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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190305037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030503
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030503
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 3218-3219 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-03
- Monat1903-05
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1903
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Reklamen unter dem Redaktionsstrich (IgespaUen) 75 H, vor dea Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren für Nachwetsungeu und Ossertenannahme 2b H (rxcl. Porto). <?rtra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne PostbesSrderuug 60.—, mit PostbesSrderuug 70.—, Annahmeschluß för Anzeigen: Abeud-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmsttags 4 Uhr. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Dir Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abeud» 7 Uhr. Druck und Berlaq von E. Polz in Leipzig. Sir. 222. Sonntag dm 3. Mai 1903. 97. Jahrgang. Aus der Woche. Oha« sich durch die Reden einzelner weißer Raben, die gelegentlich in Süddeutschland an die Oeffentlichkeit treten, oder durch extravagante Einfälle dieses oder jenes Fürsten beirr«« zu lasten, muß der Politiker daran festhaltr», daß ihrem innersten Wesen nach Vit Sozialdemokratie anti« national, antimonarchisch bis zur Antistaatlichkeit geblieben ist. Der Parteitag der preußischen Sozialdemo kraten bat kein« eigentlichen Programmreden gebracht. Seine nicht sehr tief gehenden Beratungen haben sich haupt sächlich um di« Frage gedreht, wie man in den „Jagdgründen" — vr. AroaS bewegte sich fortgesetzt in diesem für beson deren Respekt vor den Wählern zeugenden Bilde — in dea Jagdgründen, di« bisher von den Freisinnigen auSzebeutet wurden, bei den künftigen Landtagswahlen ein Stück Wild erjage», mit anderen Worten zum ersten male ein preußisches Landtagsmandat für die Sozialdemokratie gewinnen könne. Solches verlangen einer großen Partei wird niemand al- ungerechtfertigt bezeichnen wollen. Wohl aber öffnet sich vor unseren Augen ein Abgrund von Vaterlandslosigkeit, wenn wir hören, wie Genosse Adler aus Kiel die Frage stellt: WaS sollen wir tun, wenn Liberale und Dänen in dir Stichwahl komme»? Für einen Deutschen gibt eS diese Frage überhaupt nicht. Die Antwort aber kann niemals anders lauten, alS: „Für den Deutschen gegen den Dänen." WaS antwortet dagegen Genosse vr. Arons, der einst viel genannte Berliner Privatdozeut? Es stehe nach Einvernehmen mit dem Parteivorstande jedem frei, zu entscheiden, für welchen der beiden Kandidaten er «»treten wolle. Noch empörender als diese- Ignorieren jeglicher vaterländischen Erwägung ist das Präludium gewesen, mit dem da- Hauptorgan der deutschen Sozialdemokratie diese preußische Parteikonferenz eingeleitet hatte. Wir stehen nicht an, zuzugeben, daß im preußischen Landtag« manches anders und bester sein könnte, daß daS Uebergewicht klerikaler und reaktionärer Mächte dort schon viel Schaden angrstistet bat. Gerade am Schlüsse der preußischen Landtags-Periode haben wir in den Debatten über die Vorbildung der Beamten und in dem Loblied« des Ministers v. Hämmerst«» auf Adel und Korps noch einmal jene Anschauungen konzentriert gesehen, auf denen die welthistorischen Leistungen deS preußischen Staates sicher lich nicht beruht haben. Wenn nach solchen Aeußerungen das geistige Niveau deS preußischen Beamtentum- abgeschätzt würde, so köuaten wir nicht mit Stolz auf den führenden Staat blicken. Wie kann aber ein in deutscher Sprache für deutscheLrser schreibender Publizist es über sich gewinnen,von dem Staate, der in erster Linie da- deutsche Reich geschaffen hat, zu sagen: „Dieser Staat ist in sich eine lächerliche und zugleich verhängnisvolle Unmöglichkeit"? DaS Blatt, in welchem fast jede» Tag gegen den „Dünkel" und den „Uebermut" der Regie renden gehetzt wird, erklärt: „Daß die Sozialdemokratie Iahrzehate hindurch im Staate Preußen keine Möglichkeit spezifisch preußischer Betätigung sand, bedeutet daS Todes urteil deS Staate- . . . ." Ohne weiteres können wir auf die Reichstagswahlen anweoden, was über den Zweck der Teilnahme an der preußischen Landtagüwablbewegung gesagt wird, nämlich: es soll „daS Bewußtsein der ganzen Verkommenheit preußischer Reaktion... in die Hirne gehämmert werden, daß selbst die herrschenden Klaffen durch die ErlenntniS in ihrem trägen, unfruchtbaren Macht dünkel erschreckt und erschüttert werden." Selbst den Frei- finnigen verdenken wir e- nicht, daß sie auf die Gefahr von Mandatsverlusten hin sich scheuen, für die Träger solcher Gesinnungen einzutreten. Gegen die sozialdemokratische Gefahr hat mit freundlichem Ausblick zu de» liberalen Parteien vor einigen Monaten der badisch« Führer Wacker daS Zentrum empföhle». Ist aber der KlrrikaliSmuS überhaupt zum Schutze gegen die rote Inter nationale berufen? Fürst Bi-marck ist im Reichstage 1884 der Ueberschätzung entgegengetrrten, die er „bei manchen Katholik«» gefunden habe, daß nämlich gerade ihr Glaube stärker gegen die sozialdemokratischen Verirrungen wäre, daß er eia sicherer und festerer Schild dagegen wäre, al» andere christliche Konfessionen." Der groß« Kanzler verwies au der Hand der Geschichte auf „die eigentümlich« Erscheinung, daß gerade vorzugsweise die Katholiken sich durch ihre innere Einigkeit, durch innere Ordnung und inneren Frieden nicht ausgezeichnet haben." Polen, Irländer, Franzosen, die Republiken Südamerika- haben immer wieder Beispiele der inneren Zerrissenheit geboten. Sehen wir doch gerade i» de» letzte» Jahre» wieder den franzö sischen KlerikaliSmnS in offener oder geheim wüh lender Auflehnung gegen dea Staat. In Spanit» und in Belgien stützt zwar äußerlich der Altar den Thron, in Wirklichkeit aber bereitet er dea Boden für di« Revolution. Da- Anwachsen der republikanische» Partei in Spaniru, wie «S d,e letzte CorteSwahl gezeitigt hat, ist ein schlagender Beweis für di« subversive», dea Staat und di« Monarchie erschütternden Wirkungen de- KlerikaliSmuS. Ja, Herr Wacker selbst, der so sreuudtich eiageladen halte zur Verbindung mit d«» Zentrum, kann sich rühmen, jene klerikal-demokratisch sozialistische Mehrheit geschaffen zu haben, die seit Jahren den Stand der badischen Regierung so sehrt erschwert. Und auch jetzt wieder, seitdem Korum und die Jesuiten zusage die lauen Elemente deü Liberalismus endlich in- Feuer gebracht hat, warnt er seine Gesinnungs genossen, bei Stichwahlen einem Kandidaten, der sich nicht für die Aufhebung deS § 2 erklärt, die Stimme zu geben. Er sieht also dem sozialdemokratischen Siege, obwohl er sich sagen muß, daß von dieser Seite der christlichen Kultur die größte Gefahr droht, mit Gelassenheit entgegen. Graf Ballestrem aber spricht rühmend davon, wie da» Zentrum zur auSschlaggrbenden Partei im Reiche berufen sei! Diese Machtstellung ist eS, für die jetzt das rheinische Organ de- UltramontaniSmuS seit dem Iesuilen-„Lärm" bangt. Daher denn die Drohung, daS Zentrum werde, fall- der Paragraph nicht aufgehoben wird, annehmen, „daß die Regierung wiederum in daS Lager der Kulturkämpfer übergegangen ist". Die Folgen sollen sich zeigen im Ver halten der Zentrumswähler nicht nur den Kandidaten anderer Parteien, sondern auch der Regierung gegenüber, die auf die Widerstandsfähigkeit von Petri Felsen noch besonders aufmerksam gemacht wird. Daß durch diese Drohungen Gras Bülow sich nicht einschüchtern läßt, ist ganz in der Ord nung und sehr erfreulich. Einem seinen OsfiziosuS ist eS nun aber geglückt, uachzuweistn, daß der Kanzler diese Situation absichtlich herbeigesührt habe. Er geht aus von dem vielfach hervorgetreteueu, durchaus berechtigten Verlangen, Graf Bülow solle seine Iesuiten-Zusage in aller Form zurückziehen, WaS der Regierung vielleicht „den Ruhm größerer Energie und Initiative eingebracht hätte". Das sei aber nicht möglich gewesen ohne den Anschein konfessioneller Partei nahme, den der Kanzler so lange wie möglich zu vermeiden suche. Und »nn kommt vie kühne Vrrmulhung: „Viellercht sah er bereit» voraus — nach allem, WaS sich vorbereite —, daß der UltramontaniSmuS hierbei aus der Rolle fallen und seine Natur nicht verleugnen würde. Jedenfalls bat er jetzt darin eine ziemlich starke Stellung, daß er seine Zusage gehalten hat, während der natürliche Verlauf der Dinge die ultramootanea Hoffnungen trotzdem zu schänden gemacht hat." Nichts, garnichts hat Graf Bülow hier zu schänden gemacht. Er hat da- Ansehen der preußischen Regierung sogar erheblich gefährdet, indem er eine Zusage machte, die er wegen veränderter Zeitumstänbe nicht etwa zurücknimmt, sondern unter Benutzung einer in der Verfassung klaffenden Lücke durch Verschiebung deS Votum- in der Schwebe läßt, weil ihre Erfüllung ihm unmögltch gemacht wird. Zu schänden gemacht hat die Hoffnungen veS Zentrums lediglich der io nationalen, evangelischen und liberalen Kreisen ausgebrochene Entrüstungssturm über die Zusage, die nie hätte gegeben werden sollen. Wie Zentrum und Sozialdemokratie in der nun ge schloffenen Legislaturperiode des Reichstag» die Verhand lungen abwechselnd terrorisiert und gelähmt haben, daraus ist schon in unserem Rückblicke hingedeutet worden. Gerade die letzten Sitzungen des Reichstags haben diese Ka lamität noch einmal in aller Schärfe hcrvortreten lassen. Selbstverständlich war daS HauS meist oder immer beschluß fähig. Ja dieser Situation dehnte daS Zentrum die Be ratungen durch Anträge aus, deren Inhalt wie die an sie geknüpfte Diskussion den Wählern noch einmal zeigen sollte, welch arbeiterfreundliche, treu besorgte Partei sie am Zentrum hätte». Die Sozialdemokratie dagegen halte daS Bedürfnis, bi« zur letzten Minute hervortreten zu lasten, daß sie bei der Saumseligkeit der anderen Parteien Herr bleibt über das, WaS beichloffen und nicht beschlossen wird. Erst der faule Friede, Kompromiß genannt, zu dem daS Zentrum sich be quemte, schuf dl« Möglichkeit, dieKrankeakaffennovrlle und damit Session und Legislaturperiode zu Ende zu bringen. Fürwahr, ein erhebende- Bild, dessen Anblick dem teiluahmlosea Wahl berechtigten nicht nur zu denken, sondern auch zu handeln geben sollte. Die Sozialdemokratie gegen das Ansehen und die auswärtigen Interessen des Ueiches. An der Erstarkung des deutschen Ansehens im Aus lande ist im Grunde genommen die deutsche Arbeiter- ktajsc in erster Linie interessiert. Wir sind doch, wie nachgerade selbst von den Sozialdemokraten nicht mehr bestritten werden kann, bet aller Betätigung nach außen nicht von Abenteuer- und Händelsucht geleitet. Sonst wäre ja der Weltfrieden längst aus den Fugen. Wir bauen Schiffe, damit sie der Flagge deS Kaufmanns folgen, und wir haben Stützpunkte über See erworben — und -war rechtmäßig erworben —. damit der Unternehmungsgeist, der deutsche Gewerbefleiß, die deutsche Intelligenz auf allen Geoieten der Technik, auch die Kultivation und später vielleicht auch die Kolonisation sich von sicheren Mittel punkten aus immer neue Ausbreitungsgebiete schaffen können. Wir bedürfen ihrer mehr denn irgend ein an dere- Kulturvolk. Denn die Kopfzahl wächst in Deutsch land starker, al« sonstwo in ber Welt, und cS kann für di« htnzuwachsenbeu Mcnschenmaflen der Tisch nicht reichlich genug gedeckt sein, wenn wir nicht in steigendem Maße An teil an den Gütern erlangen, die draußen in der Welt ge wonnen werden. Wir müssen Waren oder Menschen ex portieren. Das bleibt unumstößliche Wahrheit, auch wenn sie einmal ausgesprochen worden ist, wo sie nicht hin- ^D?e Märkte der alten Welt haben nicht diejenige Auf nahmefähigkeit, wie wir sie brauchen, um die Produktion entsprechend dem wachsenden Bedürfnis der wachsenden Bevülkerungsziffer steigern zu können. Oder jene Märkte schließen sich der Zufuhr von außen mehr und mehr ab, um sich von der eigenen Landesvroduktion reichlicher ver sorgen zu lasten. Anderseits sind wir in Bezug auf wich tigste Massenbedarfsartikel, wie Baumwolle, Petroleum, Kaffee, Reis nsw. noch vollständig abhängig von fremden Erzeugungsländern. Eine weitausschauende Politik des Reiches, namentlich wenn sic das LebenSintcressc der lohnarbeitenden Klassen im Auge hat, ist mit elementarer Kraft darauf hingewiesen, überseeische Gebiete dem Reichs- verbande anzugliedern, die uns das eine und andere Pro dukt dieser Art mit der Zeit selbst zu liefern vermögen, und mit den andern Kulturstaaten so weit als möglich gleichen Schritt zu halten, wo diese die „Aufteilung der Erde" sich zum Ziele genommen haben. Anders ist doch der Uebergang der deutschen aus wärtigen Politik zur Weltpolitik, der Ausbau der Flotte, der Erwerb von Schutzgebieten unter den Tropen und in der gemäßigten Zone von Südafrika, die Subventionie rung von Postbampferlinien und demnächst auch die Ver ständigung mit andern Großmächten Uber gemeinsame militärische oder maritime Maßnahmen in überseeischen, der Kultur erst noch zu erschließenden Gebieten gar nicht zu verstehen. Der „Platz an der Sonne", die „Politik der offenen Türen" und was sonst in neuester Zett unsere auswärtige Politik in Anspruch genommen hat — alles ist in erster Linie mit unter dem Gesichtspunkte der Fürsorge für die fleißig schaffenden Hände der eigenen Volks genossen verfolgt und festgemacht worden. In andern Staaten'der alten Welt unv in den Ber einigten Staaten von Nordamerika hat die Arbeiterklasse ein lebhaftes Ver^äu>.itI dafür. Mir sehen sie überall an der Seite ihrer Regierungen stehen, wenn «S sich um Be tätigung nach außen handelt. Und wenn eine Opposition sich geltend macht, so kehrt sie sich nicht gegen solche Be tätigung an sich, sondern iedesmal nur dagegen, daß zu viel Rücksicht dabei auf — Deutschland genommen sei. Das haben wir erlebt, als Ferrn über daS Abenteuer im Roten Meere zu Fall kam, und jüngst wieder, als Eng land sich bereit fand, Schulter an Schulter mit Deutsch land die Benezuclaschwierigkeiten zu überwinden. Da gab es freilich Aeußerungen des Mißtrauen? gegen die eigene Regierung genug, namentlich aus den Arbeiterparteien heraus. Man wollte nicht von Deutschland düpiert sein, wollte ihm nicht neue Erfolge im Ansehen der Völker gönnen. Man wollte eine rücksichtslos englische Welt politik, eine ebensolche Kolonialpolitik, und wenn schon Abmachungen mit Nachbarn sich nicht umgehen ließen, so keinesfalls mit dem s-s-s- deutschen Nachbar oder Vetter. Und unsere deutschen Arbeiter? Sie ertragen es und bilden sich ein, sich auch noch darüber freuen zu dürfen, wenn die Sozialdemokratie in jedem Falle der deutschen Betätigung nach außen alsbald auf die Seite des — Gegners der deutschen Interessen tritt. Da ist die Ko lonialpolitik nichts weiter als ein Mittel zum Zwecke, „den Sinn desVolkes zu blenden und von heimischen Mißständen abzuwenden"; oder die Schutzgebiete sind „nichts als eine weitere Versorgungsanstalt für die Söhne der herrschen den und besitzenden Klasse". „Die wirtschaftliche För derung Deutschlands durch die Kolonialpolitik beschränkt sich auf den Vorteil einiger Großkanfleute." (Soz.-Dem. Handbuch S. 54 ff.). Die Chinesen sind die Träger einer bei weitem überlegenen Kultur. Die Boxer sind die edle Verkörperung deS Gedankens der nationalen Selbst ständigkeit, sie stehen mit den Boeren und mit den Frei heitskämpfern von 1818 auf gleich hoher Stufe. Deutsch lands „Brutalitäten" aber, wie sic gegenüber diesen ritter- lich-patriotischen Söhnen des Reiches der Mitte beliebt wurden, sind „ein Schandmal für die civilisierten Völker der Welt", „ein Zeichen von unserer Zeiten Schande", „ein Zeichen für die vollständige Verwilderung und Ver rohung des Völkerrechts". (Bebel im Reichstage am 11. Januar 1002.) Ja, man läßt sich Hunnenbriese fabri zieren, um nur ja das eigene Nest derart beschmutzen zu können, daß sich alle Welt voll Ekel davon abwendet. Und der deutsche Arbeiter wendet sich nicht voll Ekel ab von dieser, in der Tat vaterlandslosen Gesinnungsweise? Deutsches Reich. Berlin, 2. Mai. (Die Nationalliberalen im Reichstage und im preußischen Land tage.) Nachrufe folgen dem Reichstage und dem Land tage jetzt nach der abgeschlossenen fünfjährigen Legis laturperiode in übergroßer Zahl. Erbaulich klingen sie keineswegs. Obwohl aber die Unfähigkeit der „regierenden Partei", des Zentrums, den Reichstag viel fach arbeitsunfähig machte und dadurch das Ansehen des selben nicht minder untergrub, wie dies durch die Tonart und Kampfesweise der Sozialdemokratie geschah, konnte dennoch eine Fülle positiver Arbeit geleistet werden. Ein von engherziger Partctpolitik ungetrübtes Urteil wird bet Prüfung dieser fünfjährigen parlamentarischen Arbeit den Nationalliberalen das Verdienst zu schreiben müssen, daß sie eS waren, die überall da, wo große nationale Fragen zur Entscheidung kommen sollten, mit Entschiedenheit eingrisfcn und unbekümmert um die gehässigen Anfeindungen von rechts und link- und von der „regierenden Parkt", ja sogar zuweilen au- den Rethen der eigenen Parteifreunde, das für da» nationale Wohl al» notwendig Erkannte in unermüdlicher Arbeit dnrchzusetzen bemüht waren. Als MinoritätS-Partet sahen sich dabei die Nationallibcralen leider wiederholt in die Lage gedrängt, mit anderen Parteien paktieren zu müssen, um überhaupt solche Vorlagen, «le da» Militär gesetz, das zweite Flottengesetz und den Zolltarif, zu stände zu bringen. Die Nachwirkungen der heißen Kämpfe um letzteren zittern noch immer nach und werden auch in -er Wahlbewegung hier und da von neuem sich fühlbar machen. Nur wer in jenen schweren Tagen der Entscheidung um den Zolltarif den Ereignissen näher stand, kann einigermaßen ermessen, durch welche inneren und äußeren Konflikte die Angehörigen der nationalliberalen Fraktion sich durchzuringen hatten. Sie leitete einzig und allein der nationale Gedanke, alle persönlichen Erwägungen traten vor ihm zurück. Mit vorwurfsfreiem Gewissen können die national liberalen Abgeordneten zum Rechenschaftsberichte vor ihre Wähler hintrcten. Auch dort, wo bet letzteren ein seitige Interessen oorwiegen sollten, wird anerkannt wer den müssen, daß die Nationallibcralen stets das Palladium der gesamten nationalen Wohlfahrt hochhielten. In nicht minder aufreibender Tätigkeit arbeiteten unsere Partei freunde für die Ausgestaltung der sozial politischen Gesetzgebung: von der Fülle der An regungen, die ein Bassermann, v. Heyl, Graf Oriola u. a. gaben, ist die Regierung noch immer die Errichtung kauf männischer Schiedsgerichte schuldig geblieben; die natio nalliberale Partei wird diese Gesetzesmaterie nicht un erledigt lassen. Was in gesetzgeberischer Kleinarbeit die u. a. Abgeordnete vr. Esche, vr. Paasche, vr. Semler, vr. Blankenhorn, vr. Hofmann - Dillenburg durch gründliche und klassisch zu nennende Kommissionsberichte geleistet haben, wird sogar auf der äußersten radikalen Linken anerkannt. Wie im Reichstage, fo stand auch die nationalliberale Fraktion des preußischen Landtages stets auf der Wacht, wo es die Wahrung der höchsten idealen Güter und die allgemeine Wohlfahrt galt. Un ermüdlich wird sie in letzterer Hinsicht für den von ihr zur Hebung der ganzen Volkswirtschaft als unerläßlich erachteten großen Mittellandkanal weiter kämpfen. Daß in ihr die preußische Regierung die einzig wirkliche Stütze besitzt, wo es sich um die großen Machtfragen zwischen Staat und Kirche handelt, bewies das jüngste Eingreifen der nationallibcralen Fraktion in den Trierer Schul streit, der nicht, wie das Zentrum gern bemäntelnd glauben machen möchte, lokaler, sondern höchster prin zipieller Natur ist. Härter noch, als der Kampf in den Parlamenten tobte, wird der W a h l k a m p f für die Ab geordneten der nationalliberalen Partei entbrennen. Das Bewußtsein, nur nm die hersten nationalen Güter zu ringen, kann und wird ihnen der stärkste moralische Kampfgenosse sein. Manche der erprobten Partei genossen, müde des im Niedergang begriffenen Parla mentarismus, verlassen die parlamentarische Arena. Mögen an ihre Stelle Männer treten, die sich gleichfalls erfüllt von jenem Geiste zeigen, der die nationalliberale Partei einst groß gemacht hat und der ihre Reihen hoffent lich verstärkt aus dem Wahlkampfe hervorgchen sieht! --- Berlin, 2. Mai. (Welfische Heuchelei.) Da führende welfiscke Organ veröffentlicht einen Wahlaufruf, der vor Frömmigkeit förmlich trieft, der aber einen der Hauptvorzüge des wirklich frommen Manne-, die Wahrheits liebe, schmerzlich vermissen läßt. Der Aufruf beschäftigt sich selbst verständlich mit den Ereignissen von 1866. Da heißt es: „Nie ist eS unS in den Sinn gekommen, unsere Waffen gegen Preußen zu kehren. Freilich, Hannoveraner unter unserem angestammten Fürstenhause wollen wir stets bleiben. Die Kriegserklärung Preußens 1866 traf uns wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel". Die dem Kriege vorangehenden Verhandlungen hatten sich Monate lang hingezogen und Oesterreich, auf dessen Seite Hannover während dieser ganzen Verhandlungen stand, batte schon im Winter zu rüsten angefangen; der Krieg konnte demgemäß Hannover unmöglich wie „ein Blitzschlag aus heiterem Himmel" treffen. Es war aber vollständig in die Hand deS Königs von Hannover gegeben, diesen Blitzschlag von seinem Lande abzuwenden. Preußen verlangte von Hannover nur, daß es sich in dem beginnenden Kriege neutral verhalten sollte, und eS sicherte dem Welfenkönig für den Fall der Neutralität die Integrität des hannoverschen Territorialbesitzes und die Souveränität zu. Wenn es also, wie der Wahlaufruf sagt, „uns nie io den Sinn gekommen ist, die Waffen gegen Preußen zu kehren", so brauchte der König ja nur den Neutralitätsvorschlag Preußens anzu nehmen. Dies hätte er vm fo eher tun können und sollen, als an dem verhängnisvollen 15. Juli 1866 Magistrat und Bürgervorsteber - Kollegium seiner getreuen Hauptstadt >n tiefer Nacht in corpora nach Herrenhausen ge fahren kamen und den König bestürmten, sich mit Preußen zu versläudigen. Der König aber erklärte, daß er als Christ, als Monarch und als Welfe nicht nackgeben dürfe. Als Christ hätte er den Vorschlag annehmen muffen, um das Blut seiner Laude-kinder nicht zu vergießen. Als Monarch Härte er ihn «»nehmen müssen, um sich und seinem Hause die »hm zugesicherte Souveränität zu erhalten; als Welfe freilich konnte er nicht nachzeben, weil dieses Wort noch niemals im Laufe der Jahrhunderte in dem welfischen Lexikon eine Stätte gesunden bat. Kaum ein anderer der damaligen deutschen BundeSsürsten hätte eine solche Freude daran gehabt, Preußen zu demütigen, wie Georg V. Wenn er nicht angriff, sondern angegriffen wurde, so lag dies nicht daran, daß man nicht daran gedacht batte, die Waffen gegen Preußen zu kehren, sondern daß Hannover Wohl ebenso wie manche süddeutschen Bundesstaaten darauf gerechnet batte, die anderen Verbündeten würden eS schon mache». Nur die sächsische Heeresmacht war damals wirklich kriegsbereit. Doch die» nur beiläufig; e» soll hier nur gesagt werden, daß die mangelnde Kriegsbereitschaft Hannovers nicht etwa al» Be weis für die friedlichen Gesinnungen deS welfischen König- im Jahre 1866 angeführt werden darf, ebensowenig wie die mangelnde französische Kriegsbereitschaft im Jahre 1870 ein Zeichen friedfertiger Gesinnung war. Saumseligkeit ist ia keiner Weise eine Entschuldigung für die Kriegslast, sondern macht sie doppelt strafwürdig. L. verttu, 2. Mai. (Anarchistische Maifeier.) Die beiden in Berlin erscheinenden Anarchistenblätter, da- „Neue Leben" und der „Anarchist", feiern die Maidemonstration Übereiast,mme»d ia dem Sinnes daß sie durch die Arbeit--
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