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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030522021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903052202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903052202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-22
- Monat1903-05
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Schon für die kommende Wahl hält „Nineteenth Century" cs für möglich, daß die sozial demokratische Partei die «herrschende" im Reichs tage" wird, und im Hinblick hierauf wendet sich „Ztine- teenth Century" der Krage zu, worin das Ergebnis einer derartigen Situation bestehen werde. Die Ant wort hierauf lautet: „Die bevorzugte .Kriegslist, die sozialdemokratische Partei aus dieselbe Art zu zersplittern, in der Bismarck die Liberalen zersplitterte . . ., wird wahrscheinlich als unanwendbar erfunden werden, au« dem einfachen Grunde, weil Bülow nicht Bismarck ist, und weil die Sozialdemokraten nicht die Liberalen sind. Daher dürfte die deutsche Regierung bald vor der Alternative stehen, entweder vor der Sozialdemokratie zu kapitu lieren oder es auf einen Konflikt zwischen Regierung und Parlament ankommen zu lasten. Da die Sozialdemokratie be absichtigt, „die Demokratie gegen Absolutismus und Militaris mus zu schützen", die die deutsche Regierung im höchsten Matze repräsentiert, erscheint die Kapitulation der Regierung vor der Sozialdemokratie als unglaubhaft. Folglich dürfen wir wohl erwarten, datz ein ernster Ko nflikt zwischen der deutschen Regierung und dem Parlament platzgreift, ein Konflikt, der seiner Natur nach uns an den zwischen Karl I. (von England) und seinem Parlamente erinnert, das, gleich dem deutschen Par lamente, hauptsächlich eine Geldbewilligungs- und Gesetz annahme-Maschine ohne jede wirkliche Kontrolle über die Re gierung war. Deshalb mag dieser Konflikt anfangs die Gestalt des Streites zwischen Karl I. und seinem Parlamente an nehmen und es mögen die von der Regierung geforderten Geldmittel verweigert werden. Aber hier wird die Parallele wahrscheinlich enden. Welches das Ergebnis des Konfliktes schlietzlich sein wird, kann niemand Voraussagen. Vielleicht ist es der Anbruch einer liberalen Aera in Deutschland und die Demokratisierung dieses Landes; vielleicht ist es ein Staatsstreich der Regierung gemätz den Empfehlungen der konservativen Parteien, wobei das G allgemeine Wahlrecht beseitigt oder nach O preußischem Muster eingeschränkt wird; vielleicht ist es ein grotzer europäischer Krieg, provoziert in der Absicht, die Unzufriedenheit des Volkes von den heimischen Angelegenheiten durch auswärtige Fragen abzu lenken. Auf jeden Fall verspricht die Lage der inneren Politik -in Deutschland in kurzem eine kritische zu werden." Es springt ln die Augen, datz die Auffassung der „Nineteenth Century" einen sozialdemokratischen Wahl sieg voraussetzt, wie selbst die grüßten Sanguiniker unserer Sozialistenführer ihn nicht erwarten. „Ninc- teenth Century" rechne auch trotz der Erfahrungen, die beim Zolltarif jüngst gemacht worden sind, gar nicht mit der Möglichkeit, den größten Teil der bürgerlichen Par Freitag den 22. Mai 1903. 87. Jahrgang. teien geschloffen und alsdann erfolgreich gegen die Sozial demokratie Front machen zu sehen. Aber hiervon abstra hierend, wird man die in der „Nineteenth Century" zur Sprache gebrachten Eventualitäten mit nicht geringem Interesse ins Auge fassen. Jede dieser Eventualitäten, die Kapitulation unserer Negierung vor der Sozialdemo kratie, der Verfassungskonflikt im Reiche, die kriegerische Verwickelung mit dem Auslande, ist derartig beschaffen, daß die Verhinderung der Voraussetzung für ihren Ein tritt, nämlich die Verhinderung beträchtlicher Wahlsiege der sozialdemokratischen Partei, als dringende politische Aufgabe erscheint. Je größer im gegenwärtigen Wahl kampfe die Zersplitterung der bürgerlichen Parteien ist und je allgemeiner besorgt wird, daß die Zahl der Gleich gültigen dieses Mal besonders groß sein dürfte, um so mehr ist es angezeigt, Ausblicke auf sozialdemokratische Wahlsiege, wie die in „Nineteenth Century" eröffneten, nachdenklicher Betrachtung zu empfehlen. Uolonialpolitik. Der Kolonialrat hat bekanntlich anfangs dieser Woche sein« kurze Frühjahrstagung abgehalten, über die jetzt ausführliche Berichte vvrliegen. Wenn man den Gesamt eindruck, den man aus diesen Berichte» enrpfängt, zu sammenfassen soll, so kann man nur Genugtuung darüber empfinden, daß diese aus bernfcncn Sachverständigen zu» sammengesetzteKörperschaft sich keineswegspessimistisch über die Entwickelung und die Zukunft unserer Schutzgebiete ausgesprochen hat. Vor allem ist auch anerkannt worden, daßdieL eitung derKolvnialverwaltungvvllesVcrtrauen verdient, da sie bemüht ist, das wirtschaftliche Gedeihen der Schutzgebiete nach Kräften zu fördern, ohne in die Fehler des Bureaukratismus zu verfallen; allein die Ver waltung ist an den Etat gebunden, und wenn sie nicht alle notwendigen Maßnahmen zur Aufschließung durchführen kann, so liegt es eben daran, daß der Reichstag namentlich in der E i s e n b a h n f r a g c sich noch ziemlich unzugäng- lich erweist. In der Kolonialverwaltung herrscht in dieser Beziehung der beste Wille, und man darf nur hoffen. datz es ihr recht bald gelinsten werde, dieVolksvertretung davon zu überzeugen, datz die deutschen Schutzgebiete sich nicht mit einem Verkehr durch Ochsenwage» oder Träger begnügen können, während ringsherum Eisenbahnen gebaut wer den, die den Verkehr auch aus den deutschen Gebieten an sich ziehen. Es ist erfreulich, daß der Kolonialrat in einer Resolution abermals aus die Notwendigkeit des Eisen bahnbaues hingewiese» hat; dadurch wird die Kolvnialver- waltung sich sicherlich ermutigt fühlen, in ihrem Bestreben auf Herstellung moderner Verkehrswege in den Schutz gebieten fortzufahren. Die ungünstigen Urteile, welche die grundsätzlichen Gegner der Kolonialpolitik über die Entwickelung der deutschen überseeischen Besitzungen zu fällen pflegen, fallen doch wenig ins Gewicht gegenüber Darlegungen, die berufene Sachkenner aus Grund eigener Beobachtungen an Ort und Stelle gemacht haben. Deshalb diedienen die Aeutzerungen Adolf Wörmanns übcrKa- merun und Togo, die er selbst besucht hat, die sorgsamste Beachtung. Daß die wirtschaftlichen Anlagen zunächst nicht unbedeutende Gcldopfer erfordern, ist selbstverständ lich, aber nur wenn damit in möglichster Beschleunigung vorgegangen wird, ist die Aussicht vorhanden, baß die Schutzgebiete die von ihnen verursachten Kosten decken. Arbeitergesetzgebung in Rußland. Der russische Reichsrat wird nächstens über «inen wich tigen sozialpolitischen Gesetzentwurf zu beraten haben. Die Fabrikarbeiter sollen das Recht erhalten, sich Vor st eher zu wählen, 'die sie nach außen vertreten und ihre Rechte gegenüber der Fabrikleitung und ken vor gesetzten Behörden vertreten. Das soll besonders in allen solchen Fragen der Fall sei», wo es sich um Lohnangelegen heiten und um die soziale Stellung der Arbeiter handelt. Die Wahlen der Vorsteher werden von den Arbeitern unter Leitung des örtlichen Fabrikinspektors und des Be- zirksingenieurs vollzogen. Die Vorsteher berufen unter Umständen Arbeiterversammlungen zusammen, wenn man gewisse allgemeine Lohn- nnd soziale Fragen entscheiden will, dcrentiivegen die Vorsteher Instruktionen erhalten sollen. Erweisen sich die Vorsteher als zu ihrem Amte nicht geeignet, so können sie von der Gouvernements verwaltung abgesetzt werden, auch wenn ihre Amtsdauer noch nicht abgelaufen war. Klagen gegen die Fabrik inspektoren wegen Verletzung der für die Arbeiter vorstände festgesetzten Reaeln werden bet den betreffenden Gouvernementsbehörden vorgebracht. Ebenso werden die Fabrikanten zur Verantwortung gezogen, wenn sie diese Vorschriften außer acht lassen. Der Entwurf soll schon in nächster Zeit im Reichsrate verhandelt werden und könnte daher noch im Laufe dieses Sommers Gesetz werden. Die Greuel im Kongostaat. In der letzten Abcndsiyung des englischen Unterhauses brachte Herbert Samuel (liberal) eine Resolution ein, welche besagt: Nachdem die Negierung des Kongostaates den Mächten gegenüber die Bürgschaft übernommen hat, datz die Negierung über die Eingeborenen mit Menschlich keit geführt werde, und ferner, datz kein Handelsmonopol innerhalb des Gebietes des Kongostaates gestattet sein soll, und nachdem beide Bürgschaften beständig verletzt wor den sind, ersucht das Haus die englische Regierung, sich mit den anderen Mächten, welche die Berliner Generalakle unterzeichnet haben, zu beraten, damit Maßnahmen ergriffen werden können, um die im Kongostaat herrschenden Uebel zu beseitigen. In Begründung der Resolution verwies Samuel auf die Bewilligung von Monopolen für verschiedene bel gische Gesellschaften und auf schwere Mißhandlung der Eingeborenen, die im Kvngvstaat vorgekvmmen sei. Dilke (liberal) unterstützte den Antrag; er sagte, im Kongostaat sei nichts als Monopolwtrtichaft, der englische Handel sei vernichtet worden. Der Redner wandte sich in scharfen Ausdrücken gegen das Verwaltungssystem der Regierung des Kongostaates. Andere Redner aus dem Hause betonten gleichfalls die Notwendigkeit einer Intervention. Hieraus ergriff der Unterstaatssekretär des Aeußern Lord Crauborne das Wort. Er führte aus, er wünsche keine Verantwortlichkeit für Handlungen der Kongo-Regierung zu übernehmen, wohl aber die Frage in unparteiischem Geiste zu erörtxrn. Was die Frage der Konzessionen betreffe, so sei England nur eine der verschie denen Signatarmächte der Berliner Kongoakte, und es könne nicht von der Regierung erwartet werden, daß sie allein in dieser Angelegenheit vorgehe; vielmehr werde sie mit den übrigen unterzeichneten Mächten in einen Meinungsaustausch über die genaue Tragweite der in die Akte aufgenommenen Monopol klausel eintreten. Was die Behandlung der Eingeborenen be treffe, so sei in ganz Europa, und namentlich in England, all gemeiner Verdacht vorhanden, obwohl die Kongobehörden in Bezug auf ihre Verpflichtungen sich auf der Höhe hielten, die von einer weißen Regierung erwartet werden kann. Er sehe keinen Grund, warum die Belege für schlechte Verwaltung, welche zur Kenntnis der Signatarmächte der Akte gebracht worden sind, nicht den Kongobehörden unterbreitet werden sollten, um eine Untersuchung anzustellen. ES würde auch an gemessen sein, daß England die anderen Signatarmächte be fragte, ob sie irgend welches derartige Material erhalten haben, wie es dem Hause im Laufe der Debatte mitgeteilt worden ist. Tie Kongobehörden würden so wohlberaten sein, die öffentliche Meinung zufrieden zu stellen, und er sei sicher, daß die heutige Beratung eine große Wirkung haben und zur Abstellung der be klagten Uebel führen werde. Er fordere jedoch diejenigen, welche die Verwaltung des Kongostaates tadeln, auf, die Sache nicht zu übertreiben. Im weiteren Verlaufe der Beratung erklärte Premierminister Balsour, die Regierung erkenne vollkommen die Verantwortlichkeit Englands als einer der Signatarmächte der Berliner Akte an und beabsichtige in dieser Eigensck)aft, sich mit den anderen unterzeichnenden Mächten und mit der Regie rung des Kongofreistaates in Verbindung zu setzen; er halte es aber nicht für richtig,, wenn das Haus seinen bleibenden Protokollen ohne entsprechende Untersuchung eine Resolution ein verleibe, welche nicht allein die Negierung zu einem Vor gehen auffordere, sondern eine Verurteilung einer befreundeten Negierung aussprcche. Er schlage daher vor, daß der Antrag steller sich mit den Versicherungen der Negierung zufrieden gebe und die Verurteilung der Kongoregierung aus der Resolution hcrausnehme. Mit diesem Vorschläge erklärte sich Samuel einver standen und strich die Worte „und nachdem diese beiden Bürgschaften beständig verletzt worden sind" aus der Resolution. Diese wurde sodann in der neuen Gestalt einstimmig angenommen. Deutsches Reich. ll) Berlin, 21. Mai. (Russisches Ammen- Märchen.) Unter den vielen Torheiten, zu denen sich die ausländische Presse in ihrer Beurteilung über den B e - s u ch d e s K a i s e r s i in V a t i k a n hat verleiten lassen, darf der russische „Swet" die Palme beanspruchen. Er er zählt aus Moskau: man habe dort von Rom aus die Nach richt erhalten, daß die Mehrheit der Kardinüle beschlossen habe, dem Kaiser das Protektorat über alle Katholiken im Orient anzutragen; diese Angelegenheit sei der Erfüllung nahe. Darauf habe sich eine Gruppe hervorragender slawischer Katholiken und Geistlichen, unter ihnen Spiridowitsch, zusammengefunden und in einem Telegrannn an den Staatssekretär Rampolla katego risch erklärt, die slawischen Katholiken weigerten sich, Kaiser Wilhelm als Protektor der Katholiken an zuerkennen. Als Antwort sei aus Rom eine Depesche Ranrpollas eingetrofsen, Reichskanzler Graf Bülow habe zwar ein deutsches Protektorat der Katholiken im Orient mit der vollen Zuversicht des Erfolges vom Kar dinal Rampolla verlangt, aber dieser habe ein solches Ver langen in ganz unzweideutiger Form abgelehnt. Diese Nachricht habe, wie der „Swet" weiter berichtet, grenzen losen Jubel bei den slawischen Katholiken erregt und diese Hütten dem Kardinal Rampolla ihren herzlichsten Dank für seine Ablehnung gegenüber dem Grafen Bülow über sandt. — Mit diesem angeblichen Tepeschenwechsel zwischen dem Herrn Spiridowitsch und dem Kardinal Rampolla Fenttletsn. in Freiheit. Roman von Walter Schmidt.Häßler. Rachernrk verboten. „Glauben Sie denn wirklich, daß Sie niemals wieder Liebe empfinden würben, datz der ganze Lenzsonnenschetn in Ihrem Herzen für immer verglüht sein sollte?" „Haben — Die zweimal lieben können, Baronin?" fragte Ella ruhig und sah Marianne mit ihren klaren Augen an, datz diese die ihrigen niederschlug. „Sehen Sie? — Sie haben mich Ihres Vertrauens gewürdigt, haben mir Ihr eignes leeres Herz gezeigt — und deshalb gerade liebt« ich Sie um so mehr. O nein, wer einmal im Leben wirklich und wahr geliebt hat, so von ganzer Seele und mit gläubigem Vertrauen, der liebt zum zweiten Male nicht wieder; genau so, wie eine und dieselbe Blume nicht zweimal blüht, so welkt auch das Leben der Seele unwiederbringlich dahin, wenn der Frost tütend darüber hingegangen ist!" „Armes Mädchen! Wie sehr müssen Sie ihn geliebt haben!" „Bon ganzer Seele! Nnd diese Jugendliebe war mit mir ausgewachsen, hatte lange genug Zeit gehabt, sich mit hundert kleinen Wurzeln in meinem Herzen festzu klammern! Das ist'S ja eben! " „Und Sie haben nie wieder von ihm gehört?" „Nie!" entgegnete Ella, und in ihrer Stimme lag ein herber Klang, der ihr sonst so wenig eigen war. „Wie wäre da« auch möglich gewesen? Er verlieb mich in der .Zeit meines verzweislungSvollsten Kampfes, und als ich all meinen Mut zusammennahm und ihm schrieb, da ant wortete mir keine Zeile, kein ansmunterndeS Wort." „Hätten Die zum zweiten Male geschrieben?!" „Nein! Und wenn mir das Herz gebrochen wäre!" „Aber trotz alledem lieben Sie ibn noch?" „Ich werde wenigstens keinen Anderen liehen! Sie, Baronin, sind ja mit der ungliicklichen Liebe zu einem Unglücklichen die Gattin eines Andern geworden, Sie glaubten ja, daß das Gefühl der Achtung für einen edlen Menschen und die Erfüllung einer übernommenen Pflicht ein tödlich verwundetes Gemüt heilen könnten. Und Sie haben es dennoch nicht erreicht. Der Schatten des toten Glücks hat Sie begleitet bis heute." „Es gibt eben Dinge, über die man nicht hiiuveg- kommt, so sehr man sich auch bemühen mag, sich selber zu belügen. „Den väterlichen Fluch, mit dem man die fortgelaufene Tochter bestrafte, habe ich verwunden, denn er traf mein Gewissen nicht, die Heimat habe ich fast bis auf die Er innerung vergessen, denn sie hat mich nie warm und liebe- voll gehegt. Das Andere aber — das verwischt sich eben nicht! — Aber ich bin ruhig geworden, und das ist schon sehr viel, ich warte nicht mehr, wie die Prinzessin im Märchen auf die Stunde der Erlösung, denn ich habe mich mit meinem Schicksal vollkommen abgefundcn. Ich habe meinen Beruf, in dem ein Höherer mir Ersatz ge- geben hat für das, was gewöhnlich das Glück unseres Geschlechts ist. Ich bin zufrieden und beklage mich nicht!" Und mit einem leuchtenden Blicke fügte sie hinzu, in dem sie Mariannens Hand ergriff: „Und eine Freundin habe ich gesunden, die ihr Geistesleben mit dem meinigen vereint, der gegenüber ich manchmal von all dem sprechen kann, was so weit hinter mir liegt. Ich brauche nichts weiter« — Lassen Sie uns von anderen Dingen reden!" „Recht so, Ella — und da fällt mir eben etwas Wich tiges ein, was ich lange schon mit Ihnen besprechen wollte. Der Medizinalrat besteht darauf, daß ich, wenn ich vollkommen wieder auf meine Gesundheit rechnen kann, reisen soll. Und ich gestehe Ihnen offen, eine kleine Luft- und Umgebungsveränderung würde mir Freude machen. Ich möchte deshalb, sobald es Frühling wird, nach der See gehen, hinauf auf mein hübsches Gut an der Ostsee, das Sie ja auch noch nicht kennen. Wir fahren über Berlin, sehen uns ein paar Tage alles Neue dort an und erwarten dann den König Lenz -wischen unseren alten Buchen und Eichen. Sie kommen doch mit, denn allein würde es mir keine rechte Freude machen?" »Ja, gern begleite ich Sie! — Sobald sich das Schicksal meines neuen Buches entschieden hat, möchte ich über haupt gern einmal auf einige Tage nach Berlin. Ganz inkognito natürlich, als Heinz Herrmann. Ich muß ein- mal selbst mit meinem Verleger sprechen, denn ich habe nun die Absicht, ihm gegenüber meine MaSke fallen zu lassen und seine persönliche Bekanntschaft zu machen." „Er weiß selbst nicht, daß Sie eine junge Dame sind? Auch er glaubt —" „Daß Hein- Herrmann ein junger Mann ist, der bald in München, bald auf Reisen lebt. Alle Korrespondenzen gehen durch meinen Vetter, der bei der Firma angcstellt ist, und dem ich das Lob seltener Diskretion zu teil Gemälde fertig war, Maddalena Rogni selbst im Atelier erschienen. Wie vom Himmel gefallen stand sie plötzlich da in dem goldigen Morgensonnenlicht, die schlanke Gestalt ge hüllt in eine Flut duftender Spitzen, Bänder und knisternder Seide. Sie war gekommen, sein Bild zu bewundern. In ihre Villa hätte er es doch nicht bringen können, und sehen mutzte sie es ja wohl. Wer konnte ihr Erscheinen also verwunderlich finden? Daß sie gekommen war, den Flüchtling zurückzuholen, das bedurfte keiner Worte. Und daß es ihr gelang, war ebenso einfach wie natürlich. Er konnte, ohne einen definitiven Bruch zu provozieren, keinen Grund wehr vorschützen, das bestellte Porträt Hinauszuzügern, und so wurde denn die Leinwand wieder in den Gartensaal der Villa geschasst, und Reinhardt ging von neuem an die Arbeit. Und seit anderthalb Monaten malte er nun schon an dem weißen Atlasgewande herum, und das Bild wollte und wollte nicht fertig werden. Bor Monaten hatte Remmingen an den Verleger Ellas einen sehr diplomatischen Brief geschrieben. Er hatte die Firma um Angabe der näheren Adresse des Schriftstellers Heinz Herrmann ersucht, aber nicht unter seinem eigenen Namen, da er vorläufig weder diesen ihm gänzlich unbekannten Autor, noch die von ihm gesuchte Ella auf sich aufmerksam machen wollte. Diesen Schach zug hielt er für ungemein fein, und lieh sich von einem seiner Bekannten, den er ins Vertrauen zog, Namen und Adresse. Die kurze Antwort, die er erhielt, enttäuschte ihn sehr. Der Verleger teilte ihm mit, daß Herr Herrmann sich momentan auf Reisen befinde, und daß Briefe für ihn an den Verlag zu richten seien, der ihm alles übermittle. Da stand er mit seiner Weisheit, denn was er an den fraglichen Hein, Herrmann hätte schreiben sollen, unter welchem harmlosen Vorwande er sich nach der Gesuchten hätte erkundigen können, wußte er absolut nicht, und gar nichts wollte ihm einfallen. So schien denn auch dieser Weg sich wieder im Dickicht, fernab vom Ziele, zu Reinhardt begann seit einiger Zeit sogar ihn ein wenig zu vernachlässigen, war fast nie in seinem Atelier mehr zu finden, und dies war Kranz ein unzweifelhaftes Anzeichen, daß die Fürstin jetzt mehr denn je fein ganzes Interesse für sich in Anspruch nahm. Im Grunde ge- werden lassen muß. Er besorgt mir alles Geschäftliche und ich kann mich unbedingt auf ihn verlassen. Aber nun ist cs Zeit, meine Angelegenheiten selbst in die Hand zn nehmen, denn ich muß mich doch langsam auch -um Geschäftsmanne ausbilden." So faßen sie fröhlich plaudernd beisammen, und ob wohl noch lange nicht an die ersten Mürzvetlchen zu denken war, entwarfen sie schon Reisepläne und sahen sich unter den maigrünen Bäumen des Winterbergschen Stammgutes. * Während Reinhardt in der Villa der Fürstin Rogni an ihrem Bilde malte, das gar nicht vorwärts zu kommen schien, saß Remmingen in seinem Garyonheim, das er sich so wohnlich und behaglich wie möglich eingerichtet hatte, eines Morgens in dem kleinen Salon, durch dessen geöffnete Fenster schon eine weiche, Frühling ver kündende Lust schmeichelnd hereinwehtc. Er hatte einen Brief vor sich auf dem Tischchen liegen, auf dem auch die Kaffeemaschine stand, und offenbar in sehr erregtem Nachsinnen nahm er das Papier alle Augenblicke in die Hand, las es wieder durch und schaute dann wieder den blauen Wölkchen seiner Cigarre nach. So intensiv hatte er seit lange nicht nachgedacht und so viel auf einmal war ihm selten durch den Kopf ge gangen. In den letzten Monaten hatte die schöne Fürstin aus seinen Freund ganz entschieden angcfangen, eine tiefere Wirkung auszuüben, als er wohl selbst geglaubt hatte. Berning hatte sein Bild für die Berliner Ausstellung fertig. Im Atelier stand eS bereits verpackt und reise fertig. Er hatte sich mit wahrem Feuereifer darüber her gemacht und das Porträt der Fürstin, untermalt, wie eS war, auf der Staffelet stehen lassen. Mit einem höflichen Briefe hatte er sich bei ihr damit entschuldigt, datz er erst sein Werk für Berlin fertigstellrn müsse. Dann hatte er sich weder in der Villa Rogni, noch in Gesellschaften sehen lassen, sondern sich tief in seine Arbeit eingesponnen. Er wollte dem Zauber, der von der verführerischen Frau doch allmählich auf ihn überzugehen und seine Sinne in Fesseln zu schlagen begann, ein für allemal ent fliehen. Er wollte sich losmachen aus dem feinen Netze, das ihm langsam über den Kopf glitt. Das sühltc Remmingen sehr wohl. Aber er sagte nichts. Er wollte den Dingen freien Lauf lassen. Da war eines Tages, gerade als Berning mit seinem
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