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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030430029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
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Reklamen unter dem RedoktwnSstrich (»gespalten) 78 H, vor den Familiennach- richten l« gespalten) SO Tabellarischer und Zifsernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nnr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß sur Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 217. Donnerstag den 30. April 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. April. Kehraus «it Hindernissen. Der Reichstag würde zu sehr aus seiner Rolle ge fallen sein, wenn er nicht zu guterletzt noch einmal die B e- schlußunfähigkeit aufgewiesen hätte, durch die er sich im Laufe -er Session so oft unrühmlich ausgezeichnet hat. Auch noch einen Skandal hat er vor Torschluß er lebt, der an die unvergeßlichen Dezemberdebatten über den Zolltarif erinnerte. Und zwar mußte in der ersten der beiden gestrigen Sitzungen die Beschlußunfühigkeit fest gestellt werden, obgleich als erster Beratungsgegen- stanü die konservative Interpellation wegen der Kündigung der Handelsverträge auf der Tagesordnung stand, und zum Skandale kam es in der zweiten Sitzung, weil in ihr diese Interpellation zur Be sprechung kam. In der ersten Sitzung wurde die Be sprechung auf Antrag des Zentrumsabgevrdneten Trim- vorn verschoben; in der zweiten führte sie, abgesehen von dem Skandale, zu einem Auszüge der Bundes- ratsvertreter, nachdem der Staatssekretär Graf v. Posadowskyim Namen des Reichskanzlers die Be antwortung der Frage abgelehnt hatte. Tas hätten die Heren Interpellanten voraussehen müssen, denn es ist doch sonnenklar, daß der Reichskanzler, wenn er sich vom Auslände wegen seiner handelspolitischen Pläne nicht in die Karten sehen lassen mag und darf, diese Karten auch nicht im Reichstage anflegen kann. Aber den Herren kam es auch jedenfalls nicht auf eine Antwort, son dern lediglich daraus an, dem Reichskanzler ihre Wünsche bezüglich der abzuschließendcn Handelsverträge nochmals einschärfen zu können. Daß diese Absicht durch den Auszug der Bundesratsvertreter durchkreuzt wurde, kränkte natürlich die Freunde des Abg. Graf Limburg-Sti- rum, die infolgedessen eine Tonart anschlugcn, die wieder -en freisinnigen Abg. Or. Barth kränkte, und dieser kränkte seinerseits den ultramontan-agrarischen Abg. Herold so bitterlich, daß dieser sich zu einer bitterlichen Kränkung der Linken hinreißcn ließ. So war der Skan dal fertig als Nebenresultat der gänzlich überflüssigen kon servativen Interpellation, deren Hauptwirkung sich jeden falls bei den Wahlen bemerkbar machen wird. Denn das liegt doch wohl auf der flachen Hand, daß die Regierungen sich selbst ins Fleisch schneiden würden, wenn sie sich be sonders für die Kandidaten einer Partei interessierten, deren parlamentarische Wortführer sich nicht scheuten, kurz vor Schluß des alten Reichstages die Vertreter des Bun desrates in Verlegenheit zu setzen. — Den Anlaß zur Fest- stellung der^Beschlußfühigkeit gab in der ersten Sitzung eine vom Äbg. Singer beantragte namentliche Abstimmung über den 8 42 der Novelle zum Krankenver sicherungsgesetze, zu deren Gunsten die Beratung -er konservativen Interpellation verschoben worden war. Auf den Streit, der sich um diesen Paragraphen entspan nen hat, nochmals einzngehen, ist überflüssig, denn er ist inzwischen hinter den Kulissen geschlichtet worden. Der Abg. Trimborn (Zentr.) hat einen Antrag formnliert, den er zur dritten Lesung eiübringen will und nach dem die Enthebung eines Vorstandsmitglieds einer Kran kenkaffe, eines Nechnungs- oder Kassenführers von seinem Amte durch die Aufsichtsbehörde nur dann wegen grober Pflichtverletzung erfolgen kann, wenn er sich diese Pflicht verletzung in d e r K a s s e n f ü h r u n g hat zu Schulden kommen lassen. Außerdem soll der letzte Absatz des 8 42 gestrichen werden, der den Erlaß einer von der Aufsichts behörde zu genehmigenden Dienstordnung für die Kaffe vorschretbt. Die Sozialdemokraten haben sich mit diesem Anträge einverstanden erklärt und wollen nunmehr von der Stellung von Anträgen auf namentliche Abstim mung und anderen Verzögerungsmitteln abschcn. Tie Krankcngesetznovelle wird also in zweiter Lesung und dann, da niemand dagegen Widerspruch erheben wird, auch gleich in dritter Lesung endgültig angenommen werden. Dann wird mit der 301. Sitzung dieser langen Tagung auch der Reichstag geschlossen werden. Ein Konflikt zwischen dem preußischen Abgeordnetenhaus- und der Negierung. Auch in diesem Jahre scheint die Tagung des preußischen Landtages mit einem Konflikte zwischen der Regierung und der Volksvertretung enden zu wollen. Das Abgeordneten hans hat sich abermals mit dem Gesetze über die Vorbe reitung für den höheren Verwaltungsdienst zu beschäftigen gehabt; es hat die Berechtigung zur An nahme der Rcgicrungsrcferendare den Regierungspräsi denten entzogen und sic den beiden den Verwaltungs beamten direkt vorgesetzten M i n i st e r n des Innern und der Finanzen zugewiesen. Im Abgcordnetenhause ist es bekanntlich darüber am Sonnabend zu einem harten Zu sammenstöße zwischen dem Minister v. v a m m e r st e i n nnd dem nationallibcralen Abg. Friedberg gekommen, weil dieser die Behauptung verfocht, daß in der preußischen Verwaltung Adel und Korps st u d e u t e n eine Be vorzugung genössen. Die Beweisführung Friedbergs war so treffend, daß der Minister eine wirkliche Widerlegung nicht zu führen vermochte; in seiner Verteidigung Verführ er außerdem so unglücklich, daß er den Widerspruch der gesamten Linken und des Zentrums hcrausforderte. In der Tat liefen die Worte des Ministers darauf hinaus, daß die Angehörigen des Beamtcnadels sich ganz besonders für die Verwaltung eigneten, am meisten, wenn sic in einem Korps eine „Erziehung zum Charakter" genosseu hätten. In der Praxis haben die meisten Regierungspräsidenten bei der Auswahl des Nachwuchses der Verwaltungs beamten diesem Grundsätze längst gehuldigt, sodaß cs wohl begreiflich ist, wenn die Mehrheit des Abgeordnetenl-auscs endlich mit diesem System zu brechen versuchte, indem sic im 8 4 des Gesetzes an Stelle der Regierungspräsidenten die Minister der Finanzen und des Innern setzte. Ter letztere bekämpfte aber die Abänderung in der ent schiedensten Weise, indem er versicherte, daß die Zentral instanz gar nicht in der Lage sei, die moralische Verant wortung für die Uebernahme der Referendare in die Ver waltung zu tragen; ja, er verflieg sich sogar zu der Be hauptung, daß die politischen Einflüsse in der Zentral instanz sich mehr bemerkbar machen würden, als bei den Regierungspräsidenten. Allein cs wurde Herr» von Hammcrstein nachgewiescn, daß in der Bauver waltung nnd in der Forstvcrwaltung die An nahme der jungen Beamten durch die Zcntral- stclle sich bewährt habe, und bemerklich gemacht, daß dieses Beispiel auch für die innere Verwaltung maßgebend sein müsse. Der Minister setzte seine Hoffnung augenscheinlich auf das Herrenhaus, und tatsächlich hat auch dessen Kommission in 8 4 bereits die Regierungsvorlage wieder hergcstellt; es ist sicher, daß das Herrenhaus selbst sich dem Vorschläge seiner Kommission ««schließen wird. Nach der Stimmung, die im Abgeordnetenhaus? herrscht, ist cS aber ausgeschlossen, daß die Mehrheit den Rücken beugt, und damit wird das Gesetz zum Scheitern kommen, wie schon im vergangenen Jahre das Gesetz über die Be fähigung für den Richterdienst unter den Tisch gefallen ist. Es ist unbestreitbar, daß in Preußen unter den Verwal- tungsbeamten eine einseitige politische Richtung herrscht, und auch in der Beamtenschaft selbst ist die Auffassung ver breitet, daß Adel und Korpsstudententum eine Bevor zugung genießen. Ter Regierung müßte es eigentlich nach -en Erfahrungen bei derKa n a l v o r l a g e erwünschtsein, wenn unter den Vcrwaltungsbeamten nicht eine einseitige Richtung vorherrschte. Aber die Regierung will es an scheinend auf den Konflikt ankommen lassen. Die englische» Gefechte im Lomaliland. Die neueren Nachrichten aus Berber« lassen den Zu sammenhang der verschiedenen Gefechte mit den Truppen des Mahdi erkennen. General Manning, der von Obbia im italienischen Schutzgebiete nach Nordwesten marschiert war, hatte eine Erkuudigungsabteilung unter Oberst Cobbc gegen den Wasserplatz Wardar vorgeschickt, wo der Mahdi stehen sollte. Am 14. April stieß sie in dichtem Gebüsch auf den Feind. Das Gefecht war unbedeutend, aber cs stellte sich heraus, daß der eingeborene Führer die Abteilung falsch geleitet hatte und daß Wasser nur noch in geringer Menge vorhanden war. Oberst Cobbe trat daher den Rückmarsch auf Galadi zum Hauptkorps an, unterbrach ihn aber, als nachts Regen in Strömen geflossen war, so daß die Schläuche gefüllt werden konnten. Von dem wie immer abends errichteten Dornenverhau» der Zariba, schickte er Streifwachen vor, die wieder auf den Gegner trafen und sich nur unter Verlust eines britischen Offiziers den Weg zum Lager bahnen konnten. Am 17. April wollte Cobbe, der sich augenscheinlich zu schwach fühlte, den Marsch nach Galadi fortsetzen; seine Patrouillen meldeten den Gegner in der Nähe der Zariba, und Oberst Plnnkett wurde zu ihrer Aufnahme entsandt, ließ sich aber fvrtreißcn, mit ihnen dem Feinde cntgegenzugehen, und wurde von der gewaltigen Ueber- macht erdrückt. Die Munition ging aus, ein Versuch, sich mit der blanken Waffe dnrchzuschlageu, mißlang, und nur 40 Mann, davon nur 6 unverwundct, retteten sich. 48 Indier, 120 afrikanische Schützen und 14 Träger waren mit allen Europäern gefallen. Die Verluste der Mahdisten müssen auch sehr schwer gewesen sein. Oberst Cobbe hatte bei sich gehabt 336 afrikanische Schlitzen, 48 Indier, 50 Engländer und Boeren und einen Zug der Kamelbatterie. Fast alle Indier und ein Drittel der Afrikaner sind also gefallen, im besonderen verlor das zweite Bataillon der afrikanischen Königsschützen alle europäischen Offiziere und fast die Hälfte seiner Leute. Trotz dieses Erfolges griffen die Mahdisten Cobbe nicht an, zu dem am 18. April eine berittene Abteilung Mannings stieß, mit der er die Hanptkolonne glücklich erreichte. Wenige Tage später kam es zu einem Zu sammenstöße zwischen der von Norden von Bohotle vor gehenden Kolonne des Majors Gough und den Mahdisten. Die Abteilung bestand ans 8 Offizieren und 101 Manu. Am 23. April wurde sie iu Gebüsch und hohem Gras angegriffen, die Munition ging bei dem anhaltenden Feuer zu Ende, vier Bajonettangriffe mußten gemacht werden, nnd mühsam gelangte man in das Lager von Danop; 2 Offiziere und 13 Mann waren getötet, 4 Offiziere und 28 Mann verwundet. Während bei dem Untergänge Plunketts der Gegner auf 12 000 Mann geschätzt wurde, glaubt Major Gough nur 700 bis 800 sich gegenüber gehabt zu haben. An weitere Be wegungen ist vorläufig nicht zu denken; man spricht in England bereits von dem notwendigen Baue einer Feld eisenbahn und ist entschloßen, den Kampf weiterzuführen. Zur Mandschureifrage liegen beute zwei Meldungen vor, welche den Anschein er wecken oder erwecken sollen, daß Rußland vor dem aus gesprochenen und unausgesprochenen Widerspruch der an der Mandschurei interessierten Mächte zrrrückweiche. So meldet die „Internat. Korresp.": * Petersburg, 28. April. In amtlichen Kreisen wird ver sichert, die russische Regierung werde auf die Anfrage und Ein sprüche Nordamerikas und Japans gegen die Haltung Rußlands in der Mandschurei einfach erwidern, daß in den letzten beiden Monaten von russischer Seite nichts geschehen sei, was die Zweifel der Mächte an der aufrichtigen Absicht Rußlands die Mandschurei der chinesischen Verwaltung zurückzugebeu, rechtfertigen könne. Rußland habe alle Borbereituugen getroffen, um die Räumung im Geiste des Maudschureiabkommeu» zu voll ziehen. Die jüngsten Verhandlungen Rußlands mit der chinesische« Regierung, woraus man iu der auswärtigen Presse einen neuen Vertrag gemacht habe, hätten nur einige unbedeutende Nebeufragen über den Vollzug der Räumung betroffen. Nach den bisherigen Publikationen in der Angelegenheit mußte man das gerade Gegenteil annehmen. Die Meldung ist ebensowenig authentisch, wie die folgende: * London, 29. April. Eine Depesche des Reuterschrn BureauS aus Uokohama meldet, Rußland habe amtlich die Zurück ziehung seiner Truppen aus der Provinz Schingking an- gekündigt. Das japanische Ministerium des Aeußern veröffentliche auch ein Telegramm, welches besage, daß Rußland die Provinz vollständig geräumt hat, ohne indes Einzelheiten anzugebeu. ES kommt also alles darauf au, waS Rußland unter „vollständig räumen" versteht. Seine Definition dieses Be griffes wich bisher bekanntlich sehr erheblich von der allge mein üblichen ab. — Inzwischen spricht die „Nowoje Wremja" von der Absicht Englands, eine große Koalition gegen Rußland zustande zu bringen. England glaube durch die Fürstenbesuche in Italien und die Annäherung Englands an Frankreich Rußland in Europa isoliert zu baben, waS allerdings bei der zweifelhaften Haltung Oesterreichs und Deutschlands (?) nicht ganz unmöglich sei. Diesen Augenblick habe nun England benutzt, um Japan unv Nordamerika gegen Rußland aufzuhetzen. Rußland werde jedoch im stolzen Gefühle seines Rechtes und seiner Macht allen derartigen Machenschaften ruhig ent gegensetzen. Deutsches Reich. Berlin, 29. April. (Jesuitengesetz und Wahlparole.) Die „Germania" bestreitet heute mit aller Entschiedenheit, daß die Zentrumsprefse gedroht habe, die Jesuitenfrage zur Wahlparole zu machen, wenn nicht demnächst im Bundesrate die Ent scheidung über die Beseitigung des 8 2 des Jesuiten- Feirilletsii. 24s Das Gold vom Widwatersrand. Roman von F. Klinck-LLtetSburg. Nachdruck verbalen. Herr van Meenen zögerte nicht einen Augenblick, das Zimmer zu verlassen, nachdem er erkannt, daß es un möglich sein würde, Mynheer van Senden zum Nachgeben -u bewegen. Er hatte hier nichts mehr zu tun und seine Zeit war kostbar. Jede Minute, die der Sekretär Mildler in seiner Stellung noch verblieb, konnte unberechenbaren Schaden anrichten. In dem Augenblick aber, als Mynheer Egnatius van Senden sich allein sah, da war es auch um seine Selbst- beherrschurigskunft, die er im Leben so meisterhaft zu üben verstanden, geschehen. Aechzen- sank er auf den nächsten Sessel nieder und starrte jetzt mit einem Ausdruck vollendeter Verzweiflung vor sich nieder. Zwei Dinge brauchte er sich nur vor Augen zu halten, «m seiner Lage sich klar bewußt zu sein. An Stelle seines Sohnes, als Gegner, würde ein von der Transvaal-Re- -ierumg bestellter Kurator treten, und man war darüber unterrichtet, daß Stephan Mildler zuletzt mit seinem Sohne gesehen worden war. Hatte Mynheer Egnatius van Senden auch, besonders im Laufe der letzten Jahre, hinreichend Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, daß Gold der Schlüssel zur Lösung jeder Schwierigkeit war, so mußte er in dem Augenblick, in welchem das Entwirren eine- schier unlöslich scheinenden Knotens in zuverlässigen Händen sich befand, des Schlimmsten gewärtig sein. Und diese- Schlimmste? Die Vernichtung jeder Hoffnung, den Lohn einzu heimsen, nach dem er voll Gier gestrebt. Und dieser Lohn sollte nicht nur in Gold nnd Goldeswcrt bestehen, sondern vor allem in Ehren, die der Dank der Kapregie- rung ihm für alle ihr direkt »rnd indirekt geleisteten Dienste erweisen würde, um darunter manchen Schaden zu verbergen, den die Ehre Mynheer van Sendens in seinem Jagen nach den Schätzet, des Mammons in den Lugen seiner zahllosen Neider genommen haben mochte. Er war aber auch der Gefahr au-gesetzt, Vorgänge enthüllt zu sehen, die den eigenen Bruder in einen schmach vollen Tod getrieben und mit einem an dem Sohn ver übten Verbrechen im Zusammenhang standen. Die Wir kung einer solchen Enthüllung sich zu vergegenwärtigen, überstieg Egnatius van Sendens Kraft, aber schon eine unbestimmte Vorahnung des Kommenden ließ das Blut stocken. Und endlich eröffnete sich ihm eine dritte, wenig er freuliche Aussicht, der er bis vor kurzem keine Beachtung geschenkt, die aber gerade in diesem Augenblick eine quälende Aufregung wesentlich verstärkte. Der Gedanke an seine Gattin verdüsterte den Ausdruck seines Gesichtes. Es mar, als ob alles sich verschworen hätte, seinen ge wohnten Gleichlnut zu erschüttern. Was war nur in diese Frau gefahren, seitdem Wilm zuletzt das väterliche Haus verlassen? Weder Mutter noch Sohn hatten jemals eine besondere Anhänglichkeit für einander an den Tag gelegt, und doch war Krau van Sen den kurz «ach Wilms Abreise schwer erkrankt und in ihren Fieberphantasien hatte eine Sehnsucht nach dem Entfern ten sich offenbart, die keine Täuschung über den Schmerz zuließ, den sein Fortgehen ihr bereitet. Mynheer van Senden war anfangs mehr überrascht als erschrocken ge wesen.' Er hatte seine Gattin nicht eines Gefühls fähig gehalten, wie er in einem lauten Jammer und stiller Ver zweiflung sich zu erkennen gab, aber auch nie zuvor daran gedacht, daß eine Stunde kommen könne, in welcher dieses Muster einer Frau, die seinen Wünschen in jeder Be ziehung nachgekommen war, ohne jemals der Würde einer vornehmen, selbstbewußten Dame der besten Kreise sich zu entäußern, sich gegen seine Person auflehnen und ihr ein sichtliches Widerwillen bezeigen könne. Und doch war dies in hohem Grade der Fall gewesen. Egnatius van Senden hatte nicht mehr gewagt, das Krankenzimmer zu betreten- nachdem die erkrankte Gattin bei seinem Anblick wiederholt in einen Zirstand von Auf regung geraten war, der eine Verschlimmerung herbei geführt, und der Arzt selbst das Vermeiden derartiger gesährlicher Momente als eine Hauptbedingung für ihre Genesung gefordert. Erst in der letzten Woche hatte er, auf Frau van Sendens Wunsch, nachdem sie seit einigen Tagen bereits wieder Bestuhc teilnehmender Bekann tinnen empfangen, nur ungern eine Begegnung herbei geführt, die ihm auch aufs neue den Beweis gegeben, daß in dem Wesen seiner Gattin eine große Wandlung sich voll zogen hatte. Auch die Gründe für eine solche wurden ihm nicht vorcnthalten. Der Geist Peter van Sendens erschreckte ihn abermals. Seine Gattin hatte gleichfalls durch die Zeitungen Kennt nis von dem gewaltsamen Ende des Schwagers erlangt, und dieses in Verbindnng mit ihr bekannten Vor gänge gebracht, denen sie ehemals keine Bedeutung bei gemessen, und die ihr dann plötzlich in einem Lichte er schienen waren, das sie mit Entsetzen erfüllt hatte. Und über diese Vorgänge forderte sie von dem Gatten eine Aufklärung, die er ihr nicht geben konnte, ohne ihre letzte Hosfunng, daß ein böser Zufall verhängnisvoll gewirkt, zu zerstören. Sv erlangte Fran van Senden zwar nicht eine furchtbare Gewißheit; aber das Mißtrauen machte anch nicht, wie Egnatius van Senden forderte, einer „ver nünftigeren" Auffassung Platz, sondern das Benehmen seiner Gattin zeigte ihm auch für die nächste Woche, daß nichts mehr von den einstigen Gefühlen, die zwar niemals eine heiße Liebe verraten, die ihm aber gerade in ihrer eigenartigen Zurückhaltung keinerlei Unruhe und Zweifel bereitet, in ihr vorhanden war. Sie begegnete ihm viel mehr mit einer peinlich auf ihn eimvirkenden Kälte, die ihm deutlich mache» zu wollen schien, daß eine Kluft zwischen ihm und ihr sich anfgctan, die sich nicht mehr ans- füllen ließ. Und noch wußte Frau van Lenden, wie er glaubte, nichts von dem rätselhaften Verschwinden ihres Sohnes. Ihr verlangte nur nach Nachricht von ihm, wie während der Zeit ihrer Krankheit aus ihren Fieberphantasien hervorgegangen war, und wenn sie gesund gewesen wäre, so würde ihr Gatte Mittel mrd Wege gefunden haben, ihr Nachfragen zu verleiden, die zn nichts führen konnten. Nun aber war sie schonungsbedürftig, nicht weil der Arzt es sagte, sondern weil jede Kleinigkeit sie erschreckte, und schon ein plötzliches ungewohntes Geränsch im stände war, eine Ohnmacht herbeizuführen. Wie würde unter diesen Verhältnissen das Bekanntwcrden eines Ereignisses auf sie wirken, das jeden Unbeteiligten in Aufregung versetzt und erhielt? Kalte Schweißtropfen waren Egnatius van Lenden vor die Stirn getreten. Er erhob sich und trat an das Fenster, cs zu öffnen. Ihm war's, als ob er ersticken sollte, sein Bemühen, unheimlicher Befürchtungen Herr zu werden, war ein vergebliches. Ihm drohte Gefahr, und daß er sich nicht rüsten konnte, ihr zu begegnen, darin lag für ihn das Entmutigende, etwas, das ihn unfähig machte, einer verzweifelten Stimmung Herr zu werden. Und während er noch sann und sann, auf welche Weise es ihm gelingen möge, die Folgen eines aller dings nicht unnötigen, aber gewagten Schrittes abzu wehren, war ihm sein Verhängnis von einer Seite näher gerückt, der er nicht die geringste Beachtung ge schenkt. Seine Gattin las keine Zeitungen, aus welchen sie Kenntnis von einem Vorgänge schöpfen konnte, den er ihr so lange zu verheimlichen gedacht, bis Zeit und Stunde gekommen waren, in welcher Wilm nicht mehr in der Lage sein würde, die Pläne seines Vaters zu durch kreuzen. Dann mochte er, selbst wenn er den Urheber seiner unfreiwilligen Entfernung aus Johannesburg in der Person seines Vaters erkannt, mit einer Anklage gegen ihn hervortretcn. Egnatius van Senden war nie mals arm an Mitteln gewesen, eines überlästigen Gegners sich zu entledigen, und daß er in dem Sohne, den kein Charakterzng als den seinen erkennen ließ, nur noch einen solchen sah, dafür hatte derselbe hinreichend Sorge getragen. Wenn Mrs. van Senden aber nicht durch die Zeitungen etwas über das Schicksal ihres Sohnes er fuhr, so konnte es als ausgeschloffen betrachtet werden, daß sie vorläufig von irgend einer Seite darüber unter richtet wurde. Ihre gänzliche Abgeschiedenheit von der Welt, die seit ihrer Erkrankung cingetreten war, konnte nicht die Besorgnis anfkommen lassen, daß durch eine Unvorsichtigkeit etwas geschah, das eine Katastrophe her beiführen würde. Ihre wenigen Bekannten, die Zutritt zu ihr hatten, seitdem sie sich auf dem Wege der Besserung befand, waren gewarnt, und wenn das Unterbrechen jeder Korrespondenz mit dem Sohne die Kranke merk lich aufregte und beunruhigte, so war Mynheer van Senden doch der Meinung, den Grund hierfür in einer nervösen Ueberreizung suchen zu müssen. Seine Gattin hatte in früheren Jahren niemals große Sorge bezeigt, wenn Wilm durch monatelanges Schweigen zu erkennen gegeben, wie wenig er mit seiner Liebe und seinen Interessen in dem Elternhause wurzelte. So er wartete er von einer fortschreitenden Genesung auch die Rückkehr zu einer Art von Gleichgültigkeit in Bezug auf das Tun und Treiben des Sohnes. Um so größer war sein Erschrecken, als kaum wenige Minuten, nachdem Herr vay Meenen sich entfernt hatte,
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