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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020702020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Nun hat zwar der Generaloberst in Bonn lediglich festgestellt, daß der Kaiser in Aachen das Geständniß des Papstes über die kirchlichen Zustände in Deutschland keines wegs durch daS ihm von gewisser Seite in den Mund gelegte Wörtchen „allein" übertrieben und also nicht gesagt hat, Glaubensfreiheit für die Katholiken herrsche nach päpstlichem AuSspruche „allein" in Deutschland, sondern nur: nach der Ansicht des Papstes könne in Deutsch land jeder Katholik ungehindert und frei seinem Glauben leben. Er hat ferner hervorgehoben, daß nach der Ansicht deS Papstes „Preußen in Bezug auf die Glaubensfreiheit seiner Bewohner fast allen Staaten voranstebt", und endlich hat er hinzugefügt: „Daß ich damit nicht habe aussprechen wollen, der Papst fände nun Alles nach seiner Ansicht für die Katholiken in Deutschland gut bestellt und er sei infolge dessen nicht mehr berechtigt, irgend einen Wunsch auszusprechen, daS bedarf Wohl kaum der Erwähnung. Der Batican hat auch in Deutschland noch eine Anzahl von Wünschen." Er bat also auf Grund genauesten Wissen» festgestellt, daß der Papst die Lage der Katholiken in Preußen für freier als irgendwo und in Deutschland für er freulich ansieht, aber von seinem Standpunkte aus noch Wünsche hat. Aber das Letztere genügt für die klerikale Presse vollkommen, um in der Bonner Rede des General obersten eine höchst wesentliche Einschränkung der Aachener Kaiserrede und zugleich eine direct auf den Papst zurück- zuführeade Mahnung zum ferneren Kampfe bis zur vollen Verwirklichung der päpstlichen Wünsche zu erblicken. Natürlich: nach ultramontaner Anschauung hat nur der Papst etwa» zu wünschen und zu fordern, die Staaten und die Andersgläubigen gar nichts. Es soll und wird also weiter gekämpft werden. Und bei der Abhängigkeit der großen Masse der Katholiken von der klerikalen Presse wird diese auch trotz der Aachener Kaiserrede, der Bonner Er gänzungsworte deS Generalobersten v. Los und der durch beide Kundgebungen festgestellten Lobsprüche des Papstes über die kirchlichen Verhältnisse in Preußen und im ganzen Reiche getreue Kampfgenossen in Menge finden. Sie irrt aber doch, wenn sie annimmt, ihre Lage werde, durch die drei Auslassungen nicht verschlechtert werden. Den Gegnern des UltramontanismuS liefern diese Aus lassungen Waffen, die schwere Wunden schlagen können, wenn sie richtig geführt werden. Ob daS geschieht, ist freilich eine nicht unbedingt zu beantwortende Frage. Am meisten kommt e» darauf an, ob die preußische Regierung und der Bunde srath der Meinung sind, man könne und müsse sich mit den Lobiprüchen des Papstes be gnügen und dürfe aus Rücksicht auf daS Wohl deS Staates und deS Reiches sowohl, wie auf die berechtigten Forderungen der Andersgläubigen die extremsten Wünsche des VaticanS ebensowenig befriedigen, wie die der Gegner der römischen Kirche. DaS Schicksal des Jesuitengesetzes wird ja lehren, wie in den oberen Regionen der Wind weht. Die Reform »nseres Strafgesetzbuches wird längst in den weitesten Kreisen des Volkes als absolute Nothwendig- keit betrachtet. Auch die Juristen selbst haben, mit ganz geringen Ausnahmen, die Neformbedürftigkeit unseres, den socialen, ethischen, politischen und kriminalistischen Anforderungen unserer Zeit nicht mehr entsprechenden Strafgesetzbuches rückhaltlos anerkannt. Bisher konnte jedoch eine Reform nicht ernstlich in die Wege geleitet wer den, so lange nicht eine zunächst nothwendige Vorfrage erledigt war: die der gemeinsamen Arbeit der sogenannten klassischen und der modernen Richtung im Strafrecht. Seit Jahren stehen sich hier zwei Richtungen