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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030528016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-28
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3838 Ich trug aber nicht über Zöglinge der Jesuiten vor, son dern über Jesuiten. Und die Werke der Jesuiten sind so zahlreich, daß ich nicht aus Verlegenheit des Zeugnisses ihrer Zöglinge bedurfte. Mir wäre das als ein „oberflächlicher" Beweis erschienen. Ich wäre Ihnen, Herr -k-, übrigens verbunden, wenn Sie mir „Köbcrle" und die in Ihrer Kritik des 1. Berichtes vom Tageblatte von Ihnen als „dankenswerte Ab wehr" (?!) bezeichneten Quellen zugänglich machten. V. Daß Sie, Herr -k-, unfern glühend verehrten Prinz Max zum Lobredner von sexuellen Beichtstuhl- Excessen stempeln, des Jesuiten Liguori, der gar kein Jesuit war, ist ein starker Beweis von Ihrer „Ober flächlichkeit". Im übrigen aber acceptiere ich dank bar die unglaubliche, unverdiente hohe Ehre für mich, dah Sie meine Wenigkeit mit der Person Sr. König!. Hoheit, des heroischen Prinzen Max, verbinden. Zuletzt habe ich nur den Wunsch, Herr -st-, Ihren werten Namen kennen zu lernen, nachdem Sie in un glaublicher Weise meinen Namen niederkritisiert, freilich nur zu meiner Ehre. Zur Ehre der gesamten protestan tischen Lehrerschaft nehme ich allerdings an, daß Sie, Herr -st-, bei der nachgewicsenen Oberflächlichkeit un möglich Lehrer sein können." Dieser „Berichtigung" lassen wir die Antwort deS an gegriffenen Kritiker« folgen, dessen Person und Name mit der Sache gar nicht« zu tun Haden. Diese Antwort lautet: ach I. Wenn Herr Rückert den Einfluß der katholischen Könige hervorgehoden bat, so hat sein Vortrag durch die Art, wie e« nach seiner Angabe geschehen, gewiß nicht ge wonnen! Zunächst die faktische Berichtigung seiner „Be richtigung": Der Papst hob nicht 1774, sondern 1773 den Orden auf. Da« wissen bei un« allerdings die Schul knaben. Und wie köstlich fängt die Weisheit des Herrn R. sich in ihrer eigenen Schlinge: um die teuren Jesuiten zu retten, muß erdenPapst preisgeben: Lüge undHaß bewogen ihn zur Aushebung de« Ordens! So warv ein Ünfeblbarer irregeleitet durch Haß und Lüge, unv vier katholische Könige sind seine Verführer! Ein solcher Schwächling war Clemens XIV. allerdings nicht, den schon bei Lebzeiten eine Widmung rühmt: iäow eet, qm erat, in ipso non ipsius mutatio est. aä H. „Wenn ich das Breve nicht gelesen, wobei sollte ich die unter I angeführte Stelle haben: Die Könige" rc. Woher? Naive Frage! Ich nahm an, man lerne lolche „aus fällige Tatsachen" der Geschichte im Seminar! Aus den Worten des Herrn R. gebt hervor, daß er das Breve ge lesen hat — in der SonntagSnummer der „Sächsischen Volkszeitung" — also nach seinem Vortrag — die nach seiner Meinung „daS Breve abvruckt". Wenn er e« je gesehen hält«, so könnte er sich überzeugen, daß das Breve bald eine ganze Nummer jene« mageren Blattes füllen würde! Clemens XIV. sagt ausdrücklich, nachdem er die Vorrechte deS Orden« aufgezädlt: „ex ipso tLmeu cousti- tutiouum Lsivstolicurum tenore et verbis pallam colligitur, euäeua in soeietnte sno kere ab initio (also säst von An fang an!) vnrin äissiäiornm ne aewulntionum semina xnIInlLsse, ipsos non mocko inter socios, verum etium cum ullis reguluridus oräiuidus etc. Das Breve beruft sich weiter auf Beschwerden Philipps II. von Spanien; ob dieser auch unter dem Einflüsse „ränkesüchtiger Staatenlenker" sich beklagte „wider die ausschweifenden Vorrechte der Gesellschaft und wider ihre ganze innere Verfassung" und Visitation beantragte? (Briefe Papst Cl. XIV., Leipzig 1777, p. 236.) „Was ergibt sich au« diesem Breve? Der Papst verurteilt weder die Lehre, noch die Sitten, noch die Disziplin der Jesuiten" frohlockt die „Sachs. VolkSztg." Aber daS Breve sagt: „magis n ugisczue Universum köre ordem xersuuseriut mole-tissimae cou- teutiouss, äs societutis äoctriuu, guum üäei velut ortboä. douisgue moridus rspuzuuutsin plurimi truäuoeruut." Der „in Kürze" von der „Sächs. VolkSztg." an geführte Inhalt mag ja Herrn R. und andern ihrer Leser genügen, aber jeder Unbefangene erkennt, daß e« sich direkt um Lehre und Sitten des Ordens handelte. uä. HI. Wenn Herr R. Friedrich den Großen nicht selber erwähnt hat, so erledigt sich die Sache. Die „S. Vztg." aber scheut nicht die kindliche Argumentation: „Friedrich der Große hat von einem Intrigieren mit den Jesuiten nie etwa« verlauten lassen". Da war der Philosoph von Sans souci allerdings Hu klug, das ist richtig! Indes die „iu- structious secrstes äes ä^suites" (früher al« mouitu secretu bekannt) behandeln cup. 2 die Frage: „Wie die Väter der Gesellschaft eS anzufangen haben, um sich den vertrauten Umgang mit Fürsten rc. zu verschaffen", in dem Sinne: man muß durch erkaufte Günst linge und Kammerdiener die Launen und Neigungen der Fürsten zu erfahren suchen, „auf daß die Gesellschaft sich hiernach richten kann". Streitigkeiten zwischen Fürsten sollen Veranlassung geben, „in ihre beiderseitigen Ge heimnisse zu dringen; man macht sich ihnen und den Ihrigen dadurch notwendig und nötigt sie, un« Gegrn- gesälligkeiten zu erweisen". Friedrichs d. Gr. „Gegen gefälligkeiten" gegen die Jesuiten erscheinen hier in inler- efsanter Beleuchtung. Maa denke über diese „Instruktionen", die schon Alex. Müller im „Canon. Wächter" veröffentlichte, wie man mag; jedenfalls kennzeichnen sie den Geist der diplomatischen Praxis der Jesuiten. uä IV. KöverleS Aufzeichnungen führte ich deshalb an, weil er, obwohl in jugendlicher Begeisterung der Gesellschaft Jesu zugetan, um de« Vaterlandes willen vom Eintritt in den Orden absqh, um nicht jemals in Gegensatz zu seinem Vaterland gedrängt zu werden. Seine Aufzeichnungen er schienen unter ungeheurem Aufsehen zuerst m den „Grenz boten", al« Buck sodann 1846 bei Fr. W. Grünow, Leipzig. uä V. Ligucri ist Redemptorist, das ist bekannt. Weniger bekannt scheint Herrn R., daß L. in seiner Ikeologia morulis völlig in die Casuistik der jesuitischen Moralisten tritt. Herrn R.s Begeisterung für Prinz Max wird man von seinem Standpunkt aus durchaus verstehen. Doch daS ist Geschmackssache. Deutsches Reich. Berlin, 27. Mai. (Die Zuverlässigkeit der Zeugenaussagen, dieBestrafung des Meineides und die Schwurgerichte.) Vor einigen Wochen ist in der Zeitschrift „Das Rech t" der Vorschlag gemacht worden, die Zuverlässigkeit der Zeugen aussagen in Strafsachen durch Erhebungen über Vor strafen und Ruf der Zeugen festzustellen. Wir haben uns sofort gegen diesen, das Schreibwerk vermehrenden, die Hauptverhandlung hinausziehenden und die Zeugen be lästigenden Vorschlag gewandt und können nunmehr aus einer Zuschrift des Landgerichtsrates Oppler in Metz an „Das Recht" feststellcn, daß auch dieser erfahrene Jurist den Vorschlag für unbrauchbar und verkehrt erklärt. Anderseits aber können wir uns mit einem von Oppler gemachten Gegenvorschläge auch nur sehr bedingt einver standen erklären. Wenn Oppler meint, daß die Zeugen aussagen zuverlässiger und wahrheitsliebender sein würden, wenn eine wirksame und nachdrückliche Be strafung desMeineides sich durchführen ließe, so kann man ihm nur zustimmen. Wenn er aber die Schuld an der Straflosigkeit so vieler Meineide den Schwur gerichten zuschiebt und deshalb verlangt, daß die Ab urteilung von Meineiden an die Strafkammern über gehen soll, so muß man gegen diese