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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030520010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903052001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903052001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-20
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Tabellarischer uud tzifferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuauuahm« Lb L, (ezel. Porto) Grtra Beilagen (gesalzt), an? mit oer Moraeu-Ausgabe, ohne Postbeförderuu, 60.—, mit Postbesördrrung ^3 70.—. Aimahmeschloß fLr Anzeigern Abend-Ausgab«: vormittag» 10 Uhr. Margau-AuSgabar Nachmittag« 4 Uhr. Adrigen sind stet- au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» «unntrrbrocheu geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck and Verlag V»M E. Pol» in Leipzig. 87. Jahrgang. AattonaUiberales und Ultramontanes aus Gaden. Lu- Karlsruhe schreibt man unS: „Al» in den Dezembertagen vorigen Jahre- die Mehrhett-parteten de- Reichstages im Kampfe gegen die Obstruktionisten Fühlung miteinander suchten und schließlich auch fanden, da fehlte eS nicht an Propheten, die in diesem von der Not erzeugten „Kartell" ein günstige- Prognosttton für die nächsten ReichStagSwablen erblicken zu sollen glaubten und im Geiste schon Nationalliberale und Ultra- montane Arm in Arm zur Wahlurne schreiten sahen. Und wer weiß, ob nicht wenigstens da und dort ein Zu sammengehen dieser beiden Parteien sich hätte ermöglichen lassen, wenn der Reichskanzler da- 'dem Zentrum zu gedachte Geschenk — die Aufhebung des 8 2 beS Jesuitengesetze- — bis nach den Wahlen in seines Busens Falten verborgen gehalten hätte. Aber er ver mocht« au- seinem guten Herzen keine Mördergrube zu machen, es drängte ihn, des Zentrums Tantalusqualen zu stillen, und so zeigte er ihm denn den köstlichen Preis, der seiner harrt. 8uuw cuiqu«! Den Ultramontanen einen Freischetn für die unserem Vaterlande so unentbehrlichen Jesuiten und den Nationalliberalen, weil ja auch sie an dem Zustandekommen des Zolltarifgesetzes ehrlich mit- gearbeitet hatten und so vornehm waren, sich keinen Lohn vorher auSzubodtngen, das — Nachsehen. Wen kann es befremden, daß die Nationalltberalen sich hierdurch vor den Kopf gestoßen fühlten, die schon längst übermütig gewordenen Ultramontanen aber sich jetzt erst recht auf das hohe Pferd setzten und, wie das Gebaren der Bischöfe von Trier und Freiburg zeigte, allen Anders denkenden den Fehdehandschuh hinwarfen? Wen kann eS befremden, daß durch diese Geschehnisse die alte Zwietracht zwischen Liberalismus und Ultramontani-mu- neue Nah- rung fand, di« Kluft zwischen beiden Parteien sich immer mehr erweiterte und der Gedanke eines lbberal-ültramon- tanen Wahlbündnisses zur Utopie wurde? Die zur Mäßi gung mahnenden Stimmen, die anfänglich hüben und drüben sich erhoben, sind verstummt. ,^Hie nationalliberal" — ,/Hie Zentrum", schallt eS durch die deutschen Gaue — leider zum Gaudium der Sozialdemokratie. Was insbesondere Baden anbetrifft, so hat der Zen- trumsgeneralissimus Geistl. Rat Wacker schon deutlich genug die Losung zu erkennen gegsben: „Unter keinen Um ständen einen Nationalliberalen!" Letztere haben also in Karlsruhe, Pforzheim und Mannheim, wo sie höchstwahrscheinlich mit den Sozialdemokraten in die Stichwahl kommen, vom Zentrum keine Hülfe zu er warten,' denn der abtrünnigen Schäflein, die dem Ge waltigen von Zährtngen nicht blindlings durch Dick und Dünn nachtrottcn, werden wohl wenige sein. Ja, man wird zufrieden sein müssen, wenn das Zentrum in diesen Kreisen nicht offen zur Sozialdemokratie einschwenkt, ohne dafür irgend eine Gegenleistung zu verlangen, weil eS doch nur Hohngelächter zur Antwort erhalten würde. Aber trotzdem können die Nationalliberalen in allen drei Kreisen mit Zuversicht dem Wahltage entgegensehen, im Vertrauen auf die eigene Stärke und die Zugkraft ihrer Kandidaten. Fabrikant Wittum in Pforzheim erfreut sich allseitiger Achtung uud Beliebtheit, weshalb er es auch kürzlich wagen konnte, in einer großen sozialdemokrati schen Versammlung zu erscheinen und sich mit deren Kan- didaten in ein Rededuell einzulassen, dessen Ausgang seinen Eindruck auf die Arbeiter nicht verfehlt haben soll. Auch die Kandidatur des Kommerzienrat» Reißin Mannheim dürfte den Sozialdemokraten den Sieg äußerst schwer machen, zumal ihm sowohl al» Wittum starker Zuzug au» den andern Parteilagern sicher ist. In Karlsruhe, wo wieder Basfermann kandidiert, hängt der na- ttonalltberale Erfolg nicht allein, aber doch in erster Linie von dem Verhalten des Zentrums ab: übt eS Wahl enthaltung, so sind die Aussichten gut, obwohl nicht weniger al» fünf Parteien mit eigenen Kandidaten die Stimmen zersplittern Helsen. Im andern Falle ist ein national liberaler Sieg wenigstens nicht ausgeschlossen, nachdem die Nationalsozialen, die in Karlsruhe ebenfalls ihre Kraft versuchen wollten, von dieser Absicht wieder ab- gekommen sind. AuderS in Heidelberg, wo die Nationalsozialen gesondert vorgehen werben. Auch der vundderLand- wirte gedenkt hier dem bisherigen Vertreter des Kreises, Oberamtmann Beck, einen Kandidaten entgegenzustellen, wahrscheinlich aus Dankbarkeit dafür, daß ihm 1898 die Nattonalliberalen im Nachbarkretse Lin» heim ein Mandat verschafften. Da dort schließlich auch noch die Sozialdemokraten und die Freisinnigen selbständig vor gehen, hat daS Zentrum Aussichten, in die Stichwahl zu ««langen. Auf Erfola aber kann eS im bübischen Unt«r- lande mit Sicherheit nur in dem ganz katholischen Tauber grunde, d. h. im Wahlkreise Buchen-Wertheim, rechnen. Im übrigen muß e» sich wohl dabei bescheiden, auf die Niederlage der Nationalltberalen im Kampfe gegen die Sozialdemokraten himuarbeiten und so für die ultra montanen Schlappen, die im Oberlande zu gewärtigen sind, Rache zu üben. In Konstanz, Freiburg und Lahr ist nämlich der ZentrumSturm sehr wacklig ge worden und auch in Offenburg brauchen die Na- tionalliberalen die Hoffnung nicht aufzugeben, wenn eS ihnen gelingt, ihre zweifellos starken Reserven mobil zu machen. Unterstützung von Setten der Sozialdemokraten ist dagegen schwerlich zu erwarten, da solche von Be dingungen abhängig gemacht wird, die kein National liberaler in Bausch und Bogen unterschreiben kann; aber auch da- Zentrum hat von jenen nicht- zu erwarten, und daS ist immerhin viel wert. Die übrigen in Betracht kommenden Parteien sind numerisch zu schwach, um es in irgend einem Kreise zur Stichwahl zu bringen — ab gesehen von dem Bund der Landwirte in StnShetm; da- gegegen vermögen sie mancherorts — so die Konservativen in Pforzheim und Karlsruhe, die Demokraten bezw. Frei sinnigen in Konstanz, Lörrach, Karlsruhe, Mannheim, die Antisemiten in Mannheim und Heidelberg — wertvolle Bundesgenossen abzuaeben. Ziehen wir das Fazit aus dem oben Gesagten, so er gibt sich folgendes: Die bisherigen nationalliberalen Wahlkreise Engen, Lörrach und Heidelberg werden aller Voraussicht nach behauptet und die Möglichkeit einer Er- oberung der sozialdemokratischen Kreise Pforzheim, Karls- ruhe, Mannheim, sowie der ZentrumSkretse Konstanz, Freiburg, Lahr (Offenburg) durch die Nationalliberalen ist vollauf gegeben. Letztere, die bet -en 1898er Hauptwahl 34 Prozent (bei der Stichwahl sogar 44 Prozent) aller ab- gegebenen Stimmen auf sich vereinigten, können sich also die-mal der Erwartung htngeben, die ihnen im Reichs- tage gebührende Vertretung zu erlangen. Da» Zentrum erhielt 1898 nur 36 Prozent der Wahlsttmmen, aber sieben Mandate; heute sind ihm jedoch nur die Kreise Wald-Hut, Achern, Buchen (SinShetm) sicher, und die Sozialdemo kratie ist, trotz der 19 Prozent Stimmen des Jahres 1898 und trotz des zu erwartenden Stimmenzuwachses, heute in allen drei damals eroberten Kreisen ernstlich bedroht. In Karlsruhe unterlag 1898 Basiermann mit 12 602 Stimmen gegen 12 821; der Sieg der Sozialdemo kraten war also nicht gerade ein glänzender, uud daraus erklärt sich auch da» große Interesse, -as heute dem Wahl ausgänge in der Residenz allenthalben entgegengebracht wird. Wie schon oben gesagt, steht die nationalliberale Sache gut; aber r- könnte noch besser um sie bestellt sein, wenn die Partei nicht selbst ihren Gegnern Gelegenheit gegeben hätte, im Trüben zu fischen, und zwar dadurch, baß sie es im Anfänge an einem geschlossenen und entschlossenen Auftreten fehlen ließ. Es ist noch in frischer Erinnerung, daß die Karlsruher Jungliberalen, im Gegensätze zu den alten, von einem Paktieren mit dem Zentrum um keinen Preis etwa» wissen wollten, daß sie in Ser Jesuitcnfrage mit aller Entschiedenheit an der bisherigen Partettaktik sesthtelten und einer Kandidatur BassermannS, eben weil er für die Aufhebung de» 8 2 gestimmt, widerstrebten. Nach langem Hin mld Ser kam es dann schließlich zu einem Kompromiß: In puncto Zentrum und 8 2 gaben di« Alten nach und al» Gegenleistung versprachen die Jungen, nun mehr mit ganzem Herzen für Basfermann einzutretcn. Aber war schon der Umstand, daß ein Kompromiß über haupt nötig wurde und schwer zu erreichen war, dem An- sehen der Partei nicht günstig, so wirken noch ungünstiger die Gerüchte über BassermannS persönliche Stellung zu dem Kompromisse. Während von einer Sette behauptet wirb, Basiermann werde „in Anbetracht der veränderten Sachlage" künftig nicht wieder gegen die Abbröckelung des JesuttengesetzeS etntreten, wird von anderer Sette unter Berufung auf angebliche Aeußerungen Baffermann» ver sichert, dieser bebaure zwar, durch seine Zustimmung zur Abbröckelung deS Jesuitengesetzes sich in Gegensatz zu einem Teile seiner Parteigenossen gesetzt zu haben, könne sich aber nicht verpflichten, künftig ander» zu handeln und dadurch sich selbst zu desavouieren. Selbstverständlich sind diese Gerüchte Wasser auf die Mühle der Gegner Basier manns und der Nattonalliberalen, denen von allen Setten der Vorwurf der „Prinzipienlosigkeit" gemacht wird. Hoffentlich erfolgt bald eine «befriedigende Klarstellung, die e» allen Nationalliberalen Karlsruhes ermöglicht, am 16. Juni geschlossen und stärker al- je an die Wahlurne zu gehen." So unser Karlsruher Gewährsmann, dessen Aus führungen ergänzt werben durch folgendes Telegramm, da» wir soeben in der „Franks. Ztg." finden: * Karlsruhe» 18, Mai. Basfermann hat heute in einer Wahlrede bezüglich des Paragraphen 2 de» Jesuitengesetzes erklärt, die Fraktion habe die Ab stimmung hierüber in da» freie Ermessen gestellt. Seit sieben Jahren habe er jeweils für Aufhebung dieses Paragraphen gestimmt und zwar zuletzt im Einverständnis mtt seinen drei badischen Kollegen. Er werde nach wie vor gegen der artige polizeiliche Bestimmungen stimmen, wie eine solche Ab stimmung auch niemals al» Konzession für da» Zentrum auf gefaßt werden könne. Wie man der sozialdemokratischen Be wegung in» Gesicht schaue, so müsse man auch dem Zentrum gegenüber mit eigenen Ideen werben, ohne Polizeimaßregeln zu befürworten. Ein nach irgend welcher Richtung hin impera tives Material könne er nicht annehmen. Es fragt sich nun, ob Herr Basfermann durch diese Er klärung so viel Zentrumsstimmen gewinnt, wie er wahr scheinlich an jungltbcralen verliert. Deutsches Reich. Berlin, 19. Mat. (Wählen alle Katho liken im Sinne des Zentrums?) Das füh rende bayerische Zentrumsorgan schließt eine Betrachtung über die Wahlstatistik der letzten allgemeinen Wahlen mit djen pomphaften Wörter»: „Darum all« katholi schen Männer zur Wahl, um auf das Zentrum eine imponierende Stimmenzahl zu vereinigen!" Wir sehen ganz davon ab, daß eine sehr große Zahl katholischer Männer sich von der Wahlurne fernhält — gibt doch selbst die Zentrumspartei zu, daß gerade in einer großen Reihe fast ganz katholischer Wahlkreise die Wahlbeteili gung eine miserable ist; aber auch von den katholischen Männern, die an der Wahl teilnehmen, stimmt ein großer Teil nicht im Sinne des Zentrums. Es hat etwas Humo ristisches, daß dem erwähnten Artikel des bayerischen Zentrumsorgans ein anderer vorangeht mit der schönen Ueberschrift: „Ein freches Lügenmaul!" In diesem Artikel wird aufs heftigste gegen die Presse des bayerischen Bauernbundes polemisiert, die das Zentrum in einer „geradezu Ekel und Abscheu" er weckenden Weise bekämpfe. Wo aber hat dieser bas Zentrum in dieser Weise bekämpfende Bauernbund seine größten Erfolge erzielt? Im Wahlkreise Wasserburg mit 100 Prozent, in Pfarrkirchen und Deggendorf mit ebenfalls je 100 Prozent und in Straubing mtt 99 Prozent katholischer Bevölkerung. Also gerade in Kreisen, in denen ein Protestant als Sehenswürdigkeit gezeigt wer den kann, hat sich die Mehrheit der katholischen Bevölke rung vom Zentrum losgcsagt. Aber auch nach einer anderen Richtung fallen viele katholischen Wähler um. Die Zentrumspresie rühmt sich, baß der Katholizismus der beste Hort gegen die Sozialdemokratie sei. Wir wollen München nicht weiter erwähnen; aber selbst die klerikale „Köln. Volksztg." muß in einer Betrachtung über die Wahlaussichten im Großherzogtum Hessen das Eingeständnis machen, daß es in einigen Wahlkreisen mit der Zugehörigkeit der katholischen Wähler zum Zentrum schlimm steht. Bei der Besprechung der Aussichten im Wahlkreise Offenbach-Dieburg sagt das Blatt ruüd heraus: „Sehr viele katholische Arbeiter sind Sozialdemokraten." Diese Tatsache geht auch aus den Wahlziffcrn unbestreitbar hervor. Die Katholiken machen 44 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, das Zentrum hat aber bei den letzten allgemeinen Wahlen nur 22 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, also genau nur die Hälfte der Stimmen, die «S hätte be kommen müssen, wenn alle Katholiken zur ZentrumS- fahne geschworen hätten. Im katholischen Mainz war eS nicht viel besser. Dort hat das Zentrum im ersten Wahlgange 33 Prozent der abgegebenen Stimmen er halten, während die Katholiken 64 Prozent der Bevölke rung auSmachcn. Nur der Hülfe der evangelischen Liberalen hatte es daS Zentrum zu danken, daß eS den Wahlkreis in der Stichwahl behaupten konnte. Auch diesmal erscheint ein Sieg des Zentrums ohne liberale Stichwahlhülfe als absolut ausgeschlossen. Im übrigen glauben wir nicht, daß die unausgesetzten Bemühungen der klerikalen Presse, die katholisch« Bevölkerung zu zahl- reicher Wahlbeteiligung anzufeuern, damit die Zen trumspartei wieder, wie einst, die größte Stimmenzahl von allen Parteien aufbringt, Erfolg haben werden; denn wenn selbst bank dieser Bemühungen in einigen dem Zentrum sicheren Wahlkreisen die Wahlbeteiligung eine regere wird, so dürfte diese? StimmenpluS ausgewogen werden durch die zu erwartenden Stimmenverluste in Oberschlesien und vielleicht auch in einigen rheinischen Wahlkreisen. In keinem Falle aber dürfte eine etwaige Stimmcnvermehrung der Vermehrung der katholischen Bevölkerung entsprechen. s. Berlin, 19. Mai. (Polentum und Kleri- kalilSmus.) Au» den Kreisen des Deutschen Ost- markenvereinS wird uns geschrieben: Nachdem im Wahl kreise Beuthen-Tarnowitz der offiziellen ZentrumSkandt- datur des Polen Krolik eine deutsche ZentrumS- kan-lbatur gegenübergestellt worden war, batte sich das Polenblatt am Rheine beeifert, die offizielle Zentrums partei für daS Festhalten an dem polnischen Kandidaten scharf zu machen. Damit begnügt sich aber die „Köln. Volksztg." jetzt nicht mehr; vielmehr droht sie den wider spenstigen deutschen Zentrumsmännern in Beuthen-Tar nowitz mit dem AuSschlußaus der Partei, wenn sic die „Ordnung" innerhalb der Zentrumspartei stören. Ohne Zweifel kann eine Form ausfindig gemacht werden, die einen derartigen Ausschluß als „unbedingt not wendig" erscheinen läßt. Aber kommt es dazu wirklich, dann wird man sich deS gerade entgegengesetzten Verfahrens erinnern, welches eine der maßgebendsten Zentrumsinstanzen, die Rcichstagsfraktion der Aen- trumspartei, unbedenklich zur Anwendung brachte, al ber Pole Strzoda Anfang 1894 gegenüber einem deut schen Zentrumskandidaten das Mandat erlangt hatte. Damals öffnete sich dem Polen weit die Türe zur Zen trumsfraktion; wenn heute umgekehrt den deutschen Zentrumswählcrn wegen ihrer Abneigung gegen einen polnischen Kandidaten mtt dem Ausschluß au» der Partei gedroht wird, dann ist die- ein charakteristische» Symptom für die Hörigkeit des Zentrums gegenüber dem Polen tum. Ein noch viel bezeichnenderes Symptom aber ist die Sorge der „Köln. VolkSztg", daß ein deutsch-natio naler Benediktiner der Nachfolger des Er-- bischof» vr. v. StablewSkt werden könne. Einen deutschen Bischof auf den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen steigen zu sehen, damit findet sich da» leitende Zentrumsorgan — woran man sich später erinnern wird — mtt schmerzlicher Resignation av. Aber dieser deutsche Kirchenfürst soll beileibe nicht national sein dürfen, sondern er soll dem Polentum gegenüber „durch und durch neutral" bleiben. „Das politische Getriebe", so dekretiert die „Köln. BolkSztg." „geht ihn (den Erz bischof von Posen) durchaus nicht» an. und wenn er persönlich der beste Deutsche ist." Mtt Verlaub, die Sache liegt erheblich ander». Die Auffassung der „Köln. BolkSztg." ist au» dem sehr durch schlagenden Grunde hinfällig, weil sie den preußischen BtschofSeid außer Acht läßt. In diesem Eide gelobt der Bischof u. a.: „Ich . . . schwöre . . ., daß . . . ich . . . besonder» da hin streben will, daß in den Gemütern der meiner bischöflichen Leitung anvertrauten Geistlichen und Gemeinden die Ge sinnungen der Ehrfurcht und der Treue gegen den König, die Liebe zum Vaterlande, der Gehor sam gegen die Gesetze und ave jene Tugenden, die in dem Christen den guten Untertan bezeichnen, mit Sorg falt gepflegt werden: und daß ich nicht dulden will, daß von der mir untergebenen Geistlichkeit im entgegen gesetzten Sinne gelehrt und gehandelt werde. Insbesondere gelobe ich, daß ich keine Gemeinschaft oder Verbindung, sei es innerhalb oder außerhalb Landes, unterhalten will, welche der öffent lichen Sicherheit gefährlich sein könnten, und ich will, wenn ich erfahren sollte, daß in meiner Diözese oder anderswo Anschläge gemacht werden, die zum Nachteile deS Staates gereichen konnten, hiervon Seiner Königlichen Majestät Anzeige machen. . . ." Auf Grund dteseS preußischen BtschofSeibe», wie er nach der Bulle v« salut« anirnarum festgesetzt wurde, ist also jeder preußische Bischof verpflichtet, um da» „poli tische Getriebe" sich zu kümmern. In welcher Art Erz- bischof vr. v. StablewSkt während des Ministerium» Caprivi seinen eidlich übernommenen Verpflichtungen nachkam, ist nur zu bekannt. Man erinnere sich bloß der Umzüge, die er, eskortiert von Reitern im polnischen Nationalkostüm, durch die Provinz veranstaltete; man er innere sich der Langmut, die er gegenüber mehreren geistlichen Deutschfresiern bewies; man erinnere sich der Schwierigkeiten, die er bei der Einrichtung neuer deutscher katholischer Kirchengemeinden, bei -er Gewäh rung deutscher Predigten usw. erhob. Es leuchtet ohne weiteres ein, baß ein deutscher nationaler Bischof in allen diesen die großpolnische Propaganda fördernden Stücken sich ganz anders als vr. v. StablewSkt verhalten würde. Wie wenig er damit seine Pflichten als katholischer Bischof verletzte, lehrt der Wortlaut deö preußischen BischofseibeS unwiderleglich. * Berlin, 18. Mai. (Der Berkaus einer ärztlichen Praxis.) Es wurde kürzlich ein Urteil deS OberlandeS- gericht« Braunschweig wiedergegeben, in welchem der Verkauf einer ärztlichen Praxi» als ein unsittliches Rechtsgeschäft hin gestellt wurde. ES fei nicht unterlassen, daraus binzuweisen, daß daS Oberlandesgericht Posen in einem EikenniniS vom 26. September 1902 den entgegengesetzten Standpunkt eingenommen bat. DaS Gericht führte auS, daß es kein Be denken trage, die Gültigkeit eines derartigen Vertrages anzu erkennen. WaS gute Sitte sei, richte sich nach den Anschau ungen der Allgemeinheit, die nach Aeit und Ort verschieden sein könnten. Entscheidend sei da» jeweilige BolkSbewußt- sein, nicht ein besonderes StandeSbewußtsein. Die Ver letzung besonderer StandeSpfflchten mache ein Rechtsgeschäft noch nickt zu einem unsittlichen; nicht einmal ein für jeder mann verbotenes Geschäft verstoße deshalb unbedingt gegen die guten Sitten. DaS nicht seltene Vorkommen solcher als Verkauf ärztlicher Praxi« bezeichneten Rechts geschäfte, die ungescheule Einrückung von An-eigen, die hieraus Bezug haben, kämen als Anzeichen dafür in Betracht, daß nach allgemeinem Bolksbcwußisein in derartigen Abmachungen nicht« Verwerfliches gefunden werde; sie würben nur dann be deutungslos sei», wenn es sich um einen Mißbrauch bandele, der im allgemeine» Volksbewußtsein al« unsittlich rmpsunden werde. Aber das liege nicht vor, der Vertrag verstoße nicht gegen das öffintliche Intrrefle und entbaltr insbesoudrre auch kein« unzulässige Einschränkung der persönlichen und Erwerb«- frribeit der Beteiligten. Man kann nicht sagen, daß diese Entscheidung die ausführliche Begründung de« braunschwei gischen Urteil« widerlegt. Insbesondere fehlt hier jeder Hinweis darauf, daß nach ständiger Rechtsprechung daS AuSbirten und der Verkauf rechtsanwaltlicher Praxis als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen wird. Man sollte aber doch meinen, daß ebenso wie beim Anwalisstande auch beim ärztlichen Berufe ein erhebliche» öffentliche« Interesse vorliegi, zu verhindern, daß bei Verwertung der beruflichen Kenntnisse und bei dem herrschenden Wettbewerb der Beruf zu einem reinen, lediglich den materiellen Erwerb in« Auge fassenden Gewerbebetriebe gemacht wrrde. So wird auch in verschiedenen Medizinalordnungeu der Berkaus der ärztlichen Praxis aus drücklich verboten. (Köln. Ztg.) (-) Berlin, 19. Mai. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung de« Kplentalrate- betonte von der Heydt die unbedingte Notwendigkeit de« Baue» der BabnDar-eS- Salaam-Mrogoro uud legte der Verwaltung nabe, für die betreffende Vorlage im Reichstage mit aller Entschieden- beit rin^ulrelen. Hierauf wurde die folgende, von Excrlleoz Jacob» beantragte Resolution angenommen: L«r Koloaialrat spricht in vestüttgung der früheren Beschlüsse wiedrrholt di« Ueb«r,«ogung an«, daß ohne «inen weiteren Ausbau der gänzlich ungenügenden VerkrhrSmittel, namentlich der Ets«abah>bant«n, Fortichritte von Bedeutung iu der inneren Entwickelung d«r Schutzgebiete nicht erwartet wrrdn, können. Weiter wurde die Schonung der yorstbestäude he- sprochra. Ferner wurde auf Antrag vr. Hrudorf» eine Resolution angenommen, in welcher empfohlen wird, in dem nächstjährige» Etat einen gegenüber dem jetzigen mög lichst auf da« Dreifach« erhöhten Vetrag zur Fördern», tzs,
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