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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030429025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903042902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903042902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-29
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Wir „gemütlichen" Sachsen, über die nicht nur die Berimer, fvnoern auch ow Bayern gecegentna) spotten äu ourien giauven, hauen in der gestrigen «thung desMetchorags eme ganz elgenarttge Genugtuung erharren, Es yunüeue i»ch nur sie vom agrartsa-en Zen- trurnostuger eingeoraaite uno von den Verven vaherlschen Psarrern Kohl uno G e r st e n b e r g e r vegrunoele Interpeuation wegen der vom Bunoesrat ertageilen Prusungsvvrlch ritten für Vie Flecsch- veschauer, die der erste der beiden geistlichen Herren als rechtswidrig, der zweite ms nngeheneruch, unerträg lich, die arte GemutticMett störend, den Landwirten und den Gemeinden neue Lasten ausvuroenü uno das Pubitum — den besten Fteifchbefcyauer! — unnötigerweise bevor mundend erscheinen zu lasten versuchten. Ware cs nach diesen beiden Heren gegangen, die sich zurüLlseynen nach den Zeiten, da die Trimme noch unentdectt war und die Folgen ihrer Einführung in den menschlichen Körper als Symptome des i^elentrucumalismus angesehen und von Dottorvaueriunen mit Geheimuntteln oder Wasser von Lourdes und dergl. zu heuen versucht wurden, so hätte der Staatssekretär Graf v. Posaüvwsky feierüch ver sprechen müssen, mindestens für die völlige Fleisch- bejchauvefreiung für inländisches Vieh eintreten zu wollen, ilver der Staatssekretär, der die Interpellanten mit über legenem Humor aviertigte, brachte den Herren auch zum Bewutztsem, daß der Bunoesrat bei der Vorschrift, die vvn dem Iteischvcschauer einen in einem Lchlachlhause durch zumachenden vierwöchigen Knrjus verlangt, lediglich den Vorschrisren gefolgt ist, die bisher in S a ch f e n, „wo eine ausgezeichnete Fleischbeschau lange vor der Reichs- fleischoeschan eingeführt war, ohne jeden Widerspruch und ohne jede Belästigung der Bevölkerung bestanden hat." Und zu dieser Genugtuung für Sachsen kam noch die weitere, daß nicht nur die Herren Interpellanten, hinter denen das gesamte Zentrum stand, sich durch den Hinweis auf das sächsische Beispiel nicht beschämt fühlten und troy desselben ihrer Sehnsucht nach billig und schlecht wiederholten Ausdruck gaben, sondern daß auch aus an deren Parteilagern — die äußerste Linke ausgeschlossen — solche Sehnsuchlsruse laut wurden. Sie beweisen, daß man in weiten Kreisen des Reichs denn doch noch nicht reis ist für Einrichtungen, für die in Sachsen längst Verständnis besteht und deren Unbcguemlichkeiten und Kosten man hier im Interesse des Gemeinwohles ohne Murren trägt. Viel leicht wird auch der Bundesrat diesem Umstande Rechnung tragen und die Ansprüche an die Fleischbeschauer unter das Maß herunterschrauben müssen, auf das nur Sachsen sich zu erheben vermag. — Rach Erledigung dieser Inter pellation wurde die Misöre der zweiten Lesung der Novelle zum Krankcnkassenge setze fort gesetzt, und zwar bei dem Ergünzungsparagraphen 42, der von den Pflichten der Kassenvorstände und den Befugnissen der Aufsichtsbehörde handelt. Zu ihm lagen verschiedene Anträge vor. Es wurde 4 Stunden lang geredet; aber das beschlußunfähige Haus konnte die Debatte reicht beenden. Man mußte wieder den Eindruck gewinnen, daß die So zialdemokratie wirklich das Zustandekommen der Vorlage verhindern wolle; eine fast zweistündige Rede Stadt hagens wenigstens war nichts als Obstruktion. Man würde es als Erlösung begrüßt haben, wenn in der sechsten Feuilletsn. 23j Das Gold vom Mdwatersrand. Roman von F. Klinck-LütetSburg. Nachdruck verboten. Frau Grietje van Senden, zu welcher Herr van Meenen wiederholt seine Schritte gelenkt, um sich mit ihr über Dinge zu verständigen, die, nach dem Verschwinden Wilm van Sendens, einer verdoppelten Aufmerksamkeit bedurften, teilte ihm eines Tages mit, daß der Sekretär Stephan Mildler ihr einen Besuch gemacht habe, um sich zu erkundigen, ob sie über die geschäftlichen Angelegen heiten ihres Neffen hinreichend unterrichtet sei, um sie, seinen Absichten entsprechend, abwickeln zn können. Unter dem Vorwande, daß er befürchten müsse, die mütterliche Freundin eines Mannes, dem er nahe gestanden, ehe ein feindliches Geschick sie verschiedene Lebenswege hatte gehen heißen, übervorteilt zu sehen, war dann von ihm der Ver such gemacht worden, sie insbesondere über die Art zu be fragen, in welcher die Transvaal-Regierung ihr eine schwierige Lage zu erleichtern gedenke. Das Benehmen des Herrn war indessen Frau van Senden zudringlich er- schienen, obwohl ihr seine Beziehungen zu ihrem Neffen bekannt gewesen waren, und ihre Zurückhaltung mochte ihn von weiteren Versuchen, sie mitteilcnd zu> machen, haben Abstand nehmen lassen. Dieser an und für sich nicht ausfallende Vorgang hatte anfangs auch bei Herrn van Meenen keine Beachtung ge- funden, als plötzlich sein Gesicht einen veränderten Aus druck annahm. Etwas wie Erschrecken zeigte sich darin. „Stephan Mildler? Sekretär Stephan Mildler? Sagten Sie nicht so, gnädige Frau?" fragte er voll Hast. Frau van Senden beiahte. Dann trat eine Pause ein, ehe Herr van Meenen sich sebeS zwischen ihr und Mildler gewechselte Wort wieder- holen ließ. Sein Gesicht zeigte gespannte Erwartung im Ausdruck. ES war seltsam, daß ihm niemals eine gleiche Idee nur vorübergehend gekommen war, von welcher er setzt vollständig beherrscht wurde. Niemand anders als Stephan Mildler hatte Verrat an der Regierung geübt niemand als er berichtete von allen Unternehmungen, Plänen und Absichten nach Kapstadt Nachmittagsstunde plötzlich der Reichskanzler erschienen wäre, durch Verlesen einer kaiserlichen Ordre den Reichs tag geschlossen und die ganze Verantwortung für das Scheitern der den Arbeitern und Arbeiterinnen so große Wohltaten bringenden Novelle den Sozialdemokraten auf gebürdet hätte. Aber einstweilen will sich der Reichstag weiter quälen. Heute kommt an erster Stelle die große Haupt- und Staatsaktion der Rechten, die Interpellation über die K ü n d i g u n g derHandels verträge, zur Verhandlung. Die Kündigung der Handelsverträge, über die der Reichstag sich heute auf Verlangen der konser vativen Fraktion unterhalten wird, ist eine Angelegenheit, in vie daS HauS gar nichts dreinzureden bat. Es kann sich also für die Interpellanten lediglich um die Absicht handeln, ibren Wählern zu beweisen, daß sie es an „guten" Ratschlägen für die maßgebenden Stellen nicht fehlen lassen und sogar lieber den Schluß der Tagung ver zögern, als auf eine Gelegenheit zur Wiederholung ihrer Wünsche verzichten mögen. An sich ist die Sache ganz klar. Die geltenden Handelsoerträge konnten von jeder Seite zuerst am 3l. Deiember 1902 gekündigt werden und wären alsdann nach Ablauf eines Jahres, also frühestens am 3l. Derember des lausenden Jahres außer Kraft getreten. Das ist be kanntlich nicht geschehen. Nunmehr gilt die Schlußklausel der Handelsverträge, welche lautet: „Im Falle keiner der vertragschließenden Teile zwölf Monate vor dem leytgedachten Zeitpunkt (dem 31. Dezember 1903) seine Absicht, die Wirksamkeit des Vertrages aufbören zu lassen, kund gegeben haben wird, bleibt derselbe in Geltung bis zum Ablaufe eines Jabrrs von dem Tage ab, an welchem der eine oder der andere der vertragschließenden Teile ihn gekündigt haben wird " Dieser Satz ist trotz seiner unschönen Form ganz unzwei deutig. Er sagt nicht, wann die Kündigung der Handels- vertrage zu erfolgen hat. Sie kann also nach dem 3l. De zember 1902 zu jedem beliebigen Zeitpunkt ausgesprochen werden, beute so gut wie morgen oder in einem Jahre oder in fünf Jahren. Sobald aber die Kündigung von einem Teile kunkgegeben ist, gilt von diesem Tage an ver be treffende Vertrag nur noch em Jahr. Nimmt man also an, das deut'che Reich kündigte den Vertrag mit Rußland oder Oesterreich-Ungarn am 1. Mai d. I., so würde dieser gekündigte Vertrag am 1. Mai >904 außer Kraft treten. So lange also Deutschland over die anderen Staaten die bestehenden Tarifve,träge nicht kündigen, laufen sie still schweigend fort. Andererseits, wenn einer der vertrag schließenden Teile die Kündigung ausipräcke, so würbe, wenn bis zum Außerkrafttreten der Verträge (also ein Jahr nach erfolgter Kündigung) neue Tarifverträge nicht zustande gekommen sein sollten, der autonome Tarif zur Anwendung kommen, der auch gegenwärtig gegenüber denjenigen Staaten Geltung hat, mit welchen keine Verträge abgeschlossen sind, also mit Portugal und Eanada. Nur würde inzwischen der neue Zolltarif in Kraft gesetzt werken müßen, der vorläufig nur auf dem Papiere siebt, tz 16 des Zolltarifgesetzes bedält bekannt lich den Zeitpunkt, mit dem der neue Zolltarif in kraft tritt, kaiserlicher Verordnung vor, die mit Zustimmung des Bundes rats zu erlassen ist. Der Reichstag ist demnach sowohl bei cer Kündigung der Handelsverträge, als auch bei der Inkraft setzung des neuen Zolltarifs völlig ausgeschaltet. Bei der letzteren bat lediglich der Bundesrat seine Zustimmung zu erteilen, die Kündigung liegt ganz im Ermessen des Kaisers. Die und Kimberley, niemand als er leistete Bcihülfe bei dem an Wilm van Senden verübten Verbrechen. Hier war Limt! So übermächtig drängten sich die ihn bestürmenden Ge danken herzu, daß Herr van Meenen sich kaum noch im stände sah, seine Aufmerksamkeit der Dame des Hauses zuzuwenden, und cs vorzog, ihr sich zu empfehlen, um — wie er ihr sagte — von einem neuen Gesichtspunkte aus, hoffentlich mit mehr Erfolg, Licht in eine dunkle An gelegenheit zu brinaen. Im Freien angelangt, atmete Herr van Meenen tief auf. Hier war wirklich Licht; aber — auch äußerste Vor sicht geboten, um nicht die Erfüllung eines micdcrerwachten Hoffens zu zerstören. Den Sekretär Mildler seinem Herrn nicht allein, sondern auch der Regierung verdächtig zu machen, würde ein schweres Unterfangen sein. Aber un zweifelhaft war der ihm von dem Oberkellner des Restau rants Frascati beschriebene Mann, der sich an dem für Wilm van Senden verhängnisvollen Abend mit demselben entfernt hatte, Stephan Mildler gewesen. Dies fcstzustellcn, mußte sein erstes Beginnen sein, und es würden sich ihm dabei voraussichtlich nicht einmal besondere Hindernisse in den Weg stellen. Herr van Meenen ging nach dem Negicrungsgebäude, um hier noch einmal mit dem Landdrost Rücksprache zu nehmen und vielleicht von ihm etwas zu erfahren, das sein Bemühen vereinfachen konnte. Der alte Herr aber er klärte, daß er jede Hoffnung aufgegeben habe. „Man kommt nicht vom Fleck", sagte er ungeduldig. „Ich komme mir vor, als wenn ich kreislaufe. Jonkheer van Senden war eine bekannte Persönlichkeit, nicht nur in Johannesburg, und keine Spur — keine Spur! Auch das Geschrei in den Zeitungen, die doch in den letzten acht Tagen nicht mehr zurückgchalten haben, hat nichts genützt. Niemand weiß etwas. Und doch wendet sich dem Ver schwundenen eine Teilnahme zu, wie man bei seiner großen Gegnerschaft gar nicht hätte erwarten sollen. Selbst Wolf und Heydcr und Detoit Griffith, denen seine Entfernung ein gut Stück Geld gekostet hat, wehren sich mit band und Fuß gegen die Möglichkeit, daß er mit dem Gelbe das Weite gesucht. Mehr und mehr beginnt man an einen Raubmord zu glauben, und ich muß bekennen, daß ich selbst anfange, von meinen ersten Mutmaßungen zurück- zükonnnen." „Ich erhalte sie in vollem Umfange aufrecht, mein lieber deutsche Negierung ist nun offenbar, wie der „Berl. Loc.-Anz." mit Recht hervorbebt, entschlossen, so lange die Aussicht be stehl, daß die gegenwärtigen Tarifverträge durch neue ersetzt werden können, eine Kündigung überhaupt nicht eintreten zu lassen. Sic will sich nicht der Gefahr auSsetzen, daß eS nicht gelingt, neue Verträge abzuschließen oder zu deren Gültigkeit die Genehmigung des Reichstags zu erlangen, und daß so ein ver- häugn'svolles Vakuum cintrit«, das einem Zollkriege gegen alle Staaten verzweifelt ähnlich sähe. Auf demselben Stand punkt scheinen auch die andern Staaten zu stehen. Alle Teile scheinen übereingekommen zu sein, die Verträge nickt zu kündigen, sondern sie stillschweigend so lange fortlaufen zu kaffen, bis an ihre Stelle neue Tarifverträge treten können. So stellt sich für jeden, der die einschlägigen Be stimmungen kennt und die allgemeinen Verhältnisse zu über sehen vermag, die Lage der Sache dar. Und an dieser Lage kann keine Interpellation etwas ändern. Zur Lage in Marokko schreibt man uns aus Madrid, 26. April: Es liegen heute eine Menge von Meldungen aus Tanger, Ceuta und Melilla vor, welche nur das Eine erkennen lassen, daß die Macht und das Ansehen des Sultans für immergebrochensind. Der Gouverneur von Tanger, Sidt Torres, steht vollständig unter dem Einfluß einiger englischer und amerikanischer Banken, die ihm ratenweise Geld auf eine sehr fragwürdige Anleihe auszahlen lassen. Sidt Torres hat sich daher gegen eine hohe Besoldung eine angeblich zuverlätzliche Askari- Truppe von etwa 500 Mann beschafft, welche die Verbin dung zwischen Tanger und Fez aufrecht erhält und den amtlichen Botendienst zwischen beiden Städten besorgt. Man sagt, diese Truppe stehe unter dem Befehle zweier Engländer. Die Lage in Fez wechselt nun stets, ent sprechend den Geldsummen, die Sidi Torres dem Sultan übersendet. So wurde auch der bereits gegebene Befehl, die von Italienern geleitete Waffenfabrik in Fez zu schließen und sämtliche Europäer aus der Hauptstadt aus- zuweiscn, sogleich widerrufen, sobald Torres eine neue Geldsendung und ermutigende Zusicherungen von seinen englischen Freunden übermitteln könnte. Nach glaub würdigen Berichten ist tatsächlich die Geldnot des Sultans der Ausgangspunkt der ganzen Wirren. Die Paschas der Provinzstädte senden käne Steuern ein, und die Be wohner der Hauptstadt noch weiter auszuprefsen, hieße das Leben des Sultans gefährden. Der Kricgsministcr Mcnebhi hatte bei seinem letzten Zuge gegen Bu Hamara die üblichen gewaltsamen Stcucreintreibungen vornehmen lassen; aber der Sultan rief ihn zurück, da er seinen Bei stand in Fez nicht entbehren konnte. So finden gegen wärtig friedliche Verhandlungen mit den einzelnen Paschas statt, um diese zu Steuereintreibungen für den Sultan zu bewegen. Nach Mekinez und Marakesch waren zu diesem Zwecke Beratungen einberufen; aber der Erfolg war gleich Null. Alle Paschas erklärten, daß die ihnen unterstellten Stämme sofort den Gehorsam verweigern und zu Bu Hamara übergehe» würden, sobald sie Steuern zahlen sollten. — Ganz ähnlich lauten die Meldungen aus Ceuta und Melilla über die Tätigkeit Bu Hamaras. Der- selbe verhält sich fast ebenso unbeweglich, wie der Sultan. Gegenwärtig hat er sich in Zeluam eine Hofwohnung ein- gerichtet und läßt dorthin die Scheiks der einzelne» Stämme entbieten, um mit ihnen als Staatsoberhaupt zu verhandeln. Natürlich klagen alle Stämme über die ihnen vom Sultan gesandten Paschas, und Bu Hamara ist dann stets bereit, den Stammcsältesten selbst die Würde des Landdrost, und wir wollen doch auch unsere Nach forschungen in der begonnenen Richtung fortsetzen. Wissen Sie jetzt, wer der Herr gewesen ist, in dessen Begleitung Jonkheer van Senden Frascati verlassen hat?" „Es kann nur ein Fremder gewesen sein." „Fremd ja — wenigstens in Johannesburg, im übrigen eine sehr bekannte Persönlichkeit. Der Sekretär Mildler." „Mildler? Aus Potschefstrom?" In den wenigen Worten drückte sich ein starker Zweifel aus. „Der Sekretär Stephan Mildler. Auf dieser Tatsache wollen Sie einmal die weiter zu unternehmenden Schritte aufbauen." „In Johannesburg ist er an jenem Tage gewesen", sagte der Landdrvst nachdenklich. „Er war sogar im Re- gierungsgebüuüe. Ich habe mit ihm gesprochen. Er wollte " ,^Vas wollte er?" „Er kann es aber doch nicht sein, Herr van Meenen. Er würde sich unter allen Umständen zum Zeugnis ge meldet haben." „Daß er cs, bei dem Aufsehen, das die Geschichte erregt hat, nicht getan, ist mindestens sonderbar, Herr Landdrost. Finden Tie nicht auch?" „Gewisse Leute haben eine große Abneigung, sich in Sachen zu mischen, die sich vor Gerichten abspielen", ent gegnete der Landdrost ausweichend; „aber — in diesem Falle " Herr van Meenen glaubte, in dem Gesichtsausdrucke des Beamten wahrzunehmen, daß er einen plötzlichen Einfall gehabt. Er fuhr auch schon fort: „Uns darüber Gewißheit zu verschaffen, könnte nicht schwer halten. Da er an dem gedachten Tage in Johannes- bürg gewesen ist, so wird sich auch ermitteln lasten, wo er sich aufgehalten, und ob er in der Stadt übernachtet hat. Nur verspreche ich mir auch hier keinen Erfolg, selbst wenn Sekretär Mildler tatsächlich mit dem Ver schwundenen gesehen worden wäre. In welchem Zu sammenhänge könnte er mit dem unglückseligen Ereignis selbst stehen?" „Lasten wir diese letztere Frage einstweilen unerürtert, Herr Landdrost. Führen Sie Ihre Nachforschungen in der Ihnen von mir angegebenen Richtung mit äußerster Umsicht aus. Lasten Sie sich nicht- entgehen, waS mit dem letzten Aufenthalte des Sekretärs Mildler in Johannes burg im Zusammenhänge stehen könnte. Sie wollen sich Paschas zu verleihen und ihnen auf mehrere Jahre Steuerfreiheit zuzusichern, sofern sie ihm nur jetzt eine kleine Hülfstruppe stellen. Bu Hamara geht dabei von der offenbar richtigen Erkenntnis aus, daß er durch ein Herumziehen bei den einzelnen Stämmen nur sein An sehen schädigen und sich Feinde machen wtirde. Denn er müßte stets mit stattlicher Heeresmacht erscheinen, und um diese zu verpflegen, müßte er zu dem üblichen Mittel der Plünderung greifen. Statt dessen sitzt er ruhig in seiner „Residenz", und da er in Melilla „seinen Bankier" hat und er die Einkünfte der neu errichteten Zollämter einzieht, so verfügt er jederzeit über eine volle Kaffe und kann die zu ihm kommenden Stammcsältesten noch obendrein be schenken. Kriegerische Unternehmungen betreibt also Bu Hamara im Augenblick nicht; die im Rifgebiete vorkommen- den kleinen Scharmützeln, welche durch übertreibende Ge rüchte stets zu großen Schlachten gemacht werden, entstehen meist durch Streifzüge mutiger Kabylenstämme, die heute unter Berufung auf Bu Hamara alles als erlaubt be trachten. — So ist ein Ende dieser Wirren überhaupt nicht abzusehen; wohl aber mutz das marokkanische Reich auf diese Weise in sich zusammcnfallen. — Uns wird noch gemeldet: * Tanger, 28. April. Ein Transport in Stärke von 300 Ochsen, welche von Rabat nach Tanger gebracht werden sollten, wurde zwischen Arzila und Tanger geraubt. Zu seiner Wiedererlangung wurden 150 Soldaten nach Arzila entsandt. Die Karawanen, welche sich nach Fez begeben wollten, kehrten nach Tanger zurück» da die Straße zwischen Arcazas und Tanger versperrt ist. Tie Mandschuretfrage. Die „Russische Telegraphen - Agentur" meldet: „Die telegraphischen Nachnckien über neue Bedingungen, die Rußland für die Räumung der Mandschurei gestellt haben soll, sind nichts als Erfindung. In den Ab sichten Rußlands bezüglich Räumung der Mandschurei sind keine Acnderungen eingetreten. Der bevorstehende Meinungs austausch mit der chinesischen Regierung kann nur aus Mittel Bezug haben, die Ordnung und Ruhe nach dem Ab marsche der kaiserlichen Truppen aus diesem Gebiete zu sichern. (?) Rußland bat durchaus nicht die Absicht, dem auS «irdischen Handel Hindernisse in den Weg zu legen". Wie indessen daS „Neutersche Bureau" berichtet, seien die Verhandlungen mit Peking bereits zu einem schroffen Ende gelangt. Die allerdings noch nicht bestätigte Meldung lautet: * Peking, 28. April. China Hot Rußland eine Erklärung zu- gehen lassen, nach welcher die Annahme der Forderungen Rußlands endgültig und bündig abgelehnt wird. Sollte sich die Meldung bewahrheiten, dann müßte den Pekinger Diplomaten der Nacken von anderer Seite gehörig gestärkt worden fein, denn als sie die Forderungen Rußlands ablehnten, sollen sie, wie der Tokioer „Jiji" aus Peking erfahren haben will, schon gewußt haben, daß Rußland, wenn man ihm freie Hand lasse,die mandschurischen Provinzen sich einfach ei nverl ei den werbe. DaS werde die Wirkung der Vorstellungen JaranS und der übrigen Mächte sein. — Die Angelegenheit kam gestern auch im englischen Unterhause zur Sprache, worüber uns be richtet wirb: * London, 28. April. (Unterhaus.) Auf eine von Spencer gestellte Auslage, betreffend di« Mandschurei-Angelegenheit, erwidert der Minister des Aeußern, LanSdowne, die Regierung widme der Angelegenheit ihre ernste Aufmerksamkeit. Es bestände aber noch bemühen, seine Beziehungen, die er in der Stadt unter halten, bis auf den geringfügigsten Umstand ausfindig zu machen, vor allen Dingen aber Ihr Augenmerk darauf richten, in Erfahrung zu bringen, wo man ihn zuletzt ge sehen. Ich mutz Auskunft Uber jeden Gang haben, den er unternommen hat. Nicht wahr? Ich kann mich auf Ihren Eifer verlassen? In acht bis vierzehn Tagen sehen Sie mich wieder. Chiffredepeschen treffen mich nach drei Tagen in Kapstadt." Vierzehntes Kapitel. Nur schwer war es Herrn van Meenen gelungen, die Erlaubnis und den Urlaub zu erhalten, um in der van Seudenschen Sache persönlich Nachforschungen anstellen zu können. Andeutungen in Bezug auf eine Unzuver lässigkeit des Sekretärs Nftldler hatte man mit einem Lächeln beantwortet, das Herrn van Meenen gewarnt, durch ein weiteres Wort seine Gedanken zu verraten und eine Frage über den Zweck der jüngsten Reise dieses Herrn war unbeantwortet geblieben. Einen vierwöchigen Urlaub in der Tasche, begab sich Herr van Meenen direkt nach Kapstadt, um mit Mynheer Egnattus van Senden Rücksprache zu nehmen. Durfte er auch nicht glauben, durch denselben direkt irgend wel chen Aufschluß zu erlangen, so hoffte er doch, im Lause des Gesprächs hier und da einen Blick hinter den Vorhang zu tun, der eine frevlerische Tat verhüllte. Eine persönliche Begegnung mit diesem Manne würde außerdem von Wichtigkeit sein, weil ein Menschenkenner, wie es Herr van Meenen war, aus ihr die Bestätigung zu schöpfen er wartete, daß der Vater über den Sohn nicht in Unruhe und Sorge war. Durch Umfragen in Herrn van Meenen zugänglichen Kreisen brachte er in Erfahrung, daß der Sekretär Stephan Mildler besonders in den letzten Monaten im Hause Mynheer van Sendens wiederholt als Gast gesehen worden war. Früher hatte man dem Herrn keine be- sondere Aufmerksamkeit geschenkt, aber seitdem er mit der Flucht der Gattin des Generaldirektors Brandt, deren leidenschaftlicher Verehrer er geweien, in Verbindung ge bracht wurde, interessierte man sich lebhaft für ihn- und viele erinnerten sich seiner stattlichen, nicht unangenehmen Persönlichkeit, der man auch wiederholt bet festlichen Ge legenheiten im Hause des Gouverneurs begegnet war. Von Mynheer Egnattus van Senden sah sich Herr van Meenen mit einer Zurückhaltung empfangen, die auf-
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