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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030604016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903060401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903060401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-04
- Monat1903-06
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BezugSPreiS in der Hauptexprdttton oder deren Ausgabe stelle» abgebolt: vtertelithrltch ^l S.—bei zwaimaliaer täglicher Zustellung tu» Hau« ^l 8.7». Durch di» Post bezogen für Deutsch land ». Oesterreich vierteljährlich ^tl 4.K0, für dt» Ldrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion and Expedition: BohanniSgaffe 8. Fernsprecher läS und SSL FUia1»VP,tzM-u»« r Alfred chahn,vuchha«dlg„ Uaiversttätsstr.8, N. Löschs Katharinen str. 1^ u. Käntgspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marteastraße 84. Fernsprecher Amt l Nr. 171». Haupt-Filiale Berlin: T«l D «Ucker, Herzgl. Vayr. Hvfbuchhandlg, Lützowstraße 10. Fernsprecher A«r^ VI Nr. 4603. Morgen-Ausgabe. MWMr.TllMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzrigen-PretS die S gespaltene Petitzeile SS Ltz. Netlameu nute, dem NadaMousstrich (4 gespalten) 7» L» vor den Familie»nach richten (S gespalte») »0 Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — spebührrn für Nachweisungen und Offertenau»ohme SS (rxrl. Porto). Extra-vetlaßeu (g«fal»t> ,»? «U ae, Mora«»-Ausgabe, ohne PostbesSrderuu, SO.—, mit PostbesSrderung 70.—. Äuuahmeschluß fiir Änzeizen: Abeud-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige» sind stet» an di« Expedition zu richt«». Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 278. Donnerstag den Juni 1903. 87. Jahrgang. Neber die Stellung -er Lehrer zu den Neichstagswahlen führt die „Preuß. Lehrerzeitung" folgende- auS: „All, Bestrebungen der Lehrerschaft, mögen sie auf daS eigene oder auf da» Bolkswohl, auf materielle oder ideell» Ziel« gerichtet sein, haben bisher immer nur in den Parteien der Linken ihren Rückhalt gefunden. Man darf mit vollem Rechte behaupten, daß eia Lehrer, der einem Kandidaten der reaktionären Parteien seine Stimme gibt, da- Interesse seine» Stande» und der Volksschule — au» welchen Gründen ,S immer sei» mag — hinter anderen zurück stellt. Der Schade wird um so größer, wenn der Lehrer gar in dieser Richtung agitatorisch tätig ist. Wenn der Reichstag auch direkt mit der Schulz,setzgebung nicht» zu tun hat, so muß doch wohl dem Blödesten bereit» klar geworden set», wohin di» Reis« geht, wenn Ultramontan» und Junker weiteren Mochtzuwach» au« den Wahlen gewinnen sollten. Wa» bisher noch an politischen Rechten und geistiger Freiheit, an Bolkswohl und Volksbildung mühsam ge rettet worden ist, würde mit brutaler Gewalt zertreten werden. Die Rückwirkung auf di« meist noch behaglich im Fahrwasser der Reaktion schwimmenden Einzellandtage bliebe unter keinen Umständen au». Die Kämpfe um die lex Heinze und den Zolltarif haben gezeigt, wessen Ultromontane und Agrarier fähig stad, wenn «» sich darum handelt, die Getstesfreiheit zu er sticken oder sich die Taschen au» den Arbeit-erträgen de» werk tätigen Volke» zu füllen. Obwohl der Zolltarif mit bisher uner- börteu Gewaitmaßregela zur Erledigung gebracht worden Ist, ist es nicht gelungen, die bevorstehende ReichStagSwahl dem Zeichen der Lebensmittelverteuerung zu entrücken. Keine Volksschicht ist mehr an der Zusammensetzung d«S künftigen Reichstags interessiert al» da» minder besoldete Beamtentum. Die neuen Handels- verlräg» werden bestimmen, wieviel dem deutschen Volke der Brot korb wieder einmal höher gezogen «erden soll." Wenn, die Leiter der „Preuß. Lehrerzeitung" den Kandi daten der Parteien, die Preußen mit einem reaktionären Volksfchulgesetze zu beglücken trachte«, bei de« Wahlen zum Reichstage jede Unterstützung versage«, so ist da« begreiflich genug, obgleich der Reichstag mit der Schulgesetzzebung direkt nicht» zu tun bat. Kämen jene Parteien in diesem zur vollen Herrschaft, so würde e« ihnen an Druckmitteln auf die preußische Regierung nicht fehlen. Gerechterweise wird man also gegen den ersten Teil der Ausführungen der „Preuß. Lehrerzeitung" nicht» «inwenden können. Um so mehr aber muß man den zweiten Teil bedauern und als unberechtigt zurückweisrn. Wie sehr er alle Objektivität vermissen laßt, geht schon daraus hervor, daß er nicht nur den Agrarier«, sondern auch den Ultramvntanen de« Borwurf macht, bei den Kämpfen um die lex Heinze und den Zolltarif gezeigt zu haben, wessen sie fähig seien, wenn e» sich darum bandle, die GeisteSfrriheit zu ersticken oder sich di« Taschen aus den Arbeitserträgen des werktätigen Volke» zu füllen. Wir sind gewiß keine Freunde der Ultra montanen, aber ihnen vorzuwerfrn, sie gedächten sich mit Hülfe de» ZolliarijS die Taschen zu füllen, würden wir uns schämen. Wie viele Mitglieder de» Zentrum» befinden sich dem Zolltarife gegenüber genau in derselben Lage, wie die Leiter der „Preuß. Lehrerzeitung"; haben sie trotzdem für de» Tarif gestimmt, so muß der Grund eia ganz anderer sein, al» der Wunsch nach Füllung der eigenen Tasche. Aber freilich, Fanatismus und Ungerechtigkeit sind nicht von ejnandex zu treonea. Und von einem wahren Fanatis mus gegen den neuen Zolltarif zrrgen sich die Verfasser der Auslassung beseelt; e» wäre ihnen sonst nicht möglich, nur denjenigen ReichStagSabgeordneten, die für ihn eingetreten sind, „bisher unerhörte Gewaltmaßregeln" in die Schuh« zu schieben. Die Tatsache ist doch unbestreitbar, daß ein« nam hafte Mehrheit für die in wenigen Punkten abzuänderode, nach sorgfältigster Abwägung der verschiedenen wirtschaft lichen Interessen zu Stande gekommene Regirruog-vorlag« einzutrrten bereit war. Unbestreitbare Tatsache ist ferner, daß die Minderheit mit „bi- dahin unerhörten Gewalt maßregeln" di« Beschlußfassung zu hintertreiben und an di« Stelle de» Rechte« der Majorität da» der Minorität zu setzen, d. h. die ganzen Grundlagen unsre» parlamentarische« Leben» zu zerstören suchte. Auch wir hätten gewünscht, daß die Obstruktion durch ein andere» al» da» in Anwendung gebrachte Mittel hätte überwunden «erden können und daß insbesondere die ganze Mehrheit ihrer Pflicht der Teilnahme an den Abstimmungen sich bewußt gezeigt hätte. CS fällt un» auch nicht ein, die „Reich-faulen" gegen irgend «inen der ihnen gemachten Vorwürfe in Schutz zu nehmen. Aber e» waren die Fleißigen, die Pflichtbewußten, die der Obstruktion Herr zu werden und da« Attentat auf die Grund lage de» Parlamentarismus abzpwehrrn suchen mußten. Und so unerwünscht da» Abwehrmittel auch war, e« ging über da» Recht der Mehrheit nicht hinau», während da» Attentat eben ein Attentat bleibt und überdies an Roheit bi» jetzt in Deutschland ohne Beispiel gewesen ist. Nur fanatisch« Voreingenommenheit kann also di» i« Aktion getretene Mehrheit mit einem Tadel belasten, der gerecht«,» weise d«r obstruktionistischen Minderheit hätte erteilt werde» müssen. Wie «» scheint, wird aber da» Mittel der Obstruktion von der „Preuß. Lehrerztg." al» geheiligt durch den Zweck der Verhütung der „Lebensmittelverteuerung" angesehen. Wer olche „Verteuerung" verhütet, ist mindesten» entschuldigt, welche» Mittel er auch anwenden mag; wer „dem deutschen !)olke den Brotkorb höher ziehen" will, ist unter allen Um- tänden verknurrt. WaS aber beweist denn, daß wirklich eine solche Absicht die ReichStagSmehrheit geleitet hab«? Schon die Tatsache, daß nickt nur die berufensten industriellen Körperschaften deren Mitglieder doch wahrhaftig keinen Vorteil von einer ^benSmittelverteurrung haben, sonder» auch Leute, die den ogenanntrn gelehrten Berufen angehören, für «ine Erhöhung der Getreidezolle eingetrrten sind, sollt« doch die .Preuß. Lehrerzeitung" von der Behauptung zurückbalten, dem Volke solle der Brotkorb höher gezogen werden. Und zu ung sind di« Leiter diese» Blatte» doch auch nicht, um nicht au» Erfahrung zu wissen, daß Getreidezölle den Brotpreis nicht verteuern müssen. Wie wäre e» sonst möglich, daß der Brotpreis trotz der Kornzölle in den letzten 15 Jahren durch- chnittlich niedriger gewesen ist al» in den vorhergegaogeaen Freihandelsjahren? Allerdings, ein weitere» Sinken der Getreidepreise hoffen die Väter de» neuen Zolltarifs, zu denen auch die verbündeten Regierungen gehören, die «S an volkswirtschaftlicher Kenntnis doch wohl mit den Leitern der „Preuß. Lehrerzeitung" aus nehmen können und deren Ziel die Aushungerung de» Volkes doch wahrlich nicht sein kann, durch den Tarif und durch Handelsverträge auf Grund de» Tarif» verhindern zu können. Aber ,st da« etwa «in Verbrechen am Volke und speziell an den Lehrern? Gerade für diese sollte e» doch noch etwas Höhere» geben, al» möglichst billige» Brot. Oder wollen sie, um nur ja diese» Vorteil,» teilhaftig zu werden, eS verantworten, daß der deutsche-Bau»», dem seit vem Abschlüsse ver'Eaprivi- schen Handelsverträge daS ausländische Getreide auf riesigen Dampfern noch ungleich billiger als früher auf den heimischen Markt geworfen wird und neu« Ausgabe« für Arbeiterschutz zwecke rc. auferlegt worden sind, seine Arbeiter nicht mehr menschenwürdig bezahlen kann? Daß die Landflucht nach den Städten immer größer wird, vaß hier da» Proletariat wächst und die Arbeitslöhne drückt, während auf dem platten Lande di« Getreideproduklion immer tiefer sinkt und endlich das Ausland in den Stand fetzt, un» zu Preise«, die e» uns diktiert, sein Getreide aufzunöligen? Daß mit der Ver minderung der heimischen Getreideproduklion das Reich im Falle eines Kriege- vor der Gefahr steht, wegen Brotmangels einen faulen Frirden ab schließen zu müssen? In solchem Falle würde die „Preuß. Lehrerztg." mit vollem Rechte von „Höker ziehen des Brotkorbes" reden können, aber nicht die Schuld auf die Väter de» neuen Zolltarif», sondern auf sich selbst schieben müssen. Und gesetzt nun auch, daß nach dem Inkrafttreten der neuen, auf Grund de» neuen Zolltarif» abzuschließevden Handelsverträge die Brotpreise sich vorübergehend oder dauernd etwa» erhöhten, wie könnte da» in» Gewicht fallen gegen den Vorteil der Erhaltung eine» leben»- und kauf kräftigen Bauernstandes, einer zufriedenen ländlichen Arbeiter bevölkerung, die bei zunehmender Intelligenz da» Reich mehr und mehr unabbängig macht vom Auslande? Die große Mehrzahl unsererIndustriellrnweiß gut genug, daß solche Vorteile selbstum den Preis einer geringen Lebensmittelverteuerung nicht zu teuer erkauft wären. Ihnen freilich bleibt durch die Er haltung eines kaufkräftigen Bauernstandes eine Absatzquelle erhalten, die ihnen sonst mehr und mehr verloren gehen würde. Der Lehrrrstand selbst kann sich, wenn er die Lebensmittel etwa» teurer bezahlen muß, nicht schadlos halten. Aber, so fragen wir nochmal», gibt «» gerade für diesen Stand uicht« Höhere», al» möglichst billige Brotpreise? Ist für ihn da», u>a» wir eben al» Zweck und Folge der Erhöhung der Grtreidezölle anführten, nicht»? Hat gerade er da» Recht, auf den gröbsten Egoistenstaadpunkt sich zu stelle»? Will er in diesem Sinne auf die Jugend wirken und den Landtagen und den verbündeten Regierungen auf solche Art beweisen, daß für ihn mehr getan werden muß? Wir glaube» e» nicht. Die „Preuß. Lehrerzeitung" hat sich von jeher nicht rühmlich durch einen Radikalismus aus gezeichnet, der einem großen Teil der Lehrerschaft, selbst Preußen», fremd ist. Und da» wird sich hoffentlich auch bei den Wahlen dadurch zeige«, daß di, Lehrerwelt, unbeirrt durch Schlagworte, die ihr, Prägung meist der Sozial demokratie danken — derselben Sozialdemokratie, die durch Prolrtarisierung de» Bauernstände» die weiter« Proletari- strruag der städtische« Arbeiterschaft und das Wachsen der revolutionären Neigungen der Massen zu erreichen hofft —, Verstandui» und Sinn für die hohen Aufgaben de» Reiche st» Schirmer aller produktiven TLtigkrit und al» Schützer seiner eigeaea UuabhSngi-keit besitzt. Deutsches Reich. Berlin, 3. Juni. (Nationale Politik der Bündler.) Man schreibt unS: DaS Hauptorgan der Hannoverschen Welfen berichtet, daß die Leuchte des BttndlertumS in der Provinz Hannover, Herr vr. Die le r i ch H a h n, bei seinem ersten Auftreten in der dies maligen Wahlbewegung einen vollen Mißerfolg zu ver zeichnen gehabt habe; wohl hätten mehrere hundert Per- onen der Versammlung in Geestemünde beigewohnt, aber diese Zuhörer hätten den Gegnern Hahns mehr Beifall gespendet, als ihm selbst. Dies stimmt mit uns aus ver- chiedenen hannoverschen Wahlkreisen zugehenden Mit teilungen überein, wonach nirgends große Stimmung für den Bund der Landwirte vorhanden ist. Der Bund wird froh sein müssen, wenn er seinen bisherigen Besitzstand be hauptet. Ls ist sa ganz begreiflich, wenn bei so ungünstiger Sachlage die Stimmung der Bündler sich verschlechtert; aber es ist trotzdem ein sehr starkes Stück, wenn ein bünd- lerischer Agitator in versteckter Weise droht, daß seine Ge sinnungsgenossen mit den notorischen Feinden des natio nalen Gedankens Zusammengehen könnten. In einer Wahlversammlung in dem gegenwärtig nationalliberal vertretenen Wahlkreise Goslar hat der 'bündlerische Agi tator Viflertng verlangt, daß im Kalle der Stichwahl von dem nationalttberalen Bewerber dem Bunde wichtige und wertvolle Konzessionen gemacht werben müßten, andernfalls müsse man eS den bünblerischen Wählern überlassen, zu tun, was sie nach ihrer Ansicht für zweckmäßig hielten. Mit wem kann nun der national liberale Bewerber in die Stichwahl gelangen? In erster Reihe mit der größten Wahrscheinlichkeit mit dem sozialisti schen Kandidaten, da schon bet den letzten allgemeinen Wahlen die Sozialdemokraten an der Spitze aller Parteien standen. Da im Falle der Stichwahl zwischen National liberalen nnd Sozialdemokraten ein erheblicher Teil der Welfen für »die letzteren stimmt, so würbe, wenn auch nur der größere Teil der Blindler sich der Stimme enthielte, ein Wahlsieg der Sozialdemokratie leicht möglich sein. In zweiter Reihe kommen die Welfen in Frage. Die Welkenpartei hat zwar bei den beiden letzten Wahlen im Wahlkreise Goslar einen starken Rückgang erfahren, aber sie hat daS Mandat bei den Wahlen von 1894 und 1890 er obert und ist jedenfalls noch lange keine gnrmtito neelig^ahl«!. Ob die Bündler nun durch Stimmenthaltung den Sieg eines Sozialdemokraten oder eines Welfen er möglichen: in beiden Köllen würben sic einen schlechten Beweis nationaler Gesinnung liefern. * Berlin, 8. Juni. Mit dem in Aussicht gestellten Be weise für di« gefetzwibrige Existenz der sozialdemokratischen „Interne" beginnt nunmehr die von dem früheren Sozialdemokraten Lorenz herausgegebene „Antisozialdemokratische Korrespondenz". Der Name des Gewährsmannes wird vorläufig noch nicht genannt; dieser schreibt: „Nach dem Fall de» Sozialistengesetze» wurde die Frage, ob man nun auch die interne Org-nisationSform fallen zu lassen habe, eifrig für und wider diskutiert. Die blieb be stehen. Sie besteht entsprechend den territorialen und ört lichen Verhältnissen mit etwas veränderter Form und Be zeichnung . . . auch heute noch. Man kam zu der Ueberzeugung, daß sie bestehen bleiben müsse, weil daS ganze Wesen der. Partei zu eng mit ihr verwachsen sei und man vor allen Dingen auch nicht wissen konnte, ob über kurz oder lang ein neues Ausnahmegesetz beliebt würde. Heute ist man sich der Tatsache Wohl bewußt, daß dieses System seine äußerst bedenk lichen Nachteile hat; aber man weiß auch, daß die Aufgabe dieser Organisationsform den inneren Zusammenhang der Partei aufs schlimmste gefährden würd«. Zunächst will ich . . . bemerken, daß den in die Interne neu aufgenommenen Mitgliedern strengsten» anbefohlen wird, von den stattfindenden Beratungen nicht» den übrigen Genossen, ja nicht einmal an nächste Familienangehörige gelangen zu lassen, ebenso, wie eS auch erwünscht ist, daß die Mitglieder dieser Interne im allgemeinen über ihre Mitgliedschaft nicht» verlauten lassen. Was nun die Gliederung der Interne anlangt, so bemerke ich darüber: Ein Reichstagswahlkreis ist gewöhnlich in Gruppen geteilt, die man in Dresden „Sekten" nennt. Für Dresden-Altstadt kommen sechs Gruppen, für Neustadt Wohl sieben in Bettacht . . . Eine solche Gruppe zählt gewöhnlich nach den Dresdener Verhältnissen zwanzig bi» dreißig Personen. Diese Gruppen kommen in bestimmten Zwischen räumen, gewöhnlich alle Zwei Wochen, bei Wahlzeiten auch jede Woche zusammen. Den Bestimmungen deS Vereins und Bersammlung»rechteS erachten sich diese Gruppen offenbar für nicht unterstehend, da sie dies« Bestimmungen nicht erfüllen. Vielfach fingieren diese Gruppen, Schieß-, Skat- oder Rauchklubs zu sein. Diesbezügliche Instrumente, als Dindbüchsen, Karten material, Rauchrequisitrn, liegen in solchen Fällen auf dem Tische des Zimmers . . . AuS jeder dieser Gruppen gehören gewöhnlich sc zwei Mit glieder dem Vorstande deS Wahlkreis-Verein» (in DreSden- Alt- und Neustadt -es „Sozialdemokratischen Vereins") an. Von hier aus gibt e» selbstredend eine umfassende und ziemlich präzis arbeitende Verbindung mit den höheren Instanzen bis zum Zentralvorstand hin. Meine Schilderung bezieht sich zunächst auf Dresden, wo ich selbst lange genug tätig gewesen bin; jedoch besteht diese» Gruppenshstem, so viel mir bekannt ist, im ganzen Reich«, nur daß man hier und dort ander« Be zeichnungen anw«nd«t. Die ländlichen Wahlkreise machen hiervon inso fern ein« Ausnahm«, al« fr nach den zur Verfügung stehenden Mitgliedern im ganzen Kreise nur eine einzige Gruppt tzistitrt, deren verttet» oft über den gsnzrn Krri» verstaut wohnen und nur alle Monat oder auch in längeren Pausen zusammen kommen . . . Zunächst fordere ich den Vorsitzenden de» „Sozialdemo kratischen Vereins" Dresden-Altstadt, Herrn Buchhalter Sindermann, auf, mir nachzuweisen, inwieweit ich in Bezug auf die interne Organisation die Unwahrheit gesagt . . . habe." Die „Antisozial-. Korresp." zieht hieraus den Schluß, -aß die sozialdemokratische Interne im Widerspruche mit den Bestimmungen des Vereins- und Versammlungs rechtes stehe und auch -en Tatbestand von 8 128 R.-Ltr.-G. erfülle: „Die sozialdemokratische Partei befindet sich gegen über der bestehenden Rechtsordnung mit vollem Be wußtsein auf rechtswidrigem Boden". Zur Nennung des Gewährsmannes ist die Korrespondenz ermächtigt und berechtigt; sie will jedoch hiervon absehen, wenn die ^Franks. Ztg.", die das Vorgehen der Korrespondenz -um Gegenstände lebhafter Polemik gemacht hat, eine Er klärung dahin abgebe, daß sie nach dieser Veröffentlichung die von der Korrespondenz bezüglich der Interne auf gestellten Behauptungen fernerhin in Zweifel zu ziehen nicht mehr in der Lage fei. * Berlin, 3. Juni. (Aerztevereine und Kranken kassen.) Da« Landgericht in Düsseldorf hat uolänast eine für Aerztekreise bedeutsame E»»scheidung gefällt, deren Tatbestand bisher häufig «in Gegenstand streitiger Erörterung war. Es bandelt sich um ei«en der nicht seltenen Fälle, daß ein Arzt, im Widerstreit mit den ausdrücklichen, bindenden Bestimmungen der Satzungendes betreffenden Aerzte- verein», Verträge mit Krankenkassen eingegangen ist. Dem frei willigen oder unfreiwilligen Austritt au- dem Verein pflegt in Form ei«eS BereinSbeschluffeS ei« Boykott zu folgen. Gegen einen derartigen Beschluß ist die prinzipiell herbei- geführte Entscheidung de« Düsseldorfer Landgericht» dahin er gangen, daß 1) der Äerzteverein nicht berechtigt ist, den Kläger als „außerhalb de« kollegialen Verkehr» stehend" zu bezeichnen; 2) der Äerzteverein verurteilt wird, den Beschluß aufzuheben und von der Aufhebung seinen Mitgliedern unter Hervorhebung der Tatsache, daß der Beschluß zu Unrecht erfolgt ist, Kenntnis zu geben. Der betreffend« Lrzi war i« November 1892 Ver träge mit Krankenkassen ring,gang«, und hatte die Konsequenz seine- DerbaltenS, daS tatsächlich den Interessen und Satzungen des Verein» entgegenlief, selbst gezogen, indem er freiwillig auß- trat. Im Jahre 1896 folgte alsdann die Boykotterklärung, die sowohl dem Betroffene» wie allen Mitgliedern deS Vereins mitgeteilt wurde, selbst den neueintretenden Mitgliedern wurde der Beschluß jrdeSmal zugestellt. In dieser Erklärung liegt nach der Entscheidung de» Gerichtshof«» eine schwere Ehrenkränkung und Beleidigung, die eine unerlaubte Hand lung im Sinne des tz 823 Abs. 2 und zugleich im Sinne de» tz 824 de» Bürgerlichen Gesetzbuches ist, ferner den Tat bestand der Beleidigung im Sinne des 8 18k deS Straf gesetzbuches begründet, demgemäß der Berrin verurteilt wird. (Köln. Ztg.) 8. Verltn, 5. Juni. (Privattelegramm.) Der unter dem Vorsitze von I^ic. Weber hier im Handwerkerverein zusammengetretene Ausschuß des GesamtverbaudeS »er Evangelischen Arbeitervereine Deutfchlanb» bat folgende Punkte eingehend beraten: Ausdehnung der Vollmacht der Einigungsämter, Ausdehnung der Krankenversiche rung auf die Heimarbeiterinnen, Heranziehung rus sischer und galizischer Arbeiter, Erlaß eines Reichsgesetzes über die Zusammenlegung sämtlicher Krankenkassen zu Ortskrankenkassen^ Gefängnis arbeit, Arbeit-zeit der Arbeiterinnen, den preußischen WohnungSgesetzeutwurf, Aenderung der tztz 1K2 und 1L3 der Gewerbeordnung, Rerchsgesetz für Vereine und Ver sammlungen, gesetzliche Anerkennung der Arbeiterberufs verein«, Arbeitskammeru Und den paritätischen Ar beitsnachweis. — Mit der Aufstellung des nächstjährigen Etats bängt eine Reise deS Staatssekretär- v. Trrpitz an Bord de« SpezialschrffeS „Grille" nach der Nordseestation am 2. Juni zusammen. Den Staatssekretär begleiten der Direktor deS technischen Departement-, Kontreadmiral v. Ahlefeld, die Vorstände der Zentral- und Etatabteilung deS RtichSmariue- amt», Kapitäne z. S. Pohl und Capelle, sowie der Direktor PerelS vom Verwaltungsdepartement. Es handelt sich namentlich um die Feststellung der Forderungen für Marine anlagen im Nordseegebirt. I-. Kiel, 2. Juni. Die den Kaiser!. Werfteu in diesem Jahre zugefallenen Arbeitsobjekte reichen uicht au», um die ArbeitStätigkeit deS Betriebe- auf der Höbe de» Vorjahre» zu erhalten. Es wird «ine nicht unerhebliche BetriebSeinschränkung stattfinden müssen, sodaß Arbeiter entlassuugen bevor stehen. Sowohl di« Wilhelmshavener Werft wie die Kieler und die Danziger Werft stehen der Not wendigkeit, mehrere hundert Arbeiter abzulohnen, gegenüber. Dieser Schritt ist um so einschneidender in daS wirtschaftliche Leben, als mehrer« große Privatwerften ebenfalls au Arbeits mangel leiden. Die Kruppsche Germauiawerft in Kiel hat im Lause de» letzten Jahre» schon Hunderte von Arbeits kräften entlassen müssen und arbeitet schon lange mit Feier schichten. Auch der B u lkan in Stettin rechnet mit einer Redu zierung de» Personals. Auf einigen anderen Werften liegen die Verhältnisse ähnlich. ES fehlt vor allen Dingen an größeren Aufträgen für die Handelsmarine und solche sind vor der Entscheidung über di« Gestaltung der handelspolitische» Beziehungen schwerlich zu erwarte». Die Krieg-marine hat fast alle SchiffSneubautrn der letzten beiden Jahre den Privatwerften zugrwendet, und so fehlt e» den fiskalischen Betrieben selbst an genügender Beschäftigung. o Sraukfurt a. M., 8. Juni. (Telegramm.) Zu Ehren der kaiserlichen Gäste hat die Stadt ein reicheO Kestgewanb angelegt. Bi» in die entferntesten Außen- gebiete sind die Häuser mit Fahnen, Laubgewinden und kostbaren Teppichen geschmückt. Besonder» sind der Bahn- bok und der Bahnhvssplav reich geschmückt. Am Bahn- tzofSplatze sind di« Zufahrtsstraßen nach der Stadt durch verzierte Obelisken gekennzeichnet, ükn Lingntta» de, FtzststrM, an bet »cke »er EcharNhurststraH», Ist
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