigens ver sichert, die Nachricht, -aß dem preußischen Staatsmini sterium -er Antrag vorliege, daß die Wasserbauver waltung von dem Ressort -er öffentlichen Arbeiten los gelöst und dem der landwirthschaftlichen Verwaltung zu- getheilt werden solle, sei irrig. Das Staatsministerium habe sich seit vier Jahren mit dieser Frage nicht mehr be schäftigt. — Es ist möglich, daß -er Schluß des preußischen Landtages sich noch um einige Tage verzögert, da der Bericht der Commission über die Ausführungs bestimmungen zum Fleischbeschaugesetz dem Plenum des Abgeordnetenhauses bis jetzt noch nicht zugcgangen ist. — Im Abgeordnetenhause hat der Minister der öffentlichen Arbeiten auf eine von dem Abgeordneten Gamp gegebene Anregung zugesagt, zu prüfen, ob und inwieweit sich durch Verlegung von Werkstätten oder anderen größeren Anstalten der Eisenbahnver waltung mit zahlreichem Beamtenpersonal zur Stär kung öesDeutschthums in den Ost marken beitragen lassen werde. Diese Prüfung dürfte voraussicht lich in naher Zeit zu einem positiven Ergebniß führen, und zwar dahin, daß nach Posen selbst eine Eisenbahnbehöröe mit einem Personal von mehr als hundert Köpfen verlegt wird. Die große Mehrzahl der betreffenden Beamten ist verheirathet, so -aß den Deutschen in der Provinztalhaupt» stabt sowohl numerisch als wirthschaftlich eine nicht un erhebliche Verstärkung zugeführt werden wird, und zwar eine Verstärkung durch Elemente, welckre der Gefahr der Polonifirung in keiner Weise ausgesetzt sind und daher als eine besonders werthoollc Verstärkung des Dcutschthums anzusehen sind. — Die conscrvativc Interpellation über den Schifffahrtstrust ist nicht, wie man bisher annahm, freiwillig zurückgezogen worden, sondern der Reichs kanzler hat, wie die „Itrenzzeitung" jetzt mitthcilt, dem Interpellanten Grafen Kanitz erklärt, daß er anderweitig in Anspruch genommen sei und die Interpellation in den nächsten Tagen nicht würde beantworten können. Damit erledigte sich angesichts der Geschäftslage des Reichstages die Interpellation von selbst. — Graf Matsugata, der wiederholt japanischer Premierminister war und sich als Reorganisator -er japa nischen Finanzen große Verdienste um sein Vaterland er worben hat, wird morgen, aus Essen kommend, wohin er sich von Paris aus begeben hat, zu einem wahrscheinlich mehrwöchigen Aufenthalte hier eintreffen. In der Be gleitung des Staatsmannes befinden sich hervorragende Mitglieder der japanischen Finanzverwaltung, woraus schon hervorgeht, -aß Graf Matsugata, wenn er sich gegen wärtig auch nicht in amtlicher Stellung befindet, doch den deutschen volkswirthschaftlichen und handelspolitischen Interessen ein reges Interesse zuzuwenden beabsichtigt. In einiger Zeit wjrd auch Baron Shibusawa, -er Leiter eines -er einflußreichsten japanischen Ereditinstitute, hier erwartet. — Die Ziegeleiarbeiter von Ketzin und Um gegend sind, weil ihnen eine beantragte Lohnerhöhung nicht bewilligt wurde, in den Ausstand getreten. — Ein Verfügen des preußischen Ministers des Innern ordnet an, Laß künftighin in jedem Falle der Ueberfübrung einer Leiche aus Preußen nach Oesterreich die von de , Betheiligten zu bezeichnende zuständige österreichische politische Behörde I. Instanz (BezirkShauptmannschast, in Städten mit einem Statute Magistrat oder Stadtrath) von der Ausfertigung des Leichen passes in Krnntniß zu setzen ist. — Der Landeshauptmann der Marschall-Inseln, Brandeis, ist zu längerem Urlaub in Deutschland eingetroffen. * Hamburg, 11. Juni. Der bisherige französische Ministerpräsident Waldeck-Rousseau traf heute mit seiner Familie und einigen anderen Herren hier ein. Ter Besuch gilt hauptsächlich der Besichtigung der Hasenanlagen und Schiffswerften. Am Sonnabend erfolgt die Weiter reise nach der norwegischen Küste, von wo aus Waldeck- Rousseau einer Einladung des Königs von Schweden und Norwegen zur Jagd folgen wird. * Bremen, 11. Juni. Wie der „Wes.-Ztq." berichtet wild, ist Pastor Weingart in der bremischen Gemeinde Borg feld mit Dreiviertel-Mehrheit zum Prediger gewählt worden. Posen, 11. Juni. In hiesigen polnischen Kreisen wird erzählt: Dieser Tage hatten hier cme größere An zahl Vertreter des polnischen Adels aus den verschiedensten Theilen der Provinz eine Besprechung, um sich darüber schlüssig zu werden, wie der polnische AdeI sich bei der Anwesenheit des Kaisers zu verhalten habe. Es verlautet, daß der Kaiser die Absicht hege, bei seiner An kunft in Posen eine noch schärfere Rede als in Marien burg gegen das Polenthum und Slawenthum zu ballen. Die Vertreter des polnischen Adels in der Provinz Posen einigten sich schließlich dahin, -aß diejenigen polnischen Adeligen, welche Würden und Aemter bekleiden, sich bet den Kaisertagen in Posen einzufinden haben. Es seien dies beispielsweise -er Vice-Marschall des Provinzialland- tagcs und ähnliche Würdenträger, ferner diejenigen Polen, welche den Kammerherren-Titel haben, u. s. w. u. s. w. Der übrige Theil des polnischen Adels aber würde während der Kaisertage in Posen in der Provinzialhauptstadt nicht erscheinen. H Hannover, 11. Juni. Die nationalliberale Partei hat das Hinscheiden eines eifrigen, bewährten und zu aller Zeit erprobten Parteifreundes, des Senators Or. Glackemeyer, zu beklagen. Der Verstorbene schloß sich schon in seinen jungen Jahren dem von Bennigsen gegründeten Natio nalverein an und stellte sich, nachdem das frühere König reich Hannover dem preußischen Staate angegliedert wor den war, auf den Boden der gegebenen Thatsachen. Als Bekämpfer des intransigenten Welfenthums hat sich Dr. Glackemeyer große Verdienste durch die Gründung einer Volks-Kreditanstalt erworben, welche die kleineren Handwerker und Bürger von dem materiellen mclfischen Einflüsse loszulösen erfolgreich bestrebt war. — Die libe rale Bürgerschaft Hannovers wußte die politischen Ver dienste und die Arbeitskraft Glackemeyer's zu würdigen und betraute ihn in der städtischen Verwaltung sehr bald mit Ehrenämtern, die der Verstorbene fast ein Menschen alter hindurch bekleidet hat. — Zum Abt von Loccum ist der „Voss. Ztg." zufolge an Stelle v. Uhlhorn's O. Büttner in Hannover gewählt worden. cf Halle a. S., 11. Juni. Ueber die gestern gemeldete Beschlagnahme der Bibliothek der hiesigen russi schen Studenten und Studentinnen bringt Polizeialbums durch, es gelang ihm nicht, ihn zu entdecken. Und doch hatte er ihn schon gesehen. Schaudevhaft, Jemand kennen, und nicht wissen, wer er ist. „Halten Sie mit gegen die Bank", fragte!der ältere Herr den Assessor, der in der letzten Zeit wieder einmal gewonnen hatte. „Sa." „Gut, Jeder zweitausend Mark." Nur di« Beiden spielten. Die Karte fiel. Sie hatten ver loren. Der ältere Herr bezahlte. Der Assessor wollte das Gleiche thun. Aber es war etwas nicht in Ordnung. Er schien sich verrechnet zu haben. In der That, er zählte und hatte nur neunhundert Mark. Sein Kopf wurde ganz roth. „Bitte, zweitausend Mark, Herr Assessor; wir wollen weiter spielen", sagt« der Baron in einem Tone, der höhnisch und frech klang. Darüber ärgerte sich Merkel. „Wenn ich Ihnen meine Casse anbitten darf, Herr College?" wandte er sich an den Assessor. Er nahm an; er setzte noch mehr und verspielte noch mehr. Auch Mertel spielte wieder mit wechselndem Glück. Er sah nach der Uhr. „1 Uhr 5 Minuten. Ich höre auf." Er wandte sich zum Gehen. Der Assessor schien in der That seines Beistandes zu bedürfen. Er gab Weithaas einen Win! mit den Augen. Beide traten auf den Assessor zu. Ob er mit gehen wolle? Er hatte gerade Vas letzte Zwanzigmarkstück ver loren. Schwer erhob er sich. Obgleich trunken, verließ ihn seine gute Erziehung nicht. Er warf einen Blick auf Lucy, die sich mit angenehmster Freundlichkeit einem Russen näherte, übersah den Tisch mit seinen Grldhäufchen, und erklärte sich zum Gehen be reit. Einige Höflichkeitsphrasen, das junge Mädchen erschien und half den Herren, sich anzuziehen. Dann gingen sie über einen Hof, und nack ein paar Schritten waren sie aus dem Haus«. Der Assessor wankte. „Wo wohnen Sir, Herr College?" fragte Merkel. Er nannte «in Hotel. „Und Sie, Herr College?" „ Hof." „Ich bin morgen II Uhr bei Ihnen, oder Sie haben Nach richt." „Bitte, ganz nach Ihrem Belieben." Schon standen sie vor dem Hotel. Der Portier öffnete. Der Assessor verschwand. Merkel und Weithaas gingen weiter. „Der Herr hat viel verloren", bemerkte Weithaas. „Ja, über dreitausend Mark. Ich habe soviel gewonnen'" Weithaas blickte ungläubig. „Gewiß, ich habe genau gerechnet. Als ich die Bank aufgab, waren es etwa fünftausend Mark. Das Andere habe ich wieder zugesetzt. „Das ist viel." „Ganz natürlich. Der Bankhalter muß immer gewinnen. Haben Sie nicht bemerkt, wie der sogenannte Major von Katten- stein und sein Freund überrascht waren, als ich die Bank halten wollte? Man muß gewinnen, auch wenn man nicht falsch spielt, wie dieser Rossigk, der sogenannte Baron." „Nicht wahr, der spielte falsch, es kam mir auch so vor." „Er zog die Karte falsch ab." „Bemerkten Sie das?" „Gewiß, ich werde doch so etwas kennen!" „Und warum sagten Sie nichts?" „Weshalb? Ich war ja mit in dieser Gesellschaft und ich werde doch daselbst kein Aufsehen machen." Weithaas bohrte sein Auge in Merkel's Gesicht; er wußte nicht, was er von ihm halten sollte. Der Mann verstand die Schliche so gut, noch besser als er. War er mit Jenem im Ein- verständniß oder arbeitete er ungekannt allein oder war er wirk lich, was er zu sein vorgab? . Sie gingen ein Stück schweigend nebeneinander. Dann meinte Weithaas: „Außer Ihnen haben Alle verloren. Ich freilich nur zwanzig Mark. Ich spiele nicht gern. Aber der arme Assessor. . ." „Jetzt werden sie wohl die Russen und den anderen Herrn ausnehmen. Die Lucy ist schon darauf dressirt." „Ein Teufelsweib. Und der Assessor, er schien rasend in sie verliebt. Was wird er nun thun. Er scheint nicht sehr vermögend." „Was weiß ich", erwiderte Merkel kalt, „es wird wohl heute Nacht sich noch Jemand eine Kugel vor den Kopf schießen." „Sie meinen der Assessor?" Ein langer, durchdringender Blick traf Weithaas. „Ich bin nicht allwissend. Gute Nacht." Damit verschwand Merkel in seinem Hotel. Weithaas ging zurück. Er dachte über den heutigen Tag nach und war mit sich unzufrieden. Die Depesche an den Polizeirath war doch recht unnütz, eigentlich hatte er gar nichts entdeckt, im Gegentheil hatte er sich an einem Verbrechen betheiligt. Was ging ihn schließlich die Liebelei Friedrich's mit der Kellnerin an. Wenn vr. Krüger wirklich so verliebt in Minna war, so mochte er sie doch heirathen, es würde wohl noch Geld genug übrig bleiben, auch wenn Friedrich hier ein paar Mark sitzen ließ. An eine Heirath zwischen ihm und Margot war doch gar nicht zu denken. Das war nur so ein Gerede von dem Mädchen. Aber der Assessor. Es schien ihm fast, als ob er sich ein Leids anthun wolle. Er hatte so eigenthümliche Augen gemacht. Und je mehr Weithaas auf dem Rückwege sich dem Gasthof, wo der Assessor wohnte, näherte, desto gespenstischer erschien ihm die Gestalt des Mannes. Sein von Champagner geröthetes Gesicht wurde zur Feuersäule, die eine ganze Reihe Markstücke be leuchtete. Weithaas hatte auch getrunken, und wenn er auch durchaus klar war, so gab ihm doch der Wein Muth zu einem Entschlüsse. Er sah an der Front des Gebäudes empor. In der dritten Etage brannte noch ein Licht. Wieder drängten sich die Gedanken in dem Kopfe des Polizisten. Jetzt lud er die Pistole, jetzt legt er sie an die Schläfe, jetzt . . . nein, ein Knall ertönte nicht, der Bater hat seinen Sohn noch. Nur noch eine Minute. Ich muß ihn retten. Ich reiße ihn zurück. Weithaas klinkte an der Thür. Sie ging auf. Der Portier stand in seiner Loge. Er erkannte Weithaas sofort wieder. Ob der Herr Assessor noch wach sei? Er habe etwas vergessen ihm zu sagen. Der Portier wußte es nicht. Er winkte einem Kellner und gab ihm eine Weisung. Mit diesem stieg Weithaas die drei Treppen hinauf. Der Kellner klopfte. Man schien zu antworten. Weithaas trat in das Zimmer. Auf dem Tische brannte das Licht. Die Arme auf den Tisch gelegt, den Kopf zwischen den Armen, schlief der Assessor. Der Kellner hatte sich sogleich entfernt; Weithaas war leise eingetreten. Mit einem Blick überflog er den Tisch. Neben dem Lichte lag ein Revolver. Er war ohne Zweifel aus dem Koffer genommen worden. Auf der aufgeschlagenen Schreib mappe lag ein angefangener Brief. Weithaas laS: Bester Vater! Gute Mutter! Wenn Ihr diesen Brief erhaltet, ist Euer Sohn nicht mehr. Ich bin nicht Werth zu leben. Ihr habt gedarbt und ich. . . . So kann es nicht mehr fortgehen. Es muß . . . Hier hörte der Brief auf. Eine ausgewischte Stelle verrieth Weithaas, daß der Schreiber geweint hatte. Dann war er einge schlafen. Der Polizist lächelte. „Der Alkohol hat auch sein Gutes. Bielleicht wäre er schon drüben." WaS konnte er nun thun. Sollte er den Schläfer wecken und sich mit ihm in ein Gespräch über Sein oder Nichtsein einlassen? Nein. Er mußte praktisch handeln. Wenn der Assessor aufwachte, würde sich schon der moralische Jammer verzogen haben. Bor allen Dingen mußte er ihm die Waffe nehmen. Er nahm also den Revolver, sicherte ihn und steckte ihn in seine Tasche. Dann schob er den Briefbogen zurück und schrieb mit fester Hand hinter das: E» muß . . . „ich muß besser werden", und legte den Brief in die Schreibmappe. Dann löschte er das Licht aus und ging fort. Auf der Straße freute er sich über seine That. Recht so, Weit haas, sagte er zu sich selber. Werde Du selbst Dieb und Ver brecher, dann erfüllst Du Deine Amtspflicht und übst richtige Menschenpflicht. Dieser arme Bater, welche Sorgen hat er sich vielleicht gemacht, wie hat er gedarbt, die Mutter, welche Thränen hat sie geweint, wie viel Nächte gewacht, um schließlich einen Sohn wegen eines Hazardspiels und eines Frauenzimmers zu verlieren. . . . Und was für ein Spieler, was für ein Frauen zimmer . . .! Minna fiel es auf, daß ihr Vater alle Abende allein ausging, indessen fragte sie ihn nicht darnach. Am Vormittag machte sie gewöhnlich den Spaziergang allein, denn Friedrich hatte sich einen Frühschoppen angewöhnt. Hier und da besuchte sie eine Dame, mit der sie bekannt geworden war, und wanderte mit dieser die Promenade entlang, am liebsten suchte sie jedoch die weniger begangenen Pfade im Walde auf den Bergen auf. So , stieg sie auch einmal einsam die Berge hinauf, und je höher sie kam, desto mehr concentrirten sich wieder ihre Gedanken auf die jüngste Vergangenheit und die nächste Zukunft. Sie ließ die letzten Monate an sich vorllberziehen und wunderte sich fast, wie Alles so schnell gekommen war. Ihr Wegzug von Oelz, ihre Wohnung in der Stadt, ihre Bekanntschaft mit Keller's, ihre Reise hierher, ihr Verkehr mit Merkel, dem sie so viele geistige Anregung verdankte, Alles war fast wie ein Traum. Uno zwischen diesen Bildern zwei Gestalten, der gute Hugo Keller mit seiner unglücklichen Brautwerbung und der schneidige Assessor Krüger, den sie verabscheute, der aber trotzdem ein sehr hübscher Mensch war. Wenn sie nur noch wüßte, wie es gekommen war, daß sie ihn so gar nicht ausstehen kann. Hatte er vielleicht doch nicht mehr gethan als seine Schuldigkeit, wenn er sie sorgfältig ausfragte, und war sie nicht vielleicht mehr als unhöflich ge wesen, als sie ihn auf dem Balle so abblitzen ließ? Merkel hatte ihr einmal gesagt, daß im Haß sich die ganze Liebe offenbare. Haß sei Aerger über Nichtgewährung der Wünsche, auch rein geistig, selbst wenn der Wunsch unausgesprochen sei, nur Er reichung gleicher Ziele erstrebt hätte. Deshalb schlage Haß auch so leicht in Liebe um. Etwas anderes als Haß, oft mit ihm verwechselt, sei Abscheu und Ekel, da sei nun freilich von Liebe keine Spur. (Fortsetzung folgt.)
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