Auffassung einige Be denken hegen. Einmal nämlich kommt nur ein ganz geringer Bruchteil der tatsächlich geleisteten Meineide überhaupt zur Aburteilung, sodaß, wenn zahllose Mein- eidige frei Herumlaufen, nicht die Geschworenen schuld sind, sondern die außerordentliche Schwierigkeit, einen Mein eidigen so weit zu überführen, daß es überhaupt zur An. klage undzumEröffnungsbeschlusse kommen kann. Zweitens hat Oppler zwar ganz recht, wenn er meint, daß bei Mein eidsverhandlungen der Beurteilung mehr oder weniger verwickelte Prozesse, in denen der Meineid geleistet worden ist, zu Grunde liegen, sodaß einem Laien das klare Erfaßen der Tatsache, ob ein Meineid geleistet ist, schwer fällt; er hat aber nicht recht, wenn er dies auf jede Meineidsverhandlung bezieht. Wenn ein in einem um fangreichen Civilprozesse geleisteter Eid den Gegen- stand der Strafverfolgung bildet, so wird das Erfassen der Situation allerdings für den Laien häufig schwierig sein, wenn es sich aber um einen in einem Strafprozesse zu Gunsten oder zu Ungunsten der Angeklagten geleisteten Meineid handelt, so werden in den meisten Fällen die Ge schworenen der Feststellung des Tatbestandes in der Hauptverhandlung sehr wohl folgen können. Oppler, der schon wiederholt seiner Abneigung gegen die Schwur gerichte Lust gemacht hat, vergißt eins, was hier einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden soll: wenn die Schwurgerichte oft falsch judizieren, so ist nicht immer das mangelnde Ver st änd- nis der Geschworenen schuld, sondern oft auch die mangelnde Fähigkeit des Vor- sitzenden, durch eine geschickte Leitung der Verhandlung den Geschworenen ein klares Bild der Sachlage zu verschaffen. Im übrigen mag die Ucbertragung der Meineidssachen an die Strafkammern manches für sich haben; aber wir glauben nicht, daß die Volksvertretung sick dazu bereit finden lassen werde, wenn nicht die Schwurgerichte für dieses ihrer Aburteilung zu entziehende Delikt ein anderes überwiesen erhalten, damit durch diesen Austausch eine Einschränkung der Gesamttätigkeit der Schwurgerichte ver- hindert wird. Wir möchten für diesen Fall die Ueber Weisung derRückfalls-Delikte an die Schwur gerichte befürworten. Diese Strafsachen liegen meist außerordentlich einfach, sodaß ihre Aburteilung auch dem Laien keine Schwierigkeit bereitet. Gerade bei der Be strafung dieser Delikte aber verfahren die Strafkammern oft mit mechanischer Härte, während die Schwurgerichte geneigter sein würden, das soziale Milieu zu berück sichtigen. -s. Berlin, 27. Mai. (Firmungsreise und R ei ch sta g sw a hl.) Es hat auf den ersten Blick etwas Eigentümliches, wenn das Stuttgarter Zentrumsorgan an leitender Stelle über die Firmungsreise des Bischofs vonRottenburg nach Mergentheim be richtet. Liest man aber, was der Bischof dort beim fest lichen Mahle gesagt hat, dann versteht man, weshalb jener Bericht zum Leitartikel gemacht wurde. Denn der Bischof führte unter anderem aus: „Einzutreten für Kirche und Glauben, die katholische Sache zu unterstützen in Kirche, Leben und Familie, in Presse und Wahlen, das ist heutzutage Mannespflicht. Denn in Kriegszeiten wird erfordert, daß jeder treu zu seiner Fahne halte, und der, welcher das in solcher Zeit nicht tut, der ist ein Feig- ling und ein Verräter." — So sprach der Bischof laut dem klerikalen „Deutschen Volksblatt". Mit kirch lichen Strafcm wie der Bischof von Trier, hat vr. Keppler die „Feiglinge" und „Verräter" anscheinend noch nicht bedroht. Aber trotz dieser Enthaltsamkeit ist er ziem lich weit über das rein kirchliche Gebiet hinausgegangcn; er hat ohne jeden Zweifel die Autorität seines kirchlichen Amtes zu Gunsten des Klerikalismus für ganz welt