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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030424023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903042402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903042402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-24
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Wie viel Zeit die Beratung der Krankenversicherungsnovelle in Anspruch nehmen wird, läßt sich noch nicht bestimmt sagen; da aber die Sozialdemokraten alle ihre in der Kommission abge- tehnten Anträge wieder eingebracht haben, weshalb gestern die Beratung nur bis zum 8 6a gefördert werden konnte, und da heute vor der Fortsetzung dieser Beratung die vom Zentrum eingebrachte Interpellation über den Fall Hüvener und der Nachtraasetat auf der Tagesord nung stehen, so kann die Novelle vor Sonnabend nicht ver abschiedet werden. Daß der Reichstag dann alsbald ge schlossen werden könnte, erscheint jedoch angesichts des Nachtragsetats, der ohne Zweifel zunächst an die Budget kommission geht, als ausgeschlossen. Dagegen ist cs nicht unmöglich, daß der Schluß der Session und der Legis laturperiode um die Mitte der nächsten Woche cintritt. Ein Rückblick auf die Leistungen des „hohen Hauses" während dieser Periode ist also nicht eben verfrüht. Im Jahre 1898 gewählt, hat der jetzige Reichstag zwar fünf Jahre bestanden, aber nur zwei Tagungen abgehalten. Die eine dauerte von 1898 bis 1900, die andere von 1900 bis 1908. Man gelangte bis ans eine Ausnahme wäh rend der Legislaturperiode stets zu Vertagungen, statt zum Schluffe der Sitzungsperiode, weil man wichtige Ge setzentwürfe, deren Beratungen gefördert waren, nicht fallen lassen wollte. Obschon der Reichstag, der sich jetzt zum Auseinandergchcn anschickt, manchen Tadel, manchen Spott erfahren und in einzelnen Beziehungen reichlich verdient hat, so hat er doch auf einer ganzen Reihe politischer Gebiete recht ansehnliche positive Ergebnisse zu verzeichnen. Auf dem Gebiete der Stärkung der Wehrfähigkeit Deutschlands hat er sich durch die Annahme des Friedenspräsenzgcsetzes und der Flotten gesetze verdient gemacht. Es sind dabei ja nicht sämtliche Forderungen der verbündeten Negierungen bewilligt worden, jedoch im großen Ganzen wurden die Maß nahmen gebilligt, die von den letzteren ins Auge gefaßt waren. Besonders reichhaltig ist die Arbeit des jetzigen Reichstages auf sozialpolitischem Gebiete ge wesen. Wenn, was wahrscheinlich ist, die Novelle zum Krankenversicherungsgcsetzc zu stände kommt, so hat dieser Reichstag sämtliche Arbcitervcrsicherungsgcsctze einer Revision unterzogen, die bei der Unfall-, sowie der Jn- validitätsversicherung recht gründlich ausgefallen ist und sicherlich für recht viele Jahre ausreichcn wird. Die Reihe der fertiggestcllten Arbeitcrschntzgcseye ist lang, cs brauchen nur die Novelle zur Gewerbeordnung mit der Mindestruhezeit für die Angestellten im Handelsgewerbe, die Seemannsordnnng, das Gesetz über die Kinder beschäftigung in gewerblichen Betrieben, das Phosphor zündwarengesetz ermähnt zu werden. Auch im Ausbau des mit dem Bürgerlichen Gcschbuche begonnenen; neuen bürgerlichen Rechts ist der Reichstag durch Fertigstellung des Hypothekenbankgesctzes und des Gesetzes über die gemeinsamen Rechte der Besitzer von i Schuldverschreibungen tätig gewesen. Das auf diesem Felde noch ausstehende Gesetz über den privaten Ver sicherungsvertrag ist dem neuen Reichstage zur Erledi gung vorbehalten geblieben. In der Steuer politik hat der Reichstag einschneidende Arbeit nicht geleistet, immerhin war ihm vorbehalten, eine ganze An zahl darauf bezüglicher Gesetze mit zu stände zu bringen. In diese Kategorie sind zu rechnen die Novellen zum Branntwein- und zum Zuckerstenergesetze und das Gesetz über die Erhöhung der Neichösteinpelabgaben. Auch zwei neue, allerdings bescheidene Steuern hat der Reichs tag geschaffen, den Schiffssrachtnrkundenstempel und die Schaumweinsteuer. Ein besonderes Verdienst hat sich der Reichstag in der Wirtschaftspolitik durch die Fertigstellung des neuen Zvtttarisgesetzes erworben. Es wird ja durch die Handelsvertragstarife noch manche Aenderung erfahren müssen, ehe cs den wirklichen Be dürfnissen des deutschen Erwerbslebens überall angepaßt sein wird, aber mit diesem Gesetze hat der jetzige Reichs tag für den künftigen die Basis zur Fertigstellung neuer Handelsverträge geschaffen und somit auch schon für seinen Nachfolger vorgearbeitet. Von sonstigen wirt schaftspolitischen Gesetzen wäre noch die Novelle zum Bankgesetze zu erwähnen. In der Handelspolitik hatte der Reichstag sich einige Male durch Erneuerung des Abkommens mit Großbritannien und durch Schaf fung minder wesentlicher Verträge zu bewähren. Auch Aufgaben der Forderung der allgemeinen Wohl fahrt sind vom Reichstage durch das Ncichsseuchen- gcsetz, sowie das Schlachtvieh- und Fleischbeschau-Gesetz gelöst worden. Von sonstigen größeren Gesetzen seien schließlich noch das Answandernngsgcsetz und das Gesetz über die Versicherungsnnternehmungcn genannt. Die Aufzählung wird genügen, um ein Bild von der positiven Tätigkeit deS jetzt dem Ende zueilendcn Reichstags zu geben. Leider hat er auch manches Bcrsäuznnis auf- znweiscn, wozu namentlich die Zurückstellung der Ent scheidung über die ostafrikanische Zcntralbahn zu rechnen wäre. Im allgemeinen aber wird man dem scheidenden Reichstage das Zeugnis nicht verweigern können, daß er auf recht vielen Gebieten positiv zu arbeiten gewillt ge wesen ist und mit dem andern Faktor der Reichsgcsetz- gcbung zusammen auch manche beachtenswerte Erfolge erzielt hat. —— Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Eanada. Nachdem der Beschluß Canadas, gegen Deutschland Kampfzölle einzusühren, selbst von der Presse der äußersten Linken als eine Herausforderung beurteilt wor den ist, die Deutschland notgedrungener und natürlicher Weise mit Gcgenmaßregcln beantworten müsse, erscheint es doppelt verfehlt, wenn jetzt von demokratischer Leite die Mahnung ausgesprochen wird, daß Deutschland auf gütlichem Wege die handelspolitischen Differenzen mit Eanada beilegen solle. In solchem Ratschlage liegt unter den obwaltenden Umständen die Unterstellung, als habe Deutschland von sich ans Eanada gegenüber eine feind liche handelspolitische Position bezogen und als sei Deutsch land von den beiden streitenden Teilen derjenige, der einem gütlichen AnStrage des Streites widerstrebe. Um die Tatsachen, daß Eanada uns zuerst die Meistbegünsti gung genommen und nunmehr Kampfzölle gegen uns ein geführt hat, indem cs den Weg gütlicher handelspolitischer Einigung mit Deutschland seinerseits verließ, kommt man aber schlechterdings nicht herum. Jener demokratische Ratschlag also ist gänzlich verfehlt. Doppelt bedenklich aber erscheint er deshalb, weil eine ohne weiteres nach giebige Haltung Deutschlands gegenüber einer britischen Kolonie sämtliche britischen Kolonien geradezu ausfordern müßte, das Beispiel Canadas mit seiner Bevorzugung Englands, zu unserem Schaden nachzuahmen. Ueber die Wirkung des bestehenden handelspolitischen Verhält^ nisses zwischen Deutschland und Eanada herrschen im Lager unserer extremen Agrarier recht verschiedene An schauungen. Seit dem Inkrafttreten des Generaltariss für kanadische Produkte ist bekanntlich von extrem-agra rischer Seite wiederholt behauptet worden, daß Canadas Getreide durch den erhöhten Zoll gar nicht getroffen werde, weil cs auf dem Wege über die Vereinigten Staaten sich die Verzollung nach dem 8,50 ^-Satze verschaffe. Die Negierung war in dieser Hinsicht der Meinung, es handele sich entweder um kanadisches Transitgetreide im Ham burger Freihafen oder um nordamerikanischcs Getreide, das mittels Transitverkehrs durch Eanada gelangte. Nichtsdestoweniger wurde im Herbst vorigen Jahres die deutsche Zollkontrolle gegen kanadisches Getreide ver schärft. Während nun das Organ der katholischen Agra rier, die „Rheinische V o l k s st i m m e ", jene Ver schärfung für vollständig ergebnislos erklärt und die deutsche Regierung wegen ihres Verhaltens Eanada gegen über verhöhnt, erkennt die „Deutsche Tagesztg." an, daß die verschärfte Kontrolle „wenigstens einiger maßen" sich zu bewähren scheine. Wenn das Organ des Bundes der Landwirte sich zu solchem Eingeständnis, be quemt, darf man als sicher annehmen, daß die verschärfte Kontrolle in vollem Maße ihre Schuldigkeit tut. Das katholisch-agrarische Blatt in dieser Beziehung die „Deutsche Tagesztg." übertrumpfen zu sehen, kann nach seiner radikalen Entwickelung nicht Wunder nehmen. Der Kampf gegen die Dynastie in Ungarn. Der Nestor des ungarischen Abgeordnetenhauses, der im 90. Lebensjahr stehende Abgeordnete MadarLsz, ist auf eine besondere Idee verfallen, indem er dem Reichs tag am letzten Sonnabend einen Gesetzentwurf vorlegte, wonach ein Palatin (Statthalter) gewühlt werden solle. Durch den XII. Gesetzartikel des Jahres 1867 wurde diese Würde vorläufig abgeschafft mit der Begründung, daß der König durch sein ungarisches Ministerium die Exekutivgewalt selbst ausübe. Nun verlangt der von Ma- darasz eingereichte Gesetzentwurf, daß dieses Gesetz außer Kraft gesetzt und, da der König sich nicht lange genug in seiner ungarischen Hauptstadt aufhalte, ein Statt hal- t e r für ihn gewählt werde. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen könnte eine solche Erwählung nur soviel be deuten, daß die Königsgewalt noch illusorischer gemacht, daß ein ausgesprochenes Merowingertum förmlich und ge setzlich inartikuliert werde. Im Ernst denkt auch der alte Herr Madarösz an die Realisierung seines Spaßes nicht; aber er beweist mit seinem Gesetzentwurf, daß er trotz seines hohen Alters — er war schon im Reichstagscyklus 1832—36 ungarischer Ablegat und ist schon seit 4 Perioden Alterspräsident, — daß er seine Zeit wohl versteht und den geheimsten Wünschen seiner Parteigenossen beredten Aus druck zu verleihen weiß. Mit derselben Deutlichkeit äußerte sich auch der Vizepräsident der Kofsuthpartei in diesen Tagen, indem er einem Redner dazwischenrief, es sei „die größte Dummheit, die die Magyaren gemacht haben", daß sie der Pragmatischen Sanktion des Jahres 1723 ihre Zustimmung zuteil werden ließen, wodurch die weibliche Linie des Hauses Habsburg zur Erbfolge berech tigt wurde. Und demselben Geiste republikanischer Unbe fangenheit entspricht cs, wenn ein anderer Kossuthist (Karl Eötvös) in einer andern Sitzung des Reichstags — eben falls in diesen Tagen — meinte, Ludwig Kossuth werde „immer und ewig der nationale König der Magyaren bleiben". Zweideutig kann eine solch« Sprache unmöglich genannt werden. Die Sperr««« der Grotte vo« Lourdes. Wie schon berichtet, soll auch der vielgenannte Wall fahrtsort Lourdes in den Pyrenäen mit seiner „wunder tätigen" Grottenqnelle der Schließung verfallen. Schon vor Wochen ist gemeldet worden, daß die Patres, welche bisher den Betrieb des Wallfahrtsortes geleitet hatten, ab ziehen müssen, da sie einer nichtautorisierten Kongregation angehören. Es war bereits auf diese Nachricht unter den Einwohnern von Lourdes — deren Zahl etwa 8000 be trägt — große Aufregung entstanden, da diese Leute fast ausschließlich von den Pilgern leben und sich vom Ruin bedroht sehen. Neuerdings wurde aus Lourdes gemeldet, daß — wie der Präfekt des Departements Hautes-Pyre- nses dem Bürgermeister von Lourdes angezeigt habe — die berühmte Grotte mit der wundertätigen Quelle und dem Gnadcnbilde der Muttergottes von Lourdes demnächst geschloffen werden soll. In dem Telegramm war beigefügt, daß der Bürgermeister erklärt habe, er könne in diesem Falle für die Aufrechterhaltung der Ordnung nicht bür gen und es seien blutige Ruhestörungen zu befürchten. Vielleicht ist dies übertrieben und der Bürgermeister ver sucht nur, durch solche Schreckbilder die drohende Maßregel zu Hintertreiben. Das ist aber gewiß, daß Lourdes seit mehr als vierzig Jahren nur von den angeblichen Heil wirkungen seiner Quelle lebt. Es kommen also viel weniger religiöse als rein geschäftliche Inter essen in Betracht. Die „Neue Freie Presse" wirft die Frage auf: Wenn die Grotte abgesperrt wird, was soll aus den vielen Hotels werden, die als geistliche Sanatorien für den massenhaften Zuspruch der Kranken errichtet wor- den sind? Wie können die zahllosen Läden mit Votiv bildern, Statuetten der heiligen Maria von Lourdes und sonstigen Devotionalien weiter existieren, die bisher jahr aus, jahrein glänzende Geschäfte machten? Wer kann dem Orte die Einnahme aus dem Ver kaufe des Wassers von Lourdes ersetzen, das alljährlich in Hundcrttausenden von Flaschen in alle Welt versendet worden ist? Der wundertätige Kurort war eine Schöpfung des napoleonischen Regimes und hatte -er Gunst desselben sein Aufblühen zu verdanken. Am 11. Februar 1858 hatte die vierzehnjährige Hirtin Berna dette Soubirous in der Grotte zum ersten Male jene Vision, die sich dann angeblich noch siebzehnmal wieder holte; bald nach der ersten Vision soll in der Grotte die wundertätige Quelle entsprungen sein. Im Jahre 1862 wurde das „Wunder" durch den Bischof von Tarbes an erkannt, und der Ruf von Lourdes als heilkräftiger Wall fahrtsort verbreitete sich bald in ganz Frankreich. Be merkenswert ist, daß unter der Republik Lourdes immer mehr Zuspruch aus allen Ländern fand und daß der Kampf gegen den Klerikalismus dem Glauben an die Wunder kraft von Lourdes keinen Eintrag tat. Auch Zolas be rühmter Roman, in dem die Fahrten der mit Kranken ge füllten Züge, die Umzüge der Gläubigen, das Einsteigen der Kranken in die mit dem heilkräftigen Wasser gefüllten Badebassins, die Scenen der Ekstase bei vermeintlichen Heilungen geschildert sind, verminderte das Zuströmen zu dem Gnadenorte nicht. Papst Pius IX. hat 1876 die in der Grotte aufgestellte Marienstatue durch den Nuntius krönen lassen und Leo XIH. ließ den Tag der Vision (11. Februar) in Lourdes als Festtag feiern. Im Jahre Feuilleton. isj Das Gold vom Widwalersrand. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. „Was willst du tun, Wilm?" „Was ich tun muß, um nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben. Die Befürchtung, daß durch eine Schnlden- überlastung unseres Grundbesitzes dieser eines Tages in andere Hände übergehen könne, ist geschwunden; damit sind aber auch meine Bedenken beseitigt, die sich gegen eine Inanspruchnahme des Beistandes der Transvaal regierung in mir erhoben haben. Ich will nach Potschcf- ftrom fahren, da Ohm Krüger zur Zeit beurlaubt ist, um durch Verpfändung der Ländereien im Nustenburger Be zirk und d«s Tieflandes die Mittel zu beschaffen, den von unS geforderten Ersatz sofort prompt leisten zu können." „Warum willst du das Geld von dort holen? Du zeigtest früher «ine besondere Abneigung dagegen." ,Metl ich befürchten mußte, daß die Größe des be nötigten Betrages unsere anderen Pläne gefährden könnte. Dieser Sorge sind wir überhobcn." „Aber mein Vermögen, Wilm", beharrte Frau Grictje. „Du sagst selbst, daß wir in der Lage sein würden, aus eigenen Mitteln die Sache zu ordnen." „Ja, wenn ich die Gruben ihrem Schicksale überlasse." „Und warum willst du eS nicht?" fragte Fran van Senden lebhaft. „Wir haben gewiß keine Veranlassung, für sie einzutreten. Nein, Wilm, nur nicht diese Gruben! Du weißt nicht, was sie mich moralisch gekostet haben. Soll ich nun das Vermögen meines Kindes opfern?" «Hier kann von einem Opfer nicht die Rede sein. Nutz bringender als in diesen Gruben-Aktien könntest du dem Vermögen nicht anlegen. Deine und Eatos Interessen verlangen sogar diese Anlage, nicht nur in materieller Hin sicht. Ich habe keine Aussicht mehr, auf die Aktionäre ein zuwirken, die Gegenminen waren zu stark; umsomehr fühle ich mich aber verpflichtet, diese« Herren, die es sich zur Aufgabe machen, industrielle Unternehmungen syste matisch zu entwerten, um sie für eine» Spottpreis au sich zu bringen, ihren Plan zu durchkreuzen. Wie ich meine Absichten zu verwirklichen gedenke, kann ich dir einst weilen nicht sagen, ich hüte nicht nur mein Geheimnis. Aber ich glaub«, du hast Grund, mir zu vertrauen. Wenn es mir gelingen sollte, die Gruben in unseren Besitz zu bringen, so würde ich einfach als Sieger aus einem höchst ungleichen Kampfe hervorgehen, der mir angeboten wor den ist. Was die Gruben Lasser L Sons, was sie dem Generaldirektor Brandt, was sie endlich meinem Vater wert sind, das können auch wir zahlen." Frau Grietje van Senden bewegte sichtlich gereizt und ungeduldig den Kopf. „Nein, Wilm — nie. Zu den Gruben gebe ich mein Geld nicht her." Ihre Worte klangen entschieden — hart. Der Neffe wurde durch sic überzeugt, daß es ihn» nicht gelingen werde, Tante Grietje für seine Pläne zu gewinnen, und bedauerte, daß «r sie einen Blick in dieselben hatte tun lassen. Nichsdestoweniger konnte er nicht umhin, einer inneren Stimme entgegen noch einen Versuch zu machen, sic von einem Vorurteile zu befreien, das ihm seine Ab sichten höchst ungelegen durchkreuzte. Mit beredten Worten suchte er ihr alle Vorteile zu schildern, welche die Er werbung der Gruben in Aussicht stellte. Frau van Sen den berief sich auf Aeußerungen, die Wilm selbst getan, und lehnte jedes weitere Eingehen auf die Sache ab. Wilm war verstimmt und auch beleidigt. Es reizte ihn, daß Frau van Senden so außerordentlich wenig Ver ständnis für die richtige Lösung einer Aufgabe bezeigte, die ihr verstorbener Gatte sich gestellt, und die durch ihn, nicht ohne Mühe und Arbeit, schon jetzt wesentlich ge fördert war. Aber noch hielt er an sich und bemühte sich, ruhig zu sprechen, obwohl er der Meinung sich hingab, daß nuMdie, Befürchtung, ihr Vermögen gefährdet zu sehen, das siemnn anfangs zur Verfügung gestellt, sie veranlaßte, ihm beinahe rücksichtslos entgegenzutrctcn. „Mir lag nur an deiner vorübergehenden Unter stützung, Tante Grictje, und ich glaubte um so eher da rauf rechnen zn dürfen, als es nicht ausgeschlossen war, daß du mit deinem Vermögen zur Ersatzleistung hättest hcrangezvgcn werden können." „Das war etwas Anderes. Ich will mich und mein Kind nicht von neuem Seelenkämpfen auSgesetzt sehen, wie ich sie kaum glücklich überwunden habe." Ohne diesen Einwurf weiter zu beachten, fuhr Wilm fort: „Du weißt, ich besitze von großmütterlicher Seite her ein ziemlich bedeutendes Kapital, wenn ich infolge der unglücklichen Testamentsklausel, die meinem Vater ge stattet, es mir so lange vorzuenthalten, bis ich durch drei jährige Selbständigkeit den Beweis erbracht, daß die Ver waltung desselben in meinen Händen wohl verwahrt ist, gegenwärtig auch noch nicht darüber verfügen kann. Ich bin selbstverständlich bereit, mit demselben für alle Even- tnalitäten einzustehen, und in vier Jahren kann es mir nicht mehr vorenthalten werden." Seine Stimme klang nun doch erregt, und wirkte da durch auf Frau van Senden. Einerseits fühlte sie sich verletzt, daß er sie so mißverstehen konnte, und ander seits von der Furcht beherrscht, daß sie von dem Neffen noch «inmal auf eine Bahn gedrängt werden könne, die sich ihr so verhängnisvoll erwiesen und dem Gatten den Untergang bereitet hatte. Von dem heißen Verlangen er füllt, Wilm zurückzuhalten, entgegnete sie mit einer fremden Schärfe: „Du würbest durch die Ausführung einer solchen Ab sicht jedenfalls deinem Vater die Möglichkeit an die Hand geben, dir dein großmütterliches Erbteil überhaupt vor zuenthalten. Diesen Worten folgte eine für beide Teile peinliche Pause. Wilm war verletzt, Frau van Senden gab einem beklemmenden Gefühle nach, weil si« durch ein unüber legtes, schroffes Verhalten noch einmal ein gemeinsames Wirken gestört, obschon cs ihr einst zum Verhängnis ge worden war, und ihr «in Leben voll Reue eingebracht hatte. Sie versuchte -war, den Eindruck ihrer Worte ab zuschwächen und sie als eine Folge ihrer Sorge um sein und ihres Kindes Glück hin,zustellen, aber sic gewann nicht damit den Eindruck, als ob eine flüchtige Verschiedenheit der Meinungen ausgeglichen sei, wenn Wilm sich auch den Anschein zu geben versuchte, als habe er ihnen nicht eine besondere Bedeutung beigelegt. Als sie bald darauf ging, auch Cato die empfangene Frcubenbotschast zu überbringen, nahm sie vielmehr die Ueberzeugung mit hinweg, daß — genau wie vor Jahren, zwischen dem Gatten und ihr — auch heute eine Kluft sich aufgetan, die nur schwer sich überbrücken lassen würde. Das beiderseitige Vertrauen hatte einen Stoß erhalten. Sie täuschte sich nicht. Nur in nebensächlichen Dingen war seither zwischen Frau van Senden und ihrem Neffen gelegentlich einmal eine kleine Meinungsverschiedenheit zu Tage getreten und hatte stets wieder bald zu einer Ver ständigung geführt. Ein Grund hierfür lag vor allen Dingen in einer Notwendigkeit, mit dem Ausbauen von Plänen zurückzuhalten, die keine Aussicht auf Verwirk lichung hatten, so lange nicht die Befürchtung gehoben war, das van Sendensche Vermögen ganz zu verlieren. In dem Augenblick aber, in welchem die Entscheidung der Chamber of mines ihn, in seiner Eigenschaft als Ver treter seines verstorbenen Onkels, zum Herrn der Situa tion gemacht, da war auch der Damm, den die Notwendig keit errichtet, durchbrochen, und all die glänzenden Bilder von einem arbeitsreichen Leben voller Erfolge, voll Ehre und Ansehen, das seiner wartet«, wenn er den Weg ver folgte, den ein anderer ihm eröffnet, waren vor seine Seele getreten. Er hatte ein wunderbares Gelingen vor sich gesehen. Der Himmel selbst mußte «inen Stein an den andern gefügt und dadurch ihm eine Macht gegeben haben, kraft welcher er alles erreichen würde, das ihn seit einiger Zeit erstrebenswert gedünkt. Tante Grietjes Benehmen hatte erkältend auf ihn ge wirkt, und obgleich er es nicht sich gestehen wollte, seine Eitelkeit verletzt. Er erwartete in einem Augenblick, tn welchem er ihr einen glänzenden Beweis seiner erfolg reichen Tätigkeit für sie gebracht, Anerkennung zu finden, und sah sich bitter enttäuscht. In seinen Vorsätzen hatten ihre Worte ihn nicht zu beirren vermocht. Er dachte nur daran, daß das Verhältnis zwischen Peter van Senden und seiner Gattin jetzt kaum noch einer weiteren Er- klärung für ihn bedürfen würde. Auf der einen Sette der nicht immer in der Wahl seiner Wege, die ihm eine glän zende, an Ehren und Ansehen reiche Zukunft vor Augen geführt, skrupulöse Mann, auf der andern diese Frau, die mit der strengen Rechtschaffenheit ihres Charakters eine große Acngstlichkeit verband, die ihr niemals gestatten würde, sich zur Teilhaberin von Unternehmungen zu machen, denen auch nirr ein Schein von Wagemut an haftete. Wilm war entschlossen, die ihn lebhaft beschäftigende Angelegenheit Tante Grietje gegenüber nicht wieder zu erwähnen, aber von der ihm erteilten Vollmacht in um fassender Weise Gebrauch zu machen, um mit einem Schlage seiner Gegner sich zu entledigen. Noch einmal durchblätterte er alle im Laufe der letzten Zeit auf gestellten Berechnungen, prüfte, überlegte und in seinem Gesicht fand SiegeSgewißbeit ihren Widerschein. Da war nichts zu wagen.
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