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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020701029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-01
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Ahr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr, Anzeigen sind stets an dle Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 328. Dienstag den l. Juli 1902. 96. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Juli. AuS dem vom „Wolff'schen Telegraphen-Bureau" ver öffentlichten Wortlaute der Telegramme, die anläßlich des Unterganges deö deutschen Torpedobootes „8. 42'' und des die englischen Gäste auf diesem Fahrzeug betreffenden letzten Befehles des Leutnants Rosenslock von Rhoeneck Zwischen König Eduard von Großbritannien und Kaiser Wilhelm II. gewechselt worden sind, ergiebt sich, daß beide Telegramme in englischer Sprache abgcfaßt waren. Das giebt den „Berl. N. N." Anlaß zu folgender Auslassung: „Betreffs der Form muß energisch die Hoffnung aus- gesprochen werden, Laß die Ausschließung der deutschen Sprache beim Wechsel von Kundgebungen zwischen dem deutschen Kaiser und ausländischen Staatshäuptern nicht Uebung wird, wie das allmählich zu ganz entschiedenem Mißvergnügen durchaus dculschfühlender, aber keines wegs nörgelsüchtiger Patrioten einzureißeu scheint. Kaiser Wilhelm hat sich u. A. in letzter Zeit an den Präsidenten der Ver einigten Staaten sowohl wie an den König von England in englischer Sprache gewandt; Beide haben nicht etwa in deutscher, sondern in englischer Sprache geantwortet. Nun hat König Eduard bei seiner jetzt vorliegenden Kundgebung, wo er als Erster die frühere besondere Höflichkeit des deutschen Kaisers hätte erwidern und in deutscher Sprache an diesen sich wenden können, Las nicht gethan. Wir bedauern, daß Kaiser Wilhelm trotzdem noch in englischer Sprache geantwortet hat. So viel Selbstbewußtsein, wie die Engländer und Amerikaner haben, dürfen und müssen wir auch pflegen, und Kaiser Wilhelm pflegt sonst in dankenswerthev Weise der Erste zu sein, der für deutsches Wesen und deutsche Gesinnung eintritt." Als Entschuldigung für König Eduard dafür, daß er trotz der Gepflogenheit unseres Kaisers, an die britische Majestät in englischer Sprache sich zu'wenden", bei seiner letzten Bei leids- und Dankeskundgebung nicht der deutschen Sprache sich bediente, darf wohl seine schwere Erkrankung gelten. Jedenfalls hat Kaiser Wilhelm, als er in englischer Sprache antwortete, angenommen, König Eduard sei nicht in einer Ver fassung, die ihn an die internationalen Höflichkeitsformcn denken lassen und zum Gebrauch und zum Berstäudniß einer anderen als seiner Muttersprache befähigen könne. Wenn, was wir lebhaft wünschen, sein Befinden sich gebessert haben wird, wird er sich wohl des ihm von unserem Kaiser ge gebenen guten Beispiels wie der ihm erwiesenen Rücksicht be wußt werden und dadurch zugleich den Herrn Präsidenten der Vereinigten Staaten darüber belehren, was der deutsche Kaiser um so mehr verlangen darf, als er eS selbst übt. Die prcutzischcn Polen wissen, was sie der deutschen Ecntrnmspartci bieten dürfen, und darum bringen sie ihr gegenüber eine im Circus mit Vorliebe angewandte Methode zu Ehren, indem sie das Centrum bald mit der Peitsche, bald mit Zuckerbrot behandeln. Die polnische Peitsche ist jüngst in Gestalt eines Artikels des „Kuryer Poznansli" dem Centrum so fühlbar geworden, daß aus den parla mentarischen Kreisen der klerikalen Partei wiederholt scharfe Abwehrartikel veröffentlicht wurden. Inzwischen hat daS Polenthum zum Zuckerbrode gegriffen, um das aufgeschreckte Centrum zu beruhigen. Es geschieht das aber mals in einem „Kuryer"-Artikel, der die alte Verständigung zwischen Polen und Centrum in der Weise ihrem vollen Um fange nach wieder Herstellen will, daß er die unbedingte Auslieferung der deutschen Katholiken in Posen, Westpreußen und Schlesien an das Polenthum verlangt, während er auf der anderen Seite die nationalpol irisch en Ansprüche derPolen in Berlin und in Westdeutschland nur bedingt durch gesetzt wissen will. Diese Absicht kleidet der „Kuryer" nach einem Hinweise auf den gegenwärtigen „Culturkampf" in Posen in solgende Worte: ,,Jm Osten Les Reiches und hauptsächlich in Schlesien, Westfalen und in Berlin besteht infolge der gerechten (!) Abwehr der Polen eine größere Reizbarkeit in Sprachenfragen, die die Kirche berühren. Diese Reizbarkeit rüst mitunter schwer zu lösende Dilemmas in der Emigration hervor, wo cs trotz bestem Millen nicht leicht sein wird, die erklärlichen Forderungen der Polen zu befriedigen. In Westpreußen und Schlesien aber ist es eine ernste und ausführbare Pflicht der deutschen katholischen Kreise, sich darum zu bemühen, Laß Alles beseitigt werde, was der Repräsentation der katholischen Idee, in welcher Form auch immer, Len gerechten und natürlichen Wünschen der polnischen Bevölkerung gegenüber sich entgegenstellcn könnte." Man siebt hieraus, daß die Polen nur in Bezug auf Berlin und Westdeutschland vor der Hand Nachsicht üben wollen, währenb sie im Uebrigen auf der bedingungslosen Durchführung ihrer natioualpolnischcn, in ein kirchliches Ge wand gekleideten Bestrebungen bestehen. Mit welcher beinahe naiven Offenheit dabei religiöse und großpoluiscke Zwecke identificirt werden, gehl anS der Art hervor, wie der „Kuryer" das päpstliche Wort „Geht unter bas Volk" auslegt: „Geht unter das Volk, d. b. sprecht in der Sprache des Volkes, ehrt seine nationalen Sitten, seinen nationalen Geist, seine berechtigten Wünsche und Gefühle . . . Vergeßt nicht, daß die Missionare, die nach Ckina gehen, chinesisch tcrn«»>, d.« ckineslscye Tracht anleg!-n. die nationalen Eigeu- thümlichkeiten der Chinesen achten ..." — Nach der Aus fassung deS „Krnyer" sieben also die polnischen Katbolikcn den deutschen ebenso fern, wie die Chinesen dem europäischen Missionar! Und mit solchen maßlosen Uebertreibuugen, mit solchen Finten in Bezug auf die „Repräsentation der katho lischen Idee" gewinnt ter „Kuryer" die Zustimmung der „Köln. VolkSztg.", weil er erklärt, die bestehenden Streitigkeiten mit dem Centrum nicht verschärfen, sondern mit allen Kräften eine Einigkeit herbeisübreu zu wollen. Natürlich feblt trotz dieses scheinbar friedfertigen Entgegenkommens nicht ein vor sichtig formulirter Hinweis darauf, daß die Polen sich auf die Seite des katholischen polnischen Volkes stellen müßten, wenn das Centrum nicht zusammen mit ihnen für die gerechten Forderungen der polnischen Katholiken einträte. Da Graf Ballestrem kürzlich Veranlassung nahm, Liese „gerechten" Forderungen zu den seinigen zu machen, so ist vollkommen klar, wohin die Reise des Centrums nach dem Willen seiner Führer gehen soll: ins polnische Lager, damit dem Centrum Wahlschwierigkeiten in einigen Wahl kreisen erspart bleiben. Als Waldeck-Rousseau nach dem für ihn so erfolgreichen AuSgange der Leputirteuwahlen trotzdem von seinem Amte zurücktrat, wurde alsbald die Vermulhung rege, daß er sich für eine noch höhere Stelle, als die eines Ministerpräsidenten, nämlich für die Präsidentschaft der französischen! Republik frisch halten wolle. Daß der Gesundheitszustand Waldeck-Rousseau'S jedenfalls nicht so ungünstig ist, baß er aus diesem Grunde hätte sein Amt niederlegen müssen, er giebt sick schon daraus, daß er wenige Wochen nach seinem Amtsrücklritle eine Einladung des Königs von Schweden und Norwegen zur Jagd annehmen konnte. Herr Waldeck- Rousseau oder vielleicht seine Freunde haben sich jedensalls beeilt, diese wichtige Thatsache der Welt mitzutheilen. Die Franzosen sind zwar strenge Republikaner, aber es schadet in ihren Augen keinem ihrer Landsleute, wenn er der Freund schaft eines gekrönten Hauptes gewürdigt wird. Waldeck- Rousseau hat während seiner langen Amtszeit natürlich Gelegen heit gehabt, Beziehungen zu sehr hochgestellten Persönlichkeiten anzuknüpfen, und wenn er diese Beziehungen pflegt, so wird ihm das sicherlich nickt zum Nacktheit gereichen, wenn er dereinst um die Präsidentschaft der Republik candibirt. Falls er wirklich diesen Ehrgeiz besitzt, so konnte er gar nicht ge schickter verfahren, als er es gethan hat. Je länger er Minister präsident blieb, desto mehr Feinde mußte er sich machen. Zudem mußte er trotz ter für ihn günstigen Zusammensetzung der neuen Teputirtenkammer doch immerhin mit der Möglichkeit rechnen, daß früher oder später sick bei irgend welcher Gelegenheit eine Mehrheit gegen ihn zusammeufände und daß er dann unfreiwillig den Ministersessel verlassen müßte. Es ist aber natürlich ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Nimbus eines Staatsmannes, der unter den günstigsten Umständen und im vollen Besitze der Macht freiwillig von seinem Amte zurücktritk, und im geminderten Ansehen eines gestürzten Ministers. Sollte sich der Ehrgeiz Waldeck-Rousseau'S erfüllen — und der Präsidentensessel könnte ja vielleicht auch schon vor dem ordnungsmäßigen Ablaufe der Amtszeit Loubel's frei werden —, jo würde Waldeck-Rousseau der erste regierende Präsident der französischen Republik sein. Der erste Präsident, Thiers, hatte zwar auch das Zeug dazu, aber er halte unter so ungeheuer schwierigen Verhältnissen seines Amtes zu walten, daß er nach kaum zweijähriger Thätigkeit zu- ' ücktretcn mußte. General Mac Makon war ein braver Soldat, aber in hohem Grade beschränkt, und noch heule erzählt man aus seiner Präsidcntenschaft Anekdoten, die an „Serenissimus" erinnern. Sein Nachfolger Jules Grevy war ein Mann, der mehr an seinen und seiner Familie Geldschrank dachte, als an eine energische Handhabung des Staatssteuers; Sadi Carnot war eine vornehme, aber passive Persönlichkeit, Casimir Pürier hatte nach einem halben Jahre die Präsi dentschaft satt, Felix Farne war so erfüllt von seinen Eitel keiten und Narreteien, daß er gar nicht merkte, wie er, während er sich einbildete zu regieren, eine Puppe in der Hand von Intriganten war. Loubet endlich, der nach seiner Rückkehr aus Petersburg in seiner Dünkirchener Rede an deutete, daß er nunmehr selbst der inneren Politik eine gewisse Richtung geben möchte, bekam alsbald von der Kammer einen derartigen Nasenstüber, daß er, der eine phlegmatische und friedliebende Persönlichkeit ist, Wohl für seine weitere Amtszeit auf jede energische Initiative verzichten durfte. Waldeck-Rousseau wäre freilich nicht der Mann dazu, sich durch einen solchen Nasenstüber gleich ab schrecken zu lassen. Er bat wäbrend seiner Minister präsidentschaft noch ganz andere Stöße auSzehalten und würde sicherlich als Präsident der Republik, der während seiner siebenjährigen Ämtsperiode ja nicht gewaltsam herausgeworfeu werden kann, den Kampf mit einer wider- spänstigen Kammer nicht so schnell aufgeben. Freilich min dert diese seine den Deputirten ja sattsam bekannte Eigen schaft der Energie und Hartnäckigkeit seine Aussichten nicht unerheblich, denn da er von den Deputirten und dem Senate zu wählen wäre, so ist es fraglich, ob die Parlamentarier die Hand dazu bieten, sich selbst einen strengen Herrn über sich zu setzen. Für das Land freilich wäre es das größte Glück, wenn einmal ein Mann von Initiative und Thatkraft, der zugleich ^ein zuverlässiger Republikaner ist, die oberste Stelle vom Staate erlangte. Die Nackrichtenspalten der Londoner Blätter sind voll von der Erneuerung des Dreibundes. Der Berliner Ver treter des „Standard" bestätigt, daß der neue Vertrag in keinem einzigen Worte von dem früheren abweiche, daß weder außerhalb noch innerhalb desselben geheime Vereinbarungen beständen und daß der Vertrag wie früher ein Schutzbündniß der Theilhaber ohne irgendwelche Bindung für die Mitglieder bezüglich des Standes ihrer Heere bleibe. Im Leitartikel bemerkt der „Standard": Wenn die Franzosen die französisch italienische Annäherung, das österreichisch-russische Balkan abkommen und alles Unheil betonten, das voraussichtlich durch die deutschen Agrarier verursacht werden dürfte, so entstellten sie einfach das Wesen des Dreibundes unter der Andeutung, er sei ursprünglich eine Angriffsdrohung gewesen. Falls man aber auch darüber hinwegsehen wollte, daß die betheiligten Mächte daS Gegentheil versichern, so bleibe doch die neuere Geschichte als der beste Beweis bestehen, daß die Ziele des Dreibundes stets friedlich gewesen seien. DaS dem Grafen Bülow zukommende Lob für seinen Erfolg, den er mit der Erneuerung des Bundes davongetragen habe, fei umsomehr verdient, als eine große deutsche Partei ihr Bestes gethan habe, ihm die Erhaltung der Freundschaft mit Oesterreich so schwer wie möglich zu machen. Möglicherweise würde die Vorliebe der Oesterreicher und Ungarn für einen engen Zusammenhang mit dem deutschen Reiche stark ab gekühlt werden, falls es den Agrariern gelänge, eine Ver minderung der Getreideeinfuhr aus Oesterreich-Ungarn herbei zuführen. Allein derartige Annahmen feien leicht zu über treiben. Schließlich sei doch der Dreibund nicht gegründet worden, um Märkte zu erobern und den Handel zu fördern, sondern um einen m lllä-ijckeu Schutz ",u .-.»«< muru Di imm er auck cas " <>--.k:al der deutsLM Ta:'^wr!a>. 'rib möge, die M-'chie würden cie stärksten Bcw-Mrüydr behalte«, einander bei.ustch-w C.a ocn . uern Ge'n-gthunugis. gebender Sc.-n-zoll könnte Deutschlands Nackba'u sch-rtngea «uv zu Vergeltuu füinen '(. "eien c'r: bsteb-'- durch die Ru i b." ' rn dar<» »f a wiesen, gegen fremde Angriffe zusammenzuyarrcn. ^rankrerch und Rußland sei eS möglicher Weise mit ihren FriedenS- absichten Ernst, sicher hätten beide die stärksten finanziellen Gründe, den Krieg zu vermeiden. Allein die zwischen ihnen liegenden Völker könnten sich doch nicht gestatten, sich auf die Dauerhaftigkeit einer solchen Mäßigung und Klugheit zu ver lassen. Deshalb sei der Dreibund erneuert worden, deshalb trage er zur Erhaltung des Friedens bei, weil er den Krieg höchst gefährlich mache.; Aehnlich äußern sich „Times", „Daily Graphic", nur weniger freundlich gegen Deutschland. Feuilleton. Susanna. 6j Roman von B. Herwi. Nachdruck verboten. Ja, es war ein wundervoller Tag, vom Herbst noch nichts zu spuren. Vater und Tochter promenirtcn ge mächlich den Morgenwcg zum Louvre. Auf den Boulevards reges Leben und Treiben, Rasseln der Wagen, Plaudern und Lachen der hastenden Menge. „Laß die Arbeit heute sein, Suse", bittet er. „Siche, diesen herrlichen Morgen; wir wollen irgend wohin ins Freie fahren, ein Stück die Seine hinauf, wenn Du willst, oder ins Bois, wo cs um diese Stunde so einsam und schön ist, wie Du es liebst. . . . Bärenholm kommt ohnehin nicht, er hat Erlaubniß bekommen, einer Probe im Thüatre franyais beizuwohnen. Cvquelin selbst führt ihn ein. Laß Deinen alten Vater nicht allein . . ." Er mar bei einer Blumenhändlerin stehen geblieben und kaufte der Tochter duftende Blllthen, weißen Flieder und gelbe Nelken. . . . Sich selbst wählte er eine Gar denie aus und steckte sie ins Knopfloch. Noch einmal suchte er seine Uebcrredungskunst vor: „Sich' nur, wie die goldene Sonne lockt. . . . Dazu der wolkenlose, blaue Himmel." „Beides kann ich heute besonders gut zu meiner Arbeit gebrauchen, Papa. . . . Hier trennen sich wohl unsere Wege. . . . Also auf Wiedersehen im Hotel . . „Und wo nimmst Du das Dvjeuner, Suschen?" „Ich habe zu heute dem Fürsten versprochen, irgendwo mit ihm in der Nähe zu speisen . . ." „Sich' einmal, Kleine, wie selbstständig Du geworden bist, wie emancipirt; eine richtige Künstlerin. Das lieb' ich. . . . O, Du wirst Deinen Weg schon machen." Eynisch lächelnd drehte er sich eine Cigarette und ging seinen Pfad allein weiter. „. . . Wird ihren Weg schon machen", wiederholte er leise im Selbstgespräch. „Ihretwegen brauche ich mir keine Sorgen zu schaffen; ist ein braver Kerl, nnd ich bin auch nicht verloren, wenn ich nur erst recht will. Ist zwar viel Geld drauf gegangen, verteufelt viel. Spiele mit seltenem Pech, und die kleine Jeanette ist auch kost spielig. . . . Ah, bah. . . . ^pres moi Io ckölugo . , , vivo la joio ot Io xilaii-ir. Und überdies wäre Susann« eine Närrin, wenn sie nicht einen von Beiden nehmen würde. Mit ein Bischen Cvquetterie Hütte sie ja den reichen Russen längst gekapert. Das sieht man ihm doch an, daß er sich gar zu gern nicht nur durch die Kunst möchte trösten lassen. . . . Und wiederum, Bärenholm glüht vor Eifersucht. . . . Wenn sie klug ist, braucht sie sich nicht mehr lange um den ostprcußischcn Büren zu härmen. . ." Und pfeifend, rauchend, Pläne machend, schritt er weiter, hier und da einer chiken Dame nachblickend, die Rolle eines echten Pariser Flaneurs mit großer Verve durchführend. Auch Susann« war schnell ihrem Ziele entgegen gewandert. Die zierliche Gestalt in dem eng anschließenden, ivcit- ärmcligeu Paletot hob sich anmnthig hervor. Auf dem braunen, glatt gescheitelten Haar trug sie ein fast schmuck loses, niedriges Filzhütchen. Nichts in ihrer äußeren Erscheinung war auffallend, und doch wurde sie viel an gesehen, bewundernde Blicke trafen sic besonders, wenn sie vor der Staffelei stand. Dabei war nichts Emanei- pirtcs in ihrem Wesen, angenehm und sympathisch war jede Bewegung, echt mädchenhaft und bescheiden. Den noch fühlte sie es und sprach cs auch aus, daß die ernst hafte Ausübung einer Kunst selbstständiger, freier mache, freier in Anschauungen, auch wohl in Gebräuchen, daß inan mit manchen Vorurtheilen, die das häusliche Leben, die Gesellschaft gezeitigt, brechen müsse, ohne dadurch die Sitte mit ihren Geboten zu verletzen. Bürcnhvlm hatte versucht, wohl besonders ans persön lichen Gründen, sie in ihrem freundschaftlichen Verkehr mit Woronsow einzuschränken. „Sie haben ja Recht, liebe Suse", hatte er noch am vergangenen Abend gesagt, als sie ihm mit einem Dichter wort begegnet war, bas lautete: „Unabhängigkeit in der Pflicht giebt Freiheit, und nach Unabhängigkeit will ich ringen, das soll mein Lebens ziel sein." Mit den Worten Goethe's hatte er geantwortet: „Nach Freiheit strebt der Mann, Das Weib nach Sitte." „Das dürfen Sic nie vergessen." Sie dachte an diese kleine, kurze Unterredung, als sic jetzt weiter schritt, aber sie fühlte, sie hatte sich keinen Vor wurf zu machen, wenn sie mit dem wett älteren Woronsow, der überdies noch im Bann seiner tiefen Trauer lag, viel zusammen war, mit ihm ausfuhr, sich von ihm.»um De jeuner führen ließ, in ihrer Empfindung war es mehr das Verhältnis; des Vaters zur Tochter, des Arbeitgebers zur Ausführenden, . . . wie sonderbar, daß Bärenholm dies nicht gelten ließ. . . . Später wie gewöhnlich traf sie in der Gemäldegalerie ein. Es war ihr seltsam beklommen ums Herz, die Sonne mit den fluthenden Strahlen hatte es doch noch nicht ver mocht, ihr die Seele rein und klar zu machen, sic athmete tief und bang, als hätte sie das Gefühl eines nahenden Unheils. Aber — daran gewöhnt, sich zu zwingen, Träumereien keine Uebermacht zu gestatten, warf sie auch jetzt, ihr Werk beginnend, alles Beengende tapfer von sich und fing resolut an zu malen. Ah . . . wie die Sonne ihr heute half, wie der Glanz sich auf die braun-goldenen Haarwellen legte und ganz neue Lichter der Farben hcrvorzanbertc, .... wie der Pinsel hin und her flog, energisch von der jungen Hand geführt, Stnudcn lang kaum ruhend, bis dann plötzlich eine kleine Ermüdung eintrat. Ohne Störung hatte sie schaffen können, Bärenholm war zur Probe, Woronsow wollte erst später kommen, ah . . . heut' würde er sich freuen können, heut' war der Farbenton da, nach dem sie so lange vergeblich gesucht . . . Umschwirrt von Sprachen der verschiedensten Nationen, hatte die fleißige Susanne auf ihre Umgebung gar nicht Acht gegeben,. . . jetzt, da sie ein Weilchen ausruhend vor der Malerei saß, schreckte sie plötzlich auf. . . deutsche Laute schlugen an ihr Ohr. . . was war das. . ., welche Stimme. Ein Gespräch über Naturalismus und Idealismus in der Malerei wurde geführt, Murillo, vor dem die Sprechenden wohl standen, ward als der bezeichnet, der Beides glänzend in sich verschmolzen. „Eine solche Klarheit, Begeisterung im Ausdruck . . ." „Tageslicht und Glorienschein verbunden, Gassenbuben und Madonnen in gleicher Vollkommenheit. . ." Susanne hörte die wohlklingende Männerstimme, sie wendet sich aber nicht nm, sie sitzt wie erstarrt, Palette und Pinsel krampfhaft festhaltcnd. Nur im Herzen klopft es wild, nnd nun ifl's ihr, als werde die Hand direct von diesem Blutstrvm geleitet, und müsse sich dort auf der Malerei hin und her bewegen . . . unwillkürlich hat sic sich erhoben . . . und lauscht den verhallenden Worten. . . Es ist im Saal fast leer. . . jedes nicht ganz leise ge sprochene Wort der Beschauer ist zu hören. „Wie gut, daß wir um diese Zeit gekommen sind, liebe Selma, jetzt hat man doch Genuß vom Betrachten . . ." Es ist dieselbe sonore Stimme, eine weibliche, spitze antwortet müde: „Und doch bin ich schon abgespannt, lieber Mann, Trepp auf, Trepp ab, erst die Sculpturen, man müßte es besser eintheilen, . . . dabei imponiren mir Deine Kenntnisse wirklich. Wo hast Du die nur her'? Ein Gardeofficier und Landedclmann pflegt sonst nicht so in die Mysterien der Kunst eingedrungcn zu sein . . . beichte, lieber Achim." „Was wird er sagen, was wird er sagen? . . So pocht es in ihrer Brust, bewegungslos steht sie vor der Staffelei. „Du weißt ja, Selma, daß Grita lange in der Kunst schule war und dann . . . mein Interesse . . ." „Aber rede Dich doch nicht aus, Männchen, ich weiß ja natürlich Alles, wollte Dich nur ein bischen quälen . . . von damals, aber gewiß. . . von damals. . ." Nun standen die Beiden dicht hinter Susanna. .... ein Blättern im Katalog . . . „490 ... ah, ein flämisches Motiv, schön, bildschön . . ." „Und die Eopie brillant", flüsterte die Dame. „S . . ." machte er leise, er wollte die Malerin nicht stören. „Sich' nur das Sonnenlicht, das eben auf die Haar wellen fällt, man weiß in der That nicht, ob echt, ob ge malt . . ." Der feine Parmaveilchenduft umwehte Susanna, sie hielt den Kopf znr Seite gesenkt. Jetzt warf der Beschauer einen Blick auf die Malerin, er stutzte. . . . Dies glattgescheitelte Haar, tief im Nacken der lose gewundene Knoten, von einem goldenen Pfeil durchstochen ... die zierliche Gestalt, nur ein Stück Profil, dunkelroth bis zu den kleinen Ohren . . . Sic wischte verlegen den Pinsel aus, o daß sie hätte fliege» können, fort von diesen Beiden, nicht mehr die tiefe, klangvolle Stimme zu hören, nicht die unsympathische der Frau. . . . Nun huschte es aber wie ein Wirbelwind um die Ecke des Saales. . . . „Ah, endlich habe ich Euch doch gefunden", rief cs . . . „Gottlob, die Mama ist befördert, sic fuhr im Wagen ins Hotel, das war vieb'zn anstrengend für sic . . . aber wen oder was habt Ihr denn da?" Ein schneller Blick, ein freudiges Rufen. . . r
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