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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020705019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-05
- Monat1902-07
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Anzeigen »PreiS die 6 gespaltene Pentzeile LS Reklamen unter demR^acttoa-strtch (4 grspalteu) 78 vor den tzamtltemrach» richte» (ü gespalten) KV Dabellarischer und Ztfferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme Lü H (rxcl. Porto). Ertro-lvetlagen (gefalzt), »ur mit de. Morgen-Au-gabe, »hu» Postbesörderung SV.—, mit Postbesörderung 70.—. ^nuahmrschluß für Älyeizeu: Abeud-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morg«u-A«-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. „zeige» sind stet« au dtt Expedition zu richte». D'e LrpedMou ist WocheataaS uuuuterbrochev geöffnet vou früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag vou G. Polz t» Leipzig. Nr. 338 Sonnabend den 5. Juli 1902. 96. Jahrgang. Die Dmrrde König Georg's. b Dresden, 4. Juli. (Telegramm.) Die feierliche Eröffnung des Landtages fand heute Nachmittag 5 Uhr in dem Throusaale deö königlichen Schlosse- statt. Die Minister, mit Ausnahme deü erkrankten KriegSministcrS Edler v. d. Planitz, da- diplomatische CorpS, die Gene ralität und die Mitglieder beider Ständekammern waren bei der Eröffnung zugegen. Als der König, um geben von dem Kronprinzen und dem Prinzen Johann Georg, im Thronsaale erschienen, brachte der Präsident der Ersten Ständekammer, I)r. Graf v. Könneritz, ein drei- meckigeS Hoch auf den König aus, in das die Versamm lung begeistert einstimmte. Der König bestieg den Thron, begrüßte die Versammlung und ließ sich, daS Haupt mit dem Helme bedeckend, aut dem Thronsefsel nieder. Der König verlas mit fester Stimme folgende Thronrede: Meine Herren Stände! „Im tiefsten Schmerzgefühle sehe Ich Sie heute da erste Mal um Mich versammelt, nachdem der unerforsch- liche Rathschluß Gottes dem Lande seinen beste», edelste» Fürsten, Mir den treuesten Freund und Bruder ent rissen hat. Konnte mir in dieser erschütternden Heim suchung etwas Trost und Beruhigung gewähren, so waren eS die Kundgebungen aufrichtiger Trauer, die in allen Classen des Volkes, in allen Theilen des Lande- zum Auödrucke gelangt sind, so waren eS die Beweise treuer Anhänglichkeit an Mein HauS und ver trauensvollen Entgegenkommen-, di« Mir bei diesem An laß in so wohlthuender Weise entgegengebracht worden sind, wofür auch an dieser Stelle den ttefstem-fundcncn Tank zu erkennen zu geben, Mir besondere- Bedürfniß ist. Wie Ich eS bereit- dem Lande und dem Volke gegen über ausgesprochen habe, ist eS Mein ernster Wille, tm Sinne de« Verewigten die Regierung zu führe» und seine Schöpfungen mit sorgsamer Hand zu pflegen und zu erhalten. Nicht besser können wir sein Andenken feiern, als wenn wir in seinem Geiste fortwirkcn und auf dem Grunde fortbauen, den er gelegt hat. Es sind nicht die gewöhnlichen Aufgaben der Tätig keit der Stände, wie sie der Gang unseres öffentlichen Lebens in periodischer Wiederkehr darbietet, zu deren Erledigung Sie heute hier zusammentreten. Ich habe Sie vielmehr hierher berufen, um in Nachgehung der Bestimmung von Paragraph 115, Absatz 2 der Ver fassungsurkunde über die nach Paragraph 22, Absatz 2 dieser Urkunde im Falle eine- Regierungswechsels erfor derliche anderweite Festsetzung der Civilliste, sowie über einige in diesem Falle nothwcndig werdende Aenderungen in den Apanagen und anderen Gebührnifsen einzelner Glieder Meines Hauses mit Meiner Regierung eine Vereinbarung zu treffen. Die zu diesem Ende Ihnen zu machenden Vorlagen befinden sich bereits in Ihren Händen und sehe Ich Ihrer daraus zu fassenden vcrfassungSmLßigen Entschließung entgegen. Da Sie nun erst vor wenigen Wochen Ihre regel mäßige Tagung beschlossen haben und weitere Regierungs geschäfte, die Ihre Mitwirkung erheischen, zur Zeit nicht vorliegen, gebe Ich Mich der Hoffnung hin, daß Ihre jetzige außerordentliche Zusammenkunft Sie nur kurze Zeit hier festhalten wird und daß Sie bald zu Ihren heimischen Herden werden zurückkehren können. Meine Herren Stände! Wenn Wir auch in Zu kunft mit vereinten Kräften nach dem gleichen Ziele streben, so wird daS thrure Kleinod gegenseitigen Vertrauens zwischen Fürst und Volk, daS den schönsten Schmuck der Regierung dcS unvergeßlichen Königs Albert bildete, auch fernerhin unverkümmert bieiben." Staat-Minister v. Metzsch erklärte dann aus Befehl de- Köniz-den Landtag für eröffnet. Der König erhob sich darauf von dem Thron, entblößte sein Haupt und ver ließ, die Versammlung begrüßend, den Thronsaal. Hierbei brachte der Präsident der Zweiten Ständekammer, Geh. Hofrath Or. Mehnert, ein nochmaliges Hoch auf den König aus. „Vom Reichskanzler Fürsten von Hohenlohe". Aus den Erinnerungen von vr. Otto Frhrn. v. Völ - dern dorff (Beilage Nr. 148 zur Münchener „Allgem. Zeitung"» theilen wir heute den wichtigsten Abschnitt deS IV. Thetles mit: Die Ansichten des Fürsten von Hohenlohe über das UnfehlbarkeitS- dogma und seine Stellungnahme dazu: Es war an einem stürmischen Novemberabend 1868, der Fürst hatte mich zum Mittagessen eingeladen und wir tranken, wie üblich, den Kaffee im sogenannten Kaminztmmer. Dasselbe liegt zu ebener Erde des in der Briennerstraßc zu München befindlichen PalatS; in ihm hängt eine Copie des Lieblingsbtldes des Fürsten, der sogenannten Madonna del Rosario von Sassoferrato, welche ihm sein Bruder, der Cardinal, zum Geschenk gemacht. Nachdenklicher, als gewöhnlich, rauchte der Fürst seine Cigaretten; er ließ öfters das Auge sinnend auf dem Bilde des altitalienischen Malers ruhen, und plötzlich, mich scharf anblickend, sagte er: „Nachdem nun. mehr mein Entschluß gereift ist, will ich Ihnen, lieber Völ^erndorff, kein Geheimnitz daraus machen, Ich halte es für meine Pflicht, als oberster Lester des führenden katholischen Staates in Deutschland meine warnende Stimme zu erheben. Sie wissen, daß im verflossenen Sommer Papst Pius auf deirA. Deccmber 1869 ein Concil nach Rom berufen hat, auf welchem die Unfehlbarkeit dcS Papstes, wenn er ex eaikeära spricht, zum Dogma er hoben werden soll. Sie sind Protestant, was denken Sie davon?" Ich konnte eS nicht sehen, wenn der Fürst — wie dies offenbar der Fall war — in bekümmerter Stimmung sich befand. Deshalb erwiderte ich vor Allem lals „harmloser Plauderer"): „Durchlaucht, wenn ich Katholik wäre, würde ich natürlich Feuer und Flamme für das neue Dogma sein." (Der Fürst schüttelte sehr erstaunt den Kopf.) „Denn dann" — setzte ich bei — „müßte ich ja auch glauben, daß der Papst als Stellver- treter Gottes aus Erden die unbedingte Macht hat, auch mit Wirksamkeit für das Jenseits zu bilden und zu lösen. Und ich würde mich höflich bedanken, wenn ich, in der Hölle brennend, hören würde: Ach, das ist schade, das war ein Irrthum, Du hättest in den Himmel ge hört. Aber jetzt ist nichts mehr an der Entscheidung zu ändern. Was er einmal gebunden hat, das bleibt ge bunden. Nein, unter solchen Umständen wäre mir die Unfehlbarkeit des Papstes ein wahrer Trost." Mein Zweck war erreicht, der Fürst lachte herzlich. Dann fuhr ich fort: „Entschuldigen Sie, Durchlaucht, diesen ExcurS. Aber nun ernsthaft. Ich begreife vollständig - Ihre Sorge. Zwar heißt eS jetzt: die Unfehlbarkeit erstreckt sich nur auf die Glaubens- und Sittenlehre, aber unter diese letztere Kategorie läßt sich ja Alles ein reihen, die Uebcrgriffe in das politische Gebiet ergeben sich damit von selbst." „Ich freue mich", sagte der Fürst, „daß wir auch über diese wichtige Frage derselben Meinung sind." „Bitte, Durchlaucht", — schaltete ich rasch ein —, „ckistinKuonckum ost hieß es bei den alte»» Glossa- toren. Ob gerade Sie vorgehen sollen, darüber bin ich sehr zweifelhaft. Schon hat der Schulgesetzentwurf das böseste Blut gemacht, erponiren Sie sich noch weiter, so weiß ich nicht, ob Sie dem Sturme gewachsen sind." Da sprach der Fürst die denkwürdigen Worte: „Mein lieber Baron Völderndorff, ob ich von meinem jetzigen Posten gestürzt werde oder nicht, darjin liegt gar nichts. Deutschland wird auch ohne mich einig werden, das besorgt der Norden und Graf Bismarck. Aber um die katholische Kirche gegen die Jesuiten und ihre den Katholizismus, dem ich treu anhängc, schädigenden Pläne zu verthcidigen, dazu gehört ein Katholik, das können die Protestanten nicht. Wenn ich, der Bruder eines Kardinals, meine Stimme erhebe, wird wohl Niemand sagen können, daß cs ein Feind des Papstthums sei, der spricht." Es vergingen einige Monate, bevor ich das Cvnccpt -er berühmten Depesche (bezüglich des Unfehlbarkeits dogmas) zu lesen bekam. Vcrmuthlich besprach sich der Fürst mit theologischen Autoritäten über den Inhalt, ich erhielt von diesem erst nach der Fertigstellung Kennt- niß. Das war, meine ich, Ende März 1869. Das Concept, vom Fürsten eigenhändig geschrieben, wurde mir, nach Genehmigung des Königs, als „sekret" zur wetteren Behandlung übergeben. Ich ließ es von einem ganz zuverlässigen Sekretär in meinem Bureau mit chemischer Tinte ins Reine schreiben, stand dann persönlich dabei, als diese Reinschrift auf ber» Stein übergedruckt und die nöthigen Exemplare abgezogen wurden, nahm jeden Probedruck, sowie den Karton, mit welchem die Blätter bedeckt wurden, und auf welchem hier und da Spuren des Abdrucks zurückbletben, an mich und verließ das Local nicht, bevor die Steine völlig abgeschliffen waren. Ich war bestrebt, durch solche Vorsichtsmaßregeln den Wind, welcher geheim zu haltende Blätter „auf die Redactionstische weht", abzu halten. Aber es ist mir demungeachtet manche Indis kretion begegnet, und auch das von mir so sorgfältig behandelte Document, welches geheim bleiben sollte, ist wider unser Wollen und ohne unser Wissen in der Berliner Nattouastcitung veröffentlicht worden. Nach- d-m aus den einzelnen Abdruck die Specialitären (Adresse, Anredctitel u. s. w.) von dem obengenannten Sekretär eingesetzt waren, begab ich mich zum Fürsten und erholte dessen Unterschrift. Er las die Depesche noch einmal durch, unterzeichnete sie und zündete sich, während ich die Blätter zusammcnnahm, eine Cigarette an, was stets ein Zeichen war, daß er lebhaft innerlich erregt sei. „Durchlaucht", — sagte ich, indem ich das Packet in der Hand wog —, „das ist ein weltgeschichtlicher Moment." Einen Augenblick schwieg der Fürst, dann sagte er, die Cigarette in den Aschenbecher werfend und aufstehend, „ich fürchte nein. Ja, wenn »nein Signalruf beachtet und die Regierungen sich einigen würden, dann könnte ein Wendepunkt in dem Kampfe gegen die Je suiten cintretcn und viel spätes Nebel verhindert werden. Aber Sie werden sehen, ich bleibe allein." Und so war es. Von Frankreich und von Oesterreich war von vorn, herein keine günstige Antwort zu gewärtigen. Bon ersterem Staate wegen des mächtig auf die Kaiserin wirkenden klerikaler» Einflußes, vor» Seite des Grafen Beust aber aus persönlichen» Neide; dem bayerischen Minister in einer so wichtigen Sache die Initiative zu lassen, hätte der kleine Geist, der damals die Geschicke des Kaiserreiches lenkte, nie über das Herz gebracht. ,Hörer» Sie nur", sagte mir der Kürst am 19. Mat Abends, „wie mein Gönner Beust mir das Pensum corrigirt." (Dabei gab er mir die soeben eingegangene österreichische Antwortsdepesche vom 15. Mai zürn Dnrchleseu.) „Ich sei viel zu voreilig, meint er, über den Verlauf des Concils ließen sich zur Zeit noch keine verlässigen Bermuthungen aufstellen. Es sei gefähr lich, den Schein zu erwecken, als ob der Staat sich in dogmatisches Gebiet cinrnischcn wolle." „Natürlich", schaltete ich ein, „glaubt mein Herr Vetter (Graf Beust war ganz weitläufig »nit unserer Familie verschwägert» von all' dem selbst kein Wort. Er weiß ebenso gut wie wir, um was eS sich in Rom handelt und was ge plant wird." „Das bin ich ebenfalls überzeugt", meinte der Fürst, „aber sieht der so scharfe Kopf die Trag weite des neue»» Dogmas nicht, oder will er sie nicht sehen?" „Keines von beiden, Durchlaucht", erwiderte ich, „ich kenne ja den Herrn von seiner Jugendzeit her, so weit denkt er gar nicht, dazu ist er viel zu frivol. Vorerst genügt es ihm, Ihnen einen Tort zu spielen. Das Weitere findet sich." „Nun, ja", schloß der Fürst das Gespräch, „mein theurer Freund Varnbüler" — dabet zog er die württembergische Antwort herbei — „findet ja auch, daß keine genügenden Anbaltspuncte gegeben seien, um anzunehmen, ii» Rom beständen die in der bayerischen ConctlSdepcsche angedcuteten Ab sichten." Es kam nun Alles darauf an, wie der große nord deutsche Kanzler sich zu der Sache stellen werde. Wir hatten, wie schon oben erwähnt, geringe Hoffnungen, denn wir wußten, wie irrig man in Berlin über die Macht der katholischen Kirche dachte, und Kürst Hohen lohe kannte überdies den damaligen Vertreter des Norddeutschen Bundes in Rom, der» Grafen Arnim, -er ein sehr geistreicher und talentvoller Diplomat, aber ein oberflächlicher und ein von seiner eigenen „Unfehlbarkeit" völlig überzeugter Staatsmann war. Es rvar uns bekannt, daß diesem die Circulardepesche zur Aeußerung zugegangen war, und der Fürst hatte auch von Rom aus eine Mittheilung über den Inhalt des Arntm'schen Gutachtens vom 14. Mai. ,Z>ören Sie nur", sagte er mir, „es ist noch schlimmer ausgefallen, als ich dachte. Graf Arnim taxirt die ganze Frage über die Proclamirung der päpstlichen Unfehlbarkeit für einen leerer» Wortstreit, welcher nur für das aus Verstimmung herrührende Schwarzsehen Döllinger's eine Gefahr für den Staat in sich berge. Wie wenig versteht doch dieser glatte Diplomat jenen großen Mann. Und denken Sie", fuhr der Fürst, die Depesche weiter vorlescnb, fort, „welchen geistreichen Vorschlag Arnim maMt! Preußen soll „Oratoros' in das Concil abordnen, schönredendc Laien!" „Nun", schaltete ich ein, „die werde»» viel ausrichten bet den verschiedenen Erzbischöfen und Bischöfen in partibun. Warum nicht von der Kurie verlangen, daß jeder Würdenträger nur so viele Stimmen habe, als Katholiken in seiner Diöcese vorhanden sind." „Sehen Sie", sagte der Fürst lächelnd, „da läßt Sic doch der „Protestant" sitzen. Wissen Sie denn nicht, daß nach römischer Lehre jeder Geborene sofort „von Rechtswegen" zur katholische»» Kirche gehört, und wenn er faktisch nicht als Kathol" lebt, er ein Abtrünniger ist. Es kommt also nur auf die Zahl der Seelen an, die in einer Diöcese in partlkus vorhanden sind, der Bischof vertritt alle, gläubige und ungläubige. Aber, um ernsthaft zu sprechen, nut de»» „Orators" ist es nichts. Wie wäre cs aber, wenn ich die deutschen Negierungen zur Ein holung eines Gutachtens der Universitäten (theologische »vie juristische Facultätcn) veranlassen würde?" „Das könnte nichts schaden", meinte ich; aber auch diese (m^ Circulardcpeschc von» 28. Juni versuchte) Anregung blieb erfolglos. Man kann nicht sagen, daß Graf Bismarck in der Concilsfrage eine dem Fürsten Hohenlohe entgegen gesetzte Politik befolgt habe. Im Gegenthcil, cs wur den ja (vergleiche die Dcvcschc vorn 26. Mai) Verhand lungen vorgcschlagen: „um der Kurie gemeinsam be merklich zu machen, daß, wenn man auch der Kirche in kirchlichen Dinge»» völlige Freiheit lassen werde, doch jeder Uebcrgriff auf das staatliche Gebiet entschiede»» abgewchrt werden würde." Der Fehler lag also nur darin, daß der norddeutsche Kanzler als Protestant nicht in Erwägung nahm, wie verschwommen für einen Der Zwischenfall. Eine Abreise-Humoreske von Paul A. Kirsi ein. NiachdruL ver» o»eu. Es war noch lange Zeit vor jenem Tage, an dem mar» wirklich an die Abreise denken konnte — so ungefähr gleich nach den verregneten Pfingstfeiertagen —, als Herr Wil helm Stäblein zum ersten Mal wieder: „Meine liebe Bertha" zu seiner Frau sagte. Und das hatte immer einen Haken. Abgesehen davon, daß er kein Mann der vielen Worte war, nannte er ge- wohnheitsgemäß seine Gattin „Bertheken" oder einfach unter Ausruf ihrer höchsten Würde „Mutter". Beides zwar keine Titel, die dem geistigen Strebe»» der Frau Stäblein Genüge thaten, aber doch beide mit jener kosen den Zärtlichkeit umwoben, die Liebe und Behaglichkeit zu documenttren Pflegen. Deshalb nahm sie Frau Stäblcin willig hin, deshalb gebrauchte Herr Stäblcin sie auch als glücklicher und zufriedener Ehemann. Schwang er sich aber zu diesen durchaus inhaltsreichen Worten auf, so geschah es gewiß, weil er unter Ver meidung des gewöhnlichen Umgangstones, unter Zusam menfassung aller seiner geistigen Fähigkeiten etwas sagen wollte, was schwer und gewichtig in die Waagschale fallen mußte. Und das war damals, nach jenen verregneten Psingst. feiertagen, unbedingt nöthig. Denn wie der Mensch — Gott sei Dank! — nach einer verlorenen Hoffnung in neuen Plänen und Entwürfen wieder auslebt und sich stärkt, so hatte auch die Familie Stäblein, Vater, Mutter, Sohn und Tochter, sich damals für das zerstörte Fest ge- tröstet, indem sie an die sommerliche Reise zu denken Kegann. Solche Gedanken haben entschieden etwas Bezwingen des an sich, um so mehr, wenn der Tag der Erfüllung noch in recht weitem Felde liegt. Die ungeheuerlichsten Wünsche kann mar» dann zu festenPlänen gestalten, ohne dieAussicht zu haben, schließlich eine richtige Enttäuschung zu erleiden. Man streicht ja ohnehin von jeder Hoffnung täglich und stündlich ein Bischen ab, und den Reiseplan in langen Wochen enger und enger zu gestalten ... das ist em Kunst stück, das sicher Jeder schon vollbracht hat, den der Himmel nicht mit ungeheuren Schätzen, sondern nur mit regem Arbeitswillen bedacht hat. Manch' Einer berauschte sich anfänglich so an der italienischen Schweiz, und war schließ- lich in der sächsischen recht glücklich und zufrieden. Manch' Einer sah sich schon an der brandenden, wogenden See mit all ihrer Lust und ihrem Zauber — und fand, daß auch der See, den er täglich von seiner Arbeitsstätte aus er reichen konnte, schön und gesundheitbrtngend war. Freilich — als die Familie Stäblein ihre Retsepläne schmiedete, damals gleich nach Pfingsten, hielten sie diese Erwägungen nicht. Sie erwogen nicht einmal, ob e» überhaupt zweckdienlich, nöthig und möglich war für sie, zu reisen. Herr Stäblein, der seit zwanzig Jahre»» Bank buchhalter war, saß vielmehr in der Ecke des alten Sophas, stöhnte zum Gotterbarmen und erklärte es schließ, lich für eine Schlechtigkeit deS Himmel», diese beiden Tage verregnen zu lasten. „Nun kann man richtig bis Weihnachten wieder warten, ehe man mal zwei Tage hintereinander frei hat", schloß er das Erzeugniß seiner pessimistische»» Seele. Seine Seele war immer pessimistisch, wenn sie an» Arbeiten dachte. Nicht etwa au» Faulheit, sondern weil diese stet» gleichartige Thättgkeit wirklich nichts Ber- lockendes hatte. Aber die Gattin fand das erlösende Wort, das ein Hal. bc» Leuchten auf Vtäbletn'» stark umbartete» Antlitz zauberte. „Aber Wilhelm", sagte sie fast vorwurfsvoll, „Dein Ur laub kommt doch! Hast Du den denn vergeßen?" Und Herr Stäblein erhob sich zu voller Höhe: „Richtig, Bertheken — daran habe ich wirklich nicht ge- dacht! Mein Urlaub! Gott — wie kann der Mensch ver geßlich sein!" „Na siehst Du! Was schaden da die zwei Tage!" Er fand zwar, daß sie einem sehr wohl fehlen konnten, aber er sagte nichts. Sein Herz war erfüllt von der muntern Aussicht. Er marschirtc im Zimmer auf und ab, warf die Beine und reckte die Arme. „Und einen ganzen Monat diesmal " „Eine ganzen — Monat? Nicht blos vierzehn Tage?" „Nein, Mutter, nein! Nach zwanzig Jahren hat man immer einen ganzen Monat." „Aber Wilhelm — das ist entzückend!" Nun war es die Frau wieder, die einen kleinen FreudenauSbruch erlitt. „Nicht wahr?" Und Herr Stäblcin stand da, als er nach zweimonatigem Suchen als Einziger einen Fehler tm Hauptbuche entdeckt. War's nicht natürlich, daß die ganze Familie augen blicklich mit dem Schmieden von Reiscplänen begann? Gewiß war's natürlich — und aus den Ecken kroch Walter, ber Sohn, und Eva, die Tochter, und von» ewig zu ordnenden Wäscheschrank kam Bertha, die Mutter, und aus dem Dauerlauf durch'S Zimmer kam Wilhelm, der Vater und Bankbuchhalter, und Alle sammelten sich um de»» runden Tisch und schmiedeten, schmiedeten — als wären sie die Herren der Welt. „Am liebsten möcht' ich ja nach Griechenland", sagte ber Sohn, der Obertertianer war, „da so hin, wo keno- vhon mit seinen 10 000 Griechen war. Da muß c« fein sein!" „Ach, daS olle Griechenland!" warf die Tochter ein, indem sie verächtlich dix Lippen kräuselte. „Damit wird man schon in der Schule genug geplagt. Nee — ich möchte nach Heringsdorf. Da gehe»» die besseren jungen Mädchen alle hin!" „H — ach", hohnlachte der Bruder, „Heringsdorf! Wo nur Kinder sind, wo sie sich Alle wie die Affen anputzen .." Die Streitaxt, die zwischen den Kindern ausgegrabei» werden sollte, riß der Vater mit kühnen» (Yriff hinweg. „Ruhig!" rief er mit gerunzelter Stirn. „Ihr werdet wohl erlauben, daß Eure Eltern bestimmen." Dann schwteg er still, bis wie aus einem schönen Traum heraus seine Gattin plötzlich anfing: „Ich möchte am lieb sten ja rvieder nach Norderney. Weißt Du noch Männ chen, damals — auf unserer Hochzeitsreise .. ." Stäblein streichelte sich den schöne»» Bart. „Ja, damals — da wäre»» die Kinder noch nicht . . ." „Oh — für die ist der Aufenthalt sehr gesund .. ." „Ja", schnatterte Eva, „das hat der Doctor auch gesagt!" Und „Au — die Nordsee! Ja — die möchte ich auch!" rief Walter. Und „Ruhig!" rief wieder der Vater, allein die Stirn runzelte er nicht. Er schüttelte nur den Kopf. „Nein, die Nordsee reizt mich gar nicht." „Oh — sie ist doch aber so schön..." „Ich bitte Dich, Mutter — immer Sand und Strand, und Strand und Sand, und Wasser und Wellen, und Wellen und Master, und immer blos Wind und Wind, kein Baurn, kein Strauch ... wenn ich diesmal fort ¬ gehe ..." er schlug mit den Fingerspitzen auf den Tisch, das heißt nur leise... „dann gebe ich in die Schweiz, und von da aus an die italienischen Seen." Frau Stäbletn lächelte. Na, Wilhelm — Du hast's ja diesmal ordentlich vor!" Das lieb -en Gatten kalt. Er bekräftigte nur noch ein mal: „Die Schweiz und die italienischen Seen. Da» ist da» Richtige. Da» lohnt sich!" Die beide»» Kinder blickten verstohlen die Mutter an. „Aber Man»» — da» ist ja schrecklich tbeuer'"
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