Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020705019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-05
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
47üö römischen Katholiken die Grenze deS kirchlichen und des politischen Gebietes sind, und daß sür den richtigen Ultramvntanen eigentlich nur „kirchliches Gebiet" existirt. Schon der heilige Augustinus lehrt ja, daß das staatliche Gesetz nur so viel Anspruch auf Geltung habe, als mit der Ivx rwtsrna vereinbar sei, und da hier über der Kirche die Auslegung zustehe, somit nur diese die Grenzen zu bestimmen habe, wie weit das kirchliche Gebiet reiche. Ich schließe mit der Erzählung eines Gespräches, welches ich mit -em Fürsten hatte, nachdem der Erlaß des Herrn v. Thile an Graf Arnim vom 12. November 1869 bekannt geworden. In diesem war vorerst be merkt, Preußen habe die Anregung Bayerns, dem Eoncil gegenüber eine gemeinsame Haltung einzu nehmen, nicht von der Hand gewiesen, sondern sich vielmehr gefreut, mit diesem einflußreichen, wesentlich katholischen Staate auf demselben Boden sich zu finden. Aber man sei in Preußen zu dieser Haltung keineswegs etwa durch Befürchtungen vor Gefahren, welche aus Beschlüssen des Evncils sich ergeben könnten, veranlaßt worden. „Wir sind fest überzeugt", so sagt der Stell vertreter des Grafen Bismarck, „daß, wenn aus der Haltung deS ConcilS Gefahren erwachsen könnten, diese ganz auf der Seite der katholischen Kirche und des päpstlichen Stuhles liegen." „Nun, was sagen Sie dazu?" fragte mich der Fürst. „Ich lese mir die Drohung heraus, daß das Unfehlbarkeitsdogma dem Papst die weltliche Herrschaft kosten könne", war meine Antwort. „Und was würden Sie dazu sagen ?" „Das würde ich als Protestant im höchsten Grade bcklagens- werth finden." „Ja, ja", lächelte der Fürst, „das stimmt, unser großer Döllinger ist gar nicht von diesem Gedanken erschreckt." „Weil er eben ein guter Katholik ist", sagte ich, „er weiß mit seinem weitsichtigeren Ver stände sehr wohl, daß erst dann der römische Stuhl die unbedingte Herrschaft über die Geister auszuüben im Stande ist, wenn der Papst nur ein „geistlicher Herrscher" sein wird. Die Rücksicht auf den weltlichen Besitz legt der Kurie immer noch Rücksichten auf. Wenn nichts mehr zu verlieren ist, dann hört jede Besorgniß vor den politischen Folgen eines päpstlichen Vorgehens in geistigen Dingen auf." „Und gestehen Sie cs nur", schaltete der Fürst ein, „Ihr Aufenthalt in Rom hat Ihrem protestantischen Gemüthe nicht gerade Rcspect vor der „weltlichen Herrschaft" cinflößt." „Das ist es ja eben", schloß ich meine Auseinander- setzm^, „was dem Protestanten den Kirchenstaat so werthvoll macht, diese beständige cksmonstratio sck oouios, wohin ein Regiment nach ultramontanem Re- cepte führt." Und ich habe mich nicht bekehrt. Wie ganz anders stünde das neue deutsche Reich da, wenn es die Macht ge wesen wäre, die den Papst in seiner weltlichen Herrschaft erhalten hätte und die Macht wäre, von deren Hilfe der Fortbestand derselben abhängen würde. 57b dies durch den Dreibund ausgewogen wird? Ich glaube: „Nein". Deutsches Reich. k. Berlin, 4. Juli. (Nationalliberaler Partei tag.) Die „Rhein.-Wests. Pol. Nachr." schreiben: Am 6. Juli tritt im Reichstagsgebäude zu Berlin der Central vorstand der nationalliberalen Parier zusammen, um unter anderem über die Abhaltung eines allgemeinen Partei tages Beschluß zu fassen. Von unseren rheinlän dischen Freunden ist angeregt worden, den Herbst dieses JahreS für die Tagung zu bestimmen, womöglich einen Zeitpunkt noch vor Wiederaufnahme der parla mentarischen Arbeiten, die bekanntlich schon am 14. October erfolgen wird; dagegen kommen aus dem Osten befreundete Stimmen, die eine Hinausschiebung bis nach der Entscheidung über den Zolltarif befürworten. Dem letzteren Vor schläge schließt sich die „Nationalzeitung" an, welche geltend macht, daß unmittelbar vor den Wahlen, etwa im Frühjahr, für eine programmatische Stellungnahme die praktisch-politischen Voraussetzungen klarer sein würden als jetzr im Herbst. So richtig daS ist, so wenig glauben wir, daß unsere rheinischen Freunde bei ihrem Anträge von dem Bedürfnisse nach einer Neuformulirung unserer politischen Grundsätze geleitet wurden. Eine Aus sprache über wichtige Tagesfragen auf einem Delegirten- tage hat ihren Nutzen, auch wenn sie nicht in jedem Eiuzelfalle zu einer programmatischen Kundgebung sich verdichtet; von der Zahl und dem Umfange etwaiger Reso lutionen will uns der Werth eines Parteitages nicht ab hängig erscheinen. Die innerpolitische Lage im Reiche wie in Preußen bietet zur Zeit, sowohl was unser Verhältniß zur Regierung wie zu den anderen Parteien betrifft, so vielen Anlaß zum Meinungsaustausch, daß wir für den weiteren kräftigen Zusammenhalt der Partei und ihre Stärkung zu den kommenden Kämpfen, ins besondere auch für die Einheitlichkeit der gegenüber den andern Parteien einzunehmenden Stellung, nur Gutes von einer Aussprache erwarten. Wir verkennen nicht das Zutreffende der von der Nationalzeitung geltend gemachten Erwägungen und sind vollständig mit dem befreundeten Blatte einig darin, raß für die Festlegung eines Wahl- programmS die Zeit noch nicht gekommen ist, möchten aber doch meinen, daß die für eine baldige Abhaltung des Parteitages sprechenden Gründe daS größere Gewicht aus ihrer Seite haben. Iu äubiv würde es uns nicht als Ueber- fluß erscheinen, wenn die Delegirten, falls die Lage eS er fordert, im Frühjahr kurz vor den Wahlen noch ein zweites Mal zusammengerufen würden. Die Partei Hal seit 1898 keinen allgemeinen Parteitag mehr abgehalten. * Berlin, 4. Juki. (Ultramontane fromme Wünsche.) Kaiser Wilhelm II. findet für seine Aachener Rede die wohlwollende Anerkennung des in Brixen er scheinenden „Tiroler Volks bot en". Dies Blätt- chen sagt in seiner alpinen Unbefangenheit manches gerade heraus, was andere ultramontane Blätter fein umschrei ben oder vorläufig noch klug verschweigen. Die Aachener Rede nennt das Tiroler Blatt kurzweg „ein katho lisches Wort eines protestantischen Kai sers" und am Schluß des Artikels, der diese Ueberschrift trägt (siehe Nr. 18 des 10. Jahrgangs, 26. Juni 1902), heißt es sehr erbaulich: „Kaiser Wilhelm ist ein Heller Kopf, und wenn er nur ein bißchen zusieht, muß ihm neben der gänzlichen Un vermögenheit und schwindsüchtigenHinfällig- keit des Protestantismus die ewig lebendige, gött liche Kraft der katholischen Kirche in die Augen springen. Es steht zu hoffen, daß der Kaiser in dieser Erkennt- niß fortschreitet und daß er auch den Muth findet, der katho lischen Kirche in den deutsch-protestantischen Ländern über all Vorschub zu leisten. Kaiser Wilhelm hätte die Kraft, ganzDeutschlandwiederzuraltenMut- terkirche, zum Katholicismus, zurückzuführen. Mit einer solchen That würde er Deutschland zu jenem Glanz und zu jener Macht wieder verhelfen, die es in den Zeiten Karl's des Großen besessen hat. Wenn Kaiser Wilhelm die Religion im Volke auf recht erhalten will, so kann dies nur die katholische Religion sein, denn der Protestantismus ist nicht mehr aufrecht zu erhalten; er leidet schon längst an innerem Zerfall und an Schwindsucht; darum muß man auch die Kaiserrcde in Aachen cinkatholischesKaiserwort nennen." Die „Tgl. Rdsch." meint dazu: Die plumpe Offenheit, mit der das Tiroler Blatt die geheimsten Wünsche unserer Centrumsleute herausplatzt, verdient An erkennung. Bei uns erzählt man sich derartiges nur in „sicheren" Kreisen, in der Presse begnügt man sich mit feinen Andeutungen; aber man vergißt des wegen doch keinen Augenblick die alte Mönchsprophe- zeiung, daß ein Kaiser aus dem Hohenzollcrnstamme der einst katholisch werden und die zerstreute Heerde wieder vereinigten werde. Solcher Glaube erscheint heute unse rem Volke wie Aberwitz; aber vorhanden und vielfach be stimmend ist er in ultramontanen Kreisen doch. * Berlin, 4. Juli. (Ein englisches Urtheil über die deutsche Flotte.) Gestern vor fünfzig Jahren wurde aus der Weser bei Bremerhaven Lurch Hannibal Fischer die deutsche Flotte meistbie tend versteigert. Wir brauchen uns heute nicht in trüben Erinnerungen an jene traurige Zeit der Zerrissen heit und particularistischen Kurzsichtigkeit zu ergehen, so nützlich es auch ist, sich gelegentlich zu vergegenwärtigen, daß die Hannibal Fischer noch nicht ganz ausgestorben sind. Wie die Dinge sich gewandelt haben, dafür legt ein Urtheil des Auslandes über die heutige deutsche Flotte Zeugniß ab, besten Veröffentlichung zufällig mir diesem Jahrestag unrühmlichen Gedenkens zusammentrifft. Wie bekannt, hatte ein Mitarbeiter eines englischen Blattes von der Reichsmarineverwaltung unlängst die Erlaubniß erhalten, an Bord eines großen deutschen Kriegsschiffes über unsere Flotte anzustellen. Aus seinen jetzt ver öffentlichten Berichten sei Folgendes erwähnt: Als der Kaiser den Thron bestieg, fand er eine fertige Armee vor. Anders sah es mit der Flotte aus. Vor 11 Jahren gab cs noch keine deutsche Flotte. Heute ist sie mächtig. Morgen wird ihr nur noch die stärkste Flotte der Welt Widerstand leisten können. Wenn eine Flotte gesund sein soll, so muß sie von einem nationalen Ueberseehandcl von ent sprechendem Umfange unterstützt sein. Ist das nicht der Fall, so ist sie entweder exotisch, oder ein Spielzeug, oder eine An griffswaffe. Die russische Flotte ist exotisch. Die französische Flotte hat keine gewaltige Kauffahrteiflotte hinter sich. Der Kaiser dagegen hat die unabänderlichen Gesetze über die Herr schaft zur See zu befolgen gewußt. Seine Flotte und seine Kauffahrteimarine bestehen für einander. Wie Deutschland sich zum großen Theil durch den Handel mit England aufbaute, so ist die deutsche Flotte eine getreue, wenn auch keine knech tische Nachahmung der englischen. In einigen Puncten, in Ver pflegung und Geschützen, ist sie uns voraus. Der Geist in beiden Flotten ist derselbe. Diensterfüllung des Dienstes wegen, ohne Aussicht auf Belohnung, ist die Losung für den englischen Marincofficier und ebenso für den deutschen. Es ist interessant, daß der Kaiser den Capitän vonUsedomzu seinem Marine adjutanten machte. Dieser Officier führte das Commando über das deutsche Detachement bei dem unglücklichen, aber äußerst tapferen Versuche Sir Seymours, Peking zu entsetzen. Obgleich Usedom nicht der nächstälteste Officier war, hatte er doch von Admiral Seymour den geheimen Befehl, das Commando über die Expedition zu übernehmen, falls dem englischen Admiral etwas zustoßcn sollte. Das ist eine Anerkennung deutscher See mannstüchtigkeit, die nicht vergessen werden sollte. Prinz Heinrichist dem Publicum mehr als Prinz und weniger als Seemann bekannt. Er ist aber in erster Linie Seemann und erst in zweiter Linie Prinz. Die Besichtigung deutscher Kriegs schiffe ist kein Spaß. Sie nimmt 6—8 Stunden in Anspruch. Nicht die geringste Kleinigkeit wird übersehen. In allen deut schen Dienstzweigen herrscht Vollkommenheit. Vor wenigen Monaten gab der Kaiser seinem Bruder den Auftrag, daß er sich mit der Frage des Kohlens der Schiffe beschäftigen solle. Heute kohlt die deutsche Flotte saft so gut, ja vielleicht besser, als die englische. Der „Kaiser Wilhelm II." nahm in Kiel Kohlen ein, während ich an Bord war. Die Durchschnittsleistung war 283 Tonnen pro Stunde. Ich glaube, diese Leistung ist einmal von der „Majestic", dem Flaggschiff des Admirals Wilson, übertroffen worden, zeigt aber, welche Fortschritte die deutsche Flotte in Leistungsfähigkeit macht. Außer der englischen giebt cs keine Flotte in der Welt, die so tüchtig wäre wie die deutsche, und dabei ist sie erst 60 Jahre alt. — Der Verfasser verzeichnet ferner mit Befriedigung die Thatsache, daß er an keiner Stelle in Deutschland anders als mit Bewunderung von der britischen Marine habe sprechen hören und fährt fort: Diese arbeitsamen und emsigen Deutschen erkennen, was gut ist. Sie haben eine außerordentliche Kenntniß der Eigenschaften unserer wichtigsten Admirale. Der Kaiser hat mit verschiedenen englischen Marine- ofsicieren persönliche Freundschaft geschlossen. Die Beziehungen zwischen den beiden Flotten sind die besten. Die englischen und die deutschen Seeleute kennen einander und haben einander gern. In China vertrugen sich Ofsiciere und Mannschaften außerordentlich gut. Warum sollten sich die beiden Nationen nicht ebenso gut vertragen, wie die beiden Flotten? .... Welchen Zweck hat die deutsche Flotte? Soll sie England an greifen? Richtet sie sich überhaupt gegen England? Ist sie ein Revolver, den man John Bull an den Kopf setzt? Nachdem ich mit Leuten gesprochen habe, die die Wahrheit am besten kennen, bin ich davon überzeugt, daß der deutsche Staatsminister Recht hatte, der in einer Unterhaltung mit mir sagte: „Die Zukunft aller Staaten, die nicht im Niedergang begriffen sind, liegt auf der See. Keine Nation ist reich oder stark genug, jemals wieder die See für sich allein in Anspruch zu nehmen. Da der Groß handel für die großen Nationen eine Nothwendigkeit ist, so ist in gleicher Weise in gewissem Maße auch die Macht zur See eine Nothwendigkeit. Die deutsche Flotte bedroht keine andere Nation." Derselbe Gedanke wurde mir gegenüber von dem Kaiser und von dem Prinzen Heinrich, wenn auch in andere Worte gekleidet, ausgesprochen. T Berlin, 4. Juli. (Telegramm.) Die „Norddeutsche Allgemeine Heilung" meldet: Die englische Regierung bat die zuständigen Colonialbehörden, die kaiserlichen Consuln in Colombo, St. Helena, Hamilton (Bermuda) und Bombay angewiesen, diejenigen deutsche» Gefangenen, welche auf eigene Kosten heimzukebren wünschen, zur Ver fügung zu stellen. Die kaiserlichen Consuln erhielten den Auftrag, diesen Gefangenen thunlichst behilflich zu sein. Nach den vorliegenden Nachrichten befinden sich in den Gefangenen lagern auf Ceylon 110, auf St. Helena 72, auf den Ber mudainseln 23 und in der Umgegend Bombays, so weit bis jetzt ermittelt ist, etwa 40 Deutsche. Außerhalb dieser Con- sularbezirke befinden sich keine deutschen Gefangenen. — Der Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses v. Kröcher ist von Vinzelberg nach Marienbad abgereist. (D Kiel, 4. Juli. (Telegramm.) Die Wettfahrt deS kaiserlichen Nachtclubs und des Norddeutschen Regattavereins Kiel-Travemünde begann heute Vormittag um 6 b«w. 8 Uhr in der festgesetzten Weise. Der Kaiser nahm in Begleitung deS Prinzen Heinrich, deS Großherzogs von Sachsen, des Reichskanzlers Graf v. Bülow und der Herren der Umgebung des Kaisers an Bord des „Meteor" an der Wettfahrt Tbeil. — Tie „Hohenzollern" mit der Kaiserin an Bord ist heute Mittag nach Travemünde ab gegangen. * Emden, 3. Juli. Der Kaiser wird am 30. d. M. gegen 10 Uhr, von der „Hohenzollern" kommend, im Außen hafen landen, diesen besichtigen und dann mit einer Dampf barkasse nach der Stadt fahren, wo zunächst die vor dem Rathhause errichteten Denkmäler ves Großen Kurfürsten und Friedrich'S deS Großen in Augenschein genommen werden. Dann nimmt er im großen Saal des Rath hauses einen Ehrentrunk von der Stadt entgegen, besichtigt die berühmte städtische Waffensammlung, das Archiv und den Silberschatz und begiebt sich auf dem Wasser wege zum Postgebäude. Hier wird besonders die Kabellele- graphie (Emden ist bekanntlich die größte Kabelstation deS ContinentS) in Augenschein genommen werden. Alsdann soll eine Besichtigung der für heutige Begriffe sehr primitiven alten Schiffswerft vorgenommen werden, auf der der Große Kurfürst seine Flotte erbaut hat. Gegen 12^/r Uhr tritt der Kaiser die Rückfahrt an. * AuS der Ostmark. Bekanntlich ist von der polnischen Pressedie Parole ausgegeben worden, daß diepolnische Bevölkerung bei dem bevorstehenden Aufenthalt des Deutschen Kaisers in Posen völlige Zurückhaltung beobachten solle. Dagegen ist bisher angenommen wor den, daß diejenigen Polen, die ein öffentliches Ehrenamt bekleiden, an den Festen in der einen oder anderen Form theilnehmen würden. Es sind für die An wesenheit des Kaisers in Posen zwei größere Prunk- mähler in Aussicht genommen, das eine mehr militärischer Natur, das andere für die übrigen amtlichen Kreise be stimmt. Zu diesem letzteren sollten auch die polnischen Notabilitätcn, besonders solche, die in provinzialen oder communalen Vertretungen eine Stellung einnehmen, zu gezogen werden. Wie nunmehr, der „Voss. Ztg." zufolge, aus polnischen Kreisen verlautet, haben sich diese Herren zusammengethan und beschloßen, die Einladung ab- zu lehn en. Darunter sollen sich nicht nur Mitglieder des Provinziallandtagcs, des Provinzialausschusses und der Bezirksausschüsse befinden, sondern auch Männer, die in persönlicher Beziehung zum Hofe stehen. Obwohl unter diesen Herren verschiedene Anfangs für eine Betheiligun^ bei dem Festessen eingetreten sind, hat jetzt die entschiedene Tonart den Tieg bavongetragen und zwar unter au-, drücklicher Berufung auf die Rede des Kaisers bei den Marienburger Festlichkeiten. D«pn Vernehmen nach ist dieser Beschluß schriftlich formulirt worden und wird wo in dieser Fassung zur Kenntniß der Regierung gebracht werden. Die Posener Feste werden unter dem Ausbleiben der Herren jedenfalls keinen Eintrag erfahren. * Karlsruhe, 3. Juli. Heute ist der Commissionsbericht über die „Verfassungsfrage" erschienen. Er enthält den einstimmigen Beschluß zu Gunsten directer Land- tagSwahl neben allgemeinem, gleichem und geheimem Stimmrecht. Der Versuch des Ministers Schenkel, den Aufschub der Angelegenheit durchzusetzen, ist an vem ein- müthigen Widerstand der Commission gescheitert. (Fortsetzung in der 1. Beilage.) eckt »merilc. Llaismekl n. llersteb. v. kuääinxs, lorton, Lleblnpeisoo, geseiiwüekv. Rerepte a. jecl. 1 klll.-Lackot, vorrü^l-Verciaulielilieir. Mi-Mr. MIWl NM» Hl). «M-Mll. 8sison-^usv«nlLSuß. 8o luoxv der Vorrat!» rolvbti O«8tN»»e, neueste ka^on Volk» u. iroxo»«»!»«», vssseräiedt I»«Itvt8, bell und setnvarr, geklittert lioIi'ro^ovlLvn, mit Leide xeMtsrt HV »»QlilLlvickvr Lllc. 12 und 17. 7V, und 12'/.. „ 6. 8. 10 u. 12. „ 3'/. und 6. „ 8'/,', V'/, und 11. „ 4'/-» 7'/, und 1v. „ 4 und a'/z. HVoNnmliünsre, SpitLOoumlsüiikv, 8I»u8«i», Jupons, Oo8tümrSelLv Kv8o»«ler8 kllllx. lk»eter88tr«88v 4« 4S I»vt«r88tr«88v 4« 4S. killte NULL- u. klaek-kultv solide — praktised — vleeant WMÄ(il,0(M8IiI L (».. LV-, Lllskulltls-Sursall „Vorsicht" Gegr. 1869. lk'. Vottorlel» Gegr. 1869. Leipzig, Rttterstrafze 8, I., Fernsprecher Nr. 7076. Ertheilt Auskünfte auf das In- u. Ausland prompt u. gewissenhaft. IsmliMc Dkligioiisgeiiikin-c M LeiM.. Gottesdienst Sonnabend, den 5. Juli, Bormitt 8'/. Uhr. Sonnabend, de» 5. Juli, JugendgottcSdienst 4'/« Uhr Nachm. Tageskalender. Telephon - Anschluß: Expedition des Leipziger Tageblattes . . « , , Nr. 222 Redaction des Leipziger Tageblattes ..... - 153 Buchdrucker« des Leipziger Tageblattes (E. Polz) . - 1173 Alfred Hahn vorm. Otto Klemm'S Sortiment, Filiale: Uni- versitätsstrahe 3: Nr. 4046. Louis Lösche, Filialen des Leipziger Tageblattes: Katharinen straße 14: Nr. 2935. Königsplatz 7: Nr. 7505. Eeipzigev Tageblatt, i Verkehrs-Bureau Berlin SV., 116 Königgrätzerstraße 116, dirrct am Anhalter Bahnhof. < Fernsprecher Amt VI Nr. 3393 Lesezimmer. — Adreßbücher. — Kursbücher. Stadtpläne rc. rc. HurlrMt i- über Verkehrsvcrhältnisse und Nachweis von Preis- würdigen Hotels und Pensionen rc. Der VrrkehrS-Bercin Leipzig, Städtisches Kaufhaus, ertheilt unentgeltlich Auskunft über Leipzigs Verkehrs- und Aufent- Halts-Vcrbältnissc, Gasthöfe, Wohnungen, Kunst- und Bildungsanstalten, Vergnügungen und Neisegclegenheiten. AuSknnftSstelle der königlich sächsischen StaatSeisenbnhne» in Leipzig (Grimmaische Straße 2, Telephon Nr. 6721), und die Auskunftsstelle der tönigl. Preuß. StaatScisenbahnverwaltung (Brühl 75 u. 77, Creditanstalt, ptr. im Laden), Telephon 6704, beide geöffnet an Wochent. v. 8 Uhr Vorm. ununter- brochen bis 6 Uhr Nachm., Sonn- und Festtags 10)4—12 Uhr Vorm., geben unentgeltlich Auskunft a. im Per sonenverkehr über Ankunft und Abgang der Züge, Zug anschlüsse, Reiserouten, Billetprcise, Neisccrleichtcrungcn, Fahrpreisermäßigungen rc.; d. im Güterverkehr über allgem. Transportbedingungen, Frachtsätze, Kartirungen rc. „Nun — nach zwanzig Jahren werde ich mir das schon einmal gestatten können." Er setzte sich in Positur. „Die Reise verschlingt ja allein die Hälfte — anch drei viertel dessen, was wir ausgcben wollen." „Nun — dann werden wir eben diesmal etwas mehr mttnehmen." „Ja — aber laß Dich doch nicht auslachen! Woher willst Du's denn bekommen?" Das war der Moment, der Herrn Stäblein ärgerte. Das war der Moment, in -em er aufstand und „Meine liebe Bertha" sagte. Und den Moment benutzten die beiden Kinder, um schleunigst aus dem Zimmer zu huschen, denn die wußten genau, nach diesen Worten erfolgte zwischen den Eltern eine Zwiesprache, die meist damit endete, daß — die Kinder etwas abbckamen. Ausgefressen hatten sie ja immer etwas. Wie Recht sie hatten, bewies das heftige Stimmen gewirr, das fünfzehn Minuten lang das gemeinschaftliche Wohnzimmer durchhallte. In dieser Ewigkeit fiel beiden Kindern etwas ein: Walter, daß er seine Bücher, Eva, daß sie ihren Hut im Zimmer gelassen hatte. Beide gegen das ausdrückliche Verbot! Aber sic waren schlau. Als der Vater sie jetzt im Zorne rief, liefen sie schnell über die Hintertreppe auf die Straße. Dort waren sie vorläufig sicher. Sie hörten nur noch: „Und ich sage Dir, wir fahren in die Schweiz und an die italienischen Seen, und wenn ich das Geld dazu stehlen sollte!" Und die ebenso erregte Stimme der Mutter erwiderte: „Laß Dich nicht auslachen, Wilhelm! Thu' nichts als ob Du die Welt einreißcn könntest. Du — und die Schweiz! Du — und die italienischen Seen! Hahahaha " Oben fiel eine Thür, unten verschwand Herr Stäblein, bewaffnet mit Hut uud Regenschirm. Nach dieser erbaulichen Zwiesprache ward es wieder ruhig, zwei Tage völlig, dann immer etwas weniger. Ganz gebrochen wurde die Ruhe erst, als Herr Stäb lein die ersten Auskünfte in -er Tasche hatte, denn mit dem heiligen Ernste, der ihn vorläufig noch erfüllte, hatte er natürlich gleich überall angefragt. Triumphirend kam er an jenem Morgen in das Zim mer, die offenen Schreiben in der Hand. „Siehst Du" — die Anrede unterließ er, die Situation war nicht klar genug —, „es ist durchaus nicht theuer in der Schweiz. Hier: Familienpension, vier Personen, schon von 50 Francs an die Woche. Das sind 40 Mark." „Und die Reise?" fragte sic ironisch. „Herrgott, was kann denn die schon viel kosten?" „Mindestens dreihundert Mark für uns Vier", gab sie spitz zur Antwort. /i „Haha!" Er versuchte zu lachen. „Wird wohl auch ein bischen billiger zu haben sein!" „So? Meinst Du?" - Aber sie war nicht billiger zu haben, trotzdem Herr Stäblein alle Reisebureaus abfragte, trotzdem er stunden lang im Cursbuche blätterte, und die ganze, ihm bekannte Menschheit mit ständigen Fragen schwächte und abschreckte. Im Grunde seines Herzens dachte er schon an einen ehrenvollen Rückzug, denn eigentlich hatte ihn nur der höhnische Widerspruch seiner „lieben Bertha" gereizt, die augenblickliche Eingebung festzuhalten. Schließlich konnte er ja sagen, der Arzt hätte das Klima für seine Con stitution, die unberufen glänzend war, nicht gut befunden, oder sonst etwas Aehnlichcs ... Ausreden gab's ja en xvos aber da spielte ihm das Schicksal wieder einen Streich. Als er nämlich in solchen Abcwehrgcbanken nach Tisch seine Sechö-Psennig-Cigarre rauchte, fragte ihn die „liebe Bertha" plötzlich: „Na — Wilhelm . . . hast Du schon bei der Eisenbahn angefragt? Will sie Dir auf Deine schönen Augen Ermäßigung geben, oder vielleicht einen Ertrazug stellen? Hm. . ." Nun sind ja solche Fragen einem würdigen Ehe- manne gegenüber durchaus nicht angebracht, namentlich nicht bet einer so großen Meinungsverschiedenheit. Auch nicht im Scherz!! Herr Stäblein that darum das einzig Richtige in diesem Fall. Er erhob sich mit Würde und sagte fest und sicher: „Magst Du spotten, wie Du willst! Wir reisen nach der Schweiz, und damit basta!" Jetzt war es klar, daß er die Reise durchsetzen mußte — schon um der Autorität willen! Wie aber — er wußte es noch nicht . . . Es war so dumm, daß gerade der Quartalsmonat war. Der kostete schon so viel, Miethe, Schulgeld, und was sonst noch drum und dran hing . . . Ach was — er ließ sich Vorschuß geben! In 20 Jahren das dritte Mal. . . dabei konnte Niemand etwas finden. Und den arbeitete er dann ab; monatlich etwas, und die Jahresgratification hinzugerechnet . .. dabei konnte Nie mand etwas finden! Doch sein Register hatte ein Loch. Er hatte sich so sehr an den Gedanken gewöhnt, daß ihn jetzt nicht einmal mehr die Fragen seiner Frau, wohin sie gingen, ob er die Btllcts schon bestellt u. s. w. u. s. w. stören konnte, aber ge rade, als er zu jenem großen Ausweg schreiten wollte, kam ein Ukas in der Bank, „Vorschüsse zur Reise" sollten nicht gegeben werden! Das war ein großer Schlag — doch Herr Stäblcin ließ sich nichts merken. Mochte kommen, was da wollte. Nur still wurde er, furchtbar still Und der Tag der Abreise kam immer näher. Die Kinder freuten sich schon auf die Ferien, und wurden frisch und munter in dieser Freude, als hätten sic schon ihre Erholung. Auch Herrn Stäblein's Urlaub begann. Morgen sollten sie reisen. Noch immer nach der Schweiz! „Wann geht der Zug?" „Um Z410 Uhr. Das Gepäck lasten wir vorher nach dem Bahnhof bringen, dann gehe ich mit den Kindern früh fort, daß Du in Ruhe hier abschlteßen kannst!" Er wunderte sich fast, wie wenig erregt er war, als er das sagte. Auch Frau Stäblein lächelte nur. Sie hatte alles so sorgsam gepackt — wenns sein mußte, konnte es jetzt durch die ganze Welt gehen. Sehr früh am Reisetage ging Herr Stäblein fort, doch die Kinder wunderten sich, wohin er sie alles führte. Erst zum Obsthändler, wo er sic Obst essen ließ, dann zum Con ditor, wo sie zur „Stärkung" Chokolade mit Schlagsahne tranken . . . Deu Kindern wurde ganz bange. Sie schlangen alles in Hast hinunter. Auf einmal: „Um Gottcswillen, das verträgt sich nicht!" Und Herr Stäblein eilte mit ihnen in Hast zu einem dritten Ort . . . Aufgeregter kam die Mutter zur Bahn. Wenn ihr Gatte wirklich in die Schweiz wollte Aber sie brauchte nichts zu fürchte«! Er war nicht da. Der Zug ging ab, er kam noch immer nicht. Nach zehn Minuten erschien er endlich. Sehr wichtig- thuend erzählte er, was alles passirt . . . Frau Stäblein lächelte: „Und unsere Schweizer Reise?" „Ja ... der Zug ist fort! Und einen ganzen Tag hier warten — —" Frau Stäblein lächelte noch mehr. „Das lohnt wirklich nicht, nein! Na, nimm man Billets nach Ahlbcck!" „Nach Ahlbcck?" „Ja — ich hab' unS schon wie im vorigen Jahv Wohnung bestellt, nur — den Kindern dazu extra den Magen verdorben . . . Das war wirklich nicht nöthig!" „Was willst Du? Ich — wäre nach der Schweiz —" „Ich weiß, ich weiß! Aber nun mach', drüben steht schon der Zug . . ." Herr Stäblein hat sich auch in Ahlbcck gut amüsirt, trotzdem er „ganz bestimmt nach der Schweiz gefahren wäre, ohne den Zwischenfall natürlich "
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder