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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030516010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903051601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903051601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-16
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IHM ist in seiner Hauptstadt ein großer Empfang bereitet, und eS ist auf allerlei Weise versichert tvvrden, wie sehr das sächsische Volk ihn liebe und verehre. Das sächsische Volk liebt seinen Landes herrn. Und doch, so fragt man sich, wie kommt es, daß bei -em Familien drama im KötiigSl-ause die Herzen der treuen Lachsen im Grunde so geteilt sind, daß sie sich Nicht alle auf des Königs und des Kronprinzen Seite Men- Mag den letzteren auch ein Teil Schuld an dem über Sachsen hereingebrochenen Unglück treffen. Diese Tat sache allein würde der Sachsen Herz nicht wankelmütig machen. Nein, der Kern des Zwiespalts liegt aus anderem Gebiete: das sächsische Volk ist evangelisch UNb sein Herrscherhaus ist katholisch. Hundert- tausende in Sachsen denken eö, keiner mag es laut sagen, daß diese Tatsache daS Trennende zwischen ihnen und ihrem Landesherr» ist und immer bleiben wird. Der unglückselige und aus eitlen, nicht lauteren Beweggründen geschehene Uevertritt des Kurfürsten Friedrich August zum Katho. li-iSmus bildete in feiner Folgeerscheinung die Kluft zwischen den Herzen der Bevölkerung Sachsens und dem Herrscherhaus-. Und diese Kluft überbrückt nichts. Beim König Albert konnte man wähnen, sie mache sich nicht geltend. Er, der König und Feldherr, der so tätigen Anteil an der Schaffung des Deutschen Reiches batte und überall den ReichseinheitSgedanken in den Vordergrund stellt«, saß fest in dem Herzen der Sachsen. Und doch . . . Auf den König Georg fällt auch noch ein Abglanz auS jener großen Zeit herüber,' aber die tiefe Kluft ist da. Und beim Kronprinzen ist schon nichts mehr, waS der Trennung der Bekenntnisse die Wage hielte. Der Spalt wird mit der Zett größer, er muß zunehmen mit der schwindenden Lauheit der Evangelischen. Nichts aber kann die innerliche Entfremdung beseitigen, als nur ein Mittel: Der König von Sachsen muß wieder evangelisch werden. Sachsen zählt etwa Millionen evangelische und nur 150 000 katholische Einwohner. Die 3Vz Millionen werden den König, der evangelisch wird, auf den Händen tragen, und seine Großtat wird die Geschichte verzeichnen. Selbstverständlich darf man vom gegenwärtigen Könige diesen Schritt nicht mehr erwarten, vielleicht aber vom nächsten oder dem dann kommenden. Verwahren wollen wir uns schließlich gegen den Einwurf der Pietät losigkeit, der uns darüber gemacht werden könnte, daß wir in dieser für Sachsen schweren Zeit diese Frage an rühren. Wann soll cs geschehen, wenn nicht jetzt? Wir haben tiefes Mitgefühl für daS Geschick, welches die Wettiner betraf. Aber salug rei publica« lex suprsms. Möchte der Wunsch der Dachsen das Ohr und das Herz des Kronprinzen und seines Sohnes erreichen. Die Sachsen selbst aber sollten, dem alten Cato folgend, ihre herzliche Bitte immer und immer wieder vor den Thron bringen." Da diese Zuschrift voraussichtlich auch in andere Blätter übergehen und vielfach besprochen werden wird, so erachten wir es für unsere Pflicht, sie nicht mit Still schweigen zu übergehen, da sonst vielleicht außerhalb unseres engeren Vaterlandes die Meinung entstehen könnte, der Verfasser habe zahlreiche Gesinnungsgenossen. DaS müssen wir entschieden bestreiten. Trotzdem ist es tief zu beklagen, daß cS auch nur einen protestantischen „sächsischen Patrioten" gibt, der sich nicht scheut, derartige Auslassungen zu veröffentlichen. Als im Fahre 1891 die jetzige Kronprinzessin von Griechenland, die Schwester unseres Kaisers, zur gricchisch-orthodoren Kirche übertrat, wurde dieser Uebertrttt nicht am wenigsten bei uns in Sachsen beklagt. Und wir täuschen unS schwerlich in der Annahme, daß auch der „Patriot" des „Hann. Kur." sich unter den vielen befand, die offen und mit einem gewissen Stolze auf ihre Charakterfestigkeit erklärten, dieser Wechsel des Bekenntnisses, der offenbar nicht sowohl der Uebcr- -eugung, als vielmehr dem Wunsche nach Popularität bei den künftigen Untertanen der Prinzessin entspringe, sei ein sehr übleS Beispiel, das hoffentlich nicht nachgeahmt werde. Und jetzt mutet derselbe „Patriot" Mitgliedern unseres Königshauses die Nachahmung zu, und zwar au» dem gleichen Beweggründe, der die Prinzessin Sophie zu ihrer Konversion antrieb und der al» ein unlauterer so herb getadelt wurde! Such den Kurfürsten Friedrich August verurtetlt er, weil dessen Uebertrttt nicht aus innerster Ueberzeugung, sonder» au» „nicht lauteren Beweggründen" erfolgt sei. Er schildert auch be weglich die weittragenden, das Vertrauen später Generationen vergiftenden Folgen solcher Kon version. Nun zweifelt aber bei uns kein Mensch, wahrscheinlich nicht einmal der „Patriot" des „Hann. Kur.", daran, daß König Georg Und der Kronprinz aus innerer, durch katholische Erziehung erworbener U e b e r- zeugung Katholiken sind. Ihr Uevertritt könnte also nur aus Beweggründen erfolgen, die nicht Vertrauen erwecken, sondern bas Vertrauen vergiften müßten. Wenn der „Patriot" mithin nur einen Schimmer von Logik und Konsequenz hätte, so müßte er gerade im Hin blick auf Sen Uevertritt des Kurfürsten Friedrich August dessen Nachfolger vor einem ähnlichen Schritte warnen. Aber wie Logik und Konsequenz nicht die Lache des „sächsischen Patrioten" ist, so erscheint auch sein „tiefes Mitgefühl" für die Wettiner in sehr trübem Lichte. Was hat das „Familiendrama" in unserem Königshause mit dessen BekenNtNisstaubc zu schaffen? War die ehe malige Kronprinzessin nicht katholisch wie ihr Gemahl und sein königlicher Vater? Ober liegt auch nur der leiseste Grund zu der Annahme vor, die schuldige Frau würde itt den Schranken der Ehrbarkeit gehalten worden sein, wenn König Georg und der Kronprinz protestantisch wären? Beweist es nun etwa Mitgefühl und Nicht viel mehr empörende Pietätlosigkeit, wenn der „Patriot" gerade an jenes Drama, das schon so viel Leid über unser Königshaus gebracht hat, attknüpft, um dieses Haus mit Schilderung der angeblich zwischen ihm und der protestantischen Bevölkerung herrschenden Kluft zu schrecken? Schlimm genug, daß jenes Drama Lett Beweis geliefert hat, wie leicht gewisse Leute sich von anmutiger Leichtlebigkeit verlocken und blind gegen dieVorzüge herber Gewtssenhafttgkeitmachcn lassen. Aber liegtdieTchuid daran etwa an König Georg und seinem Sohne, und nicht viel mehr an Leuten vom Schlage des „Patrioten", die mit ebensoviel Mangel an Logik wie an Pietät der Urteils- losigkeit nach dem Munde rüden, wenn sie aus diese Weise dem Ziele ihrer Wünsche näher kommen zu können glauben? Weiter übersieht der „Patriot" ganz und gar, welches Zugeständnis er durch seinen Wunsch und dessen Moti vierung seinen ultramontanen Gegnern macht. Gründet er das Vertrauen einer protestantischen Bevölkc- rung auf ihr Fürstenhaus lediglich auf dessen Zugehörig keit zur evangelischen Kirche, mit welchem Rechte will er es dem Ultramontanismus verübeln, wenn er protestantischen Fürsten bas Vertrauen versagt und in überwiegend katholischen Staaten den Uevertritt solcher Fürsten zum Katholizismus verlangt? Mit Recht würde jeder Protestant gegen ein solches Verlangen den schärfsten Widerspruch erheben. Und der Eifer, den der „Patriot" entwickelt, läßt mit Bestimmtheit darauf schließen, daß er es als einen Beweis „ultra- montanerFrechheit" bezeichnen würde, wenn etwa die „Germania" erklärte, in dem überwiegend katholischen Baden könne die Kluft zwischen Bevölkerung und Herrscherhaus nur dann überbrückt werden, wenn der Großhcrzog katholisch werde. Was hat, so würde er fragen, der Grotzherzog, was der Erbgroßherzog getan, um sich das Vertrauen seiner katholischen Untertanen zu ver- scherten. Und ebenso fragen wir: WaS haben König Georg und der Kronprinz wider den Protestantismus gesündigt, um die Schilderung des „Patrioten" und seine Mahnung zu ver dienen? Haben s i e etwa die Abbröckelung des Jesuiten gesetzes angeregt und betrieben? Oder was haben sie sonst getan, um das Vertrauen auch nur eines sächsischen Protestanten zu verscherzen? Wir, die wir doch wahrlich über den Rechten des Protestantismus wachen, wissen von nichts. Und der „Patriot", auf sein Gewissen gefragt, würde auch nichts wissen: denn sonst hielte er schon jetzt da mit nicht hinter dem Berge. Gerade deshalb aber dürfte er sich nicht wundern, wenn unscrKönigshauS an der protestantischen KünigStreue allmäh- lich irre würde. Hat sich doch während des nun beendeten Familiendramas mehr als eine Stimme au- protestantischen Kreisen jämmerlich genug geäußert! Wir hoffen jedoch von der Gerechtigkeit und Einsicht unsres Königs und unsres Kronprinzen, daß sie von dem „Patrioten" und seinen wenigen Gesinnungsgenossen nicht auf die ganze protestantische Bevölkerung schließen. Diese ehrt und achtet ven BekenntniSstand ihres Königs hauses und spricht diesem das ausschließliche und heilige Recht zu, über diesen Stand nur nach innerster Ucbcrzeügung zu befinden. Die beurteilt die Stellung des katholischen Königshauses zum Protestantismus lediglich nach Taten und hat ebenso, wenig Ursache wie Neigung, das tatsächliche Verhalten König Georgs und des Kronprinzen abfällig zu beurteilen oder auch nur anders zn wünschen. Sie schenkt beiden volles Vertrauen und wird sich darin nicht beirren lassen durch die ebenso widerspruchsvollen, wie unvernünftigen Auslassungen eine» Fanatiker», an dessen vertrauen unser Königshaus nicht das Allermindeste verliert. Es ist nicht einen Schuß Pulver, geschweige denn eine Konversion wert. ring, denn die fetten Bissen sind ausschließ lich für -ie ^großen" Agitatoren, die so genannten „Paradepferde", reserviert. Wer kriegt in der soüaldemokratijchen Partei die fetten Ollsen? Im Verlage von Eduard Meyer in Dresden hat jetzt ein seit 10 Jahren in der Sozialdemokratie tätig gewesener Agitator, Franz Fricke, eine kleine Bro schüre unter dem Titel: „Wohin steuert die Sozialdemo kratie?" hcrausgegeben und der deutschen Arbeiterschast gewidmet. Diese kritischen Betrachtungen kommen gerade recht für die Zeit der Wahibewegung und behüten viel leicht manchen Arbeiter davor, einen sozialdemokratischen Stimmzettel abzugeben. Was die kleine Schrift bringt, sind nicht absolut neue Tatsachen, aber als weiterer Bereg für das Wesen dieser Partei des Pharisäismus ist sie teilweise recht wertvoll. Sie kommt zunächst auf die sozialdemokratische Renvm- miertaltik der großen Zahlen zu sprechen und bemerkt, daß von den Millionen Menschen, die ihre Stimmen bei der letzten Wahl für sozialdemokratische Kandidaten ab gegeben hotten, höchstens 150 000 wirktich zielbewußte „Ge nossen" seien. Von dielen wiederum würden nur etwa 10 000 in Betracht kommen, die einen wirklichen Einfluß auf den Gang der Parteimaschine hätten, die übrigen be» zah len ihre Parteigroschen und verließen sich auf die Um sicht ihrer Führer. Interessant sind die Mitteilungen, welche in der Schrift über die Organisation der Partei gemacht werden. In den nord- und mitteldeutschen städtischen Wahlkreisen ist diese Organisation ungemein streng, besonders im König reich Sachsen, währen- in Süddeutschland eine etwas „losere" Organisativnssorm besteht, ebenso auf dem Lande, soweit nicht, wie in Rheinland, Westfalen, Schlesien usw., teilweise ein starkes Jndustrieproletariat vorhanden ist. Wo letzteres nicht vorhanden ist, beschränkt sich die straffe Zucht nur auf die Personen, welche als sogenannte „interne Genossen" gewonnen sind. Wenn hier einmal Erfo.ge er- rungen werden, so sind «S fast immer Zufalls- und Augen blickserfolge, weil die Wähler, welche für die Partei stimmten, infolge der weniger straff -urchgeführten Orga- ntsatiou nicht unter „ständiger Kontrolle" gehalten werden können. „Interne Genossen" sind solche, -ie -en Ehrgeiz haben, in der Partei etwas mehr zu bedeuten, als -ie Masse der „Genossen". Wer der internen Organisation angehören will, der muß nachweisen, daß er mindestens ein Jahr lang einer politischen Organisation angehörte, d. h. Bei- träge für dieselbe zahlte, neuerdings auch, daß er gewerk schaftlich organisiert ist. Letzteres gilt natürlich nicht für selbständige Gewerbtreibcnde und nur für Orte, wo eine gewerkschaftliche Organisation vorhanden ist. Der „interne Genosse" muß eifrig die politische Organisation ausbauen und erhalten helfen und Gelder für Wahl- und sonstige agitatorische Zwecke sammeln, vor allen Dingen hat er Spionen- und Polizeidienste innerhalb der Partei zu üben. Der Verfasser der Schrift bemerkt, wenn man sehe, wie sich einzelne dieser internen Parteifanatiker geradezu darauf trainierten, bei der geringsten Kleinigkeit eine Ver letzung des Parteiprinzivs zu entdecken und jedes etwa frei geäußerte Wort schon als einen Verrat zu denun zieren, so müsse einen Ekel und Grauen zugleich erfassen bei dem Gedanken, daß solche pharisäerhafte Partei fanatiker einmal bei einer veränderten Gesellschaftsord nung mit besonderen Machtbefugnissen ausgcstattete öffent liche Aemter bekleiden könnten. So sehr nun einzelne versuchen mögen, anfangs ihrem natürlich-demokratischen Denken und Empfinden in diesem Kreise Geltung zu ver schaffen, sie müssen bald genug erkennen, daß es einfach unmöglich ist, gegen die „Partei-Raison" anzukämpfen, wenn sie ihnen auch noch so widersinnig und ungerecht er- scheinen mag. So werden denn auch die widerstrebenden Elemente allmählich zum „Kadaver-Gehorsam" gezwungen, der für jeden unumgänglich nötig ist, wenn er als „ziel bewußter Genosse" dastehen will. Dieser „Kadaver-Gehor sam" zwingt ihn, nach außen hin auch Dinge und Hand- lungen zu vertreten, über die er mit heimlichem Zähne knirschen vielleicht ganz anders denkt. Mit einem Worte, er muß sein eigenes Denken und Fühlen ganz der „Partei- Naison" unterordnen, will er nicht als „Verräter" ge- brandmarkt werden. Schon -er bloße Rücktritt aus der internen Organisation ist ein „Verrat". Der „Interne" ist gerichtet, auch wenn er nur einmal wankt, das löscht alle seine früheren Verdienste aus, mögen sie auch noch so be deutend gewesen sein. Den „großen Genossen" kann ein solcher ParteizclotiSmuS nicht sehr gefährlich werden, ein mal deshalb, weil sie bet Verstößen eine wett mildere Be urteilung erfahren, sodann aber, weil sie infolge ihrer günstigeren ökonomischen Verhältnisse leicht in der Lage sind, die „Unentwegten" zu spielen, da materielle Not an sie nicht Herarttritt. Die „Internen" haben außer dem Spionieren und Geldersammeln noch die Pflicht, in öffentlichen und Parteiversammlungen „Staffage" zu bilden, welche die be reits in den Gruppen gelieferte „fertige Arbeit" nochmals fertig machen, indem sie angeblich „aus der Mitte der Ver sammlung" kommende, aber vorher längst bis ins Ein zelne präparierte «Anträge stellen. Sic haben auch in sol- chen Versammlungen alle von außen kommende oder gar unter den „Genossen" austauchende Opposition nach Kräf ten niederzuhaltcn und allerlei sonstige HaNd- und Spann dienste zu leisten. In der internen Organisation wird auch der „Wille des Volkes" fest gestellt: hier werden sämtliche Wahlen, Kandidaturen und dergleichen ohne Ausnahme festgesetzt und „Gevatter Plebs" hatdann e i n- fachJaundAmenbazuzusagen. Der Ehrgeiz, welcher die meisten „Genossen" nach der sogenannten Ehre streben läßt, in -ie „interne Organi sation" zu gelangen, läßt sie weitere Steigerungen er hoffen, wohl gar die Aussicht, einmal in den Reichstag zu kommen. Di« Aussichten sind dafür freilich nur ganz ge Deutsches Reich. Berlin, 15. Mai. (Welfische Erkenntnis.) Das hannoversche Welfenblatt gibt Kunde von einer wclfischen Erkenntnis, an der nicht mit Stillschweigen vorübergegangen werden darf. Diese Erkenntnis ver dankt das Welfentnm seinem Krache mit dem Zentrum im Reichstagswahlkretse Hildesheim. Dort sind in wclfischen Wah.versammlungcn Milg.jeder des katho- lischen Arbeitervereins zu Büdesheim als Redner aus getreten, um in die konfessionelle Trompete zu stoßen. Auch die Mahnung des welfischen Reich.tagskandidaten, des Herrn v. Ho den berg, daß die Zcntrumspartei bis jetzt s!) das größte Gewicht darauf gelegt habe, nicht eine konfessionelle, sondern eine Volkspartei zu sein, hat nichts gefruchtet. Vielmehr trat ein Zentrumsredner für den katholischen Bund er Bauermcister mit der Er klärung ein: „Ich werde niemals einen Pro testanten wählen, wir dürfen und wir wollen keinen Protestanten wählen." — Für solche Offenheit dankte Herr v. Hodenbcrg, indem er hinzufügte: man werde aus diesen Erklärungen die Konsequenzen zu ziehen wissen. Hat Herr v. Hobcnberg hierbei vielleicht daran gedacht, ra" es fortan den vier welfischen Hospitanten der Zetttrümssraktton deS Reichstages (Baron v. SlrnSwalbt-Harbcnbostel, Götz v. O>kn u eo, Freiherr v. Lchele-Tchelcnburg und Freiherr v. Wangenheim-Wakc) nicht mehr möglich sein werde, das alte Verhältnis zur Zentrumspartei aufrecht zu erhalten? Man wirb ja sehen, ob jene Protestanten auch in Zukunst bei dem nunmehr selbst von welfischer Seite als Konfessionspartei erkannten Zentrum hospitieren werden. Sogar das hannoversche Welsen blatt macht kein Hehl daraus, seinerseits das Zentrum als konfessionelle Partei erkannt zu haben, indem es den an leitender Stelle abgedruckten Bericht über die frag lichen Versammlungen im Reichstagswahlkreise Hildes heim mit dem charakteristischen Titel versieht: „Der Fuchs ist zum Loche heraus". — Wie komisch mutet es doch an, ein derartiges Geständnis jetzt an dieser Stelle zu vernehmen! Seit mehr als 30 Jahren kennt bas We fentum das Zentrum: seit mehr als 30 Jahren mußte den Welfen jeder Zweifel an -em kon fessionellen Charakter der ZentrumSpartet genommen sein. Aber die welfischen „Rechtsparteiler" bequemten sich erst dann zu der Anerkennung des konfessionellen Charakters der Zentrumspartei, als das Zentrum be gann, die welfischen Zirkel durch klerikale Kandidaturen zu stören Für das welfische Rechtsbewußtsein ist dieser Sachverhalt ungemein kenn zeichnend. /?. Berlin, 15. Mat. (Zur Regelung der Lehrlingsverhältnisse im Buchdruck gewerbe.) Der Reichskanzler hat -em Tarifamte der Buchdrucker auf die Eingabe, betreffend die gesetzliche Einführung der tariflichen Lehr lingsskala, den Bescheid erteilt, daß vor weiterer Ent schließung über die Petition die Beschaffung stati stischer Fe st st e ll u n g e n über die in den einzelnen Bezirken vorhandenen tariftreuen und nicht tariftreuen Betriebe, ihre verschiedenen Größenklassen und die darin beschäftigten Gehü.fen und Lehrlinge, über Betriebe mit übermäßiger Lehrlingshaltung usw. erwünscht ist. Das Tarifamt hat dem Reichskanzler mitgeteilt, daß eS eine derartige statistische Erhebung ausgeschrieben habe und deren Ergebnis binnen wenigen Wochen vorlcgen werde. Es ergeht deshalb noch einmal an die beteiligten Kreise die dringende Bitte, das Tarifamt in umfassendster Weise zu unterstützen und den Tatsachen entsprechendes Material aus möglichst allen Druckorten und Druckereien zu er bringen. Von dem Ergebnisse der Statistik kann das Schicksal der Petition beim Bundesrate abhängen. H Berlin, 15. Mai. DieJnvalidenversiche- rungspflicht von Lehrerinnen, die an städti schen Schulen aushülfsweise beschäftigt waren, hat das Reichs-Versichcrnngsamt in einem Spezialfalle ver neint. Der von anderer Sette geteilten Auffassung, daß die in Rede stehenden Lehrerinnen lediglich zur Ausbil dung für den Beruf als städtische Lehrerinnen beschäitigt würden und deshalb von der VersicherungSpslicht befreit seien, konnte das Amt allerdings nicht beitreten. Denn abgesehen davon, daß die Stellung als städtische Lehrerin nicht als besonderer Beruf angesehen werden, vielmehr nur der Beruf als Lehrerin an Volksschulen usw. in Frage kommen kann, so hängt die Anstellungsfähigkeit der Lehrerinnen regelmäßig nnd hauptsächlich vom Nachweise >)er wissenschaftlichen Befähigung durch die Ablegung einer staatlichen Prüfung ab. Die eingangs bezeichneten Lehrerinnen haben die für die Anstellung erforderliche Prüfung abgelegt und sind nach einer in verschiedener Weiß' von ihnen ausgefüllten Zwischenzeit vom Magistrat teils ohne Unterbrechung, abgesehen von den Ferien, teils mit Unterbrechungen auShülssweise zur Erteilung von Unter richt an den städtischen Schulen herangezogen worden. Wenn nun auch nach den von der Unterricht-verwaltung befolgten Grundsätzen und auch nach der vom Magistrat eingeführten Uebung die Anstellung der Lehrerinnen erst einige Jahre nach dem Abschlüsse der wissenschaft lichen Vorbildung erfolgt, so kann doch die Verwendung an staatlichen oder städtischen Schulen nicht lediglich die AuSbilduna der betreffenden Lehrerin bezwecken, da ja die AnstellungSfähigkeit sofort mit der Ablegung der Prüfung gegeben ist: sonst müßte angenommen werden, daß die Ausbildung überhaupt erst mit der Anstellung abge schlossen wird. Der Magistrat zieht auch zur Beschäftigung nicht in erster Linie die weniger befähigten Damen heran: er bezweckt also mit der Beschäftigung nicht lediglich die Ausbildung der Lehrerinnen. Der Gesichtspunkt der Aus bildung für den Beruf trifft also nicht zu. Indessen ist die Befreiung von der VerstcherungSpslicht au» «inen,
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