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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020527028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902052702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902052702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-27
- Monat1902-05
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3820 nischen und ltttautfchen Kleinbauers fast nur nach Amerika und ganz vereinzelt nach Ostasten, während ja noch gegen wärtig die Auswanderung der rein russischen Elemente nach Ostasien eine sehr starke ist. Die telegraphische Meldung, daß Chile und Argen» tinien sich gütlich einigen wollen, wird durch nachstehenden Bericht unseres Mitarbeiters in San tiago vom 18. April bestätigt und erweitert: Lebhaft wird jetzt von -er chilenischen Presse der Abschluß eines Beitrages mit Argentinien befürwortet, kraft besten sich beide Länder zu verpflichten hätten, fernere Rüstungen zu Unterlasten. Um einen solchen Vertrag mundgerechter zu machen, wurde zuerst behauptet, Argen tinien habe England um die Einbringung eines darauf bezüglichen Vorschlages ersucht, welche Vehauptnng jedoch von argentinischer Seite als nicht zutreffend bezeichnet wor den ist. Wie dem auch sei, als erfreuliche Thatsache kann erwähnt werden, daß in Chile mehr und mehr die Friedenspartei an Boden gewinnt. Zudem giebt man sich neuerdings der Hoffnung hin, in absehbarer Zeit zu einem endgiltigen Verständniß mit Bolivien zu gelangen. Der neu ernannte Vertreter Boliviens bei der englischen Regierung hat nämlich auf seiner Durchreise mehrfache Unterredungen mit Präsident Riesev gepflogen und jetzt verlautet, es sei dabei der bal dige Zusammentritt einer Specialconferenz vereinbart worden, welche die Bedingungen des Fricdensvertrages festzusetzen hätte, und zwar habe Bolivien sich im Princip nicht abgeneigt gezeigt, von seiner bisherigen Grund bedingung: Ueberlassung eines Hafens am Stillen Ocean, abzustehen. Sollte dieses Gerücht sich als begründet er weisen, so könnte der A b s ch l u ß des definitiven U e b e r e i n k o mm e n s zwischen Chile und Bolivien als sehr wahrscheinlich angenommen werden, wenn auch Chile sich genöthigt sehen würde, den verbleibenden Rest der Con- vcrsionsanleihe Bolivien als Entschädigung zu behändigen. Argentinien könnte cs nur lieb sein, wenn Bolivien ohne Hafen an der Meeresküste bliebe, da es dann den Verkehr mit Bolivien fast monopolisiren würde. Die Regelung der bolivianischen Frage würde, wie in Chile angenommen wird, auch von großem Einflüsse auf die des Streites mit Argentinien sein, denn letzteres Land soll, wie geglaubt wird, durch einen Vertrag gebunden sein, Bolivien beizu stehen in dem Austrage seines Streites mit Chile. Wenn nun Chile und Bolivien sich verständigten, so würde damit Argentinien von jener Verpflichtung entbunden und damit ein weiterer Stein -es Anstoßes in dem argentinisch-chile nischen Konflikt beseitigt sein. — Anch zwischen Chile und Brasilien wird jetzt stark in Freundschaftsversiche- rungen gearbeitet. Um den beabsichtigten Handelsvertrag zwischen beiden Staaten, der, beiläufig gesagt, schon vor Jahren angeregt wurde, auf gute Wege zu bringen, hat Brasilien einen „Hauptmann zu Wasser und zu Land", oapitoo cio mar e terra, wie der Titel lautet, abgeordnet, um in Chile eine Ausstellung brasilianischer Erzeugnisse zu veranstalten und überhaupt für die Anknüpfung von Handelsbeziehungen zwischen genannten Ländern zu wirken. Deutsches Reich. 0. 8. Berlin, 26. Mai. (Die neuen Torpedo boote bei den Her bst üb ungen der Flotte.) Mit großer Spannung sieht man diesmal in allen mari- limen Kreisen den großen Hebungen der beiden Torpedo- bootsflotillen bei den Herbstmanövern der Flotte entgegen. Man ist bekanntlich schon seit etlichen Jahren dazu über gegangen, die Torpedoboote von 8 90 ab derartig zu ver größern, daß ihr Deplacement selbst demjenigen der neuesten Divisionsboote nicht nachsteht. Die neuesten Torpedoboote haben ein Deplacement von 350 Tonnen, während die noch Ende der achtziger Jahre gebauten Divi sionsboote nur ein solches von 300 resp. 320 Tonnen hatten. Die 5400 indicirten Pferdekräfte, welche die Maschinen ent wickeln, können den je 61 Meter langen und 7 Meter breiten neuen Torpedobooten eine Geschwindigkeit von 26 bis 27,5 Seemeilen geben; fast alle unsere Divisions boote („v 10" und „Taku" ausgenommen) liefen nur 23 bis 24 Seemeilen. Der Bcsatznngsetat der neuen Torpedo boote beträgt 49 Mann, die ganz alten Torpedoboote hatten nur 15 Mann Besatzung, die neuerer Construction, 8 42 bis 87, die in den Jahren 1889 bis 1897 gebaut wurden, 24 Mann. Bei den Uebungett de? Torpebobootsflotillen im Herbst werden drei Divisionen nur aus Torpedobooten der neuesten Construction zusammengesetzt sein; es werden 18 solcher Torpedoboote in Action treten; nur die V-Divt- üonwirdausminderwerthtgen und kleinerenTorpedobooten bestehen. Diese letzteren haben nur je einen Officier an Bord (als Commandant); doch ist es bemerkenswert!), daß solcher in mehreren Fällen ein Capitänleutnant ist, so bei „8 68" und bei „8 72". Die neuen Torpedoboote haben je zwei Officiere an Bord, und auch hier ist mehrfach ein Capitänleutnant Commandant. Die erste Torpedoboots- flotille wird Corvettencapitän Scheer commandiren und unter ihm werden die Capitänleutnants Lange und von Manteuffel die beiden Divisionen befehligen. Flotillen- schiff ist „8 106", zur ^-Division gehören 8 102—107, zur 8-Divtsion 8 96—101; nur 8 97 ist nicht dabei, eS ist daS be kannte Begleitschiff der „Hohenzollern" und des „Sleipner". Die zweite Torpedobvotsflotille wird Corvettencapitän Wilbrandt befehligen, zur 6-Division gehören 8 91 bis 95, zur I) - Division „v 3" und 8 68 bis 73. Die letzteren lausen nur 22 Seemeilen und können sich natürlich in keiner Weise mit ihren jüngeren Brüdern messen. Wie gesagt, in allen maritimen Kreisen ist man auf die kommenden Tvrpcdobvotsmanöver außerordentlich gespannt; die „schwarze Seecavallcrie" wird diesmal mehr als je in den Vordergrund treten. * Berlin, 26. Mai. Folgende Klage über protestantische Unduldsamkeit erhält die „Germania" von einem katholische» Geistlichen: „In Grabow, einem Dorfe, zur katholischen Pfarrei Burg, Bezirk Magdeburg, gehörend, war eine aus Oberschlesien stammende katholische Arbeiterin gestorben und sollte am zweiten Pfingsttage begraben werden. Als ich mich dorthin begeben hatte, wurde mir von dem dortigen Prediger die Mittheiluug, daß der Gemeindetirchcnrath mir die kirchliche Beerdigung der Verstorbenen auf dem dortigen Kirchhofe untersage. Nachdem ich die Leiche im Hause eingesegnet und die kirchliche Kleidung abgelegt hatte, schloß ich mich als Leidtragender dem Trauer zuge an. Am Kirchhof «»gekommen, trat sodann ein Mann, wahrscheinlich der Todtengräber, an mich heran und sagte, daß der Gemeindekirchenrath mir das Betteten des Zkirchhofcs unter sage, worauf ich erwiderte, daß ich als gewöhnlicher Leid tragender das Recht dazu habe und mir dieses Recht von Nie mandem nehmen lasse. Der Prediger war natürlich auf dem Kirchhofe. Bemerken will ich noch, daß der Kirchhof Eigenthum der Kirchengemcinde in Grabow ist." Wenn diese Angabe» sich bestätigen sollten, so hätten wir es hier nut einem Falle protestantischer Unduldsamkeit zu thun, der hart zu rügen wäre. Der Versuch, den katho lischen Geistlichen, der als einfacher Leidtragender auf dem Kirchhofe erschien, von diesem wegznweisen, könnte in gar keiner Weise gerechtfertigt werden, wie auch die, Ver weigerung der kirchlichen Beerdigung einer katholischen Ar beiterin mit allen Grundsätzen protestantischer Duldsamkeit in Widerspruch stehen würde. Da indessen derartige An gaben der „Germania" oft mit Vorsicht anfzunehmen sind, so möchten wir, ehe wir in dieser Sache zu einem end- giltigen Urtheil kommen, die Antwort des protestantischen Pfarrers in Grabow abwarten, die wir mit der „Köln. Ztg." für unerläßlich halten. — Der Kaiser trifft Mitte Juni in Hannover ein, um dort das Königs-Ulanen-Regiment zu besichtigen. — An die Gattin des verstorbenen Präsidenten des Ober- verwaltuugSqerichtS Or. Ku eg le r hat der Kaiser folgende BeileidSkundgcbung gelangen lassen: „Se. Maj. der Kaiser hat die Meldung von dem unerwarteten Hinscheiden Ihres Herrn Gemahls mit schmerzlichem Bedauern ent- gegengrnommen und lassen Eurer Excellenz allerböchstseine wärmste Theilnahme an Ihrem unersetzlichen Verlust aussprechen. Se. Maj. beklagt es tief, daß der Verewigte seinem neuen Wirkungskreise schon nach so kurzer Zeit entrissen worden ist, und gedenken gern seiner verdienstvollen Arbeit und seiner stets bewährten Treue. Auf allerhöchsten Befehl v. Lucan»s." — Der Kronprinz, der am Sonntag von Oels nach Bonn zurückgekehrt ist, wird außer der am 30. Juni stattfindcnden Einweihung des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf Hohensybnrg auch der auf den 26. September fest gesetzten Enthüllung des Denkmals für den Großen Kur fürsten in Herford als Vertreter Sr. Majestät des Kaisers beiwohnen. — Die kaiserlichen Prinzen August Wilhelm und Oskar, die einen Thcil -er Pfingstferien bei ihrer kaiser lichen Mutter in Badenweiler verbrachten, sind in Be gleitung ihres Erziehers, Majors v. Gontard, zur Fort setzung der Studien nach Plön zurückgekehrt. — Beim Staatssekretär des Innern Grafen v. Posa - dowsky findet am 5. Juni ein Parlamen tär i s ch e r A b e n d statt, zu dem zahlreiche Einladungen an Parlamentarier und andere Kreise der Hauptstadt er gangen sind. — Der seitherige Gouverneur von Neu- Guinea Herr v. Bennigsen hat sich, wie schon ge meldet worden, zum lebhaften Bedauern aller Colonial freunde veranlaßt gesehen, die Pensionirung nachzu suchen, weil sein durch den langjährigen Aufenthalt im ostafrikanischen und Ncu-Gu!nea-Schutzgcbietc schwer an gegriffener Gesundheitszustand ihm das Verbleiben im Rcichscolonialdienste nicht gestattet. Um so erfreulicher ist es, daß die Verhandlungen wegen des Eintrittes des Herrn v. Bennigsen in die Verwaltung der Deutschen Colonial-Gesellschaft für Südwcstafrika zu einem befriedigenden Ergebnisse gediehen sind. In der gestrigen Berwaltungsrathssitzung wurde Herr v. Bennigsen einstimmig in den Vorstand der genannten Gesellschaft gewählt. Als Termin seines Eintrittes in diese Stellung Ist der A. August b. I. M Aussicht ge nommen. — Die „Germania" schreibt: Die Angelegenheit der den Mitgliedern der Zuckerevmmtssion zu spät zu gegangenen Protokolle der Brüsseler Kon ferenz scheint sich jetzt aufzuklären. Die 28 Com- missivnsmitglieder haben nämlich am 24. d. M. die Nach richt erhalten, daß zehn Abdrücke der amtlichen Ausgabe der Protokolle im Bureau des Reichstages niedergelegt sind und dort entliehen werden können. Es können also zunächst wenigstens zehn Mitglieder versorgt werden. — Die Sachverständigen-Aussagen, welche in der Pfingstpause zu der Zuckerfrage im Neichs- schatzamte erfolgten, sind stenographisch ausgenommen worden und werden der Commission morgen bei ihrem Zusammentritt gedruckt vorliegen. — Der Vorsitzende der CentrumSfraction deS Reichstags, Graf Hompesch, hat nach der „Köln. VolkSztg." an alle Mitglieder der Fraktion folgendes Rundschreiben erlassen: Bei seinem Zusammentritt wird der Reichstag zu beschließen haben über das Siißstofsgesetz, die Afrikaeisenbahn, die Branntwein- steuervorlagr, unseren Toleranzantrag (beide letzteren in dritter Lesung) und vielleicht auch über die Brüsseler Convention und Zuckersteuernovelle. Diese Gegenstände können sämmtlich in kurzer Zeit erledigt werden, wenn die Präsenzstärke so groß ist und so stark bleibt, daß der angekündigten Obstruktion mit Erfolg ent- gegengetreten werden kann. Ohne diese fortwährende Präsenzstärke ist dagegen ein Ende der Berathungrn nicht abzusehen, zum großen Nachtheil der politischen Stellung deS CentrumS und zum nicht geringen Aerger unserer treu ausharrenden, aber unter dem Absentismus leidenden Fractionsgenossen. Ich habe daher die Pflicht, die geehrten Herren College» nicht allein zu bitten, sondern auf das Allerdringendste aufzufordern, bereits am 3. Juni, an welchem eventuell eine namentliche Abstimmung zu erwarten ist, sich in Berlin einzufinden und dort bis zur Verabschiedung obiger Vorlagen zu verweile». — Morgen veranstaltet der Ausschuß zur Prüfung der Wasserverhältnisse der am meisten von Ueberschwemmungen bedrohten Stromgebiete ein Essen, bei dem die Mitglieder dieser vom Kaiser ins Leben gerufenen Körperschaft sich zum ersten Male gesellig vereinigen. — Auf Veranlassung deS C u l t u s m i n i st e r s ist gegen Professor Lehmann-Hohenberg in Kiel das Disciplin ar verfahren eingcleitet worden. Professor Lehmann-Hohenberg hatte einen „Rechtsbund" gegen Uebcrgriffe der Juristen und zum Schutze „der durch unser Rechtswcsen Vergewaltigten" gegründet und verfolgte alle Fülle, in denen ihm eine Rechtsbeugung vor- zuliegen schien. So hat er sich in Sachen des blind geschossenen Hauptmanns Lu Ihm er, dessen Angelegen heit noch kürzlich wieder im Reichstage besprochen wurde, mit einem offenen Briefe an den Reichskanzler gewandt, in dem er dem Kriegsminister seine Verachtung anssprach. Unter dein 20. d. M. hat nun Minister Studt angeordnet, daß gegen Professor Lehmann-Hohenberg das förmliche Disciplinarvcrfahren eröffnet werde ans Grund des 8 23, Nr. 1 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten. Zum Untersuchungscommissar ist der Syndikus der Universität Kiel, Amtsgerichtsrath Paulsen, bestellt. In der Be gründung heißt cs: „Wegen schwerer öffentlicher Be leidigungen hochgestellter Beamten, nämlich des Herrn Kricgsministers und des Herrn Justizministers, sowie der Juristen des deutschen Reiches durch ein offenes Schreiben au Se. Excellenz den Kanzler des deutschen Reiches, Herrn Grafen v. Bülow." — Die Meldung, daß der Kultusminister eine allgemeine d e u t s ch e S ch u l sta t i sti k angcordnet habe, ist nach der „Post" in dieser Form unrichtig. Es handelt sich um eine Erhebung über das gesammte Volksschulwescn in Preußen, wie sie schon in den Jahren 1886, 91 und 96 erfolgt ist. — Die Unterri chtsthätigkeit eines jungen Mädchens, das während seiner Ausbildung in der Musik einige Clavier- und Gesangsstunden ertheilte und damit jährlich nur 400 -. h. ungefähr ebenso viel verdiente, wie sie für ihre eigene künstlerische Ausbildung aufwcnden mußte, ist nach einem Bescheid -es Neichs- VersicherungSamtcs als eitte vorübergehende D i e n st l c i st u n g im Sinne des Bundesrathsbeschlusses vom 27. December 1899 und demgemäß als nicht ver- sichcrungspflichtig angesehen worden. — Der 39 000 Mitglieder zählende Verband deutscher B ä ck e r i n n u u g e n „Germania" ist zur Zeit mit der Aufnahme einer Statistik über den K o h l e n v e r b ra u ch beschäftigt, deren Zweck die Begründung einer gemeinsamen Einkaufsgenossenschaft ist. — Fürst und Fürstin von Bismarck trafen gestern aus Schönhausen hier ein und reisten heule nach Barzin weiter. — Der CultuSminister vr. Studt ist aus der Provinz Sachsen hier wieder eiugetrofsrn. — Ter Bevollmächtigte zum Bundesrath, mecklenburgische Ober-Zolldirector Kunckel, ist in Berlin eingetrosse». * Hamburg, 26. Mai. 2500 Maurer beschlossen mit 1700 gegen 800 Stimmen, nachdem die Innung die ge forderte neunstündige Arbeitszeit bet 70 Pfennig Stunden lohn abgelehnt hatte, durch vorläufig theilweise Ar beitseinstellung die Forderungen durchzusetzen. Auch die Zimmerer und die Bauarbeiter erklärten, mit den Maurern gemeinsame Sache machen zu wollen. * Hannover, 26. Mai. Schatzrath Steinmetz vom hiesigen LandeSdirectorium wurde als vortragender Rath ins Cultusministerium berufen. * Brannschweig, 26. Mai. Der Regent Prinz Albrecht ist in Blankenburg im Harz etngetrosfen. — Hier sind die Zimmergesellen in den Ausstaud eingetreten. * Magdeburg, 26. Mai. Der C n l tu sm i n i st e r, der am Sonnabeud hier eiugetroffeu war, besichtigte gestern in Begleitung -es Oberpräsidenten, des Ober- präsidialrathes Davidson, des Generalsupcrintendenten Vieregge, des Consistorialpräsidenten Klausewald, des Oberbürgermeisters Schneider und verschiedener Schul- directoren -en Dom, die neue Augustaschule, das neue König Wilhelm-Gymnasium und verschiedene andere Schulen und begab sich Nachmittags nach Gommern zur Besichtigung -er Lungenheilstätten, Abends reiste der Minister nach Berlin zurück. * Bochum, 26. Mai. Der erste polnische Stadt verordnete deS rheinisch-westfälischen Jndustriebezirks ist nunmehr nach der „Rhein.-Westf. Ztg." in Castrop infolge eines CompromisseS zwischen Centrum und Polen in der dritten Abtheilung gewählt worden. * Köln, 25. Mai. Durch die Erledigung des erzbischöf lichen Stuhles ist die bischöfliche Jurisdiction ans das Domcapitel übergegangen. Dasselbe bestellt für die Ver waltung der verwaisten Diücese innerhalb acht Tagen einen in geheimer Abstimmung zu wählenden Vertreter, -en C a ptt u l a rv i c a r, dessen Gewalt erst erlischr, wenn der neue Bischof seine Ernennungsbulle dem Dom capitel präsentirt. Vom Tage der Erledigung des bischöf lichen Stuhles hat das Domcapitel das Recht, den Nach folger des Bischofs binnen drei Monaten zu wählen. * Nürnberg, 26. Mai. Trotz Ausschließung auS dem Nürnberger socialdemokratischen Wahlvercin wurde der Krankencassenvorstand Roß köpf im benachbarten Wahlkreise Ansbach-Schwabach, der jetzt von dem Volks parteiler Eckart vertreten wird, von der socialdemokra tischen Kreisconferenz wieder als Reichstagscandidat aus gestellt. Der Beschluß erfolgte mit neun gegen fünf Stimmen. * Karlsruhe, 25. Mai. In der Familie deS Prinzen Max von Baden sieht man einem „freudigen" Ereignis; entgegen. Am Freitag traf die Mutter der Prinzessin Mar, die Herzogin Thyra von Cumberland, mit den Prinzessinnen Olga und Alexandra von Gmund hier ein, und gestern folgte auch Prinz Georg von Cumberland. Sie nahmen im prinzlichen Palais Wohnung. O München, 26. Mai. Die Kammer derReichS« räthe begann heute die Berathung des Schul- bedarfsgesetzes. Eine lange Discussion rief Artikel 5 Absatz 3 hervor, nach dem die Gemeinden in gewissen Fällen angehalten werden können, cvnfessivnelle Schulen für kon fessionelle Minderheiten einzurichten. Der Reichsraths- ausschuß hat die Streichung dieses Absatzes beantragt. Frei herr v. Würtz bürg beantragte eine etwas abgeünderte Fassung, welche verhindern soll, daß die bestehenden Simultanschulen auf Grund dieses Absatzes beseitigt werden können. Im Laufe der Debatte wurde von vielen Seiten, unter Anderem auch vom Ministerpräsidenten Grafen v. Crailshcim und dem CultuSminister Itt. v. L a n d- mann, hervorgehoben, daß voraussichtlich das ganze Ge setz in der Kammer der Abgeordneten scheitern werde, wenn die Kammer der Neichsrüthe diesen Absatz ablehne. Die vom Freiherrn v. Würtzburg beantragte Fassung sei em pfehlenswert!), da dann kein Zweifel darüber bestehe, daß Simultanschulen nicht ausgeschlossen seien, wenn auch grundsätzlich die konfessionelle Schule die Regel bleibe. Schließlich wurde der Antrag Würtzburg mit großer Mehr heit angenommen. Oesterreich - Ungarn. Erhumirung; Widerruf. * Brünn, 26. Mai. In Gegenwart des deutschen Militärattaches Majors von Bülow, des Brünner Platzcommandantcn Oberstleutnants Ehrler und des deut schen Konsuls Offermann fand heute auf dem von jetzt ab zu anderweitiger Benutzung bestimmten städtischcnFriedhofe die Exhumirung der Leichen von neun im Jahre 1866 daselbst beerdigten deutschen Militürpersonen, darunter sechs preußischen Officiercn, statt. Nach der Ein segnung durch den evangelischen und katholischen Pfarrer fand die neuerliche Beisetzung auf dem Centralfriedhofc statt. Auf dem Grabe wurden im Auftrage desdeutschen wollen, sie thut es dann natürlich aus Berechnung, aus Roth, sie kann keinen äußeren Gegenbeweis liefern, sie wird aus Gnaden ausgenommen in seinen Verwandten- und Bekanntenkreis und muß sich Allem fügen, auch Allem, was gegen ihre Natur geht. Und so urtheilt man nicht nur in jenen Kreisen, genau so urtheilt man auch vielfach bei uns, wenn zum Beispiel ein bürgerliches Mädchen einen adligen Herrn heirathet. Es ist überall dasselbe. Am besten ists, die Verhältnisse sind gleich und Jedes hat etwas in die Wagschale zu werfen." Eine Weile wars ganz still. „Wer war eigentlich der Adclshasser?" „Der Referendar." „So, der hat Dir da natürlich gar nicht gefallen?" „Doch, gerade der. Er war so nett und gescheidt und so männlich, und der blonde Schnurrbart sah auch so nett aus, so unternehmend, weißt Du. Und dann, weißt Du, gefiel mir, daß er so blaß aussah. Das ist interessant. Alle Menschen, die viel arbeiten und studiren, sehen so auS! Ich glaube, er hat entsetzlich viel in Schwetzstedt zu thun, ich will ihn das nächste Mal darüber fragen. Der Forst assessor war dagegen gräßlich süßlich, sagte immer meine Gnädigste und gnädigste Baroneß und fand Alles be zaubernd und reizend, was ich sagte und that, auch wenn ich es selber sehr dumm fand und mich heimlich darüber ärgerte. Es war sehr albern von ihm, aber amüsirt hat's mich." Und daS Baroneßchen schleuderte den Zopf auf den Rücken und fing an vor dem Spiegel Verbeugungen zu machen, den Schnurrbart zu drehen, seelenvollen Augen aufschlag zu probiren, „meine Gnädigste" zu schnarren, und wand und bog sich vor Lachen, bis ihr die Hellen Thränen über die Backen liefen und die Schwester auch lachen mußte. Noch im Bett lachte die Lotte weiter; cS war -och zu komisch: sie, das Kind, hatte auf einmal zwei Curmacher und jetzt stritten sie schon über das „Ja" und „Nein", wo doch Keiner von den Beiden daran dachte, sie heirathen zu wollen! Wie Andere schwärmerisch und sehnsuchtsvoll an ihre Ballerinnerungen denken, bis der Schlaf endlich zu itmen kommt, so lachte sie sich in den Schlaf, noch ganz Kind, harmlos, sehnsuchtsfret und glücklich. Lachte nach einer kleinen Pause noch einmal vergnügt auf, sagte schon bald verschlafen: „Ach, eS ist doch zu gelungen", und war in den nächsten Minuten sest eingeschlafen. Sidonie war beruhigt. Solch' ein Kindskopf, diese Lotte, aber Gott sei Dank, es hat ihr keinen Eindruck gemacht, sie denkt an keinen de< beiden Herren. Wenn sie daS nächste Mal hin gehen werden, ist vielleicht der Referendar versetzt oder hat längst einen anderen Schwarm. Bei Herren geht das manchmal sehr schnell! Es wäre doch auch zu schrecklich. Gerade ein Adelshasser! — Denen vom Lande hatte der Abend in der „Concordia" gut gefallen, so daß sie beschlossen, zum nächsten größeren Fest wieder hinzufahren. Vorher aber trafen sie sich noch öfters zu Croquct- und Tennisparticn, oder zu den ge liebten Whisttagen. Der Ball war lange Gesprächsthema, denn so gesellig sie auch untereinander lebten — Gesell schaften besuchten sie selten. Charlotte wurde weidlich geneckt, mehr, als die klebrigen. Erst hatte sie immer darüber gelacht, später war sic nachdenklich geworden! Es war doch merkwürdig, daß Alle behaupteten, der Referen dar hätte ihr so sehr den Hof gemacht, und daß der Assessor ganz ins Hintertreffen geschoben wurde, und der hatte ihr eigentlich in zehn Minuten mehr Schmeicheleien gesagt, wie der Referendar am ganzen Abend. Sie fing an, mit Interesse an den Oktober zu denken, in dem sie wieder nach Schwetzstedt fahren wollten, und als der Tag endlich da war, zog sie sich so hübsch und sorgsam an, als nur möglich war. — Weder der Forstassessor, noch der Referendar waren zu Sidonien's Leidwesen versetzt worden. Die Beiden saßen natürlich während des koncertes zu Seiten Lotte's, am unteren, schmalen Ende der Jugendtafel. Es wnrdcn viele heitere Lieder gesungen, zum Schluß einige mehrstimmige Volkslieder, die machten das junge Mädchen traurig, sic wußte selbst nicht, warum. Thränen traten ihr in die Augen. Doctor Senten sah es, auch ihm wurde so eigen zu Muthe, so weich und weihevoll. Es war ihnen, als würden diese Lieder allein für sie gesungen, und als wären sie die Einzigen in -em ganzen Kreise, die dieselben so recht verstehen könnten. Sie nickte ihm ganz unmcrklich zu, und er faßte heimlich nach ihrer Hand und hielt sie mit warmem Druck fest, bis der letzte Ton verklang und der Beifall um her sie aus ihrer Träumerei aufschreckte. Von dem Zeitpunkte an erwiderte Charlotte die Liebe des jungen Mannes. Sie hatten Beide ihr Schicksal er kannt, daß sie innerlich eins seien, mochten auch äußere Schranken sie vorläufig noch trennen. — Durch die Winterszeit belebte sich die Geselligkeit mehr, man veranstaltete Tanzkränzchcn, Theaterproben, Theater spiel, kurz, alle Arten der Zerstreuung wurden ans Tages licht gezogen, nur damit man sich recht häufig sehen konnte. Mit der Zeit wurde eS Doctor Senten'S ausschließliches Recht, daß er bei jeder Gelegenheit Charlotte Altenburg als Partnerin erhielt, daß er ihr Haupttänzev blieb, die anderen Herren vor ihm zurücktreten mußten, daß er all die kleinen Ritterdienste, die man einer Dame erweisen darf, ausschließlich für sich beanspruchte. — Es galt daher in Schwetzstedt bald als ausgemacht, -aß Beide eiu Paar werden müßten, und aus Interesse für die Wünsche von «mksnt xLtt> mischte sich Jedes in die Angelegenheit, Jeder verlangte das Recht, zu helfen. Jeder redete, Jeder war empört, daß die Verlobung immer noch nicht zum Klappen kam. Daß durch jenes öffentliche Interesse und durch jenes mehr oder weniger maskirte Beobachten das junge Mäd chen in eine qualvolle Lage kam, sich nie vor lauter Furcht besonders aufzufallen oder unwciblich zu sein, eine kleine besondere Bevorzugung erlauben mochte, die vielleicht ein sofortiges Erklären seinerseits zur Folge gehabt hätte, ver stand Keines von all' den Leuten. Sic wurde wechselnd in ihrem Benehmen gegen ihn, bald übcrsprudelnd vor Heiterkeit, bald still und zurückhaltend, bald schroff, bald wieder theilnahmsvoll, wie früher, nie aber so harmlos vertraulich, wie ganz im Anfänge. Und er in seiner großen Liebe zu ihr litt unter diesem Wechsel, mißtrauisch un eifersüchtig von Natur, freilich nur in geringem Maße, wurde er es mit der Zeit mehr und mehr, so daß er die harmloseste Rede, die sie betraf, aufsing und sich anders auslegtc. Durch jedes freundliche Wort, das sie einem Herren nach seiner Meinung zu viel sagte, war er verletzt und verstimmt! Und doch that Charlotte Attenburg da mals mehr für ihn, als er ahnen konnte! Sie erkämpfte sich ihn Schritt für Schritt. Sie kämpfte gegen das, was Tradition und Regel in ihrer Familie hieß, sie kämpfte gegen die eigene Liebe dafür, die mit ihr auferzogen und ausgewachsen war. Sie war sich klar, daß sie durch ihre Hetrath ein festes Band mit den Kreisen lockern müßte, denen sie bisher als rechtes Glied angehört hatte, und solch' ein Ausscheiden thut immer weh, sci's, in welcher Art es auch stattfindet. Alles, was an Adelsstolz und an Adclsliebe in ihr lebte, wurde aufgeweckt. Tausende von Bedenken, an die sie gar nicht gedacht, würden ihr klar gelegt. Das Kämpfen wurde ihr wahrhaftig nicht leicht gemacht, besonders nicht, weil die Familie stolz auf sie war, sie liebte und sie gern an einen Mann geben wollte, der ihnen nabe stand. Sie blieb doch Siegerin und schüttelte über jedes „wenn" und „aber" den Kopf. „Ich liebe ihn", war jedesmal ihre Antwort, und die war so rührend anzuhören, daß sie Alt und Jung damit ent waffnete. „Laßt sie in Frieden, die Charlotte", sagte der alte Hof marschall zu den Störrischsten, „die Charlotte hat einen festen Willen und einen edlen Sinn, wenn sie den Mann liebt, dann wird er's auch verdienen, nnd wir Anderen haben uns zu fügen! Ueberhaupt, Ihr Lieben", und dabei sah er einige seiner Neffen durchbohrend an, denn fast die ganze Familie war versammelt worden, um, wie das in einigen Geschlechtern so üblich ist, Familienrath zu halten und über die weiblichen Glieder zu bestimmen, „übcrbaupt, in heutiger Zeit wird der Mensch nicht darnach bcurtheilt, wie er heißt, sondern darnach, was er leistet. Jeder thue nach seiner Pflicht. Wonach zu richten!" schloß er seine Rede kurz und bestimmt! So lagen die Verhältnisse, als lustiges Schellengeläut durch die Winterlandschaft klang. Die Concordia machte eine Schlittenpartie. Charlotte mar sehr glücklich und vertrauensvoll, sie hatte ein Gefühl, als müsse sich gerade heute ihr Leben entscheiden. Fast schien's auch so, als beim Cotillon ein Gast, ein junger adeliger Rittergutsbesitzer, zu ihr trat und sie engagirte. Sie sah Doctor Senten auch auf sich zukommen, aber es blieb ihr keine Wahl, wenn sie nicht verletzen wollte, sie mußte den Fremden annehmen. Es that ihr weh, wie sie den langsam Nähcrkvmmcndeu stutzen sah und merkte, wie verstimmt er plötzlich wurde. Das alte Mißtrauen hatte ihn wieder ergriffen: „Natür lich, gleich und gleich gesellt sich gern!" Das für beide Theile erlösende Wort blieb ungesprochcn. — Auf der Nach- yausefahrt machte er sich heftige Vorwürfe über sein Miß trauen und über sein Schweigen und bestimmte definitiv den kommenden Maskenball, der den Abschluß der Winter saison bilden sollte, als den Tag, an dem er sein Glück von ihr erbitten wollte. — Es kam anders, als sie sich ihr Leben erträumten. — Drei Tage vor dem Balle erhielt Charlotte eine Depesche, die sie an s Krankenbett einer hochstehenden, lieben Ver wandten rief. Die alte Dame hatte eine ganz besondere Vorliebe gerade für diese Nichte gefaßt, und mit dem Eigen- sinn des Kranken bestand sie auf der Erfüllung ihres Wunsches. Es gab keine Aenderung. Attenburg's ließen ihr Kind reisen, und es reiste in tiefer Traurigkeit, mit der ganzen bangen Ungewißheit eines liebenden Herzens. Nicht einmal Abschied hatte sie von ihm nehmen können. „Er wird mich nicht vergessen, er wird mich verstehen und mir nicht zürnen, daß ich die Kranke vor den Gesunden stellen muß. So bald ich kann, komme ich zurück!" Damit tröstete sic sich während der langen, etnfamen Nesse. (Fortsetzung folgt.)
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