liche Angelegenheiten geltend gemacht. (-) Berlin, 27. Mai. (Telegramm.) Die für heute angesetzle Parade war wegen des regenvrohenden Wetters auf Befehl deS Kaisers auf eine Stunde später verlegt worden. Vor der Parade empfing der Kaiser den Grasen Heinrich zu Stolberg-Stolberg, der die Orden seines verstorbenen Vaters überreichte. Um 10 Uhr ritt der Kaiser in der Uniform des Regiments Gardes du Corps vom Schloßhofe in Potsdam aus durch das Brückenportal nach dem Lust garten. Dort hatte die ganze Garnison unter Befehl des Generalleutnant« v. Moltke im offenen Viereck Aufstellung genommen. Anwesend waren die ganze Generalität, fremd- berrlicke Offiziere und daS Hauptquartier des Kaisers. Der Kaiser ritt die Front ab, während die Kaiserin und die hier anwesenden Prinzessinnen mit ihren Kindern am Fenster de« Schlosses standen. Sodann fand der Parademarsch statt, zuerst in Zügen, dann in Kompagnie front resp. Eskadronfront. DaS zweite Mal waren der Kronprinz, Prinz Joachim, sowie die beiden Söhne deS Prinzen Friedrich Leopold mit ringetreten. Der Kaiser »ührte zweimal da« Regiment Garde- du CorpS der Kaiserin vor. Nach der Parade nahm der Kaiser zahlreiche mili tärische Meldungen, auck diejenige deS Herzogs Albreckt von Württemberg, entgegen und begab sich dann nack dem Stadt- sckloß zurück. Im Scklosse empfing der Kaiser den bis herigen Botschafter in Walbington von Holleben und den bayerischen Ministerpräsidenten Frbrn. von Podewils, die beide, wie auch der Herzog von Württemberg, an der kaiser lichen FrühstückStasel teilnahmen. — Der verstorbene Feldpropst der preußischen Armee l). Aßmann hatte den Rang eines Rates I. Klasse und war Titularbischof in Philadelphia. Wegen seines milden, humanen Wesens und seiner patriotischen Gesinnung erfreute er sich in allen Kreisen, mit denen er in Berührung kam, hoher Achtung unv großer Beliebtheit. * Ans Stralsund, 26. Mai, meldet die „Dtsch. Tgsztg.": „Die gestern in Barth abgehaltene Versammlung der natio nalen Parteien sollte von den Sozialdemokraten auf Anstifter, ihres Kandidaten Genzen gesprengt werden; die Polizei mußte mehrmals blank ziehen und es gelang ihr mit Hülfe des Gendarmen die Ruhe wieder herzuslellen. Trotzdem wurden faustgroße Steine durch die Fenster in ben Saal geschleudert. Unser ReichStagSkandidat, Kammerherr v. Nlepenhausen, bewahrte eine wunderbare Kaltblütigkeit unv beendete seine Rede, obgleich er mehrmals von Steinwürfen getroffen wurde. Ein großer Stein traf Herrn v. Riependausen in den Rücken, ein anderer, aus dem Hinterhalt geschleudert, hätte Herrn v. Riepen hausen schwer am Kopfe verletzt, wenn er nicht zufällig die Hanv am Hute gehabt hätte." * Hannover, 26. Mai. Betreffs Ueberführung des Prinzen Prosver Arenberg in eine Irrenanstalt ist nach der „Köln. Ztg." bisher noch keine Verfügung getrosten morden. Tatsache sei nur, daß der zuständige Gefängnisarzt, Or. Schwabe, den Antrag hierzu wegen der Gemeingefährlichkeit der Krankheit des Prinzen gestellt habe. Als Aufenthaltsort werde das staat liche Irrenhaus bei Gardelegen vorgeschlagen, weil dieses durch seine einsame Lage besonders geeignet sei, die Ein schleppung von Alkohol, der Hauptursache der Krankheit des Prinzen, zu verhüten. Die Direktion des Gerichts gefängnisses zu Hannover unterstütze den Antrag mit Rück sicht auf die aus demselben Anlaß ausgesprochene Entmün digung des Prinzen. Der Grund der Verzögerung der Angelegenheit sei darin zu suchen, daß außer der Civil- gerichtsbehöröe auch die Militärgerichtsbehörüe in dem vorliegenden Falle zu entscheiden habe. — Das kann alles stimmen, hat aber mit der Lache, soweit sie die Allgemein heit angeht und aufregt, nichts zu tun. * Metz, 26. Mai. Ausgefallen ist mehreren Blättern, daß zu den Metzer Feierlichkeiten der Bischof von Trier, Korum, dessen Diözese Metz am nächsten liegt, nickt einge laden worden war, im Gegensätze zu dem Erzbischof von Köln und dem Bischöfe von Freiburg, obwohl der Metzer Bischof von Korum, dessen Unterstellter er war, die Ermächti gung zu seiner neuen Stellung bekam. vv. Stuttgart, 26. Mai. Der Vorstand der Generaldirektion der Posten und Telegraphen Präsident v. Böltz hat einen Urlaub auf mehrere Monate angetreten. In Postkreisen wird dieser lange Urlaub als Vorläufer des gänzlichen Rücktritts ausgesaßt. — Dir württembergische Zentrumspartei hielt in Rottweil ihre diesiährige Hauptversammlung ab, die sehr stark besucht war. Abg. Rem bald als erster Hauptredner sprach über wirtschaftliche Jnteressenkämpfe, Lr. Kiene verbreitete sich über die Landtags- tätigtest, Äröber über Verkehrssraaen, Reichstagsangelegenheiten und religiöse Fragen. Mit der Wahl zum Reichstag brauchte sich die Versammlung nicht viel zu beschäftigen, da ja dem Zentrum feine 4 Sitze wieder sicher sind. — Der Heilbronner Ober- bürgrrmeister Hegelmaier hat seine Kandidatur für den 3. Wahl kreis nun endgültig niedergelegt. Nach einer von ihm in der „Neckarzeitung" veröffentlichten Erklärung wirkten verschiedene Um« stände zusammen, um ibn zu seinem Entschluß zu bestimmen, näm lich körperliches Unwohlsein, eine „tiefe seelische Depression", die „gleichgültige Haltung der Deutschen Partei" gegen seine Kandidatur und die „direkt feindselige Haltung des Zentrums". Oesterreich -Ungarn. Slawische Verbrüderung. ck. Prag, 27. Mai. Unter Vorsitz deS tschechischen Uni- versiiätsprofessors I)r. ChovonSky hielten am Sonntag im Carolinum slawische Studenten eine Versammlung ab. Es Wurden tschechische, slowenische und kroatische Reden gehalten und eine Resolution beschlossen, in welcher die Errichtung einer slowenischen Universität in Laibach gefordert wird. Die Studenten zogen nach der Versammlung vor das tschechische Nationaltbeater, sangen daselbst „Kde domov muj" pnv ver ließen alsdann den Platz. (Auch in Agram verbrüderten sich letzter Tage tschechische und kroatische Studenten, was nach der Agramer Serbenhetze vom September höchst auf fällig ist. D. Red.) Orient. Balkanwirren; Wahlen in Rumänien. * Lelinjc, 27. Mai. (Telegramm.) Nach den aus Skulari emgetroffenen Nachrichten ist dort der neue Gouverneur eingelrosfen und mit großer Begeisterung empsangen worden. In dem an die montenegrinische Grenze unmittelbar anstoßenden türkischen Gebiete herrscht völlige Ruhe. * Koustantinabkl, 27. Mai. (Telegramm.) Die „Agence de Constantinople" bezeichnet die Meldung deS Pariser „Figaro" von einer angeblichen allgemeinen Mobilisierung der türkischen Truppen als voll kommen grundlos. Ein solcher Befehl sei nicht ergangen. * Konstantinopel, 27. Mai. (Telegramm.) Die Gesamtzahl der verhafteten verdächtigen Bulgaren der VilajetS UeSküb, Monastir, Saloniki und Adrianopel, sowie Konstantinopels, übersteigt bereit« 3000. Der Antrag de« General-JaspektorS Hilmi-Pascha, die Bulgaren, deren Teilnahme an der Tätigkeit des ComitöS sicher erscheint, wenn auch nicht durch Taten erwiesen ist, nach Tripolis und Kleinasien zu verbannen, ist bisber nicht genehmigt. Türkischerseits wird bestritten, daß 52 Verhaftete von hier nach Kleinasien abgegangen seien. — Nack den Angaben der Pforte, beschränkt sich die Aktion gegen die oppositionellen Albanesen gegenwärtig auf die Verhaftungen der Haupt- zädelSführer. * Wien, 27. Mai. (Telegramm.) DaS „Fremden blatt" veröffentlicht eine Korrespondenz aus Konstantinopel, die aussührt, daß die von Oesterreich-Ungarn und Rußland aufgestellten und von der Psorte angenommenen Reformen nicht aufgegeben, sondern nur aufgeschoben sind. Der Aufschub in der Durchführung der Reformen sei aber natur gemäß und in der Lage der Verhältnisse begründet. Es sei den Entente-Mäckten augenblicklich unmöglich, der Pforte eine unverweilte Durchführung der Reformen zuzumuten, eS sei aber gewiß, baß in dem Augenblicke, in dem die Ver hältnisse die Durchiührung der Reformen gestatten, die Entente-Mächte den nötigen Druck auf die Pforte auSüben werden, um die sofortige Einleitung der nötigen Maßregeln zu veranlassen. 8. Bukarest, 25. Mai. Gestern fanden die Stichwahlen für die Distriktswahlen statt. Hierbei kam eS in der Haupt stadt zu blutigen Kämpfen zwischen den Liberalen und Kon servativen. Letztere waren bis zur Mittagsstunde um mehrere hundert Stimmen den Liberalen voraus, weshalb diese den konservativen Wählern den Zutritt zum Wahllokal ver wehrten. Die nächste Folge war ein Handgemenge, bei denen 'S 85 Verwundete gab, darunter einige Schwerverletzte. Auch der frühere konservative Minister de« Auswär tigen, Jean Lahovary, erhielt eine nicht unbedeutende Kopfwunde. Nach diesen Vorgängen stellten die Konser vativen ihre weitere Beteiligung an der Wahl ein und über ließen den Liberalen da« Feld, die nunmehr mit ihrer Liste selbstverständlich siegten. Die konservative Parteileitung hat gegen den Terrorismus, welcher gegen sie geübt wurde, Be schwerde beim König eingelegt. Der allgemeine Eindruck, den die gestrigen Vorgänge gemacht Haden, ist ein den Liberalen zehr ungünstiger. * Bukarest, 27. Mai. (Telegramm.) Bei den für den zweiten Wahllöiper vorgenommenen 25 Stichwahlen für die TepartementSräte wurden 25 liberale Kandidaten mit großer Majorität gewählt. Das definitive Wahlergebnis, auf das die Oppositionellen große Hoffnung gesetzt hatten, ist folgendes: 524 Liberale, 15 konservative Cantacuzenisten und ein Junimist. Kolonial-Nachrichten. Fischsluß-Erpa-ition. Nach Mitteilung des Kolonial- Wirtschaftlichen CvmitLs, Berlin, wird die zur wirtschaft lichen Nutzbarmachung des Fischflusses in Deutsch-Lüd- westafrika entsendete Expedition zunächst im Bezirk Keetmanshoop bei Raute eine Stauanlage ausführen. Der Leiter der Expedition, Ingenieur Kuhn, verhandelt zur Zeit mit dem Bezirkshauptmann von Keetmanshoop wegen Prvbebvhrungen der in seinem Bezirke arbeitenden Bvhrkolonne au der Einschnürung der Raute, da nur die vorherige Vornahme solcher Probebohrungen Aufschluß geben kann, wie tief der Fels in der Flußsohle liegt, und welche Tiefe des Alluviums abgedichtet werden muß. Die Bohrungen sollen in schachbrettförmiger Anordnung vor genommen werden; eine einzige Reihe Bohrlöcher würde den Zweck nicht erfüllen, weil die Flußalluvien große Felsblöcke enthalten, welche von der Sohle des ge-^ wachsenen Felsens leicht ein falsches Bild geben können. Das durch diese Stauanlage geschaffene Wasser soll namentlich dem Bedürfe Keetmanshoop an Tränk- und Rieselwasser dienen. Unterhalb der Naute soll Luzerne angebaut werden. Auf einer Studienreise im Kaplande hat sich Herr Kuhn insbesondere über die Kultur dieser Futterpflanze in der Karoo orientiert. Luzerne gedeiht dort bei nur einmaliger Bewässerung nach jedem Schnitt, nnrb im Jahre sechs mal, in guten Lagen aber auch sieben bis acht mal geschnitten und gibt bei jedem Schnitte 50 bis 70 Centimeter hohes hochwertiges Kleeheu. Die Pflanze, die einmal Wurzel gefaßt hat, treibt ohne Nach säen und ohne Umarbeiten, ohne Düngung un- Arbeit durch 20 bis 25 Jahre Winter und Sommer unver drossen. Sie kann brackiges Wasser vertragen, und die Heuschrecken fressen es nur, wenn es noch ganz niedrig steht, der hochgewachsenen Pflanze tun sie gar nichts. Diamanten. Ueber Verhandlungen des Eigen tümers der Geitsi-Gubib-Mine bet Keetmanshoop in Deutsch-Südwestasrika mit der De Beers Company zwecks Erwerb und Ausnutzung dieser Mine durch die Company berichtet der Ingenieur A. Kuhn an das Kolonial-Wirtschaftliche Comits, Berlin, daß nach Mit teilung des Eigentümers die Geitsi-Gubib-Mine reicher wie die Kimberley-Gruben sei und auch reinereDiamante» habe. Zur Feststellung reeller Unterlagen über diese An gaben ist der der Fischfluß-Erpedition beigegebene Berg ingenieur Moscovic der Bezirksmannschaft Keetmans hoop zur Verfügung gestellt. Banmwolle i« deutsche« Kolonie«. Zur Förderung der von dem Kolonial-Wirtschaftlichen Comits ein geleiteten Baumwollkultur in Deutsch-Ostafrika hat die Firma Wm. O'Swald L Co., Hamburg-Zanzibar, in Muskeln möglichst scharf zu betonen, ohne mich um die neue Technik, an die ich nicht gewöhnt war, zu kümmern." Jetzt wurde er von seinen Mitschülern mit mehr Ach- tung behandelt, obwohl sie seine Gestalten noch für unver schämt natürlich erklärten und ihn wegen seines bäuer lichen Herkommens verspotteten. Delarvche selbst vermochte diesen seltsamen Schüler nicht zu verstehen. Dtillet war ihm so unverständlich, wie seinen beiden ersten Lehrern. Er hätte ihn gerne als HülfSarbeiter bei seinen großen Werken angestellt, aber Millet war eine zu unabhängige Natur, um sich an den Triumphwagen eines Künstlers spannen zu lassen, den er gering schätzte. Manchmal hielt der Meister seine Arbeit dem ganzen Atelier als Beispiel vor, ein anderes Mal kritisierte er sie streng. Einmal sagte er ihm, daß er eine eiserne Lenkstange nötig habe, um die richtige Methode zu erreichen, ein anderes Mal meinte er: „Gehen Sie nur Ihren ebenen Weg. Sie sind so anders, daß ich Ihnen nichts zu sagen weiß." Einst hieß die Aufgabe für eine Komposition „Prome- theus an den Felsen geschmiedet". Millet stellte ihn dar als Opfer von Jupiters Zorn, am Rande eines Abgrunds hängend und einen Schrei der Empörung gegen die himm- tischen Mächte auSstoßenb. „Ich möchte es fühlen lassen, daß seine Leiden ewige sind", sagte er, als die Studenten sich staunend um seine Arbeit drängten. DaS Motiv einer andern interessanten Ausgabe war „AeoloS den Winden freien Lauf gebend". Ein spöttischer Kamerad meinte: „Millet macht natürlich wieder, waS er sür chic hält, und erfindet auS dem Kopf Muskeln." Aber Delarvche, der gerade da» Atelier betrat, unterbrach ihn: „Er tut das Rechte, er macht Gebrauch von seinem Gedächtnis. Machen Sie es ihm nach, — wenn Sie können." Neben dem Studium im Atelier war Millet noch in seiner elenden Dachkammer fleißig. Er malte für wenige Francs Porträts. Dienstmädchen, Portiers, Kohlen träger, alle saßen ihm nacheinander. Er war meistens in größter Geldverlegenheit, blieb sogar deshalb dem Atelier fern, weil er nicht das jährliche Honorar von 100 Francs zahlen konnte. Als der Meister ihn vermißte, ließ er ihn zu sich kommen. „Weshalb kommen Sie nicht mehr ins Atelier?" fragte er ihn freundlich, ihm eine Cigarette an bietend. „Weil ich das Honorar nicht zahlen kann", er widerte Millet. „Das schadet nichts", gab Delarvche zu rück, „ich möchte Sie nicht missen. Kommen Sie trotzdem, ich werde mit Poisson idem Atelierdiener) sprechen. Sagen Sie den Kollegen nichts, zeichnen Tie, was Sie wollen, große Gegenstände, Figuren, Studien, wozu Sie Lust haben. Es macht mir Freude, Ihre Arbeiten zu sehen, Sie gleichen den andern so wenig. Und dann möchte ich noch mit Ihnen über eine Arbeit sprechen, bei welcher Sie mir raten können." Millet war gerührt durch diese unerwartete Freund lichkeit des MalerS und kam wieder ins Atelier. Aber die historischen Kompositionen im akademischen Stil, die da mals Mode waren, wurden ihm mit jedem Tage lang, welliger. Wenn er auch ausfallende Arbeiten lieferte, so war es doch schwer, in den konventionellen Fig»' und dem schweren, trüben Kolorit seiner damaligen Kompo- sitionen den Keim seiner zukünftigen Größe zu entdecken. Er hielt jedoch aus und bewarb sich im Sommer 1888 um den krix cke Rome. Die Eigenart seiner Arbeit erregte Delaroches Erstaunen und ließ dessen Gewissen schlagen, da er seinem Lieblingsschüler Roux bereits seine Be günstigung versprochen hatte. Er ließ sich deshalb Millet kommen und fragte ihn: „Sie wünschen den Rrix cks Rome zu gewinnen?" „Gewiß", erwiderte Millet, „sonst würde ich mich nicht beworben haben." „Ihre Komposition ist sehr gut, aber ich muß Ihnen mitteilen, daß ich wünsche, daß Roux den Preis erhält. Ich will Ihnen versprechen, im nächsten Jahre meinen Einfluß für Sie geltend zu machen." Diese offene Erklärung genügte Millet. Er verließ Delarvche für immer und beschloß, niemals wieder Hülfe und Förderung von Anderen zu erwarten, sondern sich nur auf die eigenen Kräfte zu verlassen. DaS hat er dann auch redlich getan. Julia Cartwright geht in ihrer schon citicrtcn Biographie «bei H. Seemann Nachfolger), der wir vorstehende Anekdote entnehmen, liebevoll auf das weitere Leben Millets ein. Wir können ihr nicht Seite für Seite folgen, nur einen kurzen Blick wollen wir noch auf die Zeit in Barbizon werfen. Jede Not hat ein Ende, sagt ein altes Sprüchwort. Es kommt nnr darauf an, wie man sich das Ende vorstellt. Im Jahre der Revolution war die schlimmste Zeit für Millet vorbei. Endlich konnte er seinen Wunsch sich selbst er füllen, wieder aufs Land zu ziehen. Zwölf Jahre hatte er in Paris gekämpft, auch in seiner Familie viele Sorgen gehabt. Seine erste Frau war ihm gestorben, er hatte wieder ein braves Mädchen geheiratet. Die drückende Enge der großen Stadt war nicht mehr auSzuhalten. Also aufs Land. Im Jahre 1824 hatten die Maler Aligny und le Die» Barbizon entdeckt, d. h., sie hatterr einen Ausflug von Paris gemacht und in einer Entfernung von ungefähr 8 Meilen im Departement Saine et Marne das hübsch gelegene kleine Dorf Barbizon gefunden. Dort war aber kein Bleibens und sie mußten ins Kirchdorf Chailly ziehen. Dorthin strömte eine ganze Künstlerkolonie nach, sodaß schließlich Chailly ein modernes Tegernsee wurde. Als in dessen ein unternehmender Schneider mit seiner deutschen Frau eine alte Scheune in Barbizon kaufte, sie zum Gast. Haus herrichtete, lockte Barbizon doch mehr. Es wurden schnell Sommerwohnungen hergestellt und die prächtige Sommerfrische war fertig. Dorthin lenkte 1840 Millet seine Schritte. Er beabsichtigte, nur einen Sommer dort zu bleiben, er blieb den Winter, er blieb sechsundzwanzig Jahre. Schließlich kaufte er sich ein Häuschen, und in diesem Hänschen schuf er seine schönsten Bilder, in diesem Häuschen verlebte er seine Manneszeit, bis er an der Schwelle des Greisenalters, am 20. Januar 1875, dort starb. Wenn man ihn so ganz kennen lernen will, muß man Cartwrights Buch lesen. In seinen späteren Jahren hatte er sich mehr aufgeschlossen, er war mitteilsam und zutunltch geworden. Die innige Freundschaft, die viele seiner Kollegen, vor allem Rousseau, und dann sein eigentlicher Biograph Sensier, ein Beamter, zu ihm pflegten, zeigen uns ihn als Menschen von der schönsten Sette. Wenn ihn auch manchmal Sorgen brückten, so war er doch bescheiden glücklich in seiner Familie, mit feiner zweiten Frau und neun Kindern, und stolz-glücklich über seine eigene Kraft und sein eigenes Können, die ihm die Gewißheit gaben, nicht umsonst gelebt zu haben.
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