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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020715025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-15
- Monat1902-07
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Angaben auS den Provinzen Posen und Sachsen werben von Wolf zum Beweise hierfür herangezogen. Wenn selbst unter ungünstigen Verhältnissen der staatliche Besitz an Domänen sich als ein solider enveist, der au Werth sehr wenig einbüßt, so spricht das sicherlich f ü r das fragliche Ve- sitzvbjeet. Zu einem großen Theile trägt der Werth dieses Bestes den Charakter eines „Glückseinko m m e n s" deswegen, weil steigende Bevölkerung, steigender Wohl stand, Verbesserung der Verkehrswege, sinkender Zinsfuß ihm zu Gute kamen. Zum großen Theil der angeführten Umstände wegen der Allgemeinheit gedankt, sollte dieser Werth theilweise au die Allgemeinheit zurückfließen. Ein Mittel nun, der Allgemeinheit entsprechende Vvrthcilc zu- zuwenden, sind Domänen, insbesondere wenn sic in der Zeit eines gewissen NvthstandeS erworben werden. Eine Hauptursachc des landwirthschaftlichcn Nothslandes, die sinkenden Getrcidepreise, gelten Wolf lediglich als ein vor übergehendes Zwischenspiel, da zwar der Getreidebau Argentiniens noch steigerungsfühig ist, aber der Anbau in Argentinien nur langsam vor sich geht, während ander wärts die besseren Böden sich allmählich erschöpfen. Hier aus und aus der steigenden Bevölkerung schließt Wolf, daß wir in absehbarer Zett wieder bessere Getrcidepreise haben werden: ein weiteres Moment, das vom vvlkswirthschaft- lichen Standpunkte aus für die gegenwärtige Domänen politik Preußens spricht. Endlich vergleicht Wolf den Ankauf der Ei s e n b a h n e n durch Preußen mit dem jetzt ins Leben tretenden Güterankaufc. Ohne einen Güter ankauf auch nur annähernd im Verhältniß des Eisenbahn ankaufes empfehlen zu wollen — in diesem Falle müßte der Staat fast ein Viertel des nationalen Bodens für 8 Milli arden Mark erstehen, während er jetzt mit dem Hundcrt- nrillioncnfonds dem Werthe nach höchstens einDreihundert- fünfzigstel des preußischen Bodens in sein Eigcnthum über führt, wünscht Wolf eine Fortsetzung der Domäncnpvlitik im Sinne des jüngst beschlossenen Gesetzes, und zwar auch außerhalb der national-geführdetcn Provinzen. * Berlin, 14. Juli. Bon nachstehenderDiüciplinar- entscheidung des StaatSministeriumS hat der preußische Eisenbahnminister den Eisenbabndircctionen zur Mittheilung an die unterstellten Beamten Kenntniß gegeben: Ein Betriebssekretär hat bei der Verfolgung seiner Be strebungen aus Verbesserung der Besoldungsverhällnisse der Be- triebssekretäre in einem Rundschreiben und in Agitationsschriften seine höheren Vorgesetzten und die königliche StaatSregierung grundlos in gehässiger Weise angegriffen und beleidigt und sich nicht ge- scheut, ihnen Ungerechtigkeiten und PslichtwiLrigkeiten wahrheit-widrig vorzuwerfen. Er ist deshalb im förmlichen Disciplinarvcrsohren mit Dienstentlassung unter Zubilligung einer Theilpension aus drei Jahre bestrast worden. Das Königliche Staatsministerium hat aus die Berufung des Angeschuldigtcn das Urtheil be stätigt. In den Entscheidungsgründen wird hcrvorgehoben, daß es weniger die einzelnen Versehen in der Form seien, die den Angeschuldigten strafbar machen, als der von ihm gehegte und verbreitete Geist der A u f l e h n u n g und ll nb ot - Mäßigkeit. Jedem Beamten stehe es frei, sich mit Wünschen und Anträgen an seine Vorgesetzten zu wenden. Mißgriffe in der Form könnten dabei milde beurtheilt werden. Wenn aber ein Beamter, der dem Staate zu besonderer Treue und Gehorsam ver pflichtet sei, den Maßnahmen der Staatsregierung dauernd und in systematischem Kampfe gegenübertret« und in seinen Mitbeamten das Vertrauen zu den Vorgesetzten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, auch durch Entstellung der Aeußerungen und Absichten der Staatsregierung, planmäßig zu untergraben suche, so habe er dadurch die Pflichten seines Amtes aus das Schwerste verletzt und sich selbst des Vertrauens unwürdig gezeigt, das sein Berus erfordere. — Bon der Nordlandreise des Kaisers wird gemeldet: Bergen, 14. Juli. (Telegramm.) Die Kaiseryocht „Hohenzollern " ist heute Nachmittag »ach Molde in See gegangen. — Der Bundeörath hat ein große Zahl von Aende- rungen und Ergänzungen des amtlichen Waarenverzeich- nisseS zum Z oll la r ife n tw ur f in seiner letzten Sitzung vorgenommcn. — Die „Nat.-lib. Corresp." schreibt: Ob wegen der Neu besetzung des Unt erstarrt ssekretärpostc ns im preußischen Finanzministerium eine feste Entschließung bereits gefaßt ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zu den Namen, die in Beamtenkreisen neuerdings genannt werden, gehört außer dem des Negierungöpräsidentcn Gescher auch der des Geheimen FinanzrathS Dombois. — Der „B. L. A." schreibt: Auf dem Festessen, welches die amerikanische Eolonie zu Leipzig am Unabhängigkeits tage gab, schickte Botschafter White seiner von uns mit- gelheilten Festrede, die sich mit der Person des Präsidenten Noosevelt beschäftigte, die Worte voraus, er könne, ohne Ver dacht zu erwecken, daö Lob deS Präsidenten verkündigen, denn er erwarte vom Präsidenten keine neuen Ehrungen, da er im November an seinem 70. Geburtstage sein Amt nieder legen werde. Daß Botschafter White diese Absicht hege, hat schon wiederholt gerüchtweise verlautet; auf der amerika nischen Botschaft war daö Gerücht aber stets als unbegründet in Abrede gestellt und behauptet worden, White habe dem Präsidenten versprochen, so lange im Amte zu bleiben, wie dieser, wenn immer sein Gesundheitszustand eS irgend erlaube. Der Botschafter selbst hat es stets abgelebnt, sich hierüber auszulassen. Auch jetzt, über seine Leipziger Aeußerung befragt, antwortete er diplomatisch, daß man seine Bemerkung dahin interpretire, als ob er resigniren wolle; Weiteres habe er nicht hinzuzusügcn. — Als muthmaßlicher Nachfolger White'S ist in erster Linie der jetzige UnterstaatSsekretär deS Aus wärtigen Amtes David I. Hill genannt worden und ferner sind der New Aorker Advocat Fred. W. Holls und der frühere Senator Wollcolt von Colorado erwähnt worden. — Ueber die Frage der Aufhebung der Gerichts serien hat nach einem hiesigen Localblatt der preußische Justizminister nun doch von den Präsidenten der preußischen Gerichtshöfe Gutachten eingefordert. — Der Allgemeine Delegirtentag der national liberalen Partei wird nach den nunmehr endgiltig getroffenen Bestimmungen der Centralleitung am 1l., 12. und 13. October in Eisenach stattfinden. — Die Hauptversammlung de- Ceotralausschusses für Volks- unv Jugendspiele, welche in voriger Woche zu Köln abgehalten wurde, hat an den Reichskanzler Graf v. Bülow ein Bezrüßungtelegramm abgesandt, auf welches zu Händen deö Herrn v. Schenckendorff folgendes Antwort- Telegramm erging: „Ihnen und den in Köln zusammen- getretenen Freunden der Volks- und Jugeudspiele aufrichtigen Dank für freundliche telegraphische Begrüßung und besten Erfolg für Ihre Bestrebungen, die mich lebhaft interessiren. Reichskanzler Graf v. Bülow." — Pommersche Provinzialblätter wollen wissen, der Führer des Bundes der Landwirthe, Abg. v. Wangenbein,, sei mandalSmüde und wolle für die nächste Session nicht wieder candidiren. Vorsitzender des Bundes der Landwirtbe wolle er bleiben. Die Ausübung seiner parlamentarischen Thätigkeit habe nachthcilige Folgen für sein Gut gehabt, die fernerhin zu ertragen ihm feine Verhältnisse nicht gestatteten. Es wird in der Mittheilung nicht gesagt, ob Freiherr v. Wangenheim bloS auf den diätenlosen Reichstag oder auch auf sein Mandat für daö preußische Abgeordnetenhaus verzichten will. — Aus Friedrichroda meldet der „B. L.-A.": Stadt rath Kaufmann hat vor 4 Tagen einen Schlaganfall erlitten, durch welchen die linke Seite leicht gelähmt wurde. Der Patient ist aber bereits wieder auf dem Wege der Besserung. — Moses Bier, der zu einer gewissen Berühmtheit gelangt ist, seit ih» Herr v. Los als Inhaber des Eiserne» Kreuzes ge priesen hat, toll nun gar nicht Besitzer dieser ehrenvollen Aus- zeichnung sei». — Man wird abznwarten haben, ob sich diese Meldung bewahrheitet. — Die Dachdecker Berlins sind in eine allgemeine Lohnbewegung eingetreten. Nachdem es die Innung durch Nichlbeantwortung eines Gesellen-Antrages iudirect abgelehnt bat, weitere Tarifgemeinschaft zu pflegen, beschloß eine Arbeiterversannnlung, an die Meister die Forderung einer Stundenlohuerhöbung von 60 Pfg. auf 65 Pfg. zu stellen und für den Fall der Ablehnung entsprechende Schritte zu lhun. — Der Bauarbeiterstreik geht seinem Eude ent gegen. Nachdem auf eiligen Bauten bewilligt worden ist und ein großer Theil der Bauarbeiter der Bewegung fern geblieben ist, sind nur noch wenig Streikende zu ver zeichnen. — Der gern ossiciöse „B. L -A." schreibt: In mehreren hiesigen Blättern sind Nachrichten über den seit langer Zeit beabsichtigten Neubau eines Eentralgebäudes sür die Berliner Marinebehör- den verbreitet worden, die in dein wichtigsten Pnncte, dem Kosten anschläge, nicht das Richtige tressen. Es wird von einem 20 Millionen- Project gesprochen, während es sich in Wirklichkeit um etwa 6 Millionen hanüclt. Hierzu ist zu bemerken, daß der Bau eines Central« aebanbeS sür die Marine-Behördeu mit dem stetigen Wachsen der Flotte und damit auch des Personals der leitenden Behörden immer gebieterischer wird. Wer die jetzigen räumlichen Verhältnisse der Marinebehörden kennt, wird das Ausleben Les Planes begreiflich finden. ES liegt die Absicht vor, in der Bellevuestraße ein einheitliches Gebäude zu errichten, für das drei bis vier Grund stücke zu dem Gesammtpreise von sechs Millionen Mark (incl. Baukosten) nothwendig sind. Wahrscheinlich wird der ReichSjackel, je schneller er sich sür den Neubau entschließt, um so vorthrilhaster sahren, weil die enormen MiethSpreije sür «inen Theil der jetzigen Räumlichkeiten dadurch in Fortsall kommen. Zur Zeit handelt es sich natürlich nur um vorbereitende Verband- lungen, La Verträge erst geschlossen werden können, wenn die geietz- gebenden Körperschaften d:e Kosten bewilligt haben. — „Zahnbürsten sind LuxuS", so erklärte am Freitag der Vorsitzende der Zolltariscommission, der couservative Abgeordnete Rett ich. Diese Anschauung wird nicht überall getheilt werden. — Die „Vossijche Zeitung" meldet: Professor Friedrich Kaul- bach.Hannover erhielt anläßlich seines 80. Geburtstages Len Kroneuorden 2. Classe. — Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Freiherr Mar schall von Bieberstein, welcher vor einigen Tagen eine längere Urlaubsreise in die deutsche Heimath angetreten hat, begab sich zunächst mit dem Orient-Expreßzuge über Karlsruhe nach dem badischen Luftcurorte St. Blasien, wo seit einigen Wochen sein« Gemahlin zur Erholung weilt. Nach kurzem Aufenthalt daselbst reiste der Botschafter in Begleitung seiner Gemahlin nach Nruershausen, dem bei Freiburg t. B. gelegenen Famüicngute, um dort seinen Urlaub zu verbringen. — Gelegentlich der AoichiedSaubienz, welche der Botschafter vor seiner Abreise von Konstantinopel beim Sultan hatte, überreichte ihm der türkische Herrscher als Andenken «ine kostbare goldene Taschenuhr nebst Kette, die der Sultan lange Jahre hindurch selbst getragen hatte. — Der deutsche Gesandte in Peking, Freiherr Mumm von Schwarzenstein, begiebt sich über Amerika auf einen halb jährigen Urlaub »ach Deutschland. — Während der Abwesenheit deS russischen Botschafter» Graf von der Ost en-Sacken wirkt der BotschastSrath von Boulatzell alS Geschäftsträger. — Hier angekommen sind der Justizminister vr. Schönstedt, der Director im Justizministerium, Wirkliche Geheime Ober-Justiz- rath Bietsch, au« der Rheinprovinz, der Unterstaatssekretär im Cultusministerium, Wirkliche Geheime Ober-Regierungsralh Wever, au« der Schweiz. Ab gereist ist der UnterstaatSsekretär im Staats- Ministerium Freiherr von Seckendorfs, auf Urlaub, der hiesige mecklenburgische Gesandte von Oertzen, mit längerem Urlaub, der Ober-Präsident von Hessen-Nassau, Staalsminister Gras von Zedlitz und Trützschler, hat sich nach mehrtägigem Ausenthatt hier gestern nach Cassel begeben. (D Kiel, 14. Juli. Die Kaiserin ist mit den Prinzen um 9 Uhr 4 Min. Abend- mittel- Sonderzuges nach Cadinen abgereist. * Oldenburg, 14. Juli. Die Neuwahlen zum Land- tag^sind zum 14. October ausgeschrieben worden. * Schloß Schaumburg, 14. Juli. Der Königin Wil- helmina von Holland ist der Aufenthalt in Schloß Schaumburg ausgezeichnet bekommen. Sie hat sich völlig von ihrem Leiden erholt und wird nach Aussage ihre- Leib arztes vr. Rössing nicht nöthig haben, in irgend einem anderen Curorte Aufenthalt zu nehmen; daher wirb die Königin mit dem 19. d. M. direct nach dem Haag zurückkehren. (Berl.N.N.) * Münster, 14. Juli. Kaiser Wilhelms-Universität soll die neue Münsterer Universität heißen. Auch derwest- fälische Provinzialausschuß hat jetzt beschlossen, eine dahin gehende Eingabe deS Senats der Akademie zu empfehlen. Köln, 14. Juli. Die erste Generalversammlung der Gesellschaft für Sociale Reform tagt am 21. und 22. September in Köln. Auf der Tagesordnung stehen neben Erledigung von internen geschäftlichen Angelegenheiten Referate über die Herabsetzung der Arbeitszeit sür Frauen und Er höhung des Schutzalters für jugendliche Arbeiter in Fabriken (Generalsekretär vr. Pieper-M.-Gladbach und Frl. Helene Simon-Berlin). Am Abend hält Tischendörfcr-Berlin einen Bortrag über die CoalitionSfreiheit der Arbeiter und das Vereins- und Versammlungsrecht. * Bonn, 14. Juli. Der Kronprinz war am Sonn abend zur Tafel bei dem Regierungspräsidenten von Balan in Köln eingeladen, ebenso der Oberbürgermeister Spiritus und Landralh von Sankt aus Bonn. Später fuhr der Kronprinz nach Schlebusch zum Besuche beim Freiherrn von Diergardt. Einige Corpsbrüder des Kronprinzen waren ebenfalls dahin eingeladen. Am Sonntag Abend traf der Kronprinz wieder in Bonn ein. * Im Lieber'schen Wahlkreis (Braubach), wo Ende dieses Monats eine Neuwahl erfolgen soll, gehen merk würdige Dinge durch das Sicheiudrängen deS Bundes der Landwirthe vor; letzterer vermag keinen Candidaten auf zutreiben. Nachdem sein erster Candidat Herr von Grah- berg reumüthig zum Centrum zurückgekebrl ist, wurde Herr Brand als Candidat des Bundes der Landwirthe procla- mirt; aber auch dieser hat seine Candidatur wieder zurück gezogen. Woher diese plötzliche Scheu kommt, sich auf den Schild des Bundes heben zu lassen, nachdem diese Herren mit schmetternden Fanfaren in den Wahlkreis eingeritten waren — wer mag das ergründen? Jedenfalls hat sich schon jetzt der Bund durch seine Candidaten-Verlegenheit eine arge Blamage zugezogen. AuS Bade» kommt eine Nachricht, welche besagt, der streit- bare Centrumssührer, der „Löwe von Zähringen", Pfarrer Wc> cker, beabsichtige, sich aus dem parlamentarischen Leben zurückzuziehen. * Stuttgart, 14. Juli. Während eS in den letzten Tagen schien, daß der Maurerstreik beendigt werde, beschloß heute eine von 1500 Maurern besuchte Versammlung einstimmig, unter allen Umständen den Streik fortzusetzen. * Kulmbach, 14. Juli. In einer vertraulichen Besprechung zu Kulmbach einigten sich Vertreter verschiedener politischer Richtungen aus Forchheim, Gräfenberg, Kulmbach, Pegnitz und Thurnau dahin, ihren Organisationen als gemeinsamen Candidaten für die ReickötagS- ersatzwahl am 13. August Fabrikbesitzer Karl Faber aus Forchheim vorzuschlagen. (Allgem. Ztg.) (-) München, 14. Juli. Der Prinz-Regent empfing beute den russischen Legationssekretär v. Lwoff von der hiesigen russischen Gesandtschaft in Abschiedsaudienz. Nach mittags waren der russische Botschafter in Berlin Graf Osten-Sacken und Legalionssekretär v. Lwoff beim Re genten zur Tafel geladen. * München, 14. Juli. Ein Ministerrath, an dem der Ministerpräsident Graf Crailsheim, der Minister deS Innern Frhr. v. Feilitzsch, der Fiuanzminister Frhr. v. Riedel, der Stellvertreter des beurlaubten CultuSministerS StaatSralh v. Schraut und der Kriegsminister Frhr. v. Asch theilnahmen, fand am Sonntag Vormittag statt. — Nach einer Meldung Berliner Blätter soll der bayerische Gesandte in Wien, von PodewilS, zum Nachfolger Herrn von Landmann'S als CultuSminister auöersehen sein. Herr v. PodewilS traf am Sonnabend in München eia und hatte mit dem Minister- vräsidenten von Crailsheim und dem Prinzregenten Be- fprechungen. PodewilS ist seit 1881 diplomatisch verwendet worden. Von 1887 bis 1895 war er Gesandter am Quirinal, seither in Wien. Er ist katholisch, aber parteipolitisch nie hervorgetreten. Vom „Hamb. Corresp." wird die Nach richt für unglaubwürdig gehalten. Im Ständehause wurde beute erzählt, daß mit dem Regierungs-Präsidenten von Schwaben, Herrn v. Lermann, Fühlung wegen Ueber- nabme des CultuSministeriumS genommen worden sei. Herr v. Lermann habe aber abgelehnt. — Durch allerhöchste Botschaft wurde der Landtag bis zum 9. August ein schließlich verlängert. Frankreich. * Paris, 14. Juli. Der heutigen Revue in Longchamps wohnten das gesammte diplomatische Corps, der Erbprinz von Siam, Prinz Tschaitschang von China und RaS Makonnen bei. Der Kriegsminister General Andrs nahm die Parade der Truppen ab. Präsident Loubet überreichte mehreren höheren Officieren Ordeusauszeichnungen und heftete unter großem Beifall der Volksmenge das Kreuz der Ehrenlegion an die Fahne der Pariser Feuerwehr. In Folge der drückenden Hitze wurde der Militärgouverneur von Paris General Faure-Biguet unwohl und mußte den Paradeplatz verlassen. Auch unter den Soldaten machte sich die Wirkung der Hitze mehrfach bemerkbar. Nach dem Vorbeimarsch der Truppe» wurde eine glänzende Cavallerie-Attacke auSgefübrt. Präsident Loubet, der überall vom Publicum lebhaft begrüßt wurde, kehrte um 5»/, Uhr in das Elysöe zurück. * Paris, 14. Juli. Nach Beendigung der Parade in Longchamps richtete Präsident Loubet an den KriegS- minister Aodrs einen Brief, in welchem er constatirt, die Ausbildung und Haltung der Armee ließen nichts zu wünschen übrig. Trotz der erschlaffenden Temperatur seien die Truppe» in ausgezeichneter Ordnung und Haltung vorbeimarschirt. Tie Bevölkerung von Paris habe die Trikolore und die Armee, welche sie schirme, begrüßt. Der Brief hebt mit leb hafter Freude hervor, daß das Land für die Armee die größte Zuneigung hege, seine Anhänglichkeit an die Einrichtungen Frankreichs sei die beste Bürgschaft für die Sicherheit des Vaterlandes und die Größe der Republik. Großbritannien. Bon» neuen englische» Premierminister. 1>V. Als Sir Arthur Balfour vor ungefähr zwanzig Jahren seine politische Thätigkeit begann, trauten ihm seine besten Freunde keine bedeutenden Erfolge zu. Man hielt ihn für zu träge und indolent, sür zu schwächlich und blasirt. Wegen seiner zimperlichen Manier» und weichlichen Lebens weise wurde er damals von seinen Intimen im Scherze „Miß Nancy" genannt. Er docterte fortwährend an sich herum und verschlang eine Menge Medicm; der Kaminsims in seinem Studirzimmer in Carlton House GardenS pflegte mit Pillenschachteln und Medicinflaschen bedeckt zu sein. Bevor er 1887 ins Cabinct deS Lord Salisbury als Unter- slaalSsekretär für Irland einlrat, ließ er sich von dem Hof arzt W. Jenner sorgfältig auf seinen Gesundheitszustand untersuchen. Sir Jenner gab ihm die Versicherung, daß für sein Befinden nichts besser sei als angestrengte Arbeit, die seinen Geist völlig in Anspruch nehme. Die Voraussage des ArztcS bestätigte sich. Seitdem er den anstrengenden Posten versah, festigte sich seine Gesundheit auffallend. Die immer währende Aufregung des Amtes, die heißen Kämpfe mit den irischen Abgeordneten haben ihn nicht nur von seinem Hang zur Trägheit, sondern auch von vielerlei eingebildeten und wirklichen Gebrecken und Leiden curirt, über die er seit Jahren klagte. Je heftiger er wegen seiner trotzigen und rücksichtslosen Verwaltung von den Iren angegriffen wurde, dessen wobler fühlte er sich. Alle Welt überrasche er durch seine Energie, Festigkeit und Kampflust. Als irischer Staatssekretär begründete er seine außerordentliche Popularität in der con- servaliveu Partei. Wie verhaßt er bei den Iren war, zeigt eine bekannte Anekdote: „Hassen mich die Irländer wirklich so sehr, wie die Presse behauptet?" fragte Balfour in jener Zeit einmal bei Tische den gemüthlichen katholischen Geist lichen Healy. clear Lir", erwiderte Healy aufrichtig, „wenn die Irländer den Teufel nur halb so sehr haßten, als sie Sie verabscheuen, könnte ich mein Geschäft aufgeben!" Seitdem hat sich die Stimmung der Irländer Balfour gegenüber wesentlich gemildert. Als Politiker hartherzig und rücksichtslos bis zur Grausamkeit, gilt Balfour als Mensch von weichherziger Natur. Wahrheitsliebe gilt als der größte Vorzug seines Charakters, als Lichtseite seines Und Betti Klaus sonnte sich aufathmcnd im Be wußtsein ihrer Ledigkeit. Ihr behaglicher Platz wurde an diesem Morgen -um Tribunal. Ein wenig später saß Frau Amtsrichter Moh- meier neben der Stufe des Thrones und klagte der strickenden Würdenträgerin ihr Leid. Blaß, abgehetzt und sorgenvoll sah die junge Frau da bei aus, wahrlich eine passende Illustration zu dem Heirathsphilosophiren des behäbigen Fräuleins! „Liebe Frau Amtsrichter, ich will Sie nicht mißtrösten, aber freilich, meine selige Großmutter pflegte zu sagen, dreimal umgezvgcn sei so gut, wie einmal abgebrannt!" Die arme junge Hausfrau lächelte schmerzlich höflich zu dem fragwürdigen Tröste. „Als ich von der Ncichcnstraßc nach dem Altstadtmarkte zog", fuhr die Trösterin düster fort, „Gott, was ist mir da alles an meinen Sachen eaput gekommen! Drei Wein gläser ohne Küße stammen mir noch von damals her!" Frau Mohmcier konnte sich des ketzerischen Gedankens nicht erwehren, daß Fräulein Bctti's Gläser bei jener Ge legenheit nicht besonders gut verpackt gewesen zu sein schienen. Aber sie hütete sich, diese Vermuthung anzu deuten. Ihre Selbstbeherrschung wurde denn auch reichlich be lohnt. Im weiteren Verlauf des Gespräches nämlich verwandelte sich das Fräulein aus einer unheilverkün denden Pc^hia in eine segenspcndendc Gottheit, daS heißt, sie erbot sich, am Umzngstage die Mohmcter'schen Kinder in Verwahrung zu nehmen, oder doch wenigstens soviel der selben, als man unter Schloß und Riegel und aus dem Wege -u schaffen wünschte. „Haben Sic denn Niemand in Ihrer Familie, liebe Frau Amtsrichter, der Ihnen beim Packen und nachher beim Einrichten der neuen Wohnung hilfreiche Hand leisten könnte? Ich meine, ein gebildetes Wesen, das zu gleich die Möbelträger mit beaufsichtigte?" Frau Mohmcier überlegte. Ich könnte allenfalls meine Cousine aus Magdeburg herbittcn; sic ist freilich noch sehr jung und wahrscheinlich im Haushalt unerfahren, aber sonst wüßte ich Niemand! Bctti Klaus erklärte sich auf alle Fälle für die Cousine. Als Frau Mohmcier sich verabschiedete, war sie durch eine Fülle von guten Rathschlägen bereichert, die sic nach Bedarf und Belieben in ihrem Gedächtnisse btS Ostern überwintern konnte, denn augenblicklich stand der erste Oktober im Kalender. Eine neue Wohnung war bald gefunden, und einst- weilen drängte das herannahendc WcihnachtSfcst mit seinen Vorbereitungen die UmzugSsorgcn in den Hinter grund. Aber sobald es dann thaute und man auf der Bodenkammer wirthschaften konnte, ohne Gefahr zu laufen, daß einem die Finger erfroren, begann Frau Mohmcier mit ihren Zurüstungen. Sie magerte zusehends ab in den folgenden Wochen. Jedes Hausgcräth pflegte sie nur noch darauf hin zu betrachten, wie man cs am zweckmäßigsten transportiren könne. Leider fand sie bet ihrem Manne weder Rath noch Ver ständnis!. Seine einzige Sorge für den Umzug betraf einen Gegenstand, der ihrer eigentlich wenig bedurft hätte, wenn er in richtiger Weise aufbcwahrt gewesen wäre» nämlich seinen Cylinder. Seit der älteste von Amtsrichters hoffnungsvollen Knaben, der Quintaner Joachim, genannt Jochen Moh- meicr. die zum Glück leere Hutschachtel caput gesessen hatte — aus Versehen, wie er bcthcuerte, mit Willen, ivie seine Geschwister behaupteten — führte der Cylinder bald im Familienwäschschrankc, bald im Vcrttcow ein vaga- bundircndcs Dasein. „Daß nur mein Cylinder ordentlