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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030507011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903050701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-07
- Monat1903-05
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Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die bgespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 7S vor den Famtlteuuach richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanuahme LS H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nn? mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderun, SO.—, mit Postbesörderung ^l 7O.-> ÄuuahMschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expeditton zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 229. Der Industriearbeiter und die Sozialdemokratie. Was hat der Industriearbeiter von der Sozialdemo kratie zu erwarten? Diejenigen Industriearbeiter, die schon von der Sozialdemokratie gewonnen sind, meinen: Alles. Und sie wähnen sogar, sie hätten überhaupt nur von der Sozialdemokratie etwas zu erwarten. Um die rechte Lösung der Frage zu finden, muß man sich zunächst klar darüber werden, welches die berech tigten Forderungen des Industriearbeiters und welches die berechtigten und zweckdienlichen Maßnahmen sind, dereU er sich im Interesse seiner Forderungen bedienen darf und soll. Ohne Zweifel hat der Industriearbeiter das Recht, sich möglichst günstige Arbeitsbedingungen zu sichern und für eine immer steigende Erhöhung seiner Lebenslage einzutreten. Für dieses Recht gibt es eine Grenze nur an dem Unmöglichen. Stellt der Arbeiter z. B. Be dingungen, bei deren Erfüllung der Betrieb auf dem Markte nicht mehr konkurrieren und keine Waren mehr absetzcn kann, so können solche Bedingungen naturgemäß nicht erfüllt werden. Beharrt der Arbeiter auf seiner Forderung, verlangt er Unmögliches, so setzt er sich da durch von vornherein ins Unrecht und fordert notwendige und berechtigte Abwehr heraus. Allerdings wird darüber, was noch möglich und was nicht mehr möglich ist, in vielen Fällen zwischen Arbeit geber und Arbeitnehmer eine Differenz bestehen. Da hat nun der Arbeiter zu seinen Gunsten ein starkes Mittel in der Hand. Er kann sagen: „Wir Industriearbeiter sind Millionen Menschen. Wir tragen als Konsu menten besteuerter Massenartikel — zu den Einnahmen des Staates viel bet: wir tragen als Soldaten aber auch die Waffen und schützen in der Stunde der Gefahr das Dasein des Vaterlandes. Der Staat kann uns also nicht entbehren. Es muß ihm so viel wie alles daran gelegen sein, daß wir an Leib und Seele gesunde, leistungsfähige und vaterlandliebende Staatsbürger sind. Im StaatSinterefse also wirb die für den Bestand des Vaterlandes verantwortliche StaatSleitung bestrebt sein müssen, unseren Wünschen so viel wie irgend möglich ent gegenzukommen und zur Erfüllung zu verhelfen." Und in der Tat beweist die ganze seit zwanzig Jahren un aufhörlich betriebene Arbeiterfchutzgesetzgebung, baß für keinen Beruf so viel Sorge aufgewandt worden ist, wie für den Arbeiterstand. Ein gerechtes Urteil kann es gar nicht verkennen, daß in einer Zeit des allgemeinen Wahlrechts und der allgemeinen Wehrpflicht der öffent lichen und der politischen Stellung gerade der Arbeiter massen von vornherein ein gewisses Uebergewicht zuerteilt und eingeräumt ist. Die Sozialdemokratie tut aber alles, um die günstige Stellung der Arbeitermassen im öffentlichen — sozialen und politischen — Leben und deren Uebergewicht zu schänden zu machen. In wirtschaftlicher Beziehung bleibt sie mit ihren Forderungen nicht an der Grenze des Möglichen und darum Erreichbaren. Sic fordert von vornherein die „Enteignung" der Besitzer und eine ,L?cr- gefellschaftung der Produktionsmittel", ohne baß sie bis her auch nur ein annähernd klares Bild entworfen hätte, wie denn im „Zukunftsstaat" gewirtschaftet werden soll. Schlimmer und dümmer noch geberdot sie sich auf politi schem Gebiete, indem sie die Beseitigung der Monarchie und an deren Stelle bte Diktatur des Proletariats und die proletarisch-absolutistische Republik verlangt. Die Sozialdemokratie erklärt sich selbst als den Feind alle» deffen, was ist. Das kann nur die «ine Folge haben, daß sie schließlich alles, was ist, gegen sich selber zum Kampfe aufruft. Das stärkste Mittel, über bas die Arbettermasse zur Erreichung ihrer berechtigten Ziele verfügt, ist und bleibt: das Arbelterinteresfe mit dem StaatSinterefse zu verbinden. Es ist der grüßte Schaden, den die Arbettermasse erleiden kann und erlitten! hat, daß die Sozialdemokratie Staats« und Ar beiterinteresse in unversöhnlichen Gegensatz zu bringen sucht. Das Ergebnis kann nur Kampf sein, ein cntscheidungSvoller Kampf, bei dem der eine Teil auf dem Platze bleiben muß. Und dahin steuert die Sozial« demokratte. Aber wenn dir Sozialdemokratie auch über noch so große Massen verfügt, so kann sie doch niemals siegen und die Herrschaft im Staate antreten. Je mehr Bürger durch bte Sozialdemokratie dem ReichSgebankrn abtrünnig gemacht werden, je mehr die Uneinigkeit bei uns wächst, je erbitterter die Kämpfe im Innern des Vaterlandes werben, je mehr das Vaterland dadurch ge schwächt wird, um so höher steigt bi« Gefahr, daß unser einst viel bewundert,» und darum noch mehr beneidete» und gehaßte» Reich dem Au» lande zur Beute fällt. Entweder man greift uns direkt an, um unseren lästigen W«»tb,w,rb in der W,lt los zu werden, ober aber wir sind wegen unserer inneren Schwäche und Uneinigkeit vezwuNtz««, i» alle« wiltmirtschastlichen und »eltpolitt- Donnerstag den 7. Mai 1903. 97. Jahrgang. schen Fragen klein beizugeben, den Mund zu halten und uns immer die Butter vom Brote nehmen zu lassen. Was aber ist ein Deutschland, das vom Weltmärkte ferngehalten wird, keine Waren mehr exportiert und aufhört, eine nationale Macht nach außen hin zu reprä sentieren? Ein solches Deutschland wäre in erster Linie ein Land, das seine Industriearbeiter verhungern lassen müßte, weil es ihnen keine Arbeit und keinen Lohn mehr zu geben hätte. Ein solches Deutschland wäre ein Land, tpie mit einer chinesischen Mauer umgeben, das in sich ersticken und vermodern müßte. Ein solches „chine sisches" Deutschland ist das Einzige, was sich als End ergebnis sozialdemokratischer Politik jemals Herausstellen könnte. Keichstagswahl und Mililarpensioniire. Von einem höheren Offizier a. D. wird dem „Hannov. Kur." geschrieben: „In ganz Deutschland ist man an der Arbeit, die Wahlen zum Reichstage vorzubereiten. Am 16. Juni wird von neuem diejenige Körperschaft erwählt, die aus fünf Jahre als ein der Vertretung der verbündeten Re gierungen gleichberechtigter Faktor über die Gesetzgebung des Reiches entscheiden und die Neichsverwaltung im Namen des Vvlkeo kontrollieren soll. Dieser nur in langen Zwischenräumen wiederkehrende Wahltag ist daher für jeden stimmberechtigten Reichsangehörigen von außer ordentlicher Wichtigkeit, weil er bier allein durch Abgabe seiner Stimme auf den Gang der Reichspolitik einzu wirken vermag. Die erschreckenden Zahlen, daß von den 11^2 Millionen Wahlberechtigten des Deutschen Reiches bei den Wahlen von 1898 nur etwa 7^/z Millionen oder rund 67,8 Prozent ihre Stimmen abgegeben haben, läßt einen Mahnruf ge rechtfertigt erscheinen, daß diesmal die Pflicht der Wahl in Treue gegen das Vaterland von jedem Berechtigten aus geübt werde. Es liegt leider nahe, daß zu den saumselig en Wählern de?- Jahres 1898 dm M i l' t ü r p e n s i o n ä r e ein niä^ geringes Kontingent gestellt haben, denn diese sind von ihrer aktiven Dienstzeit her des Wahlgeschäftes ungewohnt und haben in den meisten Fällen unter harten, ihr Pcn- sivnslebcn verdüsternden Begleiterscheinungen, die das Interesse am politischen Leben beeinträchtigen, den liebge- wvnnenen Beruf aufgcbcn müssen, oder sie leben der unter den „Gleichgültigen" so weit verbreiteten Ueberzeugnng, Kaiser und Regierung seien stark genug, auch ohne das Zutun des Reichstages sür das Wohl deS Landes zu sorgen, und empfinden dem Wahlakt gegenüber eine ungerecht fertigte Geringschätzung. Sie bedenken nicht, daß nur durch daö Vorhandensein einer Zahl von ungefähr 4 Millionen gleichgültiger Wahl berechtigter die Sozialdemokratie mit ihren über 2 Millio nen betragenden Stimmen bei der letzten Wahl sich beüstcn konnte, daß sie weit über ein Viertel der gesamten Wähler schaft repräsentiere. Gerade der Sozialdemokratie gegenüber, die mit ihrer straffen Disziplin jeden einzelnen Genossen an die Wahlurne zwingt, und gegenüber der Z e n t r u m s pa r t e i, die die Disziplin der katholischen Kirche in den Dienst des Wahlaktes stellt und dadurch die zweitgrößte Stimmenzahl auf sich vereinigte, sollte die Ausübung der Wahlpflicht für jeden Wahlbe rechtigten, und besonders sür jeden Militärpcnsivnär, der sein Leben von Jugend ans dem Dienste des Staates gewidmet hat, die unverbrüchliche Parole sein. — Die Wertschätzung des Reichstages ist ja zweifellos in der Nation gesunken, -er p o l i t i s ch e E i n s l u ß des Reichs tages aber hat gerade in den letzten Jahren mehr zu- als abgenommcn. Auck' dadurch wird die politische Bedeutung des Wahlaktes erhöht. Für den M i li t ä r p e n si o n ä r aber tritt ein weiterer Grund hinzu, der ihn zur Erfüllung der Wahl, pflicht treiben sollte. Er ist allerdings nebensächlich gegen über dem Hauptgründe, den stets das Gesamtwvhl des Staates bildete, und betrifft das eigene Interesse des Militärpcnsionärs. Aber wenn sich andere Inter essengruppen, wie -er Bund der Landwirte, der Bund der Kaufleute u. a. m. zu politischen Zwecken zusammentnn, so ist es den Militärpcnsionären nicht zu verdenken, wenn sie ihre Stimmabgabe auch aus Jnteressen-Rücksichten nicht verabsäumen. Vor kurzem kündete die „Nordd. Allg. Ztg." die folgen den Kardinalpunkte als zu den Aufgaben der kommenden Legislaturperiode gehörig an: ErneuerungderHandclsvcr- träge.Armecvorlage infolgeAblauf besOuinguennats, Ge setz über die Auslandsflotte, ostasrikanische Zentralbahn und vielleicht noch die ReichSsinanzrefvrm — sicherlich alles her vorragend wichtige Gesetzesvorlagen. Aber mit tiefem Be dauern vermißt der Militärpensionär auf diesem Arbeits zettel da» schon dem noch tagenden Reichstage von der Re- gierung scstversprochene MtlitärpenstonSgesetz, das der jetzigen Ungerechtigkeit ein Ende machen sollte. Der Zustand, daß drei Kategorien von Pensionären existieren, bte älteren vülssvedürstigeren immer schlechter gestellt als die nächstjüngeren, die unzureichende Dotierung der Krtcgsvetcranen, von denen bei den im Gange befind lichen Erhebungen allein im Regierungsbezirke Lüneburg 218 ganz oder teilweise Erwerbsunfähige festgestcllt sind, die noch jeglicher Pension entbehren, soll also in seiner bis herigen Form bestehen bleiben I Da liegt e» im wohlverstandenen Interesse der Militär- Pensionäre, ihye Sttmen der Partei -uzuftthren, die schon seit Jahren für den Erlaß eines neuen außglcichendcn MtlitärpensionSgesetzes mit rückwirkender Kraft etnge- treten ist, und das ist die n a t i o n a l l t b e r a l e, deren Mitglied, Graf Ortola, mit seinen Parteifreunden in allen Kämpfen der letzten Session sich der mühevollen und undankbaren Aufgabe gewidmet hat, das Los der Militär- pcüsionäre zu bessern und den überlebenden Kriegern aus großer Zett beizustehen." Der Verfasser verkennt keineswegs, daß der konser vative Abgeordneten Graf Roon und der Reichs- parteiler v. Kardorff dem Grafen Ortola wacker sekundiert haben: aber da in der Provinz Hannover beide Parteien wenig in Betracht kommen, so beschränkt er sich darauf, den Militärpensionären die kräftige Unterstützung der nativnalliberalen Kandidaten zu empfehlen. Wenn er in dem Königreiche Sa chsen lebte, so würde sich seine Empfehlung weiter erstrecken. Darüber werden auch die sächsischen Militärpensionäre nicht im Zweisel sein. Welche Kandidaten sic zu unterstützen haben, brauchen wir ihnen nicht zu sagen. Es konnnt nur darauf an, daß sie an der Wahlurne nicht fehlen. Und des halb sei ihnen die Mahnung ihres hannoverschen Kame raden wärmstens ans Herz gelegt. Deutsches Reich. lA Berlin, 6. Mai. (Nicht „ungeschmink t".) Die klerikale „Kölnische Volksztg." bestreitet gegenüber einem pfälzischen Blatte, „ganz ungeschminkt" gesagt zu haben, daß ihr ein atheistischer Sozialdemokrat lieber sei als ein Protestant. Bei dieser Versicherung des füh renden Zentrumsblattes ist der Nachdruck auf das Wört chen „ungeschminkt" zu legen. Denn während die „Köln. Volksztg." gegenüber dem pfälzischen Blatte jene Erklärung abgibt, beteuert sie gegenüber den, „Vorwärts": „Es ist eine durch nichts gerechtfertigte Verdächtigung des ,Zentrumskapitalismus", wenn behauptet wird, seine Ver treter wühlten lieber nationalliberale Anhänger -es 8 2 des Jesuitengescvcs als Sozialdemokraten; denn das erstere wird ja durch den Wahlaufruf (der Zentrumspartei) ausdrücklich ausgeschlossen." — Nicht ganz „ungeschminkt", aber doch „geschminkt", gibt hiermit das leitende Zentrumsorgan zu erkennen, daß ihm ein Sozialdemokrat lieber ist als ein „Protestant". Die Abstimmung der Zen trumswähler in den Wahlkreisen Mannheim, Karlsruhe und Pforzheim zu Gunsten der So zialisten und zu Ungunsten der „Protestanten" nimmt dem Bekenntnis der „Köln. Volksztg." den Reiz der Neuheit. --- Berlin, 6. Mai. (Polen und Zentrum von Allenstein bis Myslowitz.) Außer in den eigentlich polnisch gemischten Sprachgebieten machen die Polen dem Zentrum neben Rheinland-Westfalen auch in Ostpreußen zu schaffen. Die „Kölnische Volkszeitung" gibt sich zwar der Hoffnung hin, daß im Wahlkreise Allenstein die Polen diesmal zum größten Teil für den Kandidaten des Zentrums, Hermann, stimmen werden; aber diese Erwartung erscheint uns angesichts der sich auch in Ostpreußen stärker regenden nationalen Gegen sätze — wir erinnern an die littauischen Sonderkandida turen in Memel und Tilsit — als wenig berechtigt. Die Polen haben bekanntlich den Wahlkreis Allenstein sogar einmal inne gehabt, nämlich von 1893 bis 1898, und sie haben es sowohl bei den Wahlen von 1890, wie bei denen von 1898 auf die stattliche Zahl von über 5000 Stimmen gebracht. Berücksichtigt man die überall her vortretende große Aktionslust der Polen, so kann man kaum an einen kampflosen Rückzug in Allenstein glauben. Auch in der Provinz Posen ist die Situation für das Zentrum nicht günstig. Der Versuch des Grafen Kwilctzki, sich als Zentrnmskandidat zu maskieren, ist von dem polnischen Provinzial-Wahlcomitö grausam ver eitelt worden. Hat das Zentrum aber keine Aussicht, einen Wahlkreis in der Provinz Posen zu erobern, so be steht die größte Wahrscheinlichkeit, daß es den einzigen Kreis, den cs in dieser Provinz besitzt, verliert. Die deutschen Parteien im Wahlkreise Fraustadt-Lissa haben sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt und damit erscheint bas Schicksal deS gegenwärtigen Ab geordneten dieses Wahlkreises besiegelt. Handelt es sich in Ostpreußen und Posen nur um vereinzelte Wahlkreise, in denen daS Zentrum in Frage kommt, so wird in Ober schlesien gleich ein halbes Dutzend Mandate dieser Partei von den Polen gefährdet. Der polnische Wahlaufruf für Obcrschlesicn ist soeben erschienen und die Zentrums partei wird darin mindestens ebenso mitgenommen, wie die anderen deutschen Parteien. Der Kampf gegen den germanischen Hochmut erheische den engsten Zu sammenschluß aller preußischen Polen; daher müsse man sich vom Zentrum befreien. „Germa nischer Hochmut" in Verbindung mit dem Zentrum hat einen entschieden humoristischen Beigeschmack. Nicht, als ob eS dem Zentrum anderen Parteien gegenüber an Hochmut fehlte; aber gerade die Polen, auch diejenigen Oberschlestens, haben sich wahrlich nicht über „germa nischen Hochmut" des Zentrums zu beklagen. Dies um so weniger, als das obcrschlesische Zentrum schon längst auf eine spezifisch germanische Eigenart der dortigen Zen- trumSabgeorbneten verzichtet hat. Die bet den letzten Wahlen gewählten Zentrumsabgcordneten Szmula und Ltrzoda haben jederzeit ihr Polrntum nachdrücklich bekundet, und die Abgeordneten Glowatzky und Letocha stehen ihrer Abstammung und wohl auch ihren Gesinnungen nach dem polnischen Hochmute mindestens ebenso nahe, wie dem germanischen. Ebenso hat ge rade jetzt daS Zentrum durch die Aufstellung deS wasser polnischen Bergarbeiters Krolik in Beuthrn-Tarnvwitz viele deutsche Katholiken vor den Kopf gestoßen; zum mindesten hat c- mit dieser Kandidatur gerade keinen „germanischen Hochmut" bewiesen. Den Polen erscheint es offenbar schon als germanischer Hochmut, wenn eine deutsche Partei nicht sofort Hal» über Kops davonflicgt, sobald die rotwcißen Farben gezeigt werden. Trügt nicht alles, so miissen die diesmaligen Wahlen »ine rein- liche Scheidung zwischen dem Zentrum und den Polen herbeistthren, zum Nutzest der durch da» Zentrum viel fach lahmgelegtcn deutschen Politik in der Ostmark. /» Berlin, 6. Mai. (EntwicklungStendenzest inderamertkanischenArbeiterbewraung.) Im neuesten Hefte der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" veröffentlicht der hessische Regierungs assessor Ernst Pi st o r, der monatelang in den Vereinigten Staaten mit Arbeitern zusammen gelebt und auch Mit ihnen gearbeitet hat, einen gehaltvollen Beitrag zur Psychologie der amerikanischen Arbeiter. Pistors Unter suchung erscheint besonders interessant deshalb, weil sie über die Entwicklungstendenzen der amerikanischen Ar beiterbewegung lehrreiche Aufschlüsse gibt. Bekanntlich besteht in den Vereinigten Staaten ebensowenig eine Arbeiterpartei, wie im Kongreß der Arbeiter als solcher vertreten ist; es gibt nur eine republikanische und eine demokratische Partei, die beide um die Stimmen der Ar beiter buhlen. In -en Arbeitervereinen, die meist Ge- werkvereine sind, finden sozialistische oder anarchistische Ideen ex okkieio keine Vertretung, und auch als Privat ansicht sind solche Ideen nur in den untersten Schichten zu finden. Die Arbeiter sind nach dem Grundsätze der Ge- werbeangchörigkeit in „Unions" (Gewerkvereine) orga nisiert; der größte Teil dieser Unions ist in einem Ver bände, der „American Federatton of Labour", zusammen gefaßt, der ein ungleichmäßiges Bild bietet. Wir sehen in ihm alte UnionS, meist bestehend aus amerikanischen ge lernten Arbeitern, die eine gemäßigte Politik, treiben; wir sehen daneben andere Unions, in denen undisziplinierte, unruhige Elemente einem selbstsüchtigen Agitator folgen. Ueberblickt man die Unions als Elanzes, dann erscheinen ihre Leiter in demselben Maße konservativer und vernünf tiger, in dem sie an mehrverantwortungsvollerStelle stehen. So kann man sagen, daß die Hauptleitung und das kon servative Element der Arbeiter erster, sowie teilweise zweiter.Kategorie in den alten Unions Streiks zu vermeiden suchen, daß aber die Unterleitung und die Arbeiter dritter Kategorie dazu aufgelegt sind, Schwierigkeiten vom Zaune zu brechen. Die Reinigung der Unions von den zuletzt er wähnten Elementen ist wegen der exklusiven Ten denz innerhalb der Unions zu erwarten. Be weise für jene exklusive Tendenz sind bte Abschließung vieler und gerade der kräftigsten Unions durch hohe Beitritts gelder und durch Beschränkung der Lehr- lingszahl. Die meisten MaurerunionS verlangen ein Eintrittsgeld von 40 bis 80 die Anstreicher New Uorks ein solches von 100 .L, manche andere Unions ein solches von 400 daS Verhältnis zwischen der Zahl der Lehr linge und der -er Ausgelernten ist in vielen Unions auf 1:5, in manchen sogar auf 1:15 beschränkt. Erhalten die Unions durch diese exklusiven Tendenzen einerseits eine konservative Richtung, so werden anderseits durch das Herausziehen der konservativen Elemente aus der übrigen Arbeiterschaft radikalere Stimmungen erzeugt, und damit bildet sich ein geeigneter Boden für sozialistische oder anarchistische Ideen, wie sie jetzt schon in den dunklen Quartieren New Jorks eifrig verkündet werden. Bei Krisen und eventueller Desorga nisation kann hieraus eine soziale Gefahr erwachsen. Betrachtet man aber die Sachlage unter dem Gesichtspunkte des Gegensatzes zwischen Produzenten und Konsumenten,so scheint die Entwicklung im Hinblick auf die exklusive Ten denz der Unions auf einen Zusammenschluß von monopolisierter Arbeit und monopoli- siertemKapital hinzudeuten, welcher die Gefahr der Benachteiligung aller Außenstehenden, namentlich der Landwirtschaft, naherücken dürfte. (-) Berlin, 6.Mai. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Zeitung" meldet: Durch die Presse geht eine Meldung, nach welcher der wegen Tötung eines Eingeborenen in Deutsch- Siidwestafrika zu längerer Freiheitsstrafe verurteilte Prinz Prosper v. Arenberg begnadigt sein soll. Wir sind zu der Erklärung ermächtigt, daß die Meldung unrichtig ist. Zu den umlaufenden Gerüchten gab möglicherweise der Um stand Anlaß, daß bei den zuständigen Militärgerichten ein Antrag wegen Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegt. — ZumRücktritt des Erbprinzen von Meiningen vom Kommando des VI. Armeekorps in BreSlau schreibt die „Bretl. Morgenztg.": „ES heißt, daß dieser überraschende Entschluß d«S Erbprinzen in engstem Zusammenhang« stehe mit dem vielbesprochenen Erlasse des Korpskommandeurs gegen die Soldatenschinderei. Wir nehmen Abstand, von den mancherlei Gerüchten Notiz zu nehmen, welche über die näheren Umstände diese« Ereignisses in Umlauf sind, und registrieren nur soviel, daß der Abschied des Erbprinzen sich in den sonst üblichen Formen nicht vollzogen haben soll." Nach einer Meldung von anderer Seite soll das Ab- schiedSgesuch wohl eingrreicht, aber noch nicht bewilligt sein. — ES wird bedenklich in Preußen. Der Geist der Rebellion geht um im Herrenbause. Wer läse ohne Schaudern, wa» da gedruckt steht in einem Blatt« aus Preußisch-Berlin und also lautet: Gegenüber der abfälligen Kritik, die der Kaiser bei seiner letzten Besichtigung de« Neubaues sür daS Herrenhaus nach Mit teilungen in der Presse über die Anlage geübt haben soll, ist rin bisher wenig beachteter Abschnitt in der Schlußrede de» Präsidenten de» Herrenhaus«» Fürst zu Wied interessant. Nach dem stenographischen Berichte sagt« der Fürst zu Wied- „Wenn wir heute au-einandrrgehen, hat das durch den LandtogS- Neubau veranlaßt« Provisorium der Tagung de- Herren haus«» i, diise» NSumen hier sein Ende erreicht. Der Abschied wird un- nicht schwer; denn wir kehren mit Beginn der nächsten Session zurück an die alte un- liebgewordene Stätte, in «in Gebäude, von dem wir hoffen dürfen, daß wir un» in ihm wohl untergrbracht fühlen werden. Da» neue Gebäude tst wirklich rin so praktisch und fchSn angelegte» — da» kann ich Ihnen au» vielfach eigener Anschauung sagen —, daß wir un» jtdensall» da Wähler fühlen werden al- in diesem." Kanalrebellen, »grarrebellen, regierung-präsidial« Ab« schied-glossen und nun noch der Aufruhr im Herrenhaus«. Wenn da« nur nicht in d«x Wreveschen ,Fittstn»k»rxrfpoad«uz" nach Rom b«richt«t Wird!
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