diametral gegen über, deren weit auseinandergehende grundsätzliche An sichten bisher daran zweifeln ließen, ob an eine wissen schaftliche Grundlage zur Reform unseres Strafgesetzbuches uud damit an die Inangriffnahme der Vorarbeiten dazu überhaupt würde gedacht werden können. Um so inter essanter ist es, aus der jüngsten Nummer der in Berlin er scheinenden „Deutschen Juristenzeitung", herausgegebeu von Professor vr. Laband, Reichsgerichtsrath a. D. vr. Stenglein und Justizrath Dr. Staub, zu ersehen, das; ein solcher Ausgleich nun thatsächlich erfolgt ist. Die Re daction hat zwei der hervorragendsten Vertreter und Führer jener Richtungen, die Geheimen Räthe Professoren Dr. Kahl und Dr. v. Liszt, veranlaßt, Stellung dazu zu nehmen. In dem in -er neuesten Nummer erschienenen ausgezeichneten Aufsatze des Professors Dr. Kahl, betitelt: „Eine Vorfrage zur Reform unseres Strafgesetzbuches" und in der sich daran anschließenden „Aeußerung" des Prof. Dr. v. Liszt hat nunmehr derjenige Ausgleich thatsächlich stattgefunden, der als oonckitio sinv gua non wird betrachtet werden müssen, um jetzt ernstlich an die Reform zu denken. Die beiden Gelehrten haben, jeder von seinem Stand- puncte aus, positiv erklärt, daß die nach wie vor bestehen den ausetnandergehenden Ansichten hinsichtlich der wissen schaftlichen Richtung keinerlei Hindernis; seien, um nach der legislativen Seite hin gemeinschaftlich und mit vereinten Kräften die erforderliche Reform in Angriff zu nehmen und durchzuführen, und daß für die praktischen Aufgaben der Gesetzgebung -er Schulenstreit zurückgestellt werden müsse. Es ist hier eine juristisch wie politisch hoMbed- same und interessante Thatsache zu constatiren. Der erste und wichtige Schritt zur Reform unseres Strafgesetzbuches ist gerhan. Die Redaction der „Deutschen Juristenzeitung" hat hier eine höchst dankenswerthe Initiative ergriffen. Die Schranke ist gebrochen; die Bahn ist frei! Mit ver einten Kräften und unterstützt durch die mit Sicherheit zu erwartende thatkrüftige Förderung des Reichsjustizamtes wird, woran nicht zu zweifeln ist, die praktische Gesetz gebungsarbeit nunmehr mit frischen und fröhlichen Kräften anfgenvmmen werden können und die auf die diesjährige Berliner Tagung des Deutschen Juristentagcs gesetzte Frage über die Reform des Strafgesetzbuches wird auch ihrerseits dazu beitragen, das; dann das langersehnte Ziel näher gerückt wird — die Schaffung eines neuen Straf gesetzbuches! Die von der französischen Negierung angeordnete Schließung der 125 c o n g r e g a n i st i s ch e n A n - stalten, die seit der Promulgirung des Bereinsgesetzes gegründet worden waren, ohne daß man die staatliche Er mächtigung nachgesucht hatte, ist unverzüglich ausgeführt worden. Die Cvngregationisten hatten gehofft, daß wenigstens einige ihrer begeisterten Verthetdiger im Par lamente sich im entscheidenden Augenblicke an ihrer Seite einfiudcn und gegen die „Vergewaltigung" prvtcstiren würden, allein Abgeordnete und Senatoren blieben ruhig zu Hause und arbeiteten Interpellationen aus, deren Schicksal sie im Voraus kennen. Nur ein Abgeordneter, der Oberstleutnant d. N. du Halgonet, wollte, so wird dem „Hamb. Correfp." geschrieben, sich der Schließung einer Schule iu Ehapelle-Saint-Melainc (Dep. Jlle-et-Vilaine) widerfetzen, allein der Friedensrichter, der die Schließung der Schule vornahm, kehrte sich nicht daran und der Depu tate mußte unverrichteter Dinge seiner Wege gehen. In demselben Departement Jlle-et-Vilaine, in der Gemeinde Noyal-sur-Seine, reizte der Pfarrer die Nonnen zum Widerstande auf und diese weigerten sich in der That, -en Weisungen des Unterpräfecten zu gehorchen. Die Lage war sehr kritisch, da der Pfarrer auch eine große Anzahl von Bauern aufgestachelt hatte, allein der Unterpräfect vermied durch taktvolles und energisches Auftreten jeden weiteren Conflict. In ähnlicher Weise gelang es dem Unterpräfecten von Grasse, die Heiligen-Geist-Nonnen, die in Juan-les-Pins (Dep. See-Alpen) eine Schule leiteten, zum Verlassen der Anstalt zu bewegen. Das sind die ein zigen Zwischenfälle, die sich bei der Schließung der 125 An stalten zugetragen haben. Der Unterrichtsminister Chau- miä hat seinerseits in einem Rundschreiben die Präfecten angewiesen, die Verweltlichung der Primarschulen mit weiblichem Personal, entsprechend dem Beschlüsse des Par laments ohne Verzug vorzunehmen. Die Präfecten müssen bis zum 1. August eine Liste derjenigen Schulen aus arbeiten und dem Unterrichtsminister einsenden, die sie zu verweltlichen gedenken, und hinsichtlich der congre- gationistischen Anstalten, die diesmal noch nicht verwelt licht werden können, die bestimmenden Gründe anzugeben. Die energische Haltung der Regierung ruft unter den Klerikalen große Bestürzung hervor, da diese noch immer gehofft hatten, mit Hilfe pflichtvergessener Beamten der Republik die Vorschriften des Vereinsgesetzes umgehen zu können. Die Regierung hat aber einen umfassenden Präfcctcnwechsel angekündigt, in dem bereits sechs Prä fecten ihrer Stelle enthoben werden sollen; diese Liste könnte noch länger werden, falls die Präfecten sich geneigt zeigten, mit den Klerikalen zu pactiren. Aus Petersburg, 30. Juni, wird der „Intern. Eorresp." geschrieben: Von sehr beachtenswerthcr Seite erhalten wir folgende Mitthcilung: Die Verlängerung der unveränderten Dreibundvcrträge entspricht durchaus deu Wünschen, welche die Leiter der russischen Politik hin sichtlich der Lage in dem festländischen Europa beseelen. Das Ereigniß ist insofern eine höchst erfreuliche Fort setzung derjenigen Richtung der eurvpäschen Bündniß- pvlitik, welche durch die Erneuerung und Erweiterung des russisch-französischen Bündnisses vorgezeichnet wurde. Zwischen Rußland und Deutschland hat seit dem gemeinsamen Einschreiten gegen die Bestimmungen des Friedens von Simonesaki ein offenkundiges Einvernehmen geherrscht, welches sich gegenüber allen inzwischen aufgetretenen Streitfragen als durch aus widerstandsfähig erwiesen hat. Dieses Einver nehmen hat den Zweck, allen Gegensätzen zwischen den kontinentalen Mächten die Schärfe zu nehmen, und so ist es sehr zu begrüßen, daß weder politische Streitfragen, noch die Wirren am Balkan, noch handelspolitische Gegen sätze die Fortsetzung oder auf die unbedingte Erhaltung des europäischen Friedens abzielcnde Bündnißpolitik trüben konnten. Die jüngsten diplomatischen Schritte der Pforte, die Regierungen der Großmächte zu Erklärungen bezüglich der Unverletzlichkeit der türkischen Hoheits rechte in Tripolis zu veranlassen, ist die Antwort auf das neuere Vorgehen der italienischen Regierung, welche in sehr dringlicher Form um die Concessivnirung eines italienischen Waisenhauses in Tripolis ersucht hat. Nach dem zwischen der italienischen Regierung und der national-italienischen Missivnsgesellfchaft, welche das Waisenhaus errichten und letten soll, abgeschlossenen Ver trage zahlt die Negierung die Baukosten und eine Jahres subvention von 10 000 Franken unter der Bedingung, daß der Unterrichtsplan genau demjenigen der italienischen Staatsschulden entsprechen und die Anstalt unter den Schutz des italienischen Staatswappens und der italie nischen Flagge gestellt werden soll. Hierin erblickt die Pforte die Absicht, daß durch das zu errichtende Waisen haus eiue offene national-italienische; Propaganda iu Tripolis eingcleitet werden soll, weshalb sie die Erlaub- niß zum Baue der Anstalt nur gegen unzweideutige Garantien für die türkischen Oberhoheitsrechte ertheilen will. Deutsches Reich. Berlin, 1. Juli. (Vereinheitlichung der deutschen Schreibweise.) Die jetzt zum Ab schluß gebrachten Bemühungen um Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung haben eine mehr denn zwanzig jährige Geschichte. Auf Veranlassung des Ministers Falk trat zuerst im Jahre 1870 in Berlin eine Cvnfercnz von Sprachforschern und Schulmännern zusammen zur „Her stellung größerer Einigung in der Rechtschreibung". Unter Benutzung der von dieser Konferenz gemachten Vor schläge wurde zunächst in Oesterreich und in Bayern im Jahre 1870 und im folgenden Jahre auch in Preußen durch Erlaß des einige Monate vorher an Falk s Stelle ins Amt getretenen Unterrichtsministers von Puttkamer eine Regelung der Rechtschreibung für die Schulen vor genommen. Es folgten die übrigen deutschen Staaten und auch die Schweiz. Der Fortschritt, den die ver öffentlichten Negelbücher darstellten, bestand in einer stärkeren Geltendmachung des phonetischen Princips. — Im klebrigen bestanden beispielsweise zwischen der baye rischen und der preußischen Orthographie noch mannig fache Verschiedenheiten fort. — In Preußen stieß die Ein führung der neuen Rechtschreibung, die allgemein unter dem Namen der Puttkamer'schen ging, auf vielfachen Widerspruch. Insbesondere nahm auch der damalige leitende Staatsmann durch Erlaß vom 28. Februar 1880 entschiedene Stellung gegen sie. Er forderte die ihm Nachgeordneten Beamten unter Androhung gesteigerter Ordnungsstrafen auf, nicht von der hergebrachten Schrei bung abzugehen. In Folge dessen verhielten sich auch die anderen Minister iu Preußen und die Negierungen der übrigen Bundesstaaten mehr oder weniger ablehnend gegen die neue Schreibweise. Da auch bas preußische Kultusministerium und die ihm unterstellten Schul behörden am Alten festhielten, entwickelte sich in dem größten deutschen Einzelstaat der Zustand, baß die Be hörden zwar für die Schulen den Gebrauch der neuen Rechtschreibung forderten, in ihren amtlichen Verfügungen an die Schulen aber sich der bisherigen bedienten. In zwischen machte sich der Einfluß der Schule auch auf die Entwickelung der allgemeinen Rechtschreibung geltend, in Folge dessen wurde der Wunsch, namentlich in Be- amtcnkreisen, immer begreiflicher, daß man wisse, woran man sei. Das öffentliche Urtheil ging übereinstimmend dahin, daß bei der Abfassung des Bürgerlichen Gesetz buches eine Rechtschreibung angewandt worden sei, die Fenilleton. Susanna. 7j Roman von B. Herwi. Nachdruck verboten. Susanne starrte vor sich hin, als sollte ihr aus dem Dunkel der Erinnerung ein leuchtendes, erklärendes Licht kommen, damals ... ehe sie reisten, mußte es doch ge wesen sein . . . plötzlich, wie ein Blitz der Erkenntniß durchfuhr cs sie . . . an jenem Abend, als er, der Vater, ihr gesagt, cs handele sich um Verkauf von Papieren, da hatte er ihr die Feber in die Hand gegeben, sie hatte an der Stelle, auf die er gezeigt, ihren Namen geschrieben, Tag und Jahreszahl, mit einem Male stand die kleine, damals von ihr so gleichgtltig behandelte Scene vor ihren Augen . . . ja, um Geld hatte es sich gebandelt, hätte sie nur einen Blick auf den Inhalt geworfen, hätte sie es sehen müssen, was sie preisgab, ihren Ruf, ihre Ehre, den letzten Rest von Glück, den sein Gedenken verleihen sollte . . . und er . . . ihr Vater, ihr Vormund, ihr natürlicher Beschützer, dem die geliebte Mutter ihr höchstes Kleinod vertrauend ans Herz gelegt, er hatte sie dazu veranlaßt, hatte über ihren Kopf hinweg gehandelt, und dann, als sie ihn fragend ansah, harmlos gelächelt und gesagt: „Langweilige Sache, siehst Du, ich habe schon unter schrieben, schnell, schnell, mein Kind. . . Das Werk weniger Sekunden war es gewesen, aber jetzt in der Erinnerung trat jeder Moment deutlich vor ihre Sinne. Und nun ... ein EhaoS von Empfindungen überfluthete sie. Dieses Gelb, das sie seit jener Zett ausgegeben, das von seinen klugen, geschäftlichen Manipulationen verrühren sollte, dieses Sündengeld . . . Reugeld . . . Abfindungs geld, wie sie cS jetzt in ihrem schmerzlichen Zorn, in ihrer grenzenlosen Verzweiflung höhnisch nannte . . . stammte von ihm, von Achim, von dem Geliebten, der sie so oft als sein stolzes Mädchen gepriesen batte . . . vielleicht sogar auf Verlangen gezahlt . . . nicht einmal angcbotcn . . . nein, gefordert als Preis des gutwilligen Zurücktretens ... ah, entsetzlich. Sie lief im Zimmer hin und her und rang die Hände. „Wie viel?" brachte sie endlich heiser heraus . . . „sei barmherzig, Grita, sage mir weiter die Wabrbeit, wie viel ich — Deinem Bruder gekostet. . .<! „Ich weiß es nicht", stammelte die Erschreckte. „Lüge nicht", herrschte Susann« das Mädchen an, . . . „o, Du, Du, wie kountest Du, wie konnte er das von mir denken . . .?" „Ach, Susann«, so habe ich Dich ja nie gesehen, o, mein thörtchtes Schwatzen, hätte ich doch nichts erwähnt . . . und Du hast wirklich nichts davon gewußt?" Nun schluchzte das arme Geschöpf laut auf. „Nein, nein, Grita, nur das Eine glaube mir, Gott, o Gott, ich vergehe ja vor Scham!" „Mein armes Herz, komm, weine Dich aus, was hat man Dir gcthan, noch ist es mir nicht klar, aber ich weiß und fühle es, Dn kannst nicht lügen, dieser furchtbare Schmerz sagt mehr, als tausend Schwüre . . . noch heute soll es Achim erfahren, rein sollst Du vor ihm stehen. . Susann« schnellte empor. „Nein, Grita, nur das nicht, jetzt noch nicht, laß ihn bet seinem Glauben, wenn er mir das hat zutranen können, ohne mich nur zu fragen, blindlings. . ." „Berurthetle ihn nicht, meine geliebte Freundin, ich weiß eS, wie er darunter gelitten, wie er Deine Unter schrift geprüft, verglichen hat und sich die Echtheit be stätigen mußte, ach, heut' hat ihn die Erinnerung ja doch überwältigt, fast, ohne ein Wort zu reden, saß er beim Döjcuner, den Wein trank er hastig hinunter, Selma wurde schon mißtrauisch, er schob cS auf Abspannung. „Natürlich, die dummen Museen", sagte sie, „na, mich bekommt kein Mensch mehr in die Säle", wir, Mama und ich haben nämlich mit den Neuvermählten ein Rcudez-vouS hier, Jene kommen aus Ostende, Mama wollte hier ihrem MarieAntoinetten-CultuS etnwcntg opfern,morgen wollen wir wieder nach Trianon, dann in die Conctergeric, na, da kann ich mich nochmals auf einen kleinen Ohumachts- ansall gefaßt machen; wenn sie die Zelle sieht, in der die Unglückliche gesessen ... ich sage Dir, schon heut' im Louvre, als sie in den Glasschränken die Reliquien sah, die Atlasschuhchen und so weiter, fiel sie fast um und ich mußte ihr einen Wagen holen lassen, . . . siehst Du, mein Liebchen, nun hab' ich Dir die große Erregung doch etwa- fortgeplaudert, nun lege Dich hier hin und ruhe Dich, was auch gewesen ist, und was auch kommen mag, ich halte treu zu Dir, und bitte Dir jeden Verdacht ab, . . . und sehen müssen wir unS so viel wie möglich, ah, ich werbe cS schon einzurichten wissen, adieu, Du liebe, liebe Einzige." Susanns war allein. SS war ihr angenehm. Sie hatte wenig von Allem ge hört, was die Freundin geplaudert, ihr Denken und Fühlen war ganz von dem Vorangegangenen absorbirt. „Klarheit, Klarheit", rief es in ihr. Doch von wem sollte ihr die kommen. Welches Lllgengespinnst würde er, der Vater, ... sie schauderte, wenn sie an ihn dachte, wohl ersinnen! „Ob Bärenholm etwas wissen mag?" Der inneren Frage folgte der schnelle Entschluß, ihn zu citiren. Sie klingelte. „Ist Monsieur Bärenholm im Hause?" So fragte sie den Garton. „Monsieur ist beim Diner unten im Lichthof. Made moiselle kann vom Fenster htnunterblickcn." Sie folgte dem Wink und sah, wie der Schriftsteller sich behaglich im Stuhl zurückgelehnt hatte und augenschein lich bereits beim Dessert angelangt war. „Bitten Sie Monsieur, mir die Ehre zu geben." Kaum hatte der Kellner die Botschaft auSgerichtet, als der Angeredcte das Couvert von sich schob, den letzten Nest des Burgunders austrank, schnell die Fingerspitzen in das befohlene parfümirte Wasser tauchte, und sich zum Fort gehen anschickte. Nach wenigen Minuten stand er vor der Landsmännin. Susanna, die sich indessen ein wenig beruhigt und erholt hatte, trat ihm rasch entgegen und ergriff die dargeretchte Hand. „Bärenholm, ein Wort, ein ernstes. Sind Sie mein Freund? Sie haben es fo oft gesagt, beweisen Sie es mir heute." „Sie wissen, Susanna, Sie können auf mich rechnen." „Nun denn, die Wahrheit. Sie kannten mein Ver- löbniß mit Achim von Lessen, Sie wußten die Ursache von der Lösung deS Bundes?" „Es war traurig, Susanna, traurig für beide Theile, aber die Verhältnisse drängten ja zum Bruch. Etwas, das nicht selten in den höheren Ständen sich ereignet, doch wozu diese Kragen?" „Nun, das Wichtigste, Bärenholm. Aber die Wahrheit, auf Ehrenwort, die Wahrheit. Wissen Sie von einem be sonderen Umstande, der bei der Auslösung der Verlobung eine Rolle spielte? Hat sich die Braut des vornehmen ManneS so leicht, so ohne jedes Squtvalent von ihrem Posten verdrängen lassen?" In dem interessanten Gesicht des Gefragten zuckte eS. „Dumme Sachet" dachte er. „Wie kommen Sie darauf, Susanna?" fragte er zurück, anscheinend um Zeit zur Antwort zu gewinnen. „Mein Freund, die Wahrheit!" Sic sah ihm ernst und flehend in die Augen. „Mein Gott, was man so am Biertisch, in den Ateliers, bei bett Klatschschwestern hört, hier ein Brocken, da ein Wort. . ." „Nun, weiter, also ein Brocken, ein Wort, eine Klatscherei. . . also . . . Bärenholm, feien Sie doch barm herzig, die Wahrheit, ich muß sie ja doch erfahren.' „Die Braut", so hörte man, hätte wahrscheinlich den Posten freiwillig verlassen, wenn nicht der Schwiegervater feinen Einfluß geltend gemacht und . . ." „Und", drängte das Mädchen. „Und seine Bedingung gestellt Hütte." „In Baar, nicht wahr, Bärenholm?" „Wie ich Ihren . . . wie ich Guido Barnewttz bc- urthcile ... ja, in Baar." „Näheres wissen Sie nicht, nicht die Höhe der Summe?" „Nein, Susanna, die Meinungen gingen auseinander." „Am Biertisch ... in den Foyers... bei den Klatsch schwestern — o Mutter, Mutter, wie unglücklich ist Dein Kind!" Sie weinte laut. Bärenholm war ergriffen, hier schien in der That das harmlose Mädchen die Düpirte zu sein. Er fühlte einen Moment tiefes, inniges Mitleid mit ihr, aber er gab sich dem Gefühl nicht lange Yin. Durch sein schöpferisches Sirn, das so gern jede, durch das wirkliche Lebet; gebotene packende Situation vcrwcrthete, flog es blitzschnell: eine prächtige dramatische Idee. Die Fäden waren ihm in die Hand gegeben, ein Thor würde er sein, sie sich entgleiten zu lassen; wahrhaftig, diese Pariser Lust brachte doch eine Empfänglichkeit hervor, die großartig war. Wie oft hatte er diesem lieben Mädchen, die Sache mit der sogenannten Entschädigung kennend, gegenüber ge sessen, natürlich stets den Tact bewahrend, nicht darüber zu sprechen, obwohl cS ihm höchst sonderbar vorgckommen war, das; diese kühle, stolze Natur sich jetzt so leicht in den angenehmen Lebensbahnen bewegte, Reisen machte, schöne Toiletten, werthvollen Schmuck trug und anscheinen großes, skrupelloses Gesässen am Wohlleben sand. Das mußte sie doch gewußt haben, daß vom Erlös ihrer Zeich nungen und Bilder ein solches Dasein nicht zu führen sei. Den angeblich vortheilhasten Papiereinkauf hatte Barnewiy überdies nur der Tochter gegenüber in Scene gesetzt.
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