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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030602020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903060202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-02
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Barth, der früher als Sekretär der Bremer Handelskammer reichliche Gelegenheit hatte, einerseits den Einfluß des Blühens und Gedeihens der großen Handelsfirmen und besonders der großen Reede reien auf die Küstenstädte kennen zu lernen, und anderseits den Vorteil abzuschätzen, den die Einfuhr billigen Ge treides auS dem Auslande diesen Firmen bringt; — wenn dieser Politiker jetzt in der ersten Reihe derer kämpft, die neuen Handelsver trägen mit erhöhten Getretdezöllen widerstreben, so ist das begreiflich. Nur zu leicht gewöhnt man sich daran, die Dinge nur von dem Standpunkte aus zu betrachten, auf dem man jahrelang gestanden, und bas Interesse der Er werbsgruppe, bas man lange Zeit besonders zu wahren verpflichtet gewesen, als das ausschlaggebende anzusehen. Um so schwerer verständlich ist es, daß auch Politiker, die im Binnenland« leben und hier Gelegenheit haben, die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen andere große Erwerbsgruppen entweder leiden oder gedeihen, auf den Barthschen Standpunkt sich stellen. Bezeichnenderweise aber nimmt die Zahl dieser Politiker mit der Entfernung ihres Beobachtungs- und Wirkungskreises von der Küste ab und erreicht ihren Tiefpunkt in Süddeutsch land. Hier hat die demokratische Partei in ihr Programm die Beseitigung aller direkten Steuern geschrieben und zu dieser indirekten Belastung ge- hören zweifellos auch die Zölle. Wie aber stellt sich die demokratische Partei in der Praxis zur Zollfrage ? Die Münchner „Allg. Ztg." hat sich die Mühe gemacht, diese Frage durch folgende lehrreiche Zusammenstellung zu beantworten: „1885 haben die demokratischen Reichs tagsabgeordneten Härtle-Heilbronn und Grohe- Kaiserslautern für die Erhöhung des Weizenzolls auf 3 gestimmt. 1890 ist der demokratische Abgeordnete K e r ch e r - Böblingen für Beibehaltung der Künf- Mark-Zölle eingetreten. In einem Flugblatt weist er mit Entrüstung als frivoles Wahl- Manöver zurück, wenn behauptet werde, er sei für Aufhebung dieser Zölle gewesen. Der widrttembergische demokratische Abgeordnete Schock führte vor nicht allzu langer Zeit aus: „Ich will nur erwähnen, daß ich im Interesse unserer Landwirtschaft eine entsprechende Erhöhung der Getreidezölle für geboten erachte. Ich glaube auch nicht, daß eine richtige ent sprechende Erhöhung der Getreidezölle eine Schädi gung für das Gewerbe, für Handel und I n- dustric und im Zusammenhang damit auch für unsere« Arbeitcrbestand bringen wird, und ich glaube auch nicht, daß damit eine nennenswerte Brot verteuerung eintrcten würde." Am 1. Februar 1901 trat der bekannte Führer der Bolkspartei, Konrad Haußmann, für ausreichenden Zollfchutz ein, und am gleichen Tage stimmten sechs Demokraten in der württembcrgischcn Abgeordnetenkammer für folgen den Antrag: „Die kgl. Regierung möge im Bundesrat für eine ausreichende Erhöhung der Ein fuhrzölle nicht bloß auf Weizen und Roggen, sondern auch auf Gerste und Hafer eintreten." — Aehnlich war es in Baden: Der Abg. vr. Heim burger sprach sich auf der Landesocrsammlung der badischen demokratischen Partei für Erhöhung der Getreidezölle aus. — Am 18. Januar 1902 führte derselbe Abgeordnete in der badischen Kammer aus: „Eine mäßige Erhöhung der Kornzölle wäre wohl zu billigen. Durch den Zollfchutz, den die Industrie genieße, werden dem Bauer feine Gerät schaften wesentlich verteuert. Da sei es ganz am Platze, auch dem Landwirt ein entsprechendes Aequivalent zu gewähren. Früher, bet hohen Getretdepreisen, wäre er nie für eine Zollerhöhung zu haben gewesen. Heute aber, wo durch die überseeische Konkurrenz der Getreide preis so sehr herabgedrückt werde, sei ein höherer Zoll sehr angebracht." Der badische Minister des Innern, Dr. Schenkel, erwiderte hierauf: „Er glaube, die Stellung der Regierung zu den Getreidezöllen ganz un erörtert lassen zu können, da sie schon vom Abgeordneten vr. Heimburger in vorzüglicherWeise gerechtfertigt worden sei." — Und der „Badische Landesbote", das demokratische Organ, schrieb Anfang 1901: „Wie hoch der Getreidezoll aber ist, ob derselbe 3,50 oder 4 oder 5 be trägt, daS ist lediglich eine Frage der praktischen Erwägung. Das vollständige Freihanbelsprinzip aber z. Ä. in der Praxis zu vertreten, das überlasten wir der „Neuen Badischen Lanbeszeitung"." Die Berliner Reise des bayerischen Ministerpräsidenten und die bayerische Hetzpreste. Anläßlich der Anwesenheit des bayerischen Minister präsidenten Frhrn. v. Podewilsin Berlin ist von ver schiedenen Seiten, und nicht zuletzt von amtlicher Seite selbst, glaubhaft erklärt worden, daß keinerlei Verstimmung zwischen Berlin und München bestehe. Ausstreuungen entgegengesetzten Inhalts wurden kürzlich selbst von dem leitenden Münchner Zentrumsorgan sehr bestimmt in das Reich der Fabel verwiesen. Aber wie damals schon die kleine bayerische ZentrumSpreffe unverdrossen ihre Der- hetzungsversuche fortsctzte, so geschieht das auch jetzt, und zwar in vergröbertem Matzstabe. Als Beweis hierfür mag der folgende Erguß des „We n d elstetu »" dienen: „Sieht man sich die ellenlange Liste der Besuche, Be sprechungen und Empfänge an, welche unser Minister Frhr. v. Podewils seit seinem Aufenthalt in Berlin schon durchgemächt hat und noch wird durchmachen müssen, so berührt es beinahe mehr noch als erbitternd, wenn man eine „Natio nale (I) Zeitung" und „Berliner Nachrichten"(l) immer und immer wieder versichern läßt, daß Frhr. v. Podewils die Ber liner Herren des öfteren bei seinen Besuchen versichert hat, cS herrsche in München keine Verstimmung gegen Berlin. Nun, fürs erste schreiben die citierten Blätter ohnehin, sie hätten er fahren, also bloß privates Zeug und kein offizieller Auftrag — und fürs zweite lehrt die Erfahrung, daß je wichtiger und in haltsschwerer und diffiziler Verhandlungen zwischen Staats männern zu sein pflegen, desto kräftiger gewiste Dementier maschinen zu arbeiten pflegen. Also hat man im vorliegenden Fall das Anrecht auf den Rückschluß, daß in der Tatz. Zt. sehrviellos sein muß zwischen Ber- lin und München. Auch die überaus zuvorkommende Be handlung unseres Frhrn. v. Podewils durch die Berliner Staatsmänner gibt ein gewisses Recht, sich etwas zu denken. Will man mit guten Worten und tiefsten Verbeugungen von Bayern wieder etwas holenl... Bismarck be antwortete einmal einen diplomatischen Vortrag bei Tisch und als der Vortragende zu Rußland kam, bemerkte der Eiserne ganz kalt und kurz: „Rußland muß einfach nachgeben". ES scheint so etwa-Aehnliches, wie Bayern muß einfach nachgeben, in Ber lin schon auf einer gewissen Tagesordnung zu ste h e n." Die Befähigung des Autors der vorstehenden Hetzerei, in politischen Dingen mitzureden, geht schon aus der Unbeholfenheit setnerAusdruckSiveise und aus der Tatsache hervor, daß er zwei bekannte Berliner Zeitungen un richtig benennt. Aber was tut dergleichen gegenüber dem „patriotischen" Publikum Oberbayerns! Und waS tut das gegenüber der französischen Presse, die eben erst durch die Verbreitung der handgreiflichen Erfindungen eines Würzburger Blattes bewiesen hat, daß ihr jeder klerikale Hetzapostel in Bayern ein willkommener Ver bündeter ist! Internationale Agitationen. Aus Nom wird uns geschrieben: In gewißen diplo matischen Kreisen bestärkt sich die Annahme, daß gegen wärtig die Agitationen im Südosten Europas nach ein heitlichem Plane und in größerem Umfange fortschreiten. In Nom wurde dieser Tage im Hadrians Theater eine große Versammlung zu Gunsten der „Armenier und Makedonier" abgehalten, welche den Charakter dieser Agitation ziemlich deutlich erkennen ließ. AuS Paris war Anatole France als Redner ver- schrieben, welcher den Sultan und die untätige euro päische Diplomatie angriff. Es waren außerdem bekannte Wortführer der Armenier, der Jungtürken, der Alba- nesen und der italienischen Irredentisten an wesend. Jedes Wort, das für die Armenier und gegen den Sultan gesprochen wurde, enthielt in Wahrheit einen Borwurf gegen Rußland und den Zaren, zugleich aber auch «ine Ermunterung der russischen Panslawisten, Ruß land zu einem tatkräftigen Einschreiten zu veranlaßen. Was über Makedonien gesagt wurde, bezog sich ausschließ, lich auf Albanien; denn dieser Teil der Reden hatte nur den Zweck, die vermeintlichen Ansprüche Italien» auf das östliche Küstenland de» Adriatischen Meeres in den Vordergrund zu stellens. Dabei wurden natürlich auch Triest und Trient erwähnt, und die Anspielung darauf, daß künftig die Habria wieder ein „italienischer Binnensee" werden müsse, rief wilde Ausbrliche der Be geisterung hervor. — Der Letter dieser Versammlung war der unvermeidliche Menotti Garibaldi, der jedoch einflußreiche Hintermänner hat. Zugleich aber ist Garibaldi auch der Leiter aller studentischen und son stigen Agitationen, betreffend die Forderung einer italie nischen Universität in Oesterreich. Diese Agitation ist viel tiefer gehend, als er äußerlich den Anschein hat. Ein vertrauliches Rundschreiben dcS studen tischen Nationalcomttes weist darauf hin, daß nicht nur die nationalen Fragen der Balkanhalbinsel, sondern auch Oesterreich-UngarnS in Fluß gekommen seien. Ebenso wie die makedonische und die albanesische Bewegung nicht wieder zur Ruhe kommen würden, ohne eine befriedigende Lösung zu finden, so werde sich auch die kroatische Bewegung iw Ungarn und Oesterreich fortsetzen, bis die ganze habsburgische Monarchie in Flammen stehe. Die italienische Jugend solle sich deshalb schon jetzt auf den Entscheidungskampf vor bereiten, besten AuSgang nur die „Befreiung der un erlösten Brüder in Tirol, Istrien und Dalmatien" sein könne. — Daß diese Agitation den vollen Beifall aller Dreibundgegner innerhalb und außerhalb Ita lien» findet, ist leicht begreiflich. Ein neuer Zugang zum Schwarze« Meere. Aus Sofia, 1. Juni wird uns» berichtet: Gestern fand die feierliche Einweihung de- Hafens von Burgas in Anwesenheit des Für st en Ferdinand statt. Bei dem auS diesem Anlaß veranstalteten Festmahl hielt der Fürst eine Rede, in der er, zunächst in bulgarischer Sprache, auf die große Bedeutung des HafenS für die wirt schaftliche Entwicklung Bulgarien» hinwieS, LaS sich damit den älteren und begünstigteren Nationen näher«. Bulgarien öffne weit seine Tore, um mit allen Völkern in Beziehung zu treten, und bemühe sich, indem e» deren Unterstützung suche, ein mächtiger Faktor des Orients zu werden. Ein treuer Kämpfer de» Frie dens, sei Bulgarien glücklich, den anderen Nationen eine neue Stätte der Eintracht und ein mächtige» Mittel für da» Gedeihen der ganzen Menschheit zu sein. Französisch fortfahrend er klärte der Fürst, er sehe in der Festlichkeit di« teilweise Ver wirklichung seines Programms, besten Grundlage der Friede und der Fortschritt seien. Sodann dankte der Fürst den diplo matischen Vertretern und den Kommandanten der zur Be- zeigung internationaler Sympathie in den bulgarischen Ge wässern anwesenden fremden Schiffe für ihr Erscheinen, und schloß: Das geschaffene Werk eröffnet einen neuen, dem euro päischen Handel gastfreundlichen Zugang zum Schwarzen Meere und macht sowohl dem Genie der französischen Ingenieure als auch dem ausdauernden Eifer der jungen bulgarischen In genieure Ehre. Der Hafen von BurgaS, der durch ein Decennium, von 1893 bis 1903, von einer aus Bulgaren und Aus ländern bestehenden Aktiengesellschaft unter der Leitung der französischen Ingenieure Batignol und Mario Jona gebaut wurde, ist nun nach Odessa einer der größten Häfen de» Schwarzen Meeres. I« Nigeria ist wieder eine Revolte auSgebrochen. AuS Lokoja brachte ein Speztaltelegramm de» „Bureau Reuter" die über raschende Mitteilung, baß e» dem Sultan von Sokoto, de» von den Engländern vor kurzem abgesetzt wurde, ge lungen ist, wieder eine ziemlich starke Gefolgschaft ans den Provinzen Kano und Aaria zu sammeln. Man glaubt, daß sich dies nur daraus erklären läßt, daß die alte Fahne des Othman Dan Fodio, des Gründers -es Sokoto. reiches, wieder in den Besitz des SultanS kam. Um diese Fahne entbrannte bei der Erstürmung der Stabt Sokoto durch die Engländer ein heißer Kampf. Die fanatischen Verteidiger fielen bis auf den letzten Mann. Bei der Verfolgung des Heeres des Sultans hatten jedoch die Eng. ländcr vergessen, die eroberte Fahne mitzunehmen, unv als sic nachträglich nach der Fahne schickten, war dieselbe verschwunden. Ein Privatschreiben aus Nigeria .ließ gleich erkennen, wie bedauerlich der Verlust der Fahne sei, es hieß nämlich in diesem Schreiben: „Die Engländer vergaßen, die Flagge mitzunehmcn, daS einzige, was sie mitnehmen mußten, und kein Mensch weiß, wohin sie ge- kommen ist. Es ist möglich, daß sie zum Sammelpunkt für die Revolutionären wird, und man wird jedenfalls ver- suchen, es als ein Wunder zu bezeichnen, baß man wieder in ihren Besitz gelangte." — Die Annahme des Brief, schreibers hat sich vollständig bestätigt. Die Eingeborenen scharen sich wieder um das alte Banner der Sultane von Sokoto und der Ersultan hat den Guerillakrieg eröffnet. Es ist bereits zu einem heftigen Gefecht gekommen, bei dem Frrrilletsn. — 3' Mr. Trunnell. Leeroman von I. Hains. Nachdruck verdaten. Noch einmal preßte ich meine Finger verzwetflungs- voll um sein Handgelenk, bann aber riß er sich los, und schon glaubte ich den Stoß des Messers in meinem Fleische zu spüren, da fühlte ich mich plötzlich umfaßt und mit unwiderstehlicher Gewalt gegen meinen Feind gedrückt. Sein Gesicht berührte das meine, seine Arme waren gefangen und machtlos, und nun merkte ich, batz uns beide die langen Gorillaarme Mr. TrunellS um schlungen hielten. Es war erstaunlich, mit welchem Eisengriff der kleine Mann uns umklammert«. Er stand mit weit gespreizten Beinen und preßte un» dermaßen aneinander, daß mir beinahe der Atem verging, und dabei rief er aus voller Lunge nach jemand, der kommen und meinen Widersacher binden sollte. Er brauchte nicht lange zu rufen, denn schon kam ein Mann in Eile achteraus gelaufen und urnschlang mit raschen Griffen den Kerl mit einer Leine. ES war der junge Gesell, den ich am Morgen so hart angefahren hatte, weil er nichts von der Seemannschaft verstand. Jetzt erkannte ich, daß man sich trotz alledem auf ihn ver- lasten konnte. Er festeste meinen Feinst schnell und gründlich, wenn seine Knoten auch nicht so ausfielen, wie ein Seemannsauge sie gern steht. Ich entwand der Faust de» mordlustigen Fremden das Mester und sagte dann, tief aufatmend, zu dem jungen Mann: „Das habt Ihr brav gemacht, Freund, sehr brav. Ihr seid ein tüchtiger Kerl, wenn Ihr auch bis jetzt die Großraa noch nicht von einem Brastenblock unterscheiden könnt. Zurrt dem da noch die Beine zusammen, und wenn er da» Fluchen nicht läßt, dann stopft ihm einen Schwabber in den Mund." „Hast", nahm Trunnell da» Wort, al» der Schwabber herveigebracht wurde, „da» unterlaßt nur. Wenn Sie aber nicht bald den Mund halten, Kapitän Andrew», bann sind wir allerdings genötigt, wirksame Maßregeln zu ergreifen." Damit warf er seine riesigen Schultern zurück und blickte ruhig auf den an Deck Liegenden nieder, dem vor ohnmächtiger Wut der Schaum auf den Lippen stand. Erstaunt horchte ich auf. „Wiel" rief ich. „Dies ist also der Bandit, der wegen Mordes inS Gefängnis gebracht wurde? Er ist ausgebrochen und hat sich heimlich an Bord geschlichen! ES bleibt uns nichts übrig, alö zu halsen, zurückzulaufen und den Verbrecher wieder der Polizei auszuliefern." Ich keuchte noch immer von der gehabten An- strengung und lehnte, um mich zu erholen, am Deck- Hause. Trunnell und Jim — so hieß der junge Mann, der Andrew» gebunden hatte — standen noch immer neben diesem, offenbar unschlüssig, was zu beginnen sei. DaS Gepolter des Kampfes und die nachfolgenden lauten Reden hatten den Kapitän aus dem Schlafe ge- weckt; er tauchte aus der Kampanjeluk auf, kam langsam über das Quarterdeck bis an die Brüstung, setzte den Fuß auf das niedrige Geländer und hustete kurz und leise. „Denke", begann er schleppend und nachlässig, „denke, 'S ist gar nicht nötig, zu halsen un- umzukehren. Ein Paar Eisen tun'S auch! Legen Ste ihm die Schellen an, Mr. Rolling, an Händen und Füßen, und dann schließen Sie ihn an einen Ringbolzen fest, da vorn an Deck. Un- wenn er mit dem Geschimpfe nicht aufhört, bann rammen Ste ihm eine Hanbspctche ins Maul; wollen 'mal sehen, ob er darauf beißt." Andrew starrte zu ihm empor mit Augen, die au» ihren Höhlen zu quellen schienen. « „ „ „Was will der Krummschnabel hier an Bord?" brüllte er. „Wohin ist'S mit meinem Schiff gekommen, Trunnell, wenn solch ein habichtSnasiger Idiot auf meinem Quarterdeck stehen und so zu mir reden darf?" „Da» ist Kapitän Thompson, unser neuer Skipper", sagte der Obersteuermann. „Wir mußten doch jemand haben, der hier kommandiert, denn Sic waren doch nicht vorhanden, weil — na, Sie misten ja, wegen des Vor falles während der letzten Fahrt. Wir hatten wirklich nicht mehr auf Ste gerechnet." „Ich bin aber nun doch wieder hier, wie Sie sehen", schrie Andrews wütend. „Sind Ihr« Borsten schon nach innen in» Gehirn gewachsen, baß Sie nicht mehr wissen, «er hier an Bord zu kommandieren hat? Und »er ist der lange Tagedieb da, aus dem ich Riemen geschnitten hätte, wenn Sie nicht dazwischen gekommen wären? Wegen dieser Unverschämtheit rechne ich mit Ihnen noch ab, Sie kelphaariges Seeschwetn! *) Ich hätte nie ge glaubt, daß Sie gegen mich meutern würden!" Jetzt erhob Jim seine Stimme. ,M)äre es nicht doch da» Beste", sagte er, „mnzukehren und in den Hafen zurückzusegeln?" Er hielt dabei den Blick scharf auf Kapitän Thompson gerichtet. „Behaltet Eure Weisheit für Euch, junger Mensch, bis man Euch fragt", entgegnete der Skipper, sich über die Brüstung lehnend. „Wenn Ordres zu geben sind, dann bin ich dazu da." Er redete ruhig und nachlässig, seine glitzernden Augen aber waren dabei durchbohrend aus den vor lauten Sprecher gerichtet. „Binden Die mich lo», Trunnell", fing Andrews wieder an. „Ich muß den Kerl kalt machen, den Sie sich als Zweiten aufgehalst haben; je «her bas besorgt ist, je bester. Hernach stellen wir fest, wer hier Kapitän an Bord ist." Mr. Trunnell kratzte sich den Kopf, als wär« er völlig ratlos. „Ich höre wohl, wa» Sie sagen, Keppen Andrew», und ich verstehe Sie auch ganz gut" entgegnete er; „aber mir ist nicht klar, aus welchem Grunde Sie hier noch Autorität beanspruchen. Wäre mir das klar, dann würde ich Sie sofort loSbtnden, ohne nach irgend jemandes Einspruch zu fragen, und Sie könnten meinetwegen hauen, schneiden uttd stechen, soviel e» Ihnen beliebte. Wenn Sie noch mit Fug und Recht unser Skipper wären, so stände ich unbedingt zu Ihrer Verfügung, da» wissen Sie. Unser rechtmäßiger Skipper aber ist während dieser Reise kein anderer, als Kapitän Thompson; dem muß ich gehorchen. Ich habe noch nie den Gehorsam verweigert, und da» wird auch niemals geschehen. Wer mir befiehlt, das ist mir gleich, so lange einer da» Recht dazu hat/ „Bravo, Mr. Trunnell" sagte der auf dem Quarter- deck stehende Kapitän mit scharfer Stimme. „Sie haben gesprochen, wie «S einem rechten Seemann« gebührt." Darauf holte er mit der Linken seine Taschenuhr und mit der Rechten einen langen Revolver hervor, deflen Kelp ist «in« G««tangart. Schloß man knacken hörte, als er ihn auf Andrews richtete. „Sie haben gerade einige Sekunden weniger als eine Minute Zeit, den Kerl nach vorn zu schaffen", sagte er langsam, als zähle er jede» Wort. Ich rührte mich nicht; mir wäre e- In jenem Augenblick ganz recht gewesen, wenn «r den Banditen zur Zielscheibe seiner Kugeln gemacht hätte. Aber Trunnell und Jim sprangen sofort zu und packten Andrews, der eine Flut von Schmähungen gegen den Schiffer loSlteß und ihn höhnisch auffordertc, nur immer zu schießen. Er ritz und zerrte wie rasend an seinen Banden, der kleine Steuer mann aber nahm ihn wie ein Bündel unter den Arm, Jim faßte seine Beine, und so schleppten sie ihn durch den gaffenden Haufen der Matrosen nach vorn. Dritte» Kapitel. ES währte noch eine kleine Weile, bis ich mich von meiner Erschöpfung erholt und einen Schnitt verbunden hatte, den Andrews Mester mir an der Han- beigebracht. Dann schlug es acht Glasen — zwölf Uhr mittags — und der Steward trug die Speisen in die Kajüte. Der Schiffer ging unter Deck und Trunnell und ich folgten ihm. Kapitän Thompson nahm am oberen Ende der Tafel Platz und auf ein Zeichen von ihm setzten auch wir uns nieder. Da fiel mir plötzlich eiu, daß ich hier nur zweiter Steuermann sei, und als solcher nicht mit an der Kapi tänstafel sitzen durfte. Trunnell bemerkte mein Zögern wohl, sagte jedoch nichts; der Schiffer wachte sich sogleich über die Speisen her und schien meine Gegenwart ganz vergessen zu haben. Mit einer hastigen Entschuldigung erhob ich mich wieder und eilte die Kampanjetreppe hinauf an Deck; Trunnell lächelte und nickte mir beifällig zu. Dies« »arte Andeu tung gefiel mir von ihm; die meisten andern Oberstcucr- lcute hätten solch einen Verstoß durch hämische oder grobe Redensarten gerügt. Ich ersah daraus, daß der kleine Niese mich nicht nur vor dem Mester eines Mord- buben zu bewahren vermochte, sondern dah er stch auch wie «in höflicher Mann betragen konnte. Ich empfand auf einmal eine lebhafte Zuneigung für ihn, und da das Obcrlichtfenster der Kajüte aufgeklappt war um der frischen Lust Zutritt zu gewähren, so trat ich näher und schaut« hinunter auf LaS buschig«, über da» unsaubere Tischtuch gebeugt« Haupt. Der Tteward setzt»
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