Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020708015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902070801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902070801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-08
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis t» der HauPtexpedition oder deu du Stadt» bezirk wrd deu Vorort« «rrtchtete» LuA» gaoestelle» »bgeholtr vterteljLbrlich ^8 4.80^ — zweimaliger täglicher Zustelluug tu- Haus 8.80. Durch die Post bezöge» für Dcutschland u. Oesterreich vierteljährlich für die übrigea Länder laut Zett»ng«prA»ltst«. Redaction und Expedition: Iohanntsgaffe 8. Fernsprecher 153 und 22L. Filialoopedittuu»« , Alfred Hahn, Buchhandlg, LniversttLtSstr.S, L. Lösche, Katharineustr. Lä, «. SüutgSpl. 7. Haupt-Filiale Vresde«: Ktrehleuerstraße S» Fernsprecher Lmt I Ar. L71A Haupt-Filiale Lerliu: Königgrätzerstraße US. Ferusprecher Amt VI Nr. 8398. Nr. 341. Morgen-Ausgabe. UchMcr TaMalt Anzeiger. ÄmlsVlatt des Mnigttche« Land- «nd Ämtsgerichles Leipzig, des Mathes «nd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. E.---.. - - ------ - > — . — ,, — "» ,L . .U Dienstag den 8. Juli 1902. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reelame» unter de« Nedaetlousstrich (»gespalten) 78 vor deu tzamiltennLch' richten (S gespalten) 80 Tabellarischer und Hisferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Osferteuannaym« L5 (excl. Porto). Extra»Beilagen (gefalzt), »ur mit der Morgen »Ausgabe, oha« Popbesürderung ^l 60.—, mit Postbefärderuag >^l 70-^-» Änuahmrschluß für Äuzeigeu: Abeud-Llurgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-LuSgaber Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen find stet» an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet vo» früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag vo» E. Polz «»Leipzig. 98. Jahrgang. Wie steht es mit dem Zolltarif? L2 „Die Wahrscheinlichkeit, daß der Zolltar i frucht zuStande kommt, wächst von Tag zu Tag". So eine Berliner frei sinnige, fanatisch sreihändlrrische Zeitung. Der Wunsch ist bei ihr der Vater der Beobachtung, und diese ist danach zu beurtheilen. Zustimmung verdient das Blatt, insoweit eS auSeinandersetzt, daß Gras Posadowsky in seiner letzten CommissionSrede die Situation nicht erschöpfend behandelt hat, indem er sich vornehmlich gegen die Socialdemokratie, als daS hauptsächliche Hinderniß der Fertigstellung der Tarifresorm, wandte. DaS freisinnige Organ resumirt sich dahin, Graf Posadowöky bereite die Behauptung vor, daö — angeblich vorauSgesehene, aber tbatsächlich vorerst nur ge wünschte — Scheitern der Vorlagen sei durch die „wesenlosen" Anträge der Socialvemokratis verschuldet. Eine solche Absicht trauen wir dem Staatssekretär deS ReichS- amteS deS Innern nicht zu. Sie wäre nicht zu verwirklichen, und schon der Versuch, die Socialdemokratie zum alleinigen Sündenbock zu machen, würde, falls die Neuwahlen zum Reichstag in der That vor Verabschiedung des Tarifgesetzes stattfinden müßten, zum Schaden der Anhänger eines ver nünftigen Zollschutzes, also auch der Regierungen, Verwirrung stiften. Die Socialdemokratie hat — im Verein mit dem Frei sinn — verschleppt und wird weiter zu verschleppen versuchen. Aber wenn der rechte Zug in die CommissionSverhand- lungen nicht gekommen ist, so liegt die Schuld an Factoren, welche die schutzzöllnerische Mehrheit im Reichstag bilden helfen, an Conservativen und an CentrumSmitgliedern. Der Verlauf der Berathung des landwirtschaftlichen TheileS des TarifeS und die Art seiner vorläufigen Erledigung bat die Verhandlungen über den industriellen Theil beeinflußt. Die Landwirtschaft bildet eben daS Hauptkampfobject, was gar nicht geleugnet zu werden braucht. Daß nun Ver treter des Centrums und der Conservativen, übrigens sie nicht ganz allein, formulirte Anträge auf Erhöhung der Mindestsätze für Getreide eingebracht und vorläufig in der Com mission durchgesetzt haben, hat schon hindernd gewirkt. Viel schädlicher scheint noch die übermäßige Erhöhung der Zölle auf gewisse andere landwirtschaftliche Er- zeug»d '-DaS hauptsächlich Lähmende ist aber darin zu finden, daß die Klerikalen und Conservativen in der Com mission zwischen sich und den extremsten Agrariern, die ein Verlangen äußern, das über die Forderungen jener beiden Parteien jedenfalls weit hinauSgeht, niemals eineu festen Strich gezogen haben; sie verfuhren in einer Weise, die parlamentarisch nickt geboten war, so sie deren Forderungen nicht begünstigten. Frhr. v. Wangenbein! hat bekanntlich den Antrag Herold, der die erhöhten Mindest zölle für Getreide festsctzen will, nicht unterschrieben, weil er die bäuerliche Masse in einer für die Berliner Leitung dcS Bundes der Landwirthe uud für BcrufSagitatoren lucrativen Stimmung dcS Mehrhoffens und Mehrbegehrens erhalten wollte. Dennoch durfte derselbe Frhr. v. Wangenbein! eine ganze Weile in der Commission eine Rolle spielen, die glauben machen konnte, er sei der Führer der ganzen agrarischen Mehrheit. Mit diesem Verhalten gegenüber einem Gegner ihrer Anträge haben die Herren Herold, Graf Kanitz, v. Kardmff n. s. w. diese Anträge selbst compromittirt. Die Folge ist, daß eingroßerTheil derLandwirthe die Situation niemals io ansehen lernte, wie sie Conservatioe und Klerikale bei der Einbringung ihrer Anträge ansehen, geschweige denn, wie sie in Wirklichkeit geworden ist. DaS beweist unter An dern! auch die bündlerische Sondercandidatur in Bayreuth und ihr numerisch immerhin nicht geringfügiger Erfolg. Die Landwirthe, die dort, ältester Tradition zuwider, gegen den Nationalliberalen für einen extremen Agrarier stimmten, rechnete» keineswegs nur darauf, mit ihren Wahlzettcln die Chancen deS Antrags Herold's zu verbessern, sie glaubten damit den weit höheren Forderungen der Bundesleitung die Wege ebnen zu helfen. Daß sie trotz Allein und Allem jetzt noch in diesen Glauben versetzt werden konnten, rst zum großen Theile die Schuld der von den Con servativen und dem Centrum beobachteten Haltung, die offenbar von der Furcht vor der extremen Gestaltung ringegeben war. Daß diese Politik eine falsche war, werden die beiden Parteien empfindlich zu fühlen bekommen, denn sie werden es gewesen lein, die die Bauern enttäuschte», und es werden darüber viele Vertreter eine Quittung er halten. Indessen ist der Schaden auf ein Weniges zu rcdu- ciren, wenn die Umkehr rasch und unzweideutig erfolgt. Von der Beendigung der ersten Lesung deS Tarifs in der Commission trennen uns nach einer woblbegründeten An nahme nock höchstens vier Wochen. Es soll dann bekannt lich eine Ferienpause eintrelcn, vor Milte September aber wird die zweite Lesung beginnen und diese wird nach Lage der Dinge, soweit die Mehrheit in Betracht kommt, sich glatt abwickeln müssen oder das vorläufige Scheitern der Tarifreforin herbeiführen. Sich mit ihren Forderungen abzusinden, dazu haben die Conservativen und da» Centrum bis zum Beginn der zweiten Lesung Zeit, nicht aber mit dem Verzicht auf daS Kvkettireu mit den Aufstachlern unbegrenzter Begehrlichkeit, mit dem Einschänken von reinem Wein in die Becher der Bauern. Dies zu besorgen, ist, da sich die Commission vor dem Frübherbst nicht mehr mit den landwirthschaftlichen Zöllen befassen wird, die Presse der beiden Parteien berufen, und zwar die kleine Presse, die der Landmann liest. Jetzt stößt man namentlich in der Centrums presse noch häufig auf schreiende Widersprüche in der Beurtheilung von Forderungen, wie sie ungefähr der Bund der Landwirthe erhebt, und besonder» in der Schätzung der Aussichten solcher Forderungen. - E» wird eben der bäuerlichen Maste „nach dem Munde" ge schrieben. WaS nun den Antrag Herold betrifft, so wird ernstlich von einem zu erwartenden Entgegenkommen der Regierungen an einem Pnncte gesprochen. ES soll, so beißt es, in die Erhöhung des Zollsatzes für Gerste um 50 Pfennige gewilligt werden. Die Verbreitung dieser Meldung kann ein freihändlerisches Manöver sein, bestimmt, neue Erwartungen zu erwecken, deren Enttäuschung die Stimmung verbefsern und die Bereitwilligkeit, mit dem Gebotenen vorlieb zu nehmen, vermindern würde. Aber wenn eS sich um eine solche Machenschaft haudelie, würde wohl schon ein halbamtliches Dementi erfolgt sein. Indessen — Sicheres weiß man nicht. Vie zweijährige Dienstzeit in Frankreich. )V. Der französische Kriegsmintster, General Andrs, hat für gut befunden, in öffentlicher Sitzung des Senats die Ueberlegenheit des französischen Soldaten über den deutschen hcrvorzuheben, und lauter Beisall auf allen Seiten des Hauses ist diesen Worten der Anerkennung und des Lobes gefolgt. Wenn wir es auch für angemessen er achten wollen, der Bedeutung jener Worte keinen allzu hohen Werth beizulegen, sondern dem Umstand Rechnung tragen, daß der im Eifer des Patriotismus sprechende General vor der überaus schwierigen Aufgabe stand, den Senatoren die Ueberzeugung von der Nothwcndigkeit der Einführung -er zweijährigen Dienstzeit für die fran zösische Armee betzubringen, so darf der gegen die deut schen Soldaten geführte Hieb doch nicht ganz unerwidert bleiben, sondern muß in kurzer Sachlichkeit in seiner wesentlichsten Behauptung zurückgewiesen werden. Darüber kann doch wohl zunächst kein Zweifel sein, daß, so lange nicht die siegreiche Entscheidung eines Krieges für die Ueberlegenheit einer Armee über die andere als Beweismittel hcrangezogen werden kann, höchstens die sorgfältigere und sachgemäßere Friedensausbildungs- methode als ausschlaggebender Factor für die Behauptung der besseren Qualität einer Armee in Rechnung zu stellen sein dürfte. Auch darüber kann wohl unter sachverstän digen Leuten schwerlich gestritten werden, daß unter den vielfachen Dicnstzweigen, die zur militärischen Erziehung und zur Schätzung des Werthes des Soldaten nothwendig sind, der Schießdienst obenan steht und daß dann die Aus bildung auf großen Uebungsplätzen und im Gelände einen zweiten werthvollen Gradmesser für die Beurtheilung der Leistungsfähigkeit einer Truppe bildet. Wie verhält es sich nun mit diesen Dienstzwcigen in der französischen Armee, welche Mittel stehen ihr zur Erreichung guter Re sultate zur Verfügung und welch amtliche Urtheile liegen über diesen Gegenstand vor? Die diesjährigen Verhand lungen der Deputirtenkammer über den Militärctar haben uns auf diese Fragen recht deutlichen Aufschluß gegeben und zunächst gezeigt, daß weder die Infanterie noch die Artillerie die zu ihrerAusbildunghinreichendeMunition be sitzen und daß sich aus diesem Grunde der Kriegsmintster veranlaßt gesehen hat, unter ernstester Betonung dieses großen Ucbclstandes 2 Millionen Francs zur Beschaffung von Infanterie- und Artillerie-Munition zu beantragen. Aus Sparsamkeitsrücksichten sind aber trotz aller Vorhal tungen des Ministers nur 1 Million Francs bewilligt worden. Und weiter haben uns die Kammerverhand lungen darüber belehrt, daß es in Frankreich zur Zeit noch 41 Garnisonen giebt, die nur Schietzständc haben, auf denen man bis höchstens 300 Meter schießen kann. Einen Theil dieser Garnisonen bilden sogar dicSitze der Gcneral- cvmmandos, wie Paris, Lille, Manbeuge, Rennes, Nantes, Tours, Toulouse, Limoges, Marseille, Toulon und Brest. Gar keinen Schießstand haben noch 5 Garnisonen, unter ihnen Cherbourg, Niort und Bourg; 18 Schießstände sind wegen der benachbarten baulichen Anlagen zur Benutzung durch die Truppen zu gefährlich; 7 sind zu weit entfernt von der Garnison und auf 6 kann nur eine beschränkte Anzahl der vorgeschricbencn Bedingungen erfüllt werden. Ebenso mangelhaft wie mit den Schießständcn ist es um die großen Ucbungsplätzc bestellt, die den Truppen zur Verfügung stehen, obgleich bereits im Jahre 1897 die Mitcl zurAulage dreier solcher Plätze und zur Beschaffung von je einem Jnfanteric-Erercirplatz in jede»! Armee corpsbezirk bewilligt worden waren. Thatsächlich hat die gesammte französische Armee zur Zeit immer nur noch den einen einzigen großen Ucbungsplatz im Lager von Ehälons und 8 Infanterie - Exercir- pläye. Erst am 8. Juli d. I. soll der im Bereich des 20. Armeccorps liegende zweite große Truppenübungs platz von Mailly cingcweiht und sodann den Truppen zur Benutzung übergeben werden, während die 3. und 4. Ucbungsplätzc in der Nähe von Eourtine (12. Armcccorps- Bezirkj und bei Larzac (16. Armeecorps-Bezirk> wegen mangelhafter, zum Theil ganz fehlender Unterkunfts räume für Mannschaften und Pferde bis jetzt nur zzu ganz beschränktem Gebrauche verfügbar stehen. — Es er scheint überflüssig, einen Commentar zu diesen Thatsachen zu geben, und was die bezüglichen Verhältnisse in der deutschen Armee angeht, so genügt der Hinweis, daß cs keine einzige Garnison ohne Schießstand giebt und daß 17 Truppenübungsplätze für die Ausbildung unseres Heeres im Gelände vorhanden sind. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß in diesen Tagen der Vorgänger deS Generals Äudrä auf dem Kriegsministerposten, der General Gallifet, öffentlich Stellung genommen hat zur Frage der zweijährigen Dienstzeit in Frankreich und daß seine Ansichten sich gegen die Einführung derselben gerichtet haben. General Gallifet hält die französische Armee für einen solchen Ueber- gang nicht für „reif" genug und wir meinen, daß sich diese Anschauung dcS verdienten Generals nicht nur darauf bezieht, daß er zur Zeit keine zuverlässige Deckung für den auch vom General Andro zugegebenen Ausfall von 50 000 Mann an der Fricdcnspräscnzstärkc weiß, sondern daß er auch mit ungetrübtem Blick die Mängel in der Aus bildung des heute noch drei Jahre dienenden französischen Soldaten erkannt hat und mit der Verkürzung dieser Dienstzeit einen weiteren Rückgang für die Qualität dessel ben fürchtet. Trotz alledem wird jedoch General Andr5 Sieger in dem Streit bleiben und das von ihm erstrebte Ziel der zweijährigen Dienstzeit erreichen. Ob die Deckung des Ausfalls von 50 000 Mann durch Verbesserung der Capi- tulationSbedingungen zu erreichen sein wird, kann nur die Zukunft lehren; vor der Hand aber kann man die Aus sichten nicht für sonderlich günstig halten, denn trotz der hohcnHandgcldcr konnten bisher nicht einmal alle Untcr- öfftcierstellen besetzt werden, und ob die geringen, 12 btt 16 Centimes täglich betragenden, Zulagen den Gemeinen verlockend genug zum Weiterdienen erscheinen werden, ist zum Mindesten fraglich. Die meiste Aussicht von allen Vorschlägen zur Beseitigung des vorhandenen Mangels hat die Heranziehung der Halbtauglichen (sorvios »uxi- lairch zum Heeresdienst, deren dienstliche Verpflichtung im Frieden bisher nur in Cvntrolversammlungen bestand, während die künftig ihnen zu übertragenden Functionen im Verpflcgungs-, Magazin- und Bureaudienst von voll tauglichen Mannschaften versehen wurden, die auf diese Weise fast aller militärischen Ausbildung entzogen waren und bei einzelnen Truppentheilen eine nicht unbeträchtliche Zahl erreichten. Die deutsche Heeresleitung wird mit derselben ruhigen Sicherheit den bevorstehenden Schritt der französischen Heeresreform beobachten, die sie in allen vorangegange- nen Fällen beobachtet hat, und mit ebenso zielbewusster Bestimmtheit wird sie die Vervollkommnung unserer Armee weiter im Auge behalten, gleichgiltig, ob dieselbe sich in Frankreich anerkennender Werthschätzung erfreut oder nicht. Deutsches Reich. * Berlin, 7. Juli. (Politischer und reli giöser K a t h o li c i s m u s.) Ueber eine der großen Fragen, welche die katholische Welt bewegen, über die Abwendung aller edlen Herzen und gedankenreichen Köpfe von der Verquickung von Religion, Politik und Geschäft, spricht sich Oatüolious in der Münchener „All gemeinen Zeitung" in interessanter Weise also aus: Ich getraue mir, nachzuweisen, daß dem Ansehen und der Stellung des Katholicismus nichts so geschadet hat, als die Einrichtung einer ausgesprochen katholischen Fraction, und zwar nicht etwa oder nicht allein wegen der unvoll kommenen persönlichen Vertretung der Katholiken in ihr, sondern aus Ursachen, die im Wesen der Polttisirung der Religion liegen. Setzen wir demFall, eine Confession hat eine musterhafte Vertretung in einer Kammer; sie ge winnt Einfluß auf die Gesetzgebung und zieht Vortheile aus ihrer äußern Machtstellung, so ist schon die erste Frage: Ist denn eine kirchliche Gemeinschaft auch nur religiös so homogener Art und einheitlicher Gesinnung, daß sie eine einzige Fraction bilden kann, daß das, was eine zufällige Masscnwahl als politische Vertretung an die Oberfläche bringt, auch Spiegelbild der Genossenschaft ist ? Wenn irgendwo, so ist in religiösen Gruppen Mehr heit Unsinn und Massenvertrctung Unterdrückung der Intelligenz. Es wird immer nur eine einflußreiche Partei im Eonfessionalismus sich als angebliche Ver tretung der Confession durchrtngen; sic wird Concurrenz- richtungen schonungslos unterdrücken und sich als die allein berechtigte und legitime Vertretung zu geben wissen. Wenn nun noch, wie im Katholicismus, der Einfluß der hierarchischen Gewalt so übermächtig ist, wenn Kanzel, Beichtstuhl und eine von einem Centrum aus organisirte Presse gemeinsam arbeiten und die Massen, die wenig Sclbsturthcil besitzen, harangnircn, ist von vornherein klar, daß die feineren Unterschiede und Gegensätze, die weiterragenden Gesichtspunkte nnd insbesondere die Oppositivnsgelüstc gegen autoritative Mächte auf solche Art keine Geltung gewinnen können, daß also jene, welche ans der politischen Vertretung auf das Ganze schließen, ein durchaus schiefes Bild sich machen. Es ist z. B. eclatant, daß kein einziger Theologe von Bedeutung beim Centrnm ist und alle gelehrten Celcbritäten des Katholicis- m u s entweder in offener Opposition oder wenigstens in Abschließung von den katholischen Fraktionen be harren. Was ist das nun aber für eine religiöse Fraction, welche gerade der religiösen Intelligenz, der geistigen Führerschaft entbehrt? „Manche Leute," sagt Riehl, „meinen, es zieme sich nicht für einen Pfarrer, das Theater zu besuchen und dort ein gutes Schauspiel anzusehen; aber es schickt sich doch noch weit weniger für einen Geistlichen, t u m u l t u a r i s ch c Wahlversammlungen zu besuchen und dort Kriegsrcden zu halten." Wenn man zur Entschuldigung etwa sagen würde: Wir müssen die Wahlen zu unfern Gunsten gestalten, um Einfluß auf die Gesetzgebung zu gewinnen, so möchte ich ein Wort Jean Paul's anwcnden: Es giebt Leute, die, um die Uhr vorzurückcn, den Stunden zeiger statt des Minutenzeigers bewegen. Sie sprengen aber nur den Zeiger ab. Es ist ungeheuer plump, direkt durch politische Agitation der Religion Vortheile ver schaffen zu wollen. Des Geistlichen Amt ist, durch Ein pflanzung religiöser Gesinnung und lauteres Tugcnd- beispiel der Religion Eingang und Achtung zu ver schaffen; dann werden die so erzogenen Gemeindeglieder von selbst religiöse Männer in die Vertretungen wählen und entsprechende Gesetze veranlassen. Gelingt es da gegen den Seelsorgern, durch allerlei Kniffe uud durch Benützung der ungebildeten Masse, eine meinetwegen sogar starke sogenannte klerikale Partei zu schassen, ohne daß das Volk im Ganzen, besonders die Gebildeten, dazu zählt, so ist dies zehn Mal schädlicher, als cs nützt. Denn es bringt die Gefahr mit sich, daß dann die Gegner der svecifisch Klerikalen und hierarchisch Approbkrten, durch solche Mache erbittert, von der katholischen Religion abfallen, «nd die Religion muß dann büßen, was kurz sichtiger Eifer gesündigt. Der Geistliche soll für die Politik nur indirect wirken, indem er durch rein religiöse Wirk samkeit den Boden ebnet. Das ist nun freilich schwerer nnd verlangt andere Qualitäten bei den Predigern als der „Paradekatholicismns", „WirthshauSkatholicismuü", „Bergnügungskatholicismus", um in den Worten Kepp- ler'S zu reden, der das „brüske Hervortreten im öffent lichen Leben", die „Veräußerlichung des katholischen Sinns" einst so scharf gcbrandmarkt hat. * Berlin, 7. Juli. AuS der neuen von: Kaiser erlassenen Verordnung über das Heirathen der preußischen Militärpersonen sind noch folgende demerken-werthe Bestimmungen mitzutbeilen: WaS den EinkommenS-Nachwei» für Officlere anbe- trifft, so dürfe» Erträge au» städtisch«» od«r ländliche» Grund stücken, aus Kohlengruben, Bergwerken, Fabrikanlage», kauf männischen Geschäften, insbesondere auch Gewinnantheile(Dividenden) von Actien alS sicheres Einkommen nur angenommen werden, wenn die Grundstücke u. s. w. innerhalb deS deutschen Reiches liegen oder die betreffenden geschäftlichen Unternehmungen ebendort ihren Sitz haben und auch nur bis zur Hälfte des jährlichen Durchschnittsertrages, welcher sich aus den letzten 5 Jahren ergiebt. Hat der Officler Schulden, so ist unter Versicherung der Richtigkeit der Angaben auf Ehre und Pflicht von dem Officler darzulegen, daß zu ihrer Deckung nicht das nachgewiesene Einkommen verwendet zu werden braucht. Sind sämmtliche Schulden schon in der Verhandlung über den EinkommenS-Nachweis berücksichtigt worden, so genügt die Versicherung des OfficierS aus Ehre und Pflicht, daß er selbst und seiner Ueberzeugung nach auch seine Braut keine weiteren Schulden habe, als die in der Verhand lung berücksichtigten. WaS die HeirathSerlaubniß der Unter- osficiere anbetrifft, so ist solche nicht zu erthetlen, wenn die Heirath den dienstlichen Rücksichten oder dem Ansehen des Unter- vfficierstandeS, bei Unterofsicieren, die eine Beförderung zum Zeug- u. s. w. Lfficier anstreben, auch Len Rücksichten auf daS künftige StandeSverhältniß widerspricht. Die Prüfung des Antrages hat sich nicht auf die Vornahme der Trauung in einer bestimmten Confession zu erstrecken, auch darf die Erlaubniß- crtheilung nicht von der Art der kirchlichen Trauung abhängig ge macht werden. Für die Ertheilung der Erlaubnis ist ferner Be- dingung, daß neben den zur ersten Einrichtung erforderlichen Mitteln, insoweit nicht besondere Festsetzungen getroffen sind, bei Unterofsicieren ein Vermögen von 300 bei Gemeinen, wenn sie sich mit einer Inländerin verheirathen, von 150 „6, wenn die Braut eine Ausländerin ist, von 300 vorhanden sein muß, das in der Lasse des TruppentheilS in sicheren zinstragenden Werthpapieren oder Sparkassenbüchern niedergelegt wird. Der Unterosficier oder Gemeine muß sich verpflichten, über den Grundstock Les nieder gelegten Vermögens nicht ohne Genehmigung des Vorgesetzten zu verfügen. Eine theilweise oder gänzliche Auszahlung des HeirathS- gutes kann bei Eintritt außerordentlicher Nothstände vom Comman- deur u. s. w. verfügt werden. G Berlin, 7. Juli. (Telegramm) Der „ReichSanzeiger" meldet: Generalleutnant V. Winterseld, Commandeur der Garde-Cavallerie-Division, ist der Stern zum Rothen Adler-Orden 2. Classe mit Eichenlaub verliehen worden. Der vortragende Rath im Auswärtigen Amte, Geheimer Legationsroth v. Laöcnberg, ist zum Wirst. Geheimen Legationsrath mit dem Range eines RatheS I. Classe und die vortragenden Räche des Auswärtigen Amtes, Wirst. Legationsräthe Or. Lcntze und Göbel V. Harrant, sind zu Geheimen Legationsräthen ernannt worden. — Einen „deutschen Tag" wirt der Ostmarken- verein in diesem Jahre in Danzig veranstalten. Als Termin ist der 14. September festgesetzt. (D Travemünde, 7. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser hat heute Vormittag 10 Ubr seine NordlandSreise an getreten. Vorher war die kaiserliche Familie noch auf der „Iduna" zusammengetroffen, nachdem der Kaiser an Bord der „Hohenzollern" den Vortrag des Geheimen Negierungsralhes v. Valentini vomCivilcabinet gehört hatte. — Die Kaiserin hat an Bord der Segelhacht „Iduna" mit den Prinzen Eitel Friedrich, August Wilhelm und Oscar und ihrer Umgebung eine mehrtägige Kreuzfahrt in die Ostsee angetreten. * Hamburg» 6. Juli. Hier hat sich der seltene Fall ereignet, daß nach erfolgter Liquidation einer Sparcasse Geld vorhanden ist, über dessen Verwen dung eine Bestimmung nicht getroffen ist. Im Jahre 1810 ist in Hamburg eine Sparkasse gegründet worden, die vor zugsweise für die minderbegüterlen BevölkcrungSclassen bestimmt war, uud im Jahre 1850 den Namen „Depositv- casse der Hamburgischen Allgemeine» Vcrsorgungsanstalt" erhalten hat. Die Casse wurde in der ersten Zeit ihres Bestehens stark benutzt, doch ist die Benutzung nach Grün dung der anderen gemeinnützigen Sparkassen mehr und mehr zurückgegangcn, da die Dcpvsitocasse in Beziehung auf Verzinsungs- und Nückzahlungsbeoingungen mit diesen Sparcasscn nicht conenrrircn konnte. Nachdem die Benutzung der Dcpvsitocasse schließlich nahezu ganz aus gehört hatte, beschloß der Verivaltungsvvrstand die Liqui dation der Casse. Diese Liquidation ist in der Weise aus geführt worden, daß sämmtliche Einlagen zurückgezahlt oder, soweit cs sich um unbekannte Einlagen aus älterer Zeit handelt, nach Maßgabe der Statuten mit befreiender Wirkung hinterlegt sind. Nun handelt cs sich um die Vcr- theilung des sogenannten Sicherheitsfonds der Casse, der eine Höhe von 150 000 .^. hat, und über dessen Verwendung im Falle der Liquidation nichts in den Statuten bestimmt ist. Damit ist das Geld au den Fiscus gefallen, doch will der Senat cs in zweckentsprechender Weise wieder ver wenden. Der Senat hat deshalb der Bürgerschaft einen Antrag zugehen lassen, wonach der Betrag von 150 000 .L der Patriotischen Gesellschaft zur weiteren Ausgestaltung der von ihr gegründeten öffentlichen Bücher- halle zugcwandt werden soll. Dieser Vorschlag hat hier weitgehende Zustimmung gefunden. Denn einmal hat die Büchcrhallc, die hier vor zwei Jahren gegründet worden ist, beständig mit finanziellen Schwierig keiten zu kämpfen. Die Benutzung ist sehr stark; es gehören gleichzeitig fast 12 000 verschiedene Personen zu den Lesern der Büchcrhallc, die größte Zahl, die eine einzige Bibliothek in Deutschland mit Lesestoff versorgt. Dann aber wird durch die Ileverweisnng des Betrages von 150 000 an die öffentliche Büchcrhallc dieses Geld, das aus den Einlagen der kleineren Sparer herrührt, für einen Zweck nutzbar gemacht, der vorzugs weise den Miuderbegütertcn, also den Vevölkerungs- classcn zu Gute kommt, in deren Interesse seiner Zeit die Dcpositcncasse gegründet worden ist. (-) Hamburg, 7. Juli. (Telegramm) Der Groß- herzog von Sachsen-Weimar, der gestern Abend hier cintraf, besichtigte heute die Schiffe und die Betriebsstälte der Hamburg-Amerika-Linie. Er wird heute Mittag der Börse einen Besuch adstatte».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite