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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190304265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030426
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030426
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-26
- Monat1903-04
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1903
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BezugS'PreiS i» der Hauptexpedtttou oder deren ÄvSgabr» pelle« obgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung tnS Hau ell 8.75. Durch die Post vezoaeu für Deutsch, laud u. Oesterreich vierteljährlich >il 4.56, für di« übrigen Länder laut ZettungSpretällste. Vrdaktion und Erpedition: IohanniSgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FMalevpeditioneu: Alfred Hahn, Bnchhandlg., Universitätsstr. 3, L. Löschs Satharinenstr. 14» u. KöntgSpl. 7. Haupt-Filiale Dres-en: Martenstraße 84. Fernsprecher Amt 1 Nr. 1718. Haupt-Filiale Serliu: Earl Dimcker, Herzgl. Bayr. Hofvuchhandlg^ Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4803 Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt -es Aönigkichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen. Preis die Sgespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famtlieanach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: PormittagS 10 Uhr. Mvrgeu-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Nr. 204. Donnerstaft den 23. April 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. April. Aus dem Reichstage. Im Reichstage nahm gestern die zweite Beratung der PhoSpborvorlage einen Verlauf, der nach allem, was bisher über die Stellung der Parteien zu dieser Angelegen heit bekannt geworden war und namentlich auch nach dem Gange, den die Vorberatung in der Kommission genommen hatte, einigermaßen überraschen mußte. In der Kommission war die grundlegende Bestimmung der Vorlage, d. b. das Verbot der Verwendung von weißem und gelbem Phosphor bei der Fabrikation von Zündwaren, mit allen gegen ein« einzige Stimme angenommen worden. Man durfte daher für gestern trotz der MeinungSdifferenzen, die hinterher noch in der Kommission über die Entschädigungs frage entstanden waren, auf eine verbältnismäßig rasche Er ledigung wenn nicht der ganzen Vorlage, so doch zum min desten des im § 1 enthaltenen Prinzips rechnen. Es kam aber ganz anders. Nicht weniger als 23 Mitglieder des sonst ja wohl „arbeiterfreundlichen" oder sich als aibeiler- freundlich gerierenden Zentrums beantragten, die Weiter beratung des Gesetzentwurfs auSzusetzen und auf dem Wege der Resolution den Reichskanzler um nochmalige äußerst de taillierte „Erhebungen" über die Weißphospborfrage zu er suchen. Die Antragsteller, denen sich von der Linken noch ein Mitglied des Hauses anschloß, der wildliberale Abg. Sa b in, konnten nach Lage der Dinge mit ihrem Anträge nur bezwecken, die Sache überhaupt zum Scheitern zu bringen. Die Abgg. Pichler und Schartigen, die dieses Vorgehen zu recht fertigen versuchten, bemühten sich zu dem Zwecke vergebens, das Haus davon zu überzeugen, daß die Frage eines ernst haften Einschreitens gegen die Phosphor-Nekrose noch nicht spruchreif bezw. überhaupt nicht dringlich sei. Von den Rednern aller übrigen Parteien wurde ihnen auf das unwiderleglichste der Gegenbeweis geführt, und ebenso ge schah dies mit Nachdruck vom BundcsralSlische aus seitens deS Staatssekretärs Grafen Posadowsky, sowie seitens eines dem ReichsgesundheitSamte angehörigen Kommissars. Graf Posadowsky war besonders in der Lage, darauf Bezug zu nehmen, wie schon seit vielen Jahren die Gewerbeaussichts- beamten mit zunehmender Ennchiedenbeit die Notwendigkeit betont haben, den aus der Verwendung von WcißpdoSpbor für die Arbeiter entstehenden GesundhertSgejahren durch be sagtes Verbot entaegenzutreten. Auch an der Qualität der als Ersatzstoff in Aussicht genommenen und vom Reiche als Patent erworbenen neuen Schwieningschen Zündstvffmasse wurde von den betreffenden Antragstellern scharfe, aber un zutreffende Kritik geübt. Die Mitglieder der Kommission, die bekanntlich selbst eine Reise nach Kassel nicht gescheut baden, um die neue Zündmasse auf ihre Ungefäbrlichkeit hin sorgfältig zu Prüfen, waren in der Lage, alle jene Be mängelungen aus bas büiidi,ffte zurück und als hinfällig zu erweisen. Schließlich rettete ein anderes Mitglied des Zentrums gewissermaßen die sozialpolitische Ehre seiner Frakiion, indem Herr Trimborn die Erklärung abgab, daß ein Teil deS Zentrums (er stellte sich schließlich >ogai al- der größere Teil heraus) den Antragstellern nickt zustimme, sondern die Geiaur der Pbosphornekrose für imminent genug halte, um die Vorlage so, wie sie sei, anzunehmen. Tat sächlich stimmten denn auch nachher nur etwa 20 Mann vom Zentrum gegen § 1, sodaß dieser und der Rest deS Ge setzes mit sehr großer Mehrheit zur Annahme gelangten. Erheiternd wirkte eS, als dann zum Schluffe noch ein neuer Antrag Pichler einlief, daS Inkrafttreten des Gesetzes bis zum Jahre l911 (statt 1907) hinauSzuschieben. Selbstver ständlich wurde auch dieser Antrag mit Glanz abgelehnt. Außer den Zentrums-Anträgen lag noch ein freisinniger Antrag Wiemer vor, der daS Reich zu einer Entschädigung der Fabrikanten von WeißpboSpbor-Zünd- waren verpflichten wollte. Der Staatssekretär Graf Posadowsky wies diesen Gedanken auf das entschiedenste zurück unter Hinweis auf dessen sozialpolitische Conse- quenzen bezüglich anderer sozialpolitischer Reformen. Gewähre man hier eine Entschädigung, so hätte man dieselbe mit gleichem Rechte etwa beim Kinderschutzgesetze den Eltern, bei der Gastwirtschafts-Verordnung den Wirten, bei der See- mannSordnung den Reedern gewähren müssen, denn zweifel los seien durch alle Liese sanitär-iozialen Reformen den ge nannten Interessenten Lasten auferlegt, resp. finanzielle Nach teile zugesügt worden. Graf Posadowsky erkläite auch nock auödiückl'ch, daß im Falle der Aunaome deS Entschädigungs antrages aus Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetze nickt zu rechnen sei. Nachdem schließlich Las Gesetz unver ändert in der Fassung der Kommission angenommen war, nach 5l/x stündigen Verhandlungen, vertagte man sich. Heute: Kranken-VersicherungS-Novelle. Was geht in Lachsen vor ? Unter dieser Ueberschrift wird verschiedenen auswärtigen Bläitern aus Dresden geschrieben: „Es muß schon weit gediehen sein mit der tatsächlich seit einiger Zeit unverkennbaren Mißstimmung, die sich weiter Kreise der sächsischen Bevölkerung und namentlich der breitesten Schichten der Einwohnerschaft Dresdens bemächtigt hat, wenn ein so ernstes, jeder Sensotionsmache abgeneigtes Blatt wie die „Dresdner Nachrichten", neben dem .Vaterland" das führende Organ der konservativen Partei, in seiner heutigen Ausgabe schreibt, es hieße die Augen absichtlich vor offen- kund gen Tatsachen, aus die man bei jedem Schritt stoße, verschließen, wenn man diese Mißstimmung (zunächst der Dresdner Bevölkerung) leugnen wollte. Heber die Ursachen Vieler dölkerpjnchologisch höchst bemerkenswerten Erscheinung heißt es dann, nachdem der gedrückten Lage der allgemeinen Erwerbsverhältnisse, der verfahrenen Staats» finanzen usw. gedacht ist, weiter: „Bewnders aber ist die Gemütsstimmung weiter Schickten in lrtzter Zeit bedrückt worden durch die nachhaltigen Ver» suche offiziöser Kreise, auf die Empfindungs äußerung der Dresdener Einwohnerjchast be» stimmend einzuwirken (patriotische Empfangsmache bei der Rückkehr des Königs. D. Red.). Es muß ausgesprochen werden, daß mit den gedachten Maßnahmen ein nichts weniger als glücklicher Weg betreten worden ist, selbst wenn man zunächst aus einen äußeren Eriolg Hinweisen kann. Diese Auffassung reicht weit in die Kreise der Be völkerung hinein, deren staalserhaltende. nationale und monarchische Gesinnung über allen Zweifel erhaben ist. Es liegt hier ein Mißgriff vor, der als Gewissenszwang empfunden wird." Schließlich fordert das Blatt eine Aussprache zwischen Ober bürgermeister und Stadtverordnetenkollegium über die Stimmung in Dresden. Daß Mißmut und Unlust zur Teilnahme am politischen Leben aber nicht bloß in der Residenz, sondern im ganzen Lande sich bemerkbar machen, daS dokumentiert, abgesehen von einer Dresdener Zuschrift an die Berliner „Nationalztg." ein ,Gott sei mit dir, mein Sachsenland!" überschriebener Artikel der „Dresdener N. N.", der u. a. ebenfalls die schlimme Finanz lage, „die unerquicklichen Vorkommnisse der letzten Zeit" für die „Gewitterschwüle" und Len „erschreckenden politischen JndisfrrentiSmus" verantwortlich macht. Daß tatsächlich die besten Kreise den Geschmack am öffentlichen Leben zu verlieren beginnen, zeigt ja deutlich der notorische Kandidateu- m angel bei den Vorbereitungen für die Reichsiagswahleu. Nicht diese an sich zutreffende Schilderung wundert unS;aber seltsam muß es uns berühren, daß bieBlätier, die sie abdrucken, nicht hinzusügen, im Bereiche ihrer Beobachtung mache sich leider die gleiche Mißstimmung auö beinahe denseiben Gründen be» mertlich. Denn tatsächlich bestehen im gainen Reiche die gleichen verstimmenden Verhältnisse und Vorgänge, ab gesehen natürlich von den „unerquicklichen Vorkommnissen der letzten Zeil". Und baß diese in Dresden besonders empfunden werden, ist begreiflich. Hal man doch lort außer einer sehr leutseligen hoben Frau auch eine Spenderin verloren, deren Lelchlherzigkeit selbst in der Wahl der von ibr Beschenkten und Bevorzugten sich kundgab. Und einen solchen Verlust empfindet man in einer ohnehin durch Gunst ver wöhnten Stadt doppelt schmerzlich. In allem anderen aber kann man sich in Sachsen mit anderen Landern, selbst mit dem stolzen Preußen, trösten. Oder erfährt man von dort nichts vor, Leu Versuchen offiziöser Kreise, auf die EmpfiudungS- äußerungen des Bürgertums bestimmend emzuwuken? Nichis von schlimmer Finanzlage, politischem IndifferentismuS, Kandidatenmangel, Gewitterschwüle? Und versorgen nicht auch von preußischen Städten aus politische Einspänner, die bahemt mit ihren Vorschlägen nicht durchdringen, die „Nationalzeitung" und andere Blätter mit Klageepisleln über die heimischen Zustände? Kommen nickt in allen Bundesstaaten in einzelnen Wahlkreisen Streitigkeiten unter den Parteien und zwischen diesen und den Partei leitungen über die aufzustellenden Kandidaten vor? In allen diesen Punkten haben wir in Sachsen wahrlich nicht mehr Ursache zur Mißstimmung, als unsere deutschen Brüder m anderen Bundesstaaten. In einem Puntte sind wir jrbenjalls noch besser daran, als die Preußen. Täcksen unter kaiholischer, angeblich jesuitisch beeinflußter Spitze Wird am Jesuiten gesetze nicht herumbiöckeln Helsen, wie Preußen unter Protest anli,cher Sptze es zu tun im Begriffe stebt. Und schon das ist so viel wert, daß wir aus Las Mitleid besonders preußischer Blätter veizichtcn dürfen. Zum Besuch der kaiserlichen Prinzen in Griechenland, wird uns aus Athen geschrieben: Der Empfang, der dem deutschen Kronprinzen auf griechischem Boden zu teil wurde, geht weit über das Maß gewöhnlicher Höflichkeits bezeugungen hinaus. Die griechische Bevölkerung zeigte im Pyräus und in Athen eine geradezu überraschende Be geisterung für die Prinzen, die durch ihre elastisch-jugend liche Erscheinung und die Liebenswürdigkeit ihres Be nehmens das Herz der Hellenen im Sturme gewannen. Die Begeisterung wurde bei der Reise durch die Provinz städte eine noch größere, da es ja das erste Mal war, daß Prinzen auswärtiger Dynastien Reise« durch das Innere Griechenlands machten. Selbst die Prinzen des griechi schen Hauses haben bisher noch keine Reisen nach den ein zelnen Plätzen der altklafsischen Stätten im Peloponnes unternommen. Am Hofe in Athen zeigten die zu Ehrep der Prinzen veranstalteten Köstlichkeiten ebenfalls ein außerordentliches Gepräge, wobei ganz besonders die schnelle und völlige Wiedergenesung der Prinzen von ihrer Erkrankung in Aegypten gefeiert wurde. Die Trink sprüche und die Unterhaltung an der großen Festtafel im königlichen Schlosse wurden ausschließlich in deutscher Sprache geführt. Sehr freundschaftlich gestaltete sich auch der Verkehr mit dem Prinzen Andreas von Griechen land, der bekanntlich zu seiner militärischen AuSvilvung in das deutsche Heer eintreten soll. Bürgerliche Eheschließung in Dänemark. Die zweite und dritte Beratung des Landsthings über die Vorlage zur Einführung der pflichtmäßigen bürger lichen Ehe haben die Hoffnungen, welche die erste Lesung erweckt hatte, nicht erfüllt. Äe erste Lesung hatte unter dem unmittelbaren Eindrücke des Prozesses gegen den Pastor Jfversen und der Adresse von 737 Geistlichen der Volkskirche gestanden. Jfversen hatte sich aus religiösen Gründen geweigert, ein Brautpaar zu trauen, und war wegen dieser Verletzung seiner Pflichten als Standes beamter zu 200 Kronen Strafe verurteilt worden. An diesen Ausfall des Prozesses knüpften dann die Geist lichen der Volkskirche an, um in ihrer Eingabe das Par lament zu beschwören, durch Einführung der bürgerlichen Eheschließung — gleichviel ob der pflichtmüßigen oder der wahlfreien — ihnen die „Freiheit zu geben, Aergernis erregende oder wider Gottes Wort streitende Trauungen abzulehnen". Die auf diese Weise arg in Verlegenheit geratene konservative Mehrheit des Landsthings half sich mit der Ucberweisung der Vorlage des Kultusministers au einen ncunglicdrigen Ausschuß. Hier in der Kom mission machte die Rechte, wie der „Köln. Ztg." ge schrieben wird, einen Vorschlag, der den Geistlichen die Freiheit, die sie in ihrer Eingabe begehrten, gewährt, ohne daß der Grundsatz der Eivilehe, den die Rechte als Höchst verderblich perhorresziert, angenommen zu werden braucht. Nach diesem Vorschlag darf der Geistliche der Volkskirche einem Brautpaar die Trauung, auch wenn kein gesetzliches Hindernis vorhanden ist, aus religiösen Gründen abschlagen. Das Brautpaar erhält das Recht, sich über diese Weigerung beim Bischof zu beschweren. Stimmt der Bischof dem Geistlichen zu, so ist den Braut leuten schriftlich von dem abweisenden Bescheide Mit teilung zu machen. Auf Grund dieses Papieres darf dann ein weltlicher Standesbeamter die Eheschließung vornehmen. Der Antrag geht also offensichtlich darauf hinaus, die bürgerliche Eheschließung, die als Notbehelf zugelassen wird, von vornherein zu entwerten zu Gunsten der kirchlichen Trauung. Das Landsthing hat diesem Vorschläge seines Ausschusses in zweiter und dritter Lesung zugestimmt. Umsonst versuchte der Kultus minister der Mehrheit klar zu machen, daß der Vorschlag einen Rückschritt gegen den geltenden Zustand bedeutet. Gibt der Antrag auch den Geistlichen die Freiheit, so nimmt er sie dem Bürger und stellt ihn unter eine Ab hängigkeit vom Klerus. Denn er zwingt die Mitglieder der Volkskirche, den geistlichen Standesbeamten anzu rufen, macht aber die Erfüllung des Ehebegehrens von dem Gutdünken des Pfarrers abhängig. Dazu kommt der schon angedeutete Makel, der einer nach einem ab schlägigen Bescheide des Geistlichen vor einem weltlichen Standesbeamten geschloffenen Ehe anhaften muß. Der Kultusminister glaubt trotz der bisherigen Haltung des Landsthings, daß es ihm gelingen wird, seine Vorlage dnrchzubringen. Sie geht gemäß der Geschäftsordnung an das Folkcthtng zurück, das natürlich den reaktionären Aenderungsvorschlag des Oberhauses ablehnt, und dann wird ein gemeinschaftlicher Ausschuß (Faellesudvalg) ein- Feuilleton. 181 Das Gold vom Widwatersrand. Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Na<bdru<5 erboten. ,L3enn Sie sich meine Lage vergegenwärtigen, gnädige Frau, so darf ich gewiß auf eine milde Beurteilung rechnen", fügte er seiner Bitte noch hinzu, und jetzt zeigte er sich ganz als -er weltgewandte Mann, der liebens würdige Gesellschafter, der in dem Kreise seiner Freunde und Bekannten eines wohlverdienten Rufes sich erfreut. Er sah sich indessen in seiner Erwartung betrogen. Frau van Senden sprach zwar offen, aber mit Vorsicht. Sie vermied jede Andeutung in Bezug auf die erfolgten Auseinandersetzungen, bestritt aber auf das Entschiedenste die Möglichkeit, daß Kran Brandt an Wahnvorstellungen leiden könne. „Nach Ihren Mitteilungen, Herr Generaldirektor", sagte sic endlich im Tone des Bedauerns, ,,würde ich an- nehmen, daß Ihrerseits, vielleicht in Uebereilung, ein Wort gesprochen worden ist, das einen unerwarteten Ein druck aus die junge Frau gemacht und die Befürchtung in ihr wachgerufen hat, daß man sic der Freiheit zu be- rauben beabsichtige. Dadurch ließe sich sehr wohl ein Angstgefühl erklären, wie es durch ihr Entweichen znm Ausdruck gelangte, ohne daß man damit eine krankhafte Geistcsrichtung in Verbindung zu bringen nötig haben würde. Meiner Ansicht bedarf Frau Brandt vollkom mener Beruhigung in einer gewohnten angenehmen Um gebung. Durch das Untcrbringen in einer Heilanstalt würbe sicherlich ein Zustand hervorgeruscn werden, der gegenwärtig nicht vorhanden ist." Frau van Sendens Worte hatten sichtlich Eindruck ge macht, und Josef Brandt auch beruhigt. Die verzogen«, eigensinnige kleine Fran war vielleicht nicht ganz so unbe sonnen, wie er befürchtet, sondern hütete sich, eine Kugel in- Rollen zu bringen, die einen seine Laufbahn ver- nichtenden Weg hätte nehmen müssen. Vielleicht handelte er klüger, wenn er Fran van Sendens Rat befolgte, und noch einmal den Versuch machte, Lisa durch Milde zu be einflussen. Doch dieser Gedanke war so schnell aufgegeben, als er in ihm lebendig geworden. Indem er sich der Zeit er innerte, die er mit ihr seit dem Tage verlebt, au dem sie durch einen unseligen Zufall den Tod Peter van Sendens in Erfahrung gebracht, sah er jede Hoffnung auf einen Ausgleich erlöschen. Er oder sie. Und da war auch wieder das unheimliche Gespenst, das sich riesengroß er hob, indem er die Möglichkeit erwog, daß Wilm van Senden und sie gemeinsam ihm den Untergang bereiten würden. Nein, nicht eine Möglichkeit galt es mehr zu erwägen. Seine erbittertsten und gefährlichsten Gegner hatten sich verbündet. Mochte diese Frau, die ihm so hochmütig und unnahbar gcgcnüberstand, die Wahrheit gesprochen haben, mochte sic nichts über den Verbleib der jungen Frau und ihre Beziehungen zu der Familie van Sen den wissen, Einen gab es in diesem Hause, der genau über alles unterrichtet war, was mit Lisa Brandt im Zusammenhang stand. Joseph Brandts Gesicht hatte vorübergehend einen müden, schlaffen Ausdruck angenommen, aber nickst länger, als er nötig hatte, sich der Gefährlichkeit seiner Lage voll bewußt zu werden, wenn seine bereits über wunden gewesenen Befürchtungen nun trotzdem als be gründet sich erweisen würden. In diesem Falle mußte jedes Zögern, jede Unschlüssigkeit ihm zum Verhängnis werden. Noch war er der Alte. Mit einem verbindlichen Lächeln dankte er Frau van Senden, nachdem sie ihm noch ihr Bedauern ausgcdrückt, daß es ihr nicht möglich sei, auch nur eine Vermutung auszusprechcn, wohin Frau Brandt sich gewendet haben könne, ihm eine Nach forschung zu erleichtern. Er verzichtete auf eine Be gegnung mit Wilm van Senden, überzeugt, daß sic genau so fruchtlos verlaufen werde, als die gegenwärtige. Weit konnte die Entflohene nicht gekommen sein, und dem Generaldirektor Brande standen wahrlich Vülfs- quellen in der Stadt und Umgebung von Johannesburg genug zur Verfügung, seine entlaufene Frau ausfindig zu machen. Nachdem er sich von Frau van Senden verabschiedet, begab er sich zunächst nach dem GouverncmentSplein, um mit dem Landdrost für Kriminalsachcn persönlich Rück sprache zu nehmen und um sofortige umfangreiche Maß nahmen zur Wiedererlangung einer Geisteskranken zir bitten. Er konnte dabei nicht Unterlasten, -en Landdrost daranf aufmerksam zu machen, daß die Vermutung, Jvnthccr Wilm van Senden habe bei dieser peinlichen Angelegenheit die Hand im Spiele, nahe liege, und es vor allen Dingen angebracht sein würde, jeden Schritt dieses Mannes auf das Sorgfältigste zu überwachen. „Sie wollen keine Rücksichten auf Kosten nehmen, Herr Landdrost", fügte der Generaldirektor hinzu, nach dem der Beamte seine Notizen gemacht, „ich stelle Ihnen jede beliebige Summe zur Verfügung. Ich selbst werde mich unverzüglich auf das Telegraphcnbureau begeben, einige Depeschen an Privatpersonen aufzuliefern, und dann die Presse von dem Vorfall in Kenntnis seyen, nm dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf den Fall zu lenken." „Von Wichtigkeit würde wohl die Beschreibung von der Bekleidung der Dame sein", bemerkte der Landdrost. „Würden Sie nicht die Güte haben, Herr General direktor?" „Oh, sie trägt eine auffallende Toilette: graue Seide mit rotem Ausputz und passendem Hut. Sie muß ge sehen worden sein. Wenn die Nachforschungen mit der nötigen Energie in Angriff genommen werden, so kann es nicht fehlen, daß man ihrer bald habhaft wird." In der fünften Nachmittagsstunde wiederholte Generaldirektor Brandt seinen Besuch bet dem Land- droslen, konnte aber keinerlei Aufschluß erlangen. Weder von einem Mitglied der Stratzenpolizei, noch von einem Anwohner der Villa van Senden war im Laufe des Vormittags eine Dame in der beschriebenen Toilette gesehen worden. Auch durch die Beamten der von Doornfontein Uber die Eisenbahnbrücke und die Pro menade führenden Trambahn hatte man keine Auskunft erlangen können, obwohl angenommen werden mußte, daß die Flüchtige, wenn sie dieselbe nicht benutzt, doch den gleichen Weg gegangen, und in ihrer Toilette ge sehen worden war. Für den Generaldirektor Brandt bestand kein Zweifel mehr, daß Wilm van Senden, der Bundesgenosse Lisas, Mittel und Wege gefunden, sie vor seinen Nach- forschungen in vollständige Sicherheit zu bringen. Die Bedeutung eines solchen Umstandes lag offen vor ihm und steigerte seine Unruhe zu einer unerträglichen Qual. Wie hatte er diese Frau unterschützt! Verblendet von einer sinnlosen Leidenschaft, die ihn fortgerissen, lieh er nur zu willfährig den Vorstellungen seines Busenfreundes, Egnatius van Senden, sein Ohr und willigte, als der Bcrginspcktor van Senden ihm die Hand seiner jugendlichen Tochter versagt, in einen Be trug, der, wenn er aufgedcckt wurde, ihn um alles bringen würde, dem er Wert beigelegt. Und diese Ge fahr lag jetzt nahe. Warum hatte er nur den Einflüsterungen von Männern Gehör gegeben, deren Charaktereigenschaften ihn angcwidert, wenn auch pekuniäre Vorteile ihn wiederholt veranlaßt, einen Weg mit ihnen zu gehen? Wie leicht ausführbar war ihm eines Tages ein Plan entworfen worden, der dazu dienen sollte, ungcmcffenen Reichtum in Egnatius van Sendens Hand zu vereinen! Nur die Gier nach Gold hatte alle Handlungen dieses Mannes geleitet. Joseph Brandl durchschaute seit kurzer Zeit klar ein Netz der Intrige, wie er nie zuvor ein ähnliches erblickt, obwohl er inmitten eines Kreises von Menschen gestanden, welchen die Sucht, Schätze zu er werben, jede Rücksichtnahme auf das Glück und Wohl ergehen anderer verbot. Und er selbst hatte daran mit gewirkt! Wie jammervoll kurz aber war der Traum von einem Glück gewesen, das er durch ein Verbrechen sich erkauft! Das kleine, unbedeutende Geschöpf, das er auf den Händen hatte tragen wollen und das anscheinend ein volles Ge nügen in einem Leben bunter, geselliger Abwechselung gefunden, verwandelte sich in demselben Augenblick in seinen bösen Geist, als es den gewaltsamen Tod Peter van Sendens in Erfahrung gebracht. Es war indessen zwecklos, über Möglichkeiten nach- zudenkcn, die eine derartige unglaubliche Wandlung in dem Wesen seiner jungen Gattin bewirkt. Daß er sich dabei betraf, mochte er wohl als ein Zeichen von Schwäche anschcn, die ihm verhängnisvoll werden konnte. Nur ein rücksichtsloses Vorgehen würde ihn vor der Gefahr retten, die Mühe und Arbeit vieler Jahre prcisgcben zu wüsten und sich wohl gar der Lächerlichkeit anhcimfallcn zu sehen. Denn lächerlich war cS, daß er, der alternde Mann, aus Leidenschaft ein Werkzeug Ge» wisienloser geworden war. Nichtsdestoweniger wollte cS Joseph Brandt nach den vergeblichen Anstrengungen des Tages, die auch auf sein physisches Wohlbefinden einen schlechten Einfluß auS« geübt, nicht gelingen, der „moralischen Anwandlungen" — wie er spottend seine selbstquälerischen Betrachtungen
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