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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030513014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903051301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903051301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-13
- Monat1903-05
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Anzeige«-Preis die Kgespaltene Petitzeile 25 Reklame» unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familie» na^ richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertenanuahme S5 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), »u? mit »er Morgen--AuSgabr, ohne Postbesärderuu, SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abeuds 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig. Nr. M. Der Wechsel im preußischen Lriegsminifterium und die neue Militärvorlaye. SS Der bevorstehende Wechsel im preußischen Kriegs ministerium wirb vielfach darauf zurückgeführt, daß der Kriegsminister nicht energisch genug den soztaldemokra- tischen Hetzangriffen gegenübergetreten sei. Wir meinen, man hätte sich viel allgemeiner dahin auszudrücken, daß Herr v. Goßler zweifellos als Fachmann sehr Tüchtiges geleistet hat, aber für die parlamentarischen Kämpfe nicht recht geschaffen ist, mag cs sich nun um die Gegnerschaft zur Sozialdemokratie oder zu irgend einer anderen Partei handeln. Der Borgänger des Herrn v. Goßler, General Bronsartv. Schellendorf, war ein ungleich ge- schtckterer parlamentarischer Fechter und der präsumtive Nachfolger des gegenwärtigen Kriegsministers, General major v. Einem, ist es, wie die Debatten des letzten WinterS bewiesen haben, ebenfalls. Da wir nun im nächsten Winter eine größere Militärvorlage zu erwarten haben und da, wie immer der neue Reichstag zusammen gesetzt sein möge, eine größere Militärvorlage niemals ohne heftige parlamentarische Kämpfe durchzudrücken ist, so ist es ganz begreiflich, wenn Herr v. Goßler vor dem Beginne dieser Kämpfe einen Nachfolger findet, der zweierlei ver steht: vor den Kulissen schneidig den Degen zu kreuzen und hinter den Kulissen verbindlich die Hände zu drücken. Dem neuen Kricgsminister, möge er nun von Einem oder sonstwie heißen, würde die Durchdringung einer größeren Vorlage wesentlich erleichtert werden, wenn er sie nicht nur mit militärischen Gründen zu verteidigen hätte. Nun verlautet, die Forderung werde darin be stehen, daß bei den 43 vor sechs Jahren neu geschaffenen Infanterie-Regimentern mit zwei Bataillonen das dritte Bataillon hinzugefügt werden sollte, was eine Vermehrung der Infanterie um nahezu SO MO Köpfe notwendig machen würde. Gegen die Stärke der Vermehrung würde kaum viel einzuwcnden sein, da sie sich im vollen Einklänge befände vnt der Bcvölkerungsvermehrung. Diese beträgt inner halb eines Zeitraumes von fünf Jahren zum mindesten 8 Millionen — zwischen 1895 und 1900 betrug sie sogar nahezu 4 Millionen —, und wenn man daran fcsthält, daß die Friedcnspräscnz ein Prozent der Bevölkerungsziffer auSmachen soll, so entspricht der Bevölkerungsvcrmehrung von 3 Millionen eine HcereSvermchrung um 30 000 Mann. Eine andere Frage ist cs, ob diese 30 MO Mann gerade dazu dienen sollen, die 43 neuen Regimenter zu kom plettieren. Hierfür gibt cs nur militärische Gründe, darunter freilich einen sehr triftigen, nämlich die Her stellung der Gleichmäßigkeit in der Zusammensetzung der deutschen Infanterie-Regimenter. Für eine Verwendung der HcereSvermchrung in anderer Form aber würde auch ein sehr wichtiger wirtschaftspolitischer und zu gleich nationalpolitischer Grund sprechen. So wohl an der Ostgrcnzc wie an der Westgrcnze könnten die dort vorhandenen Armeekorps einen Teil ihrer Infanterie für die Neubildung je eines neuen Korps abgcben, sodaß man bei Hinzufügung von je 15 OM neuen Mannschaften je ein volles neues Armeekorps an der Ostgrenze und an der Westgrcnze schaffen könnte. Wenn nun das neue Armeekorps an der Ostgrenze derart ausgestellt würde, daß je eine Division auf Wcstprcußen und die Provinz Posen käme, so könnte eine ganze Reihe kleiner Städte dieser beiden Provinzen mit Garnisonen belegt werden. Dies wäre von Vorteil einmal zur Aufbesserung der wenig günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der östlichen Provinzen, zweitens aber für die Förderung des Deutschtums in der Ostmark. Und wenn nun auch gewichtige militärpolitische Gründe für die Ver stärkung der 43 Regimenter durch dritte Bataillone sprechen mögen, so ist doch die Erwägung, daß durch die Befolgung unseres Vorschlages die beiden Grenzen noch stärker ge schützt werden würden, während im anderen Falle die Verstärkung sich auf das ganze Reich verzettelte, auch vom rein militärischen Standpunkte auS mindestens nicht abzu weisen. Durchschlagend für uns aber ist, daß eine Verstärkung in dieser Form den erwähnten Wirtschafts- und national, politischen Vorteil mitbrächte und daß demgemäß auch der neue Reichstag geneigter sein würde, eine doch immerhin nicht unerhebliche HccreSvermehrung auf dieser Grund lage zu bewilligen. Auf die Zustimmung desZcntrums freilich mußte der Nachfolger des Herrn v. Goßler ver zichten, wenn die Vorlage, die er zu verteidigen hätte, der Förderung deS Deutschtums in der Ostmark dienen sollte. Nicht einmal Händedrücke hinter den Kulissen würden be wirken, daß die Zentrumöfraktivn sich entschlösse, etwas zu tun, was ihr den Groll der zärtlich beschützten Polen zuzichen müßte. Und nicht nur auf die Zustimmung deS Zentrums würbe in diesem Falle der künftige Kriegs minister verzichten, sondern er würde sich auch darauf gefaßt machen und vorbereitcn müssen, von dieser Partei bekämpft zu werben und sic seinerseits zu bekämpfen. Daß da- bet der Gunst, in der da» Zentrum beim Reichs Mittwoch den kanzler steht, eine sehr heikle Aufgabe sein würde, liegt aus der Hand. Um so gespannter darf man darauf sein, wie sie eventuell gelöst werden wird. Sie läßt sich freilich auch umgehen dadurch, baß man die 43 neuen Regimenter ein fach komplettiert und von einer Maßregel zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken absieht. Dann aber wird es hoffentlich an Anträgen aus dem Hause nichj fehlen, die unseren Vorschlag aufnehmen. Auch auf diese Weise wird man erfahren, mit welchen politischen Instruktionen der neue KriegSministcr sein Amt über nommen hat und wie er eS versteht, mit dem klerikalen „Zuge der Zeit" sich abzufindcn. Gesetzliche Arbeiterfürlorge. Was der Staat und die sogenannten „herrschenden" und „ausbeutcnden" Klassen alles auf dem Wege der Ge setzgebung für den Arbetterstand im Laufe von zwanzig Jahren getan haben, läßt folgende Zusammenstellung deutlich vor Augen treten, die wir der „Germania" ent nehmen: 1883, 15. Juni: Krankenverstcherungsgesetz. 1884, 6. Juli: Unfallversicherungsgesetz (er weitert durch Gesetze vom 28. Mai 1885, 15. März 1880, 5. Mai 1886, 11. Juli 1887 und 13. Juli 1887). 1889, 22. Juni: Jnvaliditäts- und Altersver- sichcrungsgesetz. 1890, 29. Juli: Gewerbegerichtsgesetz. Dasselbe bringt eine schnelle, billige und unparteiische Recht sprechung für Streitigkeiten aus dem Arbeitsver hältnisse, die Befugnis der Gewerbegerichte zur i'lbgabe von Gutachten, Stellung von Anträgen und Tätigkeit als Einigungsamt. 1891, 1. Juni: Das große Arbeiterschutzgesetz. Die wichtigsten Bestimmungen desselben betreffen: Einführung! der Sonntagsruhe, Verbot der Fabrikarbeit schulpflichtiger Kinder, Verbot der Nachtarbeit jugendlicher Arbeiter und sämtlicher Arbeiterinnen, Maximalarbeitstag von zehn Stunden für jugendliche Arbeiter von 10 bis 14 Jahren, von elf Stunden (Sonnabend zehn Stunden) für Arbeiterinnen, weitgehende Schutz vorschriften für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit, Vorschrift einer Arbeitsordnung, Beschränkung der Strafen, Lohneinhaltung bei Kontraktbruch. 1892, 11. März: Verordnung, betreffend Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen in Glashütten. 1892, dito von solchen für Drahtziehereien. 1892, 17. März: Verordnung, betreffend Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Cichorien sabriken. 1892, 24. März: dito für Rohzuckerfabriken. 1892, 24. März: Verordnung, betreffend Beschäftigung von Arbeiterinnen in Steinkohlen-, Zink- und Bleierzbergwerken und Kokereien im Regierungsbezirk Oppeln. 1892, dito für Walz- und Hammerwerke. 1892, 29. März: dito für jugendliche Arbeiter in H c ch e l r ä u m e n. 1893, 8. Juli: Verordnung, betreffend Einrichtnng und Betrieb von Anlagen zur Anfertigung von Zünd hölzern aus weißem Phosphor. 1893, 8. Juli: Verordnung, betreffend Einrichtung und Betrieb der Bleifarben- und Bleizucker fabriken. 1893, 8. Juli: Verordnung, betreffend Einrichtung und Betrieb von Cigarrenfabriken. 1894, 8. Dezember: Verordnung, betreffend Nachmittags pausen der in Spinnereien beschäftigten jugendlichen Arbeiter. 1895, 1. Februar: Verordnung, betreffend Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Steinkohlenberg werken. 1895, 17. Juli: Verordnung, betreffend Beschäftigung von Arbeiterinnen in Molkereien und Be trieben Sterilisierung von Milch. 1896, 4. März: Verordnung, betreffend den Betrieb von Bäckereien und Konditoreien (die viel umstrittene sogenannte Bäckereiverordnung). 1897, 2. Februar: Verordnung, betreffend den Betrieb von Anlagen zur Herstellung von Alkali chromaten. 1897, 31. Mai: Verordnung, betreffend Ausdehnung der 88 185—139 und des 8 139i> der Gewerbeordnung auf die Werkstätten der Kleider- und Wäschefabrikation. (Unterstellt die Ge werbezweige der Gcwcrbeinspcktion und den Be stimmungen der Gewerbeordnung über die Be schäftigung von Kindern, jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen.) 1897, 31. Juli: Verordnung betreffend den Betrieb von Buchdruckereten und Schriftgieße- r e i e n. 1898, 11. März: Verordnung betr. Beschäftig:,ng von Ar beiterinnen in Konservenfabriken. 1898, 11. Mai: Verordnung betr. Einrichtung und Betrieb zur Herstellung elektrischer Akkumula toren ulw. 1898, 18. Oktober: Verordnung betr. Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien. 1899, 28. Januar: Verordnung betr. Einrichtung und Be trieb der Roßhaarspinnereien, Borsten« zurichtereien, sowie Bürsten- und Pin- felmachereien. 1899, 25. April: Verordnung betr. Einrichtung und Be trieb gewerblicher Anlagen, in denen ThomaS- schlacken gemahlen und Thvmasschlackcnmchl gL- lagert wird. 1899, 26. April: Verordnung betr. den Betrieb von Ge treidemühlen. 13. Mai ,903. 1899, 13. Juli: Novele zum Jnvalidenver- sicherungsgesetz. 1900, 0. Februar: Verordnung b:tr. den Betrieb von Zinkhütten. 1900, 1. April: Befreiung der Gewerbeinspektion von den Kessel revisionen. 1900, 30. Juni: Novelle zur Gewerbeordnung, enthaltend insbesondere Ausdehnung des Arbeitsschutzes auf die Angestellten und Arbeiter in offenen Verkaufs stellen (u. a. obligatorischer 9 Uhr-Ladenschluß, fakultativer 8 Uhr-Ladenschluß). 1900, 30. Juni: Novelle zum Unfallvcrsiche- rungs - Gesetze. 1900, 18. Juli: Verordnung betr. Ausführungsbestim mungen über die Beschäftigung von jugendlichen Ar beitern und Arbeiterinnen inWerkstättenmit Motorbetrieb. 1900, 9. Juli: Inkraftsetzung der im 8 154 Absatz 3 der Gewerbeordnung getroffenen Bestimmungen, wo nach auf die Werkstätten mit Motor- bet r i e b die 88 135—138, 139a, 139b der Gewerbe ordnung und, falls mehr als 10 Arbeiter beschäftigt werden, auch die 88 138a und 139 entsprechende An wendung finden. 1900, 28. November: Verordnung betr. Sitzgelegenheit für Angestellte in offenen Verkaufs stellen. 1902, 23. Januar: Verordnung betr. Beschäftigung von Gehülfen und Lehrlingen in G a st - u n d S ch a n k- wirtschaften. 1902, 1. März: Verordnung betr. Betrieb und Anlage zur Vulkanisierung von Gummiwaren. 1902, 2. Juni: Gesetz über die Seemanns - Ord nung und die Stellenvermittelung für Schiffsleute. 1903, 20. März: Verordnung betr. die Einrichtung und den Betrieb von Steinbrüchen und Stein hauereien. 1903, 30. März: G.'setz bezüglich Regelung der Beschäfti gung gewerblich tätiger Kinder (Kinderschutzgesetz). 1903, 22. April: Gesetz betr. Phosphor-Zünd- waren. 1903, Mai: Novelle zum K r a n k e n v e r s i« rungsgesetz. ? Es gibt in unserem Vaterlande sonst keinen Staid, dem die Sorgfalt der Gesetzgebung in so hohem Maße sich zu gewandt hat, wie den Arbeitern. Und was das Ausland betrifft, — wo ist das Land, das mit solch einer Tafel auf zuwarten im stände wäre? Deutsches Reich. --- Berlin, 12. Mai. (Eine Lücke in der Strafprozeß-Ordnung.) In der Zeitschrift „Das Recht" macht Landgerichts-Präsident a. D. v. Lang auf eine in der Strafprozeß-Ordnung befindliche Lücke auf merksam, die wohl schon von vielen schmerzlich empfunden worden ist. Der Verfasser geht von der sehr richtigen Beobachtung aus, daß im allgemeinen unser Strafprozeß viel rücksichtsvoller gegen den Beschuldigten oder Ange klagten ist, als der Civilprozeß gegen den Beklagten. Um so merkwürdiger ist es, daß in einem sehr wichtigen Punkte das umgekehrte Verhältnis eintritt. Während im Eivil- prozesse gegen die Folgen des Nichterscheinens in einem Termine ein Einspruch zugelassen ist, ist nach 8 370 Ttr.-P.-O. die Berufung des Angeklagten im Straf verfahren sofort zu verwerfen, wenn er oder sein Ver treter bei Beginn der Hanptverhandlung nicht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist; ebenso ergeht cs bei Beleidigungssachcn dem Privatklägcr. In diesen Fällen ist ein Einspruch gegen ein Urteil oder den Beschluß, durch den die Berufung verworfen, respektive beim Privatklageverfahrcn die Privatklage als zurückge nommen angesehen wird, nicht zulässig. Es gibt nur die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand", die aber sehr strenge Voraussetzungen hat (Verhinderung durch Natur ereignisse oder andere unabwendbare Zufälle). Wenn bei- spielswcise die Ladung zum Termine der Partei nicht zu gegangen ist, diese also unmöglich im Termine erscheinen konnte, so findet die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann statt, wenn die Partei zu beweisen vermag, daß ihr persönlich die Ladung nicht ausgeliefert worden ist, was oft mit großen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Um diese Härten zu vermeiden, schlägt vr. v. Lang vor, daß bet der Reform des Strafprozeßes ebenso wie im Civilprozcsse generell der Einspruch gegen die Folgen des Nichterscheinens zugelassen werden soll. Man wird dieser Forderung um so mehr zu stimmen können, als ihre Erfüllung nur gewissermaßen ein Korrelat darstellcn würde gegen eine vielleicht not wendige, aber jedenfalls sehr übel empfundenc.B e- lästigung der Parteien und Zeugen in Strafsachen. Es erscheint doppelt hart, daß jemand, der um fünf Minuten zu spät zu einem Termine kommt, eines wichtigen Rechtsmittels verlustig gehen soll, wenn man bedenkt, daß derselbe Mann vielleicht schon ein Dutzend Mal als Zeuge oder Privatklägcr, ja vielleicht schon gerade in dieser selben Sache, in der er wegen weniger Minuten eines Rechtsmittels beraubt wird, stundenlang hat warten müssen. Es ist, in- fonderheit in den großen Städten, durchans keine Selten- heit, daß beispielsweise eine Privatklagefache auf 1lU/r Uhr anbcraumt worden ist und daß der Privatkläger stunden lang auf den zugigen und von schlechter Luft erfüllten Korridoren hat hcrumirren müßen, ehe ec mit seiner Sache aufgerufcn worden ist. Nehmen wir an, daß die Sache wiederholt vertagt worden, und daß ihm dies zwei, ober dreimal passiert ist: kann man es ihm dann verübeln, wenn er nach den Erfahrungen vielleicht beim vierten Male eine Viertelstunde zu spät kommt? Und ist eS nicht eine schreiende Ungerechtigkeit, daß, wenn er daS Gericht wenige Minuten hat warten laßen, er dadurch schwer benachteiligt wird, während das Gericht ihn wiederholt stundenlang hat warten laßen? Gewiß, die Gerichte haben nicht unrecht, wenn sie die an einem Litzungstage stattfindenden Termine in kurzen Zwischenräumen anbcraumen, weil ja leicht ein 97. Jahrgang. mal eine Sache wegen Nichterscheinens einer Partei oder eines wichtigen Zeugen nicht zur Verhandlung kommt und weil, wenn zwischen dieser und der nächsten Sache ein längerer Zwischenraum läge, der Gerichtshof in dieser Zeit nichts anzufangen wüßte. Aber die Gerichte denken nicht daran, daß nicht nur ihnen, sondern auch dem Publikum, das mit ihnen zu tun hat, die Zeit kostbar ist. Raubt also das Gericht einer Partei oft viele Stunden, fo sollte das Gesetz auch nicht zu hart gegen Parteien sein, die ihrerseits einmal eine Viertelstunde zu spät erscheinen. 6. H. Berlin, 12. Mai. (Sozialdemokratische Eisenbahnarbeiter-Bewegung.) Kurz vor den Reichstagswahlen entwickelt der Vorstand des sozial demokratischen Eifenbahnarbeiter-Verbandes eine über aus rege Rührigkeit. Ein Aufruf folgt dem andern. In einer Bekanntmachung des Verbandsvorstandes wird zunächst mitgeteilt, daß als Antwort auf die Reden deS Ministers Budde ihm, dem Vorstande, eine nennens werte Summe übermittelt worden sei. Sodann wird in der Bekanntmachung hervorgehoben, daß infolge jener Reben auch nicht ein einziges Mitglied aus dem Ver bände ausgeschieden, wohl aber eine große Anzahl neuer Verbindungen angeknüpft worden sei. Zum Schlüsse heißt es in der Bekanntmachung: „Bon den leitenden Personen unserer Organisation wird jeder in dieser bewegten Zeit auf dem Posten sein und seine ganze Kraft in den Dienst der guten Sache des arbeitenden Volkes stellen. Unsere Parole sei: Kampf den Gegnern des Koalitionsrechts! Nieder mit den Brot Wucherern! Der 16. Juni wird der Tag sein, wo wir unsere Antwort auf die reaktio nären Kncbelungsversuche der Regierung und der Junkerschaft geben werden. Deshalb, Kollegen, ver breitet Aufklärung durch Wort und Schrift und rüttelt die große Masse der uns noch fern stehenden Kollegen auf." Ein Flugblatt an die Eisenbahnarbciter Deutschlands, das soeben erschienen ist, beginnt mit den Worten: „Trotz der Erklärung in Acht und Bann von höchster Stelle ist cs den Verwaltungen nicht gelungen, den Eisen» bahnarbeiter-Vcrband Deutschlands (Sitz Hamburg) zu vernichten." Weiter heißt es dann: „Eisenbahner Deutichlands! Nehmt euch ein Beispiel an unseren Schicksalsgenossen der Industrie und den Kollegen im übrigen Transportgewerbe! Diese versuchen mit aller Energie Gebrauch vom Koalitionsrcchte zu machen. Nur ein fester Zusammenschluß kann uns der Verwal tung gegenüber die Achtung verschaffen, deren wir be dürfen Wir haben durch den verband der Eisen bahner Deutschlands" schon manche Besserung errungen und werden, ohne daß sich ein Einzelner bloß» zustellen nötig hat, als festgefügte Maße noch manche Forderung stellen und erlangen." Zum Schluffe wird noch mitgetcilt, daß die Mitglieder des Verbandes sich auf sämtliche preußische, bäuerische, sächsische, württcm» bergische, badische, oldenburgische und mecklenburgische Staats- und Privatbahnen erstrecken. In einem weiteren» „Achtung, Eisenbahnarbciter Deutschlands!" über schriebenen Aufrufe werden diese Arbeiter aufgefordert, sich in den Aufnahmestcllen als Mitglieder des Ver bandes aufnehmen zu lassen. Tn cs keine größere Stadt im deutschen Reiche mehr gibt, in der nicht der sozial demokratische Verband solche Aufnahmestcllen errichtet hätte, so ist eS den Eisenbahnarbeitcrn leicht gemacht, der Mahnung zu folgen. Und da die Vorgänge in Holland und in Australien gezeigt haben, daß keine Be wegung gefährlicher ist, als die der Eisenbahnarbciter, so ist unausgesetzte scharfe Beobachtung dieser Bewegung dringend geboten. (7) Berlin, 12. Mai. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung, betr. die Grund sätze zur Erteilung der Erlaubnis zum Gebrauche des Roten Kreuzes vom 7. Mai. (?) Berlin, 12. Mai. tTelegramm.) Der „ReichSanz." ver öffentlicht die Verleihung deS Kronen-Ordens I. Klasse an den Vorsitzenden des Aussichtsrates der Schantung-Eisenbabugesell- ichast und des Verwaltungsrates der Sckantunq-Ber^bau.Gesellschaft, den Geheimen Kommerzienrat v. Hanscmann. v. Berlin, 12. Mai. (Privattelegramm.) Dem Geb. RegierungSrat Wit trug, dem früheren Oberbürger meister von Posen und jetzigen Direktor der Nationalbank sür Deutschland, war bei seinem Scheiden aus Polen von einer Anzahl von Bürgern der Stadt ein Kapital von 20,000 -4t zur Errichtung einer „Wttting-Stiftung" übermittelt worden. Gebeimrat Wittmg bat nunmehr dieses Kapital dem deutschen Lstmarkcn-Vcrein üb er wiesen. Es wird als besondere „Witting-Stistung", nach Art des „Stipendienfonds", der „vr. Ferdinand von Hansemann - Stiftung" und der „Blsmarck-Stiftung", ge- trennt vom übrigen VereinSvermögen verwaltet werden. Die Zinsen des Kapitals sollen zur Förderung der deutschen Sache ini Osten, insbesondere zur Unterstützung Deutscher aus der Stadt Posen ohne Unterschied der Kon session verwendet werden. Gebeimrat Willing bat sich durch diese Spende eia neues Verdienst um das Deutschtum in den Ostmarken erworben. (Nat.-Ztg.) Wie au» dem Wahlkreise Wanzleben berichtet wird, soll der entlaßene Regierungspräsident v. Arnstedt dort al» Reichs tagskandidat ausgestellt werden und die Unterstützung der Konser vativen und Bundler finden. -r. Mühlhausen t. Th., 12. Mai. Der Streit der hiesigen Krankenkassen mit den früheren Kassenärzten ist neuer dings in ein neues, eigenartiges Stadium getreten. Die Regierung drobt mit dem 8 56a deS KrankenversicherungS- grsetzeS, der von dem Inleiveniionsrechl der Verwaltungs behörde auf Antrag von mindestens dreißig Versicherten handelt und der Behörde das Recht zugesteht, die „Ge währung der... Leistungen durch weitere als die von der Kasse bestimmten Aerzte . . . verfügen" zu können. Die Regierung hat, da die Voraussetzung der Anwendung jene» Paragraphen vorliegt, den Vorständen bis deute eine Frist gegeben. Sie wird, wenn bis zu dieser Zeit der Beschluß der Generalversammlungen, mindestens sechs Kassenärzte an- ,»stellen, nicht »»«geführt ist, die Anstellung werterer Aerzte
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