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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020702013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-02
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Die jüngsten Verhandlungen tm norwegische» Storthing und im schwedischen Reichstage, die Ablehnung des auf die Erklärung der Neutralität abzielenden Antrags im Letzteren, sowie die Erklärung des leitenden Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Schwedens und Nor wegens, Lagerhetm, das; die Reichsregtcrnng die strengste Neutralität aufrecht zu erhalten und sich von jeder Einmischung in die Streitigkeiten fremder Völker fern zu halten entschlossen sei, lassen einen Blick auf die ungeachtet dieser Erklärung bestehenden Besorgnisse und auf die Nüslungeu Norwegens von Interesse erscheinen. «Vast gleichzeitig mit jener Erklärung hat der nor wegische Storthing 3'/? Millionen Kronen für außerordent liche LandeSvcrthcidigungszwccke bewilligt, und zwar handelt es sich dabei um die Ausführung eines vom nor wegischen Gcneralstab ausgearbciteten Plans für ein ncncs Küstcnbcscstigungsstzstcm für den Norden des Landes, namentlich für die an Rußland grenzenden Pro vinzen Finmarken und Tromsö und deren wichtige Punctc: Narvik lVictoriahavns, Vardve und Hammerfcst, in erster Linie aber um Narvik. Hier schneidet der West fjord mit der Ofvtcnbucht bis zum Victoriahavn fast bis zur schwedischen Grenze tief ins Land hinein und bildet mit dem Tornca-Sce und der ihm entströmenden Tornea- Elf einen in seinem nördlichen Thcilc starken und wichtigen Vcrthcidignngsabschnitt gegen eine etwaige Invasion deS östlichen Nachbarn, während zugleich eine wichtige Ver kehrs- und Industriebahn, die einzige, die das nördliche Norwegen und Schweden durchquert, von Narvik durch den Eisendistrict des oberen Tornca-Thales zum Malmetbergs, dem Erzberge bei Gellivare, und vou dort nach Lulca an die Mündung der Lulea-Elf in den bottnischen Meerbusen führt. Die Besorgnisse Norwegens hinsichtlich seines östlichen Nachbarn bestehen sei langen Jahren und erhielten in neuester Zeit durch die Anlage des russischen Hafens Jekate- rinograd an der benachbarten Murmanküste und die ihr zu Grunde liegenden politischen »nd strategischen Momente, sowie durch die völlige Russifiziruug der altschwcdischen Provinz Finland einen neuen Impuls. Das beharrliche Streben Rußlands nach Zugänge« zu dLp Wel.meeren, sei es mit der Gewinnung des Hafens Port Arthur und dem Fcstsctzen in der Bucht von Kojeda auf.Korea, sei es mit der maritimen Ausgestaltung Wladiwostoks und seinem Vor- gehen in Persien, gelangte in der für Norwegen besonders bedeutsamen Anlage des ihm benachbarten Hafens von Je- tatcrinvgrad zum bedrohlichen Ausdruck. Jener Hafen ist in Folge der Einwirkung des Golfstromes fast ganz eisfrei und nur einige Tage im Jahre von einer nur 5 Centimcter starken, mit den russischen Eisbrechern leicht frei zu halten den Eisschicht umgeben. Er liegt jedoch noch etwa 100 deutsche Meilen vom nordatlantischen Oecan entfernt und die maritime Position Rußlands im Norden würde eine weit günstigere und stärkere werden, wenn dasselbe mit der Gewinnung der norwegischen Provinzen Finmarken und namentlich Tromsö in den Besitz ihrer tief einschneidenden, zum Theil, wie der Ofoten, vortrefflichen Hafcnbuchten gelangte und damit unmittelbar am nordatlan^ t i s ch e n Occan festen Fußfaßte. Der in diesem Falle hier zu stationirende beträchtliche Theil der russischen Flotte würde alsdann von dem Passircn der Ostsee und ihrer fremden maritimen Machtsphären, sowie der Belte und des Sundes befreit sein und die gesammte norwegische Küste und die Hauptstadt Ehristiania weit mehr bedrohen als demnächst, wo nur einige Panzerkreuzer für den Hafen I Jekatertnvgrad bestimmt sind. Da überdies Rußland die Herstellung einer Eisenbahnverbindung zwischen Jekatc- rtnograd und Petersburg plant, so würde die Basirung eines Theiles der russischen Flotte in jenen nördlichen Re gionen wesentlich unterstützt werden und Rußland dort eine Position gewinnen können, die die norwegischen Küsten beherrscht und selbst die maritime Machtstellung Englands tm norbatlantischcn Occan zu mindern geeignet ist. Neigt man doch bereits in manchen Kreisen Englands zu der Annahme, daß in diesen nordischen Regionen das schließliche Geschick der alten Welt, d. h. der Kampf zwischen Rußland und England, seine Entscheidung finden werde. Allerdings würde dies dort eine maritime Entwickelung Rußlands voraussetzcn, die noch auf lange Zeit hinaus ausgeschlossen erscheint; immerhin bilden die Aspira tionen Rußlands in dieser Richtung, das erst 1808 Finland und das mittlere Lappland, sowie die Alands-Inseln von Schweden gewann, umsomehr einen Grund zur Beun ruhigung für Norwegen, als jenes Hauptbestreben der russischen Politik, zu deu Weltmeeren zu gelangen, von ihr mit größter Beharrlichkeit verfolgt wird. Zwar sind die Erpansionsbestrebungen Rußlands zur Zeit und auf lange hinaus auf den äußersten Osten Asiens, sowie in Central- asien gegen Afghanistan und England und mit der Ge winnung von Verkehrswegen und Handelsgebteten in Persien auch gegen dieses gerichtet; seine Interessen sind überdies beständig im nahen Orient und auf dem Balkan engagirt undZarNikolausll.istfriedliebcnd. Allein nichts destoweniger ist man in Norwegen hinsichtlich Rußlands besorgt, und schon lange, bevor die Russifiziruug Finlands begann, hielten die Staatsmänner Norwegens die Mo mente, welche Rußland auf den nordatlantischcn Ocean Hinweisen, scharf im Auge. Schon vor einem Jahrzehnt war die Presse Norwegens voll von Gerüchten und Allarm nachrichten. Es hieß allerdings, daß Norwegen sich nur auf eine akademische Erörterung jener Gefahr beschränke. Dies erwies sich jedoch als unzutreffend. Denn schon seit einer Reihe von Jahren traf die Regierung Norwegens Maß- regeln und practische Vorkehrungen, um jener Gefahr zu begegnen. Ein altes Privilegium befreite seine Bewohner zwischen dem 65. und 71. Breitengrade, und zwar die der Provinzen Nordland und Finmarken, in Anbetracht der Schwierigkeiten, denen ihr Lebcnserwerb unterliegt, und der außerordentlichen Armuth ihre», B<>dc..s rwm Her... dienst. Allein schon 1894 forderten beide Provinzen aus eigenem Antriebe die Aufhebung dieses Privilegiums und heute dienen die Männer Finmarkens und NvrdlandS genau so wie ihre Kameraden im Süden, und diese beiden einem russischen Angriff besonders ausgesetzten Provinzen bilden, jede von einem höheren Officier befehligt, heute be sondere Militärbezirke. Sie sind mit Excrcirplätzen und Unterofficierschulcn ausgestattet und ihre wehrfähige Mannschaft wird alljährlich zu Feldmanövern versammelt. Den Truppen eines den Waranger-Fjord oder die Tana- und Muonio-Elf überschreitenden Gegners würde daher heute sofort die wehrfähige Mannschaft der betreffenden Distrikte cntgegentretcn, und sie würden sich für den Kriegsdienst ausgebildeten norwegischen Truppencorps gegenüber befinden, stark genug, um bei einigem Glück das Feld halten zu können. Obgleich diese Organisation ganz neuen Datums ist, so scheint sie doch bereits völlig leistungsfähig zu sein. Die Finmärker und die Nordländer haben sich ihr mit dem größten Enthusias mus unterworfen und entwickeln in der Erfüllung ihrer militärischen Pflichten regen Eifer. Aber auch die Landgrenze Schwedens Rußland gegen über wurde nicht vernachlässigt, obgleich die Schwierigkeit, die wüsten Strecken des schwedischen Lapplands mit einem Jnvasionsheer zu passircn, als einer der mannigfachen Hindernisse einer russischen Invasion anerkannt ist. lieber den Schutz der Ofvtenbahn, der nördlichsten der Weit, wird heute berichtet, daß an allen gefährdeten Punkten dieser Bahn Befestigungen angelegt werden. Ferner sind in Norwegen ausgedehnte Befestigungen am Eingänge znm Drvntheim-Fjord zum Tvcil bereits angelegt, zum Theil geplant, und nähern sich an der engen Passage des Adge- nes-Fjords, soivic bei Hasselviken und an den Klippen von Bretting bereits rasch der Vollendung. Man nimmt an, daß die nördliche Flottenstativn Norwegens, Drvntheim, dadurch uneinnehmbar gemacht werde. Diese Maßregeln und andere ähnlicher Art wurden vom Storthing allmäh lich veranlaßt. Die innere Politik hatte nichts mir ihnen zu thun. Alle Norweger, mögen sic konservativ oder radi kal sein, stimmen hinsichtlich der Landesverthcidigung mit einander überein, und es wäre ungerechtfertigt, irgend eine Partei oder deren Führer als gleichgillig gegen diese Sicherung hinzustellen. Die Verdächtigung, daß eine russo- phile Partei in Norwegen cristire, muß Jedem, öcr das norwegische Volk kennt, absurd erscheinen. Aufgeklärt, sich selbst regierend und demokratischer Freiheit leidenschaftlich ergeben, giebt eö kein Land in der Welt, wo die Methoden russischerNativnalisirung wenigerAnklang finden würden, als in Norwegen, selbst wenn das nationale Leben und das Vermögen jedes norwegischen Bürgers nicht von der völligen Ausschließung eines so furchtbaren Ein dringlings wie Rußland abhinge. Auch Norwegen wünscht mit allen übrigen Nationen in Frieden und Freundschaft zu leben und streng neutral zu bleiben, wenn sic sich bekämpfen. Es ist sich wohl bewußt, daß die Be schränktheit seiner Hilfsquellen es darauf verweist, nur solche militärische- Maßnahmen zu treffen, deren Ziel die Berthcidigung gegen feindlichen Angriff ist. Diese Maß regeln nehmen jedoch seine beständige Aufmerksamkeit in Anspruch, und Diejenigen, die nicht erkennen, daß Nor wegen vor Allem ein sehr freihcitltebendes Land ist und für seine Unabhängigkeit bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen entschlossen ist, verstehen den Charakter dieses Bergvolkes nicht. In der Tagesprcsse wurde wiederholt auf die Absichten Rußlands auf den Norden Norwegens und die möglichen Gefahren hingewicsen, die dadurch für "mglcn-8 entstehen könnten Dieser Hinweis fand ein Echo in manchen englischen Blättern, die die Aufmerksamkeit aus die gleichzeitig austretendc Behauptung lenkten, daß das Endziel der Russisicirung Finlands die leichte Unter werfung der nördlichen Provinzen der beiden skandina vischen Reiche sei. Tie damit eröffnete Perspective auf das Gelangen Rußlands an den offenen nordatlandischen Occan, sowie aus die Erweiterung und Verstärkung seiner maritimen Machtstellung und wenn auch nicht Bedrohung, so doch Minderung derjenigen Englands erregten hier, wie erwähnt, lebhafte Aufmerksamkeit. Allerdings würde Rußland mit der Gewinnung der Häfen FinmarkcnS und Tromsös seine maritime Stellung bis zum nordatlantischcn Occan hin in bedeutsamster Weise erweitern. Allein jene Gebiete Norwegens sind der Vcrthcidigung vermöge ihrer gebirgischen Beschaffenheit und Unwirthlichkeit, sowie ihrer nunmehr vrganisirtcn Landesverthcidigung so gün stig, daß selbst ein numerisch gewaltig überlegener An greifer dort nur sehr schwer zu reussiren vermöchte. Aehn- liches aber gilt für den Angriff auf die Nordprovinzcn Schwedens. Im Uebrigcn unterliegt ein Landangriff Rußlands auf Norwegen den größten Schwierigkeiten und verspricht sehr wenig Aussicht auf Erfolg. Man befürchtet aber in Norwegen, daß ein Angriff in Folge der viel seitigen Entwickelung des Landes auf allen Gebieten des culturellen Lebens und seines bannt ver bundenen Aufschwunges, sowie seiner heute ver- hältnißmäßig selbstständigen Nolle auf der skandinavischen Halbinsel vor einem solchen auf Schweden und zwar zur See gegen die Landeshauptstadt Christtanta gerichtet sein könne, und man bewilligte daher schon früher r Million Kronen für die Ausgestaltung ihrer Befestigungen Rinn war dabei der Ansicht, der Christianta-Kjord sei durch seine Befestigungen des Dröbek-Sundes und andere so gut vcr- thcidigt, daß ein Gegner, der die Hauptstadt erobern wolle, südlich derselben auf schwedischem Boden landen müsse, um ihre Secbefestigungen zu umgehen, und begann daher, die Flußlinie der Glommen bet Frcderick- stcn, Ocrje, Bro und Kongsvinger zu befestigen. Jedoch treten neuerdings die Befestigungen gegenüber der russi schen Grenze, namentlich in der exponirten Provinz Tromsö, mehr in den Vordergrund. Sv ist selbst im nördlichsten, bisher völlig ruhigen politischen Wctterwinkel Europas der Stoff zur Bildung von Gewitterwolken, wenn auch, wie wir hervorhobcn, vollkommen latent, vorhanden und sind selbst die bis vor Kurzem vom activcnHceresdienste befreiten Bewohner der nördlichsten Küsten des Golfstroms genöthigt, dem allge meinen Rüstungsdrange ihren Tribut zu zollen. Deutsches Reich. /V Berlin, 1. Juli. (ZumCapitel von der Hausindustri e.j Der Bundcsrath hat in den Bcirath der arbcitsstatistischcn Abrheilung des kaiserlich statistischen Amts unter Anderem einen Vertreter Meiningens ge wählt: Rücksichtnahme auf die Sonneberger Spiclwaaren- Jndustrie und die verwandten Industrien war hierfür maßgebend. Die Frage der Hausindustrie in allen ihren Formen drängt der Lösung entgegen. Untersuchungen sind nachgerade genug angestellt. Es kommt darauf an, die von ganz verschiedenen Standpunkten aus gefällten Urtheile gegen einander abznwägen. Während von der einen Seite der Hausindustrie jede Lcbensberechtigung abgcsprochen wird, tritt beispielsweise Dr. pstii. Ernst Rausch, der einem Wunsche der Sonneberger Handels- und Gewerbe kammer nach einer unbefangenen Prüfung der Verhält nisse auf Empschlung des Professor Schmoller nachkam, dafür auf, daß die Hausindustrie gerade in der Sonne berger Spielwaarenfabrikation nicht allein berechtigt und nothwendig, sondern auch lebensfähig sei. Der Concurrenz der Maschinen kann die Handarbeit unmöglich Widerstand bieten. Hausindustrien, die auf einer veralteten Pro duktionsweise stehen geblieben sind, sind unrettbar dem Untergänge geweiht. Das ist aber in der Spielwaaren- branche nicht der Fall. Hier ist noch immer der Hande Kraft der ausschlaggebende Factor. Darum kann sic be stehen bleiben und auf sicherem Grunde sich weiter ent wickeln. Der Weg zum Aufwärtsstreben liegt hier in dem Wcitcrschreitcn zum Kunstgcwcrbe hin. Dann wird auch die Spielwaarcnindustric ihre Geltung als Export industrie behaupten. Wie steht cs mit den anderen Arten der Hausindustrie, mit den selbstständigen Thcilarbcitcru und den Aiistcnarbcttcrn der Fabriken? Nach Rausch s Untersuchungen kann von einem von socialdcmokratischer Seite behaupteten Abgrunde von Armuth, Hunger und Elend gar nicht die Rede sein. Tic Zahlen der Statistik erweisen unzweideutig ein A u f w ä r t s st c i g e n aller E i n k o m m e n. Elend und Hunger sind vereinzelte Er scheinungen. Arbeitsgelegenheit ist im Sonneberger Be zirke in Hülle zu finden. Allerdings sind die Einkommens verhältnisse der hausindustricllen Theilarbeiter fast durch- Fsrrilleton. Das Fuhrwesen Leipzigs vor der Völkerschlacht. Von vr. K u r t K r e b s. Nachdruck verboten. Am 15. März 1813 sandte die Krcisdeputation zu Wittenberg eine Bittschrift an ihre Collcgin in Leipzig, welche die Lage der Elbstadt in den düstersten Farben schilderte und dringend um Hilfe bat. Da die ostelbischen Ortschaften ihres Gebietes an Preußen verloren gegangen waren, so wollte Sc. Durchlaucht der Prinz von Eckmühl wenigstens Wittenberg noch zu einem Stützpunkte ersten Ranges für die französische Herrschaft an den Ufern der Elbe machen. Trotz schreienden Mangels an den noth. wendigsten Lebensmitteln wurden die Einwohner zu den mühevollsten Befestigungsarbeiten gezwungen und die Mitglieder der Kreisdcputation angehalten, auch aus der weiteren Umgebung Hilfe zu verschreiben. Um nicht weniger als fünfzig vierspännige Wagen wurde die Kreisdeputation zu Leipzig begrüßt und um die Gefällig keit gebeten, diese Geschirre auf dem Wege nach Witten berg in Düben auf ihre Kosten mit Palissaden beladen zu lassen. Dieser Nothschrei wurde in Leipzig in einer Art und Weise ausgenommen, die den leitenden Männern jener Tage alle Ehre macht. „So sehr es mir auch an den nöthigen Fuhren fehlt", schrieb nämlich Graf Hohenthal, „zumal da das hiesige Magazin nach Schmiedeberg u. s. w. verfahren werden soll, wohin heute bereits zwanzig vier spännige Wagen abgegangcn sind, auch wohl eigentlich diese Art Fuhren nicht aks Etappenfuhrcn betrachtet werben können, so habe ich dennoch, da es die höchste Noth jener unglücklichen Gegend erfordert, zwanzig vier- fpännigc Wagen, welche zweimal Holz nach Wittenberg fahren sollen und daher sechzig Klaftern htnbringen werden, ausschrciben lassen." Welche Kreise der Bevölkerung unseres Landes stellten wohl diese Unmengen von Wagen? Waren es in gleicher Weise Hoch und Niedrig, wie unsere gerechtere Zeit eS fordern würde? Wurden diese gewaltigen Lasten mehr auf finanziell kräftigere Schultern und weniger auf die schwächeren gelegt? Etwas Auskunft auf diese nicht un- Interessanten Fragen erhalten wir in folgenden Zeilen jenes Schreibens aus der mehrfach genannten Elbstadt: „Selbst die in der Stadt befindlichen Wagen und Pferde, welche gar sticht -en in die Kategorie der Spannpflichtigen gehörigen Besitzern eigenthümlich sind, müßen für die Fortificationsarbciten fahren." Es bestand also bezüg lich der Verpflichtung zu Kriegsfuhren eine Gcthciltheit unseres Volkes in Spannpflichtige und Freie. Aus welchen Schichten der Einwohnerschaft sich jene recrutirten und aus welchen Gründen sich diese berechtigt, ja geradezu verpflichtet fühlten, selbst in so schlimmen Zeiten wie vor der großen Völkerschlacht des Jahres 1813 die Hände in den Schooß zu legen, das bedarf des Wetteren einer Darlegung. Postmeister Clausnitzer in Grimma nennt in einem Schreiben an die Kreisdcputation zu Leipzig vom 17. März 1813 als solche Spannpflichtige „die Pferde haltenden Burger" daselbst und schildert ihre Lage in den dunkelsten Farben, wenn er redet von all- gemeinen -rückenden Zuständen, von häufiger Ein- quarticrung fremder Truppen und schnell auf einander folgenden gewöhnlichen und außerordentlichen Abgaben, vom hohen Preise des Hafers, von den schlechten Straßen der Umgegend, auf denen viel Schiff und Geschirr zu Grunde gerichtet werde, und schließlich nicht nur um end- ltche Zahlung längst verdienter Fuhrlöhne bittet, sondern auch die Erhöhung des Fuhrlohnes für die Zurücklcgung einer Meile von 10 auf 12 Groschen befürwortet. Wir erhalten also durch diese Bitten und Befürwortungen in sofern einen genaueren Begriff von den Spann- pflichtigen, als wir von Löhnen hören, die sie erhielten. Die große Allgemeinheit der Bevölkerung zahlte also Kriegssteuern, und der Spannpflichtige erhielt davon für gethane Dienste seine Entschädigung. Die Berechtigungs- frage, nur Steuern zahlen zu brauchen oder immer und immer wieder Kriegsfuhren leisten zu müssen, ist also noch nicht beantwortet. Besonders gefährlich gestaltete sich die Lage des Leip, ziger Fuhrwesens im Jahre 1818 zur Zeit der furchtbaren Schlacht bei Großgörschen, in der bekanntlich am 2. Mat Napoleon mit 120 000 Mann die verbündeten Preußen und Russen in der Stärke von 85 000 Soldaten schlug. In das in Rötha für die russische Armee zu errichtende Magazin sollten 2000 Scheffel Hafer aus Weißenfels herübergeschafft werden, und hierzu wurden die Spann- pflichtigen der Pegauer Pflege ausgefordcrt. Sie hatten aber soeben ihre Geschirre zu Milttärtransportcu nach Borna stellen müssen, und diese waren nach drei Tagen noch nicht wieder heimgekvmmcn, auch war jeder jener Orte auf das Stärkste mit Einquartierung belegt, welche die Spannpflichtigen in bcklagenswerthcster Weise aus- nützten, und endlich war um des stündlich sich steigernden Geplänkels willen zwischen den sich einander nähernden Gegnern die Unsicherheit so groß geworden, daß jedwede Aussendung von Geschirren mit der Gefahr des Verlustes verbunden sein konnte. Wie gutmüthig war cS angesichts solcher Verhältnisse doch, daß sich jene Spannpflichtigcn gleichwohl bereit erklärten, die von ihnen geforderten Fuhren zu verdingen, „und wenn cs ihren letzten Heller kosten sollte!" Je näher man ihnen stand, desto milder beurthcilte man sie. WäHrend der commandirende General der Rusten, Graf Wittgenstein, bei Verzögerung der Aus- führung seines Befehles, mit 500 zweiipünnigen Wagen unverzüglich in sein Hauptquartier Zwenkau zu kommen, mit einer Strafe von 5 Thalern für ein fehlendes Geschirr drohte, bat Bürgermeister Brückner zu Pegau, „denselben vielmehr mit dem aufgegcbcnen Transport noch einige Tage nachzuschcn, weil diese Leute wirklich unschuldig dazu kämen". Auch der Krcisdcputirtc Major v. Keller zu Leipzig erkannte die überaus üble Lage der Spann pflichtigen jener Zeit an, wenn er geradezu ergreifend schrieb: „Entblößt von Allem, sein Brvdkorn, Futter für das Vieh und großenthetls schon sein Samcngctreide auf gezehrt, bleibt ihm nichts übrig, als ein trostloser, grauen voller Blick in die dunkle Zukunft!" Die von den Spann pflichtigen der Pegauer Pflege erklärte Bereitschaft, die Fuhren verdingen zu wollen, erklärt er für eine Manchem ganz willkommene Gelegenheit zu Wucher, da z. B. die Lohnkutscher Leipzigs übermäßige Preise verlangten, ja e t n vierspänniger Wagen mit 20 bis 30 Thalern bezahlt werden müsse. Den Schaden der Spannpflichtigen in den gegenwärtigen Nothständcn bezeichnet dieser Edel mann darum weiter als unberechenbar, ihre Lage als eine verzweifelte, und empfiehlt nicht nur die Heranziehung besserer Geschirre zu Kriegsdiensten, sondern auch die Begründung von Spanncasten, aus denen die Fuhr unternehmer jeweilig ihren contractmäßigcn Lohn be kommen könnten. Sv gut gemeint und in Zeiten der Ruhe ganz wohl durchführbar diese Vorschläge auch waren, so erlaubten die Kricgsstürme, welche Anfang Mat über die Fluren Leipzigs dahinjagte» und statt der vorübergehenden russischen noch einmal die französische Herrschaft brachten, doch nicht ihre allgemeinere Verwirklichung. Nach wie vor fiel vielmehr die ganze Wucht der Anforderungen an das Fuhrwesen Leipzig auf den kleinen Pferdebesitzer in Stadt und Land. Obwohl am 13. Mai im Amte Colditz kaum noch der sechste Theil des sonst vorhandenen Geschirres und Zug viehes cxistirte und die noch lebenden Thicrc bis zum Umfallen abgetrieben waren, so verlangte das dort neu errichtete kaiscrl. französische Postamt doch die stete Bereit schaft einer größeren Anzahl von Wagen und die Kreis- dcpntativn zu Leipzig die Weiterbeförderung eines be deutenden Transportes von Lebensmitteln nach Dresden. Dem französischen Postamte zu Colditz gesellte sich Mitte Mai ein französisches Militärhospital hinzu, und nun hatte der dortige Lpannpflichtige zu seinen früheren Diensten auch noch Kranke herbcizuholen oder weiter zu befördern. Obwohl man, wie Friedrich Kuno am 29. Mai berichtete, dadurch nicht blos um das Brod, den Samen, das Futter, ja sogar um die ganze Habe ge kommen und fast ganz zu Grunde gerichtet worden war, so trug man diese Lasten doch auch dort willig und gern. Der Patriotismus auf der einen Seite und die gewohnte Unterwürfigkeit auf der anderen hatten sich unter dem wuchtigen Drucke der traurigen Zeitvcrhältniste nach und nach in völlige Gleichgiltigkeit gegen noch weitere Aus saugungen, in eine Art vou Stumpfsinn verwandelt. Erst solch' kaum begreiflicher Höhe des Unglückes war es möglich, neue, bis dahin verschlossen gebliebene reiche Hilfsquellen zu entdecken: sie rüttelte an den von Alters her gewohnten Rechten Vieler, die als nichtspannpflichtig galten und darum auch bisher nichts geleistet hatten zur Bewältigung der unsagbaren Anforderungen an das Fuhrwesen Leipzigs in jener Zeit. Zu Anfang des Monats Juni wurden zuerst von U. Hoffmann in Wurzen nicht nur „die verduften Untcrthanen", sondern auch die Frei- und Rittergüter zur Leistung von Kriegsfuhren hcrangezogcn, z. B. zur Beförderung von Artillerie. Je näher wir den Tagen der Völkerschlacht kommen, desto trüber sehen wir die Zustände des hiesigen Fuhrwesens sich gestalten. Ain 19. Inni wurde zuerst von Landsberg aus gemeldet, daß sich die Spannpflichtigen gegen jede Ncufordcrung ihrer einheimischen Behörden auslchnten, ja deren Erfüllung schlankweg verweigerten. Die Gegen sätze verschärften sich stündlich. Was früher durch gütiges Zureden und in Aussicht gestellte Bezahlung erreicht worden war, das gelang jetzt weder der „französischen
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