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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020710010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-10
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Slnzetgen-Prers die 6gejpaltene Petitzeile 2S Reelameo »ater dem Nedactioasstrtch (4gespalten) 76 Lp vor de» Famllieunav richte» (S gespalten) 60 Tabellarischer aud Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaanuahme L5 H (excl. Porto). Extra »lveilagen (gesalzt)^ »ur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesärdernug 60.—, mit Postbesörderuug 70.—> Änuahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-Au-gabe: Nachmittag» 6 Uhr. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 6 bi- Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von L Pol, l»Leipzig. Donnerstag den 10. Juli 1902. 96. Jahrgang. Zur Cultusdebatte in Sayern. Aus Bayern wird uns von protestantischer Seite geschrieben: Das Bild einer Kirchenversammlung bot vor Kurzem der Landtag, als über Luther debattirt wurde. Das kommt davon, wenn eine Partei die Majorität hat, welche in erster Linie im Dienste eines particularkirchlichen Interesses steht. Wir Protestanten sind nicht gewillt, unsere theo logischen Auseinandersetzungen auf Kosten des Landes in die Areua des Landtags zu verlegen. Wir wür den das auch als Zeichen einer Schwäche unseres Stand punktes betrachten. Denn mit ein paar Citaten können solcheFragen nicht entschieden werden und können höchstens die Mehrheitsparteien mit Hilfe geschickter Berichterstattung vor einem kritiklosen Publicum sich den Schein eines Sieges zuschieben. Und obendrein erreicht man damit, oast das Augenmerk der Landcsvertreter von dem abgelenkt wird, was sie eigentlich beschäftigen mutzte. Wir glauben, m, Folgenden zeigen zu können, daß das Centrum gerade dazu gute Gründe hat. Consessionelle Angelegenheiten, die den Landtag wirklich angchen: Das, worunter die Protestanten vor Allem zu leiden haben, ist freilich nur eine Sache der Landtags w ä h l e r. Es ist die Majoritätspolitik, deren Wirkungen man an vielen Puncten zu spüren bekommt und noch ferner zu spüren bekommen wird. Der Versuch, mit Hilfe der Kammer der evangelischen Sache bei jeder sich bietenden Gelegenheit etwas anzu hängen, ist nur e i n Ausfluß der ganzen Tendenz. Lehrreich war im vorigen Jahre die Stellung der Regierung zu der Frage der Reueinführung und Ausdehnung öffentlicher Frontet chnamsprocessiv ne n in überwiegend protestantischen Orten. Das künigl. Oberconsistorium hatte auf die Bitte vieler Synoden an das Cultusmint- sterium das Ansuchen gerichtet, es möge eine authentische Interpretation des Art. 4 Abs. 2 des Vercinsgcsetzes in dem Sinne herbeiführen, daß der Ausdruck „herkömmlich", wie cs der Intention des Gesetzes von Anfang entsprach, als „ortsüblich" verstanden werde. Die Antwort darauf vom 15. April 1900 war die, daß „die erbete nen Einleitungen zur Herbeiführung dieser Interpretation nicht in Aussicht -gestcUL. werden können". Warum nicht? Das hat der Minister nicht gesagt. Das konnte sich freilich Jeder selbst sagen. Daß übrigens die Protestanten ihren guten Grund haben, sich gegen eine schrankenlose Gewährung solcher öffentlicher Processivncn in überwiegend protestantischen Orten zu verwahren, das beweist eine neuerdings im Beck' sche u Verlag, Nördlingen, erschienene Schrift eines bayeri» schen protestantischen Theologen: „Die Neueinführuug öffentlicher FronletchnamSprocessionen in überwiegend protestantischen Orten. Materialien zur Bcurtheilung dieser Angelegenheit." — Wie ferner die ultramon tane Confcssionsriechcrei gegenwärtig ge neigt ist, sich auf alle möglichen Berufe zu erstrecken, davon haben die letzten Kammcrverhandlungen wieder ein deutliches Bild gegeben. Man kann es mit Händen greifen, daß das Centrum seine Majorttätsmacht zwar vorsichtig und allmählich, aber mit brutaler Zielbewußtheit auszu- ttützen trachtet. So wird der Landtag genöthigt, sich mit Dingen zu beschäftigen, welche seiner Competenz nur dann unterstehen würden, wenn es sich etwa um bewußte oder beabsichtigte Begünstigung einer Confession handeln könnte. Daß davon heutzutage im Sinne der Ccntrums- anklagen sicher nicht die Rede sein kann, beweist die äußerst nachgiebige Haltung der Regierung eben nach der ultra montanen Seite hin. Wir sind allerdings sehr der Meinung, daß der Land tag sich mit wirklich konfessionellen Ueber griffen, zumal wenn sie amtlicher Natur sind, beschäf tigen muß. Sonst wäre er keine Volksvertretung. Aber solche amtliche Hebelgriffe sind aus protestantischer Seite einfach nicht vorhanden. Bekanntlich hat in dem Falle Schaudig das protestantische Oberconsistorium sich so gar den Beifall der ultramontanen Presse durch sein be kanntes Predigtverbot zugezogen. Wie ist's aber auf katholischer Seite? DaS ins Brevier aufgenommene „Creszentia- gebot" enthält eine Verunglimpfung der evangelischen Kirche, indem es von „den Gefahren der lutherischen Secte" redet, unter welchen Creszcntia doch ihre „Unschuld" be wahrt habe. Durch den Schutz der Mutter Gottes. — Wie es überhaupt um die in der Verfassung geforderte Achtung gegenüber der anderen Confession in der katho lischen Kirche an maßgebendster Stelle steht, beweist die völlig unversöhnliche und unparitätische Position in der Mischehenfrage, wie sie die bayerischen Bischöfe in ihrer Immediateingabe vom 17. Dccember 1900 dar- gethan haben, ganz zu schweigen von ihrer neuerlichen Empfehlung des Preßvereins als Seelsorgcmittel, desselben Preßvereins, der sich durch ein niedriges Pamphlet „Treu zu Rom" eingeführt hat. Wir möchten aber die nichtultramon tanen Abgeordneten noch auf besondere Fälleaufmerksammachen, welche im August 1900 in Nr. 33 und 34 des „Correspondcnzblattes für die Geistlichen der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern" mitgetheilt und zum Theil auch in der politischen Tagespreise ausgenommen wurden, ohne datz sie je mals widerlegt worden wären. a. In O., Bez.-Amt Königshofen, wurde ein ver tragsmäßig protestantisches Kind von dem Ortspricster aus der Schule in die Kirche geholt, um es seiner Confession einzuverleibcn. Dann wurde mit Erfolg die protestantische Mutter zur Umstvßung des Vertrages beredet unter dem Vorgeben, ihr Mann werde sich sonst aufhängcn. b. An demselben Orte verweigerte der Pfarrer bei der Beerdigung eines Protestanten das Geläute und gab an das Bezirksamt die Erklärung ab: Allenfallsige weltliche Bestimmungen, wenn sogar in der Staatsver fassung begründet, können hier nicht in Betracht kommen; denn die bayerischen Pfarrer haben nie ange nommen und werden nie annehmen die sogenannte II. Bcrfassungsbeilage. Eine Verfassung müsse sich auf Recht und Ehre gründen. Er weiche nur der Gewalt. o. Im Anfang 1900 nahm der Pfarrer von F., Vez.-Amt Mellrichstadt, eine minderjährige Protestantin ohne Vorwissen ihrer Angehörigen und ohne Abmeldung beim protestantischen Pfarramte in die katholische Kirche auf; dabei behauptete der Mann, er habe „durchaus correct, genau nach weltlicher und kirchlicher Vorschrift" gehandelt, obwohl seine Handlungsweise im direkten Widerspruch mit 8 6 und 10 der II. Bcrfassungsbeilage stehl. Dem Ganzen setzte das bischöfliche Ordinariat Würzburg die Krone auf, indem es anläßlich dieses Vorfalles die Weisung ertheilte, „datz bei Minderjährigen eine Abmeldung bei dem protestantischen Pfarramte nicht zu geschehen hat". Auf Veranlassung einer unter fränkischen Diöcesansynode wandten sich die protestan- nschen Kirchenbehörden an das Ministerium mit dem An träge, das bischöfliche Ordinariat zur Zurücknahme dieses verfassungswidrigen Erlasses zu vermögen. Aber das Ministerium erklärte, außer Stande zu lein, diesem Anträge Folge zu geben, jcck. Correspondenzbl. 1902, Nr. 7.) Nebenbei bemerkt, kommt es in der Würz burger Diöcese auch vor, daß bei Uebcrtritten vom Protestantismus zum Katholicismus die Tauf Hand lung wiederholt wird. ick. Correspondenzbl. 1900, Nr. 34.) Wir fragen: Auf welcher Seite ist Grund zur Be schwerde gegeben? Und wie ist's mit der höchsten Behörde der Protest an tilgen Landeskirche? Sie ist „selbstständig unter dem Kultusministerium", d. h. sie ist selbstständig, soweit es dem Kultusministerium paßt. Und wenn es dem Kultusministerium nicht paßt, so darf das protestantische Oberconsistorium sich zufrieden geben, ebenso wie scheinbar das Kultusministerium sich zufrieden geben darf, wenn einem Bischöfe etwas nicht patzt. Tie Wünsche des protestantischen Oberconsistoriums halten sich ohnehin in ganz bescheidenen, seiner Aufgabe entsprechen den Grenzen. Es will nicht der anderen Konfession be gründete Rechte schmälern. Es sorgt für das berechtigte Gedeihen der eigenen Kirche in den Grenzen strengster Parität. Aber auch da hängt es von dem jeweiligen Wohlwollen seiner „vorgesetzten" Behörde ab: Als die Münchener evangelische Gemeinde um das Recht der Selbstbesteuerung nachsuchte, da konnte die Befürwortung des königl. Oberconsistoriums kaum die garte Fürsorge des Ministeriums für die protestantischen Steuerzahler besiegen. Als aber unter eingehender Be fürwortung des Oberconsistoriums cineachte Pfarr- st e l l e f ü r M ü n ch e n beantragt wurde, da erklärte der Minister die Münchener Gemeinde wegen ihrer Sclbstbe- steuerung plötzlich für so leistungsfähig, daß sic selbst dafür aufkommen könne. Aehnlich ging es mit einer neuenPsarr- stelle inKürth , nachdem die Gemeinde unter den größten Opfern eine neue Kirche gebaut hatte. So wird das bischen Selbsthilfe der protestantischen Kirche belohnt — das beste Mittel, sie davon abzuschrecken. Auf der einen Seite lähmt man ihre Selbsthilfe — auch die versprochene Kirch engemcindcordnung wird allmählich zu einer stets entschwindenden lata morxwna — auf der an deren Seite soll scheinbar die Staatshilfe immer dürftiger fließen, und wie es um den staatlichen Schutz gegen kon fessionelle Ucbergriffe seitens der römischen Kirche steht, das haben wir schon gesehen. Und angesichts dieser Thatsachen stellt sich das Centrum als verfolgte Unschuld hin. Das ist ja nichts Neues; aber es geht doch zu weit, wenn man die Dinge direct auf den Kopf stellt. Wie würde das Centrum schreien, wenn man katholische Soldaten zu mili tärischen Ehrenbezeugungen vor irgend einem Acte oder Objecte des protestantischen Bekenntnisses zwingen würde. Datz aber die protestantischen Soldaten heule noch genöthigt werden, vor der Monstranz der katho lischen Kirche Ehrenbezeugungen zu machen, — diesen Rest, der aus den Tagen des alten Bayerns stammt, bietet man der protestantischen Kirche, weil man darin nicht eine das Gewissen verletzende religiöse Verehrung, wie cs die Kniebeugung war, sondern lediglich eine Achtungsbezeugung vor dem, was der anderen Konfession heilig ist, sehen könne. Aber datz in dieser aus früheren Jahrhunderten stammen den und jetzt noch erhaltenen Einrichtung eine ganz ein seitige Bevorzugung der katholischen Kirche liegt, das ist keine Frage. Also wer wird in Bayern bevorzugt? v. Deutsches Reich. I. 8. Leipzig, 9. Juli. lKaiserWilhelmI. und König Albert.) Durch die Tageszeitungen läuft die Nachricht, daß nach einer Mittheilung aus einem früheren Iahrbuche des deutschen Kriegerbundes Kaiser Wilhelm I. bei Besuchen König Albert's am Berliner Hofe stets nur das Eiserne Kreuz 1. Klasse angelegt habe, um hierdurch den König als Ritter des Grotzkreuzes des Eisernen Kreuzes besonderszu ehren, weil er, der Kaiser, selb st nicht Ritter dieses hohen Ordens gewesen sei. Die letzte Behauptung ist aber unrichtig: Denn wie bekannt, hat nach Beendigung des großen Krieges der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm im Namen der übrigen Ritter des Großkreuzes seinen Vater gebeten, diese Ordensauszeichnung ebenfalls anzulegen, weil sie dem Sieger von Gravclotte - St. Privat und Sedan doch in erster Linie gebühre. Kaiser Wilhelm I. hat ja thatsächlich in den beiden Schlachten den Ober befehl über die beiden deutschen Armeen geführt. lAm 18. August I. und II. und am 1. September III. und IV.) Im Gefechts-Kalender des Generalstabswerkes steht auch bei diesen Schlachten das „Große Hauptquartier", das war König Wilhelm mit seinen Stäben, obenan. Auf einigen Bildern und Photographien, die Kaiser Wilhelm I. in Generalsuniform darstellen, kann man das Großkreuz des Eisernen Kreuzes sehen. Zum Beispiel ist dies der Fall auf dem Bilde in der Nr. 2333 vom 17. März 1888 der „Jllustrirten Zeitung". Das Bild ist nach der letzten photographischen Aufnahme angefertigt worden. Wenn nun Kaiser Wilhelm I. bei den Besuchen König Albert's nur die erste Clasie des Eisernen Kreuzes angelegt hat, dann gewinnt diese Aufmerksamkeit noch mehr an Be deutung, als in dem Jahrbuche angenormnen worden ist: denn Kaiser Wilhelm I. hat damit das militärische Ver dienst König Albert's höher ehren wollen als sein eigenes. --- Berlin, 9. Juli. lDie extremen Parteien und die nächsten Wahlen.) Auf dem „ersten niedersächsischen Bauerntage" in Hannover haben die Bündler den Mund recht voll genommen. Der Zolltarif entwurf soll, wenn es nach dem Wunsche des Grafen Reventlor geht, „dahin verschwinden, wohin er gehör t". Sache der Freunde der Landwirthschaft werde es sein, mitallen halben und falschen Freun den aufzuräumen, damit die Regierung sehe, wohin sie mit ihrer verkehrten Wirtkschafts- Politik kommt. Ob es der Regierung gelingen wird, bei den Neuwahlen eine Mehrheit für ihre Wirtschafts politik zu finden, mag dahingestellt bleiben; wohin sie aber kommen würde, wenn sie ihre „verkehrte Wirth- schaftspolitik" aufgäbe und sich die Politik des Bundes der Landwirthe zu eigen machte, hat eben erst die Wahl in Bayreuth deutlich genug dargcthan. Bei dieser Wahl haben allerdings diejenigen Parteien, die eine Erhöhung der Lebensmittelzölle für wünschenswcrth halten, die Mehrheit erhalten, zieht man aber hiervon die Stimmen ab, die aus dem Boden der „verkehrten Wirtschafts politik" der Regierung stehen, so crgiebt sich eine höchst beschämende Minderheit. Räumt man nämlich, um mit dem GrafenNeventlor zu sprechen, „alle halben und falschen Freunde der Landwirthschaft" weg, so haben die „wahren" Freunde der Landwirthschaft nur 3286 Stimmen aufge bracht gegen 10 600 Stimmen der „falschen" Freunde und der entschiedenen Gegner; die „wahren" Freunde ver fügten mithin noch nicht über ein Viertel der abgegebenen Stimmen. Dies ist in einem Wahlkreise mit überwiegend Feuilleton. Auf Umwegen! Eine lustige Geschichte von Ralph von Rawttz. vla.^riua r? vr.n. Das große Hochzeitsfcst, von dem man in Edelberg schon seit Monaten gesprochen hatte, war zu Ende. Braut und Bräutigam hatten noch einmal im Saal die Runde ge macht, dann waren sie zur Eisenbahn gefahren, um zu nächst noch an diesem Tage Berlin zu erreichen, morgen aber nach dem Süden, bis nach Amalfi hinunter zu dampfen. Die Gesellschaft löste sich allmählich auf und trabte, bei den kurzen Entfernungen der kleinen Garnison stadt natürlich zu Fuß, dem heimathlichen Herde zu. Die Letzten, die das Hochzcitshaus verließen, waren die Leut nants Bellermann und von Netzvw; als sie auf dem Markt angelangt waren, wo der Roland steht, faßte Netzow feinen Kameraden unter den Arm: „Bcllermann! Ich kann noch nicht nach Hause gehen!" „Es ist nicht weit von zwölf, und wir müssen morgen früh heraus, das Regiment steht um 6^ auf dem Exerctr- platz!" „Und wenn es um 2^ steht — ich kann noch nicht in die dumpfe Stube! Lieber Kerl, komm, wir machen noch einen kleinen Bummel durch die Anlagen, diese Juninacht ist ja herrlich! Ja! Hm! — Und ich möchte noch gern etwas mit Dir besprechen!" — „Aber das kannst Du doch auch morgen beim Frühstück im Casino!" „Nein, nein, gerade in Lieser Stille — Du weißt, ich bin für das Romantische! — Hat sie nicht himmlisch aus gesehen, geradezu feenhaft?" „Allerdings, sie sah sehr gut aus, überaus vortheilhaft angezogen!" „Nicht wahr? Riesig geschmackvoll!" „Ich habe freilich noch niemals eine ausgesprochen häß liche Braut gesehen — Schleier und Kranz heben jedes Antlitz!" „Aber von wem sprichst Tu denn, Bellermann?" „Natürlich von Hedwig Brieselang, oder vielmehr Hcd- tvig von Kleewitz, wie sie seit hegte heißt, von der Frau uvseres Kameraden!" „Ach — Hedwig von Kleewitz — ich begreife Dich nicht! Die ist glücklich verheirathet und saust jetzt mit ihrem jungen Ehegespons nach Berlin —, von der ist selbstver ständlich nicht die Rede. Nein — weißt Du wirklich noch immer nicht, wer „sie" ist? Die einzige „sie", die ich meinen kann!?" „Lotte Molde wohl, was, Netzow?!" „Selbstredend, meine entzückende Brautjungfer von heute! Mann, hast Du wirklich nicht gesehen, wie bild schön sie aussah? Ich habe von der ganzen Rede des alten Superintendenten nicht drei Worte gehört, obwohl er ziem lich lang gesprochen haben soll. Immerfort mußte ich dieses niedliche Näschen bewundern, die Ktrschenlippen, die blonden Löckchen ". „Um Gottes willen, Netzow, erlasse mir die demillirte Personalbeschreibung der kleinen Molde. Sie hatte ja wohl hellblau an —?" „Rosa, Bellermann, rosa — Kerl, Du bist wirklich farbenblind. Rosa mit Maiglöckchen und Flieder!" „So! Und um dieser historischen Begebenheit Willen schleppst Du mich Nachts um zwölf Uhr durch unsere Edel berger Anlagen!" „Aber höre doch weiter! Ich habe also von der Rede des Onkel Superintendenten nichts gehört. Weißt Du, woran ich dachte? — Wie es aussehcn müßte, wenn ich erst an derselben Stelle stünde und —" „Und Lotte Molde neben Dir — natürlich! Na hör' mal, Netzow, der Traum kann doch Wirklichkeit werden! Ich versteh Dich in der That nicht. Du bist ein ganz wohl habender Junge und Papa Molde hat auch sein Theil; Tu bist angehender Oberleutnant und Regimentsadjutant, und Lotte Molde ist gut militärfromm erzogen. Also warum zögern? Der Gehetmrath wird Dir keinen Korb geben!" „Aber die Tochter vielleicht!" „Ja, — wie Du mit der stehst, mußt Du allein am besten wissen. Nach dem heutigen Blumenwalzer — und so weiter — glaube ich allerdings an keine Ablehnung Deiner Person — sie hat Dich auffallend ausgezeichnet!" ,Hat sie in der That, Bellermann, ja! Und deshalb —" „Wirst Du morgen anhalten! Sine Hochzeit macht die zweite, das ist eine alte Erfahrung!" „Nein, lieber Kerl, Du irrst Dich. Ich werde morgen nicht anhalten! Lieber Himmel, wenn das so einfach wäre, wie ein Hürdenrennen. Aber denke Dir: Waffenrock und Epaylette» anlegen, Helm und Lacksttefel — dabei faßt mich schon ein Zittern! Und wenn ich dann durch die Hauptstraße und über den Markt gehe, dann sehen mir alle Leute nach: „Aha, Herr von Netzvw geht anhalten!" Und die Kameraden fragen vielleicht direct, wenn sie mich schen, oder sie denken wenigstens: „Auf der Brautfährte!" Und nun gar Sommerfeld, unser Regimentshagestolz! „Da geht einer ins Iarn", wird er natürlich lispeln und sich das viereckige Monocle schadenfroh ins Auge drücken. Nein, Bcllermann, ich bringe das nicht über das Herz, wiewohl ich sie liebe, — bis zum Paroxismus!" „Ja, mein lieber Netzvw, ohne einige Mühe und Arbeit wird nichts auf dieser Erde errungen, und am wenigsten eine Frau. Lieber M .in, wenn Du gesehen hättest, wie ich meine Gattin angepürscht habe! War auch nicht be quem und recht genant, aber doch schön — wollte über haupt, ich könnte noch etwas Poesie von damals herüber nehmen. — Wenn Dich übrigens unsere Edclberger so sehr stören, so erkläre Dich doch bei anderer Gelegenheit! Auf einer Landpartie zum Beispiel, nachdem man „Fangc- zcck" oder irgend ein anderes beliebtes Kinderspiec verübt hat. Oder — da kommt mir noch ein anderer Gedanke — auf einer gemeinsamenSvmmerrcisc. Und daskannstDuin diesem Jahr sehr gut haben. Die kleine Molde hat meiner Frau erzählt, daß sie — Moldes — Mitte Juli nach Nor wegen fahren, die ganze Küste rauf, durch alle die Fjorde bis nach Dronthcim, — das ist so 'ne alte Königsstadt, — oder gar noch weiter bis zum Nordcap, da ist doch eine brillante Gelegenheit. Du nimmst Deinen Sommerurlanb zu gleicher Zeit, bist natürlich ganz zufällig auf demselben Dampfer — denn die ganze Sache geht zu Wasser, und hast vierzehn Tage reichliche Muse, um Dich zu erklären!" „Bcllermann, Du bist ein Engel!" „Vorläufig nur sterblicher Oberleutnant — oder willst Du darauf anspielen, daß Ehen im Himmel geschlossen werden?" „Liebster Bcllermann, Du mußt mir helfen! Tu mutzt vor Allem genau fcststellcn, wann und von wo sie abreisen, womöglich auch den Namen des Schiffes. Für das Uebrige werde ich dann sorgen. Donnerwetter» wird das poetisch sein, wenn wir da oben auf dem Norbcap stehen und ich dann sage: „Schen Sie, Lotte, — denn über das „Fräulein" bin ich dann schon längst weg —, sehen Sie, liebe Lotte, da unten liegt Europa! Aber der ganze Erdtheil macht mir keinen Spaß, wenn Sie nicht darauf sind. Und wenn ich wüßte, daß Sie ähnlich denken l" Und dann antwortet sie: „Sprechen Sie mit Papa!" „Ja, Bellermann, so etwas wird sic dann sagen! — Und im October können die Kameraden auf meiner Hochzeit tanzen!" „Na, also abgemacht, Netzow! Ich werde die Sache deireln! Du sollst Alles genau erfahren und glücklich in den Hasen der Ehe cinlaufen. Und damit gute Nacht! Ich bin hier gerade vor meiner Bude angckommen und rathe Dir auch, lege Dich sofort hin! Später, wenn Lotte Molde Frau von Netzvw geworden ist, dann könnt Ihr ja Mond- scheinpromcnadcn bis zur Morgenröthe machen!" Drei Wochen später, gleichfalls in mitternächtiger Stunde, rauscht ein Dampfschiff den Elbstrom abwärts von Hamburg der Nordsee entgegen; wir crttnnen unschwer in dem eleganten kivilisten, der im Salon das Schiffsbuch mit den Namen der Reisenden durchfliegt, den Leutnant von Netzvw. Jetzt hat er gefunden, was er sucht, seine Augen leuchten auf: Kabine 10 und 11 — Molde, Geheimer Regierungsrath nebst Frau und Tochter. Der Plan ist ge glückt, vierzehn Tage wird der enge Raum des „Sigurd Jarl" — so heißt der Dampfer — sie und ihn gemeinsam bergen! Freudestrahlend ladet Netzow den Kapitän, der allein noch im Salon ist, zn einer guten Flasche ein. „Wenn Sie nicht dienstlich behindert sind, Herr ka- pitän?" „Nein, nein! Wir kommen erst gegen sechs Uhr früh in See; bis dahin leitet der Elblootse unser Fahrzeug!" „Dann mutz man also um sechs Uhr aus den Federn sein, um die Ausfahrt zu genießen?" „Ob es für die meisten Herrschaften ein Genuß sein wird, möchte ich bezweifeln!" „Wie das, Herr Kapitän ?" „ES bläht steif aus Nordwest'." „Und das bedeutet?" „Das bedeutet, datz morgen von den achtzig Paßagiercn, die wir an Bord haben» vielleicht drei oder vier nicht see krank sind!" „Oh!" - „Ja!" „Nun, nichts desto-trvtzdcm, wie wir in Edclberg zu sagen pflegen, Prosit, Herr Kapitän!" „Prosit, Herr Leutnant!"
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