01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030511010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903051101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903051101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-11
- Monat1903-05
- Jahr1903
-
-
-
3414
-
3415
-
3416
-
3417
-
3418
-
3419
-
3420
-
3421
-
3422
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
8S ZO. xiluahme an «IN» jig-Reudnitz. stand. sahn Lndig recht wie urch gelbe I zu haben. Arzt nmal und und «lung sein esetz tBer- BermögenS. lagen ist. Kinder- ischwiü. k in Siche, gestellt. ?tn.; außer, n Leipziger nächsten rcks zu- Keubell <rt." — rte und !ounnen ußischcr t Stadt Keudell > zum -m Bot. :e Kon. keinen ltungen Sgam- Keudell mdlich. redigt halten err Pfarrer n I-ebwana ise aus der aiv. ßender Nach N seinen M da« Ulanen, ert Ball MU. 'tt will, seine Bezugs-Preis in der Hanptexpedition oder deren Ausgabe, stellen abgebolt: viertestährlich 8.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 8.75. Durch die Post bezogen lür Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich .M 4.50, für dt» übrigen Länder laut ZeitungSpreiSliste. Redaktion und Expedition: Jvhanni-gasse 8. Fernsprecher 153 und 222. -iltaterpedMourn: Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr.S, L. stösche, Katharinenstr. 14, u. «önigspl. 7. Haupt-/iliale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Anit l Nr. 1713. Haupt Filiale Serlin: Carl DunSer, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10 Fernsprecher Ai»: VI Nr. 4603. Morgen-Ausgabe. MpWtl" .Tllgcblalt Anzeiger. Ämtskkatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nokizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-ch^iS die 6gespaltene Petitzeile 2S LH. Reklamen unter dem Redaktion«strich l4 gespalten) 75 vor den Famtliennach richten («gespalten) 50 Dabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Sebührrn für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 L, (excl. Porto). Erira-Beilagen (gesalzt), nu? mit oer Morgen-AuSgabe, ohne Postbesärderun, 60.—, mit Postbrsördrrung 70.—. Annatfmeschluß für Anzeigen: Adend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 236. Montag den 11. Mai 1903. S7. Jahrgang. Letzte Nachrichten. * Berlin, 10. Mai. Die „Nat.-Ztg." schreibt: Das gegenwärtig in Villafranca vor Anker liegende Ge schwader derVcreinigtenStaaten wird Ende des Monats nach Kiel in See gehen. Es ist dies das selbe Geschwader, das den Präsidenten der französischen Republik, Loubet, im Hafen von Marseille begrüßte, als er unlängst bei der Rückkehr aus Algerien und Tunesien dort eintraf. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat, wie wir zuverlässig erfahren, selbst dicJnitiative bei der Anordnung dieses Flottcnbcsuches ergriffen. Die frühere Einladung des deutschen Kaisers bezog sich auf das andere amerikanische Geschwader, das überhaupt nur Manöverzwecken dienen und keinen europäischen Hasen an laufen, sondern sich nur bis zu den Azoren begeben sollte. Gewissen Ausstreuungen gegenüber darf auf Grund sicherer Informationen daran festgchalten werden, daß der Präsident der Union die auf dieses Manövergeschwadcr bezügliche Einladung des Kaisers Wilhelm mit Genug tuung begrüßt und angenommen hatte, da die den aus schließlichen Manöverzweck betonenden Anordnungen des amerikanischen Marinedepavtements auch dem Präsidenten Roosevelt erst später bekannt wurden. Die bevorstehende Entsendung des amerikanischen Mittclmcer-Ge- schwaders nach Kiel legt vollgültiges Zeugnis dafür ab, daß nach wie vor zwischen der Unionsregierung und der deutschen Reichsrcgierung durchaus freundschaftliche und herzliche Beziehungen bestehen, die auch bei dem Em- psangc der amerikanischen Kriegsflotte und ihrer Be satzung in Kiel zum unzweifelhaften Ausdruck gelangen werden. Ter Kommandant des amerikanischen Ge schwaders, Admiral Eotton, hat bereits die für den in Deutschland willkommenen Flottenbcsuch erforderlichen Instruktionen erhalten. Berlin, 10. Mai. In dem Gesetzentwürfe über den Versicherungsvertrag ist den Verhältnissen der öffentlichen Versicherungsanstalten in den Einzelstaatcn eine so weitgehende Berücksichtigung zu teil geworden, daß man in BundesratSkrciscn annimmt, früher bestandene Bedenken würden jetzt durchaus fallen gelassen werden. Berlin, 10. Mai. Die Ausarbeitung der Aus- führnngsbcstimmungen zum K in dersch utz-Gesetz wird dem Vernehmen nach so gefördert, daß der Bundesrat noch vor seiner Vertagung über den Sommer vollkommen in der Lage sein wird, dieselben zu erledigen. * Schwerin, 10. Mat. Ter Gr oh Herzog ist gestern abend, vom Haag kommend, hier wieder einge troffen. * Iserlohn, 10. Mai. Die Fa b r i k a n t e n - Ver einigung beschloß, sich auch ferner auf Verhandlungen mit den Nrbciterverbänden nicht einzulasscn, die Betriebe offen zu halten und die zahlreichen Arbeitswilligen unter den früheren Bedingungen ohne Lohnkürzung cin- zustcllen. * Münster, 10. Mai. Der Provinzialland- t a g beschloß gestern, bei der Negierung wegen Ausgestal tung der U n i v e r s i t ä t Münster, zunächst durch Er richtung eines anatomischen Institutes, vorstellig zu werden. * Stuttgart, 10. Mai. Gcneral-Feldmarschall Graf Walders ec ist heute nachmittag hier eingetroffcn. Derselbe wird in der nääfftcu Woche das württembcrgische Armeekorps besichtigen. * Rom, 10. Mat. Wie die „Agcnzia Stcfani" meldet, ist der erste Botschafter an der Botschaft in Berlin, Marquis Jmperiali, zum diplomatischen Agenten in Sofia und italienischen General konsul für Bulgarien ernannt worden. * Nom, 10. Mai. Heute morgen empfing der Papst die zweite aus 800 Personen bestehende Gruppe deutscher Pilger. * Madrid, 10. Mai. Tas Befinden der In fantin Isabella ist befriedigend. Die königliche Familie verblieb während des gestrigen Abends im Palais der Infantin. * Madrid, 10. Mai. Bei den Wahlen zum Senat sind hier drei Anhäger der Regierung und ein Liberaler gewählt worden. * London, 10. Mai. Tas „Reuterfche Bureau" er fährt aus Washington, es seien Anzeichen dafür vor handen, daß das Staatsdepartement jede Aktion in der Mandschurei-Angelegenheit so lange ver schieben werde, bis die Tatsachen vollständig klargcstellt seien. * Tranqisvaag (Faroer), 10. Mai. Die Fischer schaluppe „Cyclonc" aus Vaag, mit 16 Mann Be satzung, wird als verloren angesehen. Man vermutet, daß die-X '»ppc von einem englischen Trawler bei un klarem Wetter Geriegelt worden ist. * Konstantinopel, 10. Mai. Tas Mitglied der Obersten Militärkommission, Haidar Pascha, der im Kriege gegen Griechenland eine Division befehligt hatte, ist zum Bali von Skutari ernannt worden. — Nach Angaben der Pforte haben sich in M o n a st i r keine weiteren bedeutsamen Ereignisse zugetragen. — Wie ferner die Pforte mitteilt, ist in einem Kampfe mit einer Bande bei Karaferia im Vilajet Saloniki der Bandcnchcf T o n ts ch c f f getötet worden. — Die Nachricht des „Tcmps", daß die Albanesen in einem Grenzorte die österreichische Flagge gehißt, sowie die Zeitungsnachrichten, daß Mohammedaner in Novibazar Serben ermordet hätten, sind falsch. * Cctinjc, 10. Mai. Der bulgarische diplomatische Agent in Eetinje, Konstantinowitsch, ist durch Dimitrie Rizow ersetzt worden. * Peking, 10. Mai. (Meldung des „Reuterschen Bureaus") Der Beamte in Niutschwang, welcher vorgestern die Nachricht, betretend die militärischen Be wegungen der Russen, übersandte, telegraphiert jetzt, die Besatzung der Forts an der Mündung des Liao- flusses sei nur eine vorübergehende gewesen. Die Russen seien wieder abgezogen. Infolgedessen 'besteht hier die Neigung, den Ernst der Lage in Zweifel zu ziehen, wenngleich die Angelegenheit noch als unaufgeklärt be trachtet wird,' denn der Urheber deö Berichtes gilt allge mein als einer der fähigsten und bestnnterrichtctcn fremden Beamten in China. * Tanger, 10. Mai. (Meldung des „Reuterschen Bureaus".) Hier verlautet, daß die Ncgicrungstruppen die Aufständischen, bei Tetuan geschlagen haben. * New Jork, 10. Mai. Kurz bevor der Dampfer „Umbria" der Cunard-Linic abfahrcn wollte, bc- schlag» ahmte die Polizei unter dem auf dem Pier lagernden Passagiergut eine K i st e mit 100 Pfund Pulver, vermutlich Dynamit, und einer kompli zierten, in Tätigkeit befindlichen Ma schine. Die Polizei hatte einen Brief erhalten, demzu folge die Mafia beabsichtigte, einen englischen Dampfer in die Luft zu sprengen. So viel man weiß, ist die Kiste gestern abend von Italienern zur Beförderung auf geliefert worden. Washington, 10. Mai. (Meldung des „Reuterschen Bureaus".) Der Gesandte in Peking telegraphierte an das Staatsdepartement und bestätigte die Meldung, daß die russischen Truppen wieder in Niutschwang eingerückt sind und später sich zu rückgezogen haben. * Washington, 10. Mai. (Meldung des „Reuterschen Bureaus".) Staatssekretär Hay ist überzeugt, daß eine gemeinsame Aktion mit anderen Mächten hinsichtlich des russischen Vorgehens in der Mandschurei unnötig ist, und hat erklärt, die Vereinigten Staaten würden vorläufig eine abwartende Haltung beobachten. * Melbourne, 10. Mai. Hier sind verschiedene Berichte von Eisenbahnlinien cingegangen, bei welchen in folge falscher Weichcnstellung Zugentgleisungen vorgekommen sind. Die Exprcßzügc nach Sydney und Adelaide erlitten Verspätungen um mehrere Stunden. Die englische Post ist zur See nach Adelaide gesandt worden. Christoph Arnold, der Sommerfelder Bauernastronom. Von lüo. rtiool. Dr. plril. Wirth. - n'i,, .... mlrHelvl' Als das Königreich Lachsen noch in vier Kreishaupt mannschaften cingeteilt war, kam auf jede derselben e i n sogenannter „gelehrter Bauer". Um im Osten zu be ginnen, lebte zu Göda bei Bautzen der sprachenkundige Lausitzer Iohanu Gelansky. Trotz Ausübung seines Be rufes als Landwirt wußte er sich gleichwohl für sein ge lehrtes Studium Muße zu verschaffen, und zwar in der Weise, daß er mit eiserner Konsequenz jeden Morgen ur früh aufstand und noch vor dem Vichfüttern ein Ka pitel des biblischen Urtextes in hebräischer oder griechischer Sprache las, und gleich darauf in wendischer, deutscher, lateinischer, französischer, englischer, böhmischer, polnischer und holländischer Ueberseyung. Ihm zur Seite steht in der Kreishauptmannschaft Zwickau der ebenfalls sprachkundige Vogtländer Nikolaus Schmidt, der als schlichter Land mann nach und nach gegen fünfzig Sprachen erlernte. Er ist unter seinen engeren Landsleuten als der „Küntzel von Nothenacker" heute noch in gutem Andenken. Man weiß von ihm zu erzählen, wie er sich die Bücher im Schubkarren auf sein Dorf gefahren. Zn diesen beiden sprachcnkundigen gesellen sich für die Kreishauptmannschaftcn Dresden und Leipzig zwei stern- knndigeBaucrn. Da istzunächst der liebenswürdigeJohann Georg Palitzsch in Prohlis bei Dresden (1723—1788), der als Knabe bereits das Vieh nicht austrieb, ohne neben der Butterbemme zugleich auch ein Buch in feinem Brust lätze mit hinaus auf die Weide zu nehmen, um darin, während das Vieh der Nahrung nachging, fleißig zu studieren. Auch als Jüngling und Mann blieb er seiner Neigung für die Wissenschaft treu, lag dem Latein ob und warf sich mit besonderer Vorliebe auf die Sternkunde. Unter seinen mancherlei wertvollen Wahrnehmungen, die er für die Wissenschaft machte, trug ihm 1758 die Ent deckung des sogenannten Halleyschen Kometen besonderen Ruhm ein. Doktoren, Professoren und Fürsten, unter ihnen Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder des alten Fritz, sowie dieser selbst, vor allen aber der edle Kurfürst und nachmalige König Friedrich August der Gerechte von Sachsen waren Gäste aus dem einfachen Bauernhöfe zu Prohlis. Troy aller Ehrenerweisungen, die ihm zu teil wurden, bebaute jedoch Palitzsch die väterliche Scholle in Fleiß und Treue weiter und pflegte zu sagen: „Läßt der Bauer den Acker liegen, so nnrß die Welt mit allen ge lehrten Gesellschaften verhungern". Neben einem großen und umfaßenden Geiste schreibt man ihm auch ein glaubensstarkes, frommes Herz zu, dem als Krönung aller wissenschaftlichen Forschuna die Erkenntnis galt: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste ver kündiget seiner Hände Werk". Ebenfalls als sternkundiger Autodidakt lebte und wirkte bereits ein Jahrhundert früher als Palitzsch der vierte unserer sächsischen gelehrten Bauern Christoph Arnold zu Sommerfeld bei Leipzig (1650—1695). Auch er hat es — und das in verhältnismäßig kurzer Zeit, da er ja bereits im 45. Lebensjahre starb — vom Hirtenbüblein, das seines Vaters Herden weidete, zu einem Manne von Weltruhm unter den Gelehrten gebracht) drei Täler des Mondes sind von dem berühmten Astronomen Johann Hieronymus Schröter (geboren 30. August 1745 zu Erfurt, Justizrat und Lberamtmann zu Lilienthal, einem Dorfe im Herzogtum Bremen, gestorben 29. August 1816 zu Er furt) nach Arnold benannt. — Im Sommerfelder Kirchen buche befinden sich eine ganze Reihe auf Arnolds Familie und ihn selbst bezügliche Einträge. Darnach war er der Zweitälteste unter einer stattlichen (5 oder 6) Reihe von Geschwistern. Die Eltern Hans Arnold, Martin Arnolds, Richters zu Sommerfeld Sohn, und Jungfrau Sabina Hainmann aus Albrcchtshain, lvurden den 2. Juli 1648 am Fest Mariä Heimsuchung kopuliert und getraut. Die Mutter, Frau Sabina, starb 1675, den 24. September, und ward am 26. September mit Leichcnpredigt zur Erde be stattet. Im Jahre 1685, den 9. September, abends gegen 9 Uhr, starb der Vater Hans Arnold, welcher ebenfalls das Amt eines Richters bekleidet hatte, im Alter von 65 Jahren 3 Monaten und 16 Tagen, und ward am 11. September mit einer Leichenpredigt und Abdankung begraben. Christoph Arnold wurde 1683, den 15. Mai, also zwei Jahre vor seines Vaters Tode, mit Jungfrau Anna, Hans Sträubens, Nachbars in Sommerfeld, eheleiblichen Tochter nach gehaltener Hochzeitspredigt in der Kirche zu Sommerfeld kopuliert und getraut, „hielten öffentlich Saitcnspiel, hatten vier Tische Hochzeitsgäste". Aus dieser Ehe stammten fünf Kinder. Einmal finden wir unter den Taufpaten: „Frau Sara Elisabeth, meine, Justini Töllners p. t. ?astc>ri8 Jungefrau" und ein andermal „H. Gottlieb Kirch, 88. rlreol. 8tuck. Hn Gottfried Kirchs, berühmten Mathematici und Astronomi in Leipzig, Sohn". Von den Söhnen starb einer eine Woche, der andere 18 Jahre alt: von den beiden Töchtern heiratete die eine nach Mockau, die andere nach Eutritzsch. — Von Arnold selbst heißt es: „Anno 1695, den 15. April, früh um 5 Uhr, starb in dem Herrn Christoph Arnold, Nachbar, Gerichts-Schöpve und Sternseher, welcher den 17. ejusdem mit einer Leichen predigt und Abdankung begraben wurde. Leichentcrt war ox Oant. 2, 16. 17: „Mein Freund ist mein, und ich bin sein". An anderer Stelle im Kirchenbuchs steht, von Magister Fruilletsn. „Im wunderlchönen Monat Mai." Humoreske von M. Bergmann. vitiü>c>ru»i verbalen Sie feierte ihren Geburtstag am fünfzehnten, er den seinen am sechzehnten Mai. Es war ein „ganz reizendes Zusammentreffen", wie sie ihm in jedem Jahre von neuem versicherte. Zuerst aus verliebter Zärtlichkeit, später aus praktischer Sparsamkeit hatten sie die gemeinsame Feier dieser beiden bedeutungsvollen Tage auf den sechzehnten Mai verlegt und überraschten sich an diesem Tage mit den holdesten Dingen, die man im Frühling und Sommer ge brauchen kann. Er schenkte ihr zmn Beispiel ein duftiges, zartes Kleid, sie ihm eine elegante Reisetasche oder eine gestickte Weste — immer aber war es etwas, das auf den Sommer Bezug hatte, und unter einer Fülle von Blumen waren diese Spenden aufmerksamer Gattenlicbc ver borgen. Ja, es war ein zu schöner Tag, der sechzehnte Mat! An den fünfzehnten dachte man schon gar nicht mehr, „unser Geburtstag" hieß es, und beim Anblick der Ge schenke trällerte» sie beide in mehr zärtlichem, als kunst gerechtem Duett vor sich bin: Zu meinem Geburtstag, den sechzehnten Mat, Schenkte mein Liebchen mir allerlei — Diesen Vers hatten sie zu einer Zett, da sie noch für Lyrik empfänglich waren, bei Rückert gelesen, und seitdem ward er jcdeSmal citiert. ES mar einige Tage vor dem sechzehnten: Männchen saß am Schreibtisch und hatte seine unteren Extremitäten in eine dicke Wolldecke gehüllt, die nicht vom Geburtstags tische, sondern vom Weihnachtsmann stammte. Es war kalt, ungemütlich kalt. Selbst die wohlbekannten ältesten Leute, die doch sonst ein so vorzügliches Gedächtnis zu haben pflegen, konnten sich nicht erinnern, daß cS jemals im Mat so unfreundlich geworden sei. Es schneite — nicht etwa Blütcnblätter, ach nein, die steckten noch tief in den Knospen drin und waren froh, so wohlgcborgen zu sein. Finken, Lerchen und Nachtigallen hatten zwar, einer trügerischen inneren Stimme folgend, ihre Sommcrquarticre bereits bezogen, waren aber alle bei dem ersten Versuch, ein Konzert im Freien zu ver anstalten, heiser geworden. / Es war ein gar trübseliger Mai, gänzlich ohne Wonne, Himmelsblau und Blumenduft/ — allerdings auch ohne Maikäfer, was aber nicht viel besagen wollte, denn es war nichts da, woran sic hätten Schaden tun können. Das Wort Spargel war ein Fremdwort geworden und man braute den Maitrank nur nüch nach ostprcvtzischer Art. War es da ein Wunder, daß män sich die Beine etnwickelte? Und das Frauchen — sic meß nebenbei bemerkt Elisa — stand am Ofen und versuchte vergeblich, das erlöschende Feuer zu neuen Gluten anzusachcn. „Otto", sagte sic, „es geht nicht mehr, der Ofen streikt." „Täte ich auch an seiner Stelle", brummte Otto, „ist ein Ofen wirklich verpflichtet. Mitte Mai noch gut zu ziehen? Ich glaube, nein! Er hat sein Möglichstes geleistet, warum soll er jetzt nicht Ferien haben?" „Davon will ich nichts sagen, Otto, aber er ist überhaupt schlecht, er muß umgcsetzt werden." „Um Gottcswillcn, Kind, weißt dn, was du da sagst? Ofenumseyen ist schlimmer, als die Cholera im Hause haben, du hast cs nur noch nicht durchgemacht!" „Allerdings nicht! Aber weißt du, Otto, wir brauchen ihn ja nur abreißen zu lassen und nehmen dann einen irischen Ofen dafür, der brennt Tag und Nacht und ist viel billiger zu ernähren!" ) „Zu Hetzen, müßtest du wohl sagen", verbesserte der kor rekte Otto, „ich bin damit einverstanden, nächsten Winter kaufen wir einen Durchbrenner. Es ist gut, daß daß noch ein Weilchen hin ist, fetzt hätte ich wirklich kein Gelb zu solcher Ausgabe. Es muß doch auch endlich mal warm wer den, daß man im Garten sitzen kann! Ich denke cs mir zu nett, wenn wir erst am lauen Lommcrabcnd in unsrer neu angelegten Grotte sitzen!" „Zu reizend!" bestätigte Elisa und warf einen Blick durchs Fenster auf die erwähnte Grotte, die vorläufig noch den Namen „Tropfsteinhöhle" verdiente. „Aber wird es nicht etwas zugig sein?" forschte Otto. Er ging mit dem Gedanken um, seiner Krau eine Roll- schuywand zum Geburtstag zu schenken, und wollte einmal vorsichtig sondieren, wie sie darüber dächte. „Nun, gegen Zug kann man sich ja schützen", erwiderte Elisa, der nun ebenfalls ein Gedanke kam, „eine Schutz wand zum Beispiel " „Aha", dachte Otto, „es wird ihr also recht sein, wenn ich eine Rollschutzmand kaufe." „Freilich, freilich", bestätigte er laut, „die würde sehr am Platze sein." Und dann ließ er den Gegenstand fallen, um bei Krauchen keinen Verdacht zu erwecken, und zog aus dem Papierkorb einen Katalog, in welchem über schlanke Damen mit Figuren, wie sie kein lebendes Wesen besitzt, in zarte, duftige, hypermoderne Toiletten gekleidet, sich den erstaunten Blicken darboten. „Sich mal", sagte Otto, „das hat Levisohn geschickt, ge fallen dir die Sachen?" „Aha", dachte Elisa, „er will mir ein Kleid schenken: gut, dann nehme ich die Rollschirvwand!" Und da sie wie die meisten ihrer Mitschwcstcrn just ein mal wieder „nichts anzuztchen" hatte, versenkte sie sich eif rig in die Betrachtung der Kostüme, wobei sie sehr diskret den Preis völlig ignorierte und entschloß sich schließlich für ein „entzückendes Frühlingsgedicht" aus resedagrüner Seide. Sie lächelte ein wenig schelmisch dabei, und Otto trium- phierte, daß er es io gut verstanden hatte, sein Krauchen irre zu führen. Befriedigt hüllte er sich wieder in seine Wolldecke und arbeitete mit Lust und Liebe und steifen Kingern weiter. Elisa aber benutzte die nächste Pause zwischen einem Regen- und einem Schneeschauer und lief eilfertig in ein großes Geschäft für Haus- und Gartcngeräte, um die Roll- schuywand zu erstehen. Bei dieser Gelegenheit präsentierte ihr der redegewandte Jünger Merkurs, der sie bediente, zwei hellgrüne, reizende Korbstllhle, deren Wirkung im Verein mit der Rollschutzwand „wunderbar" war. Sie würden sich in der Grotte großartig machen und waren gut zu brauchen. Elisa überrechnete schnell ihre Kaffenvorräte, es langte znr Not, man mußte eben ein bischen abknapsen. Spargel und junge Tauben schien es ja in diesem Jahre überhaupt nicht zu geben, die Ausgabe fiel also fort. Die Stühle wurden gekauft, und Elisa freute sich schon im Voraus auf Ottos überraschtes Gesicht. Am nächsten Tage betrat der ahnungslose Gatte das selbe Geschäft, um eine Rollschutzwand zu kaufen. Wieder versuchte der Verkäufer, seine Gartcnmöbel anzubringen, und siehe da, es gelang ihm noch schneller, als am Tage vorher, denn Otto hatte schon selbst an dergleichen gedacht. Damit seine Frau die Sachen nicht zu sehen bekäme, wollte er sie zu gelegener Zeit selbst abholcn lassen, nannte also seinen Namen garnicht und glaubte alles sehr schlau eingerichtet zu haben. Sein guter Genius ließ ihn beim Hinaustreten auf die Straße, als ihm ein eisiges Schloßen- und Schneetreiben ins Gesicht schlug, bedenken, daß cs bei einem solchen Frühling eigentlich Unsinn sei, Gartenmöbel zu kaufen. Er kehrte daher noch einmal in das Geschäft zurück, um zu fragen, ob man die Lachen auch umtausche, falls sie nicht paffen? „Selbstverständlich! Jederzeit!" war die höfliche Antwort. Zu Hause fand er seine Elisa wieder vor dem Ofen sitzen, der die Arbeit noch immer nicht wieder aufnehmen wollte. Ja, er rauchte sogar in gerechtem Aerger über die Zumutung. Mitte Mai noch Wärme zu erzeugen. „Laß die Sonne ihre Schuldigkeit tun!" dachte da« verstockte Ding, „jetzt mag brennen, wer Lust hat, ich Vi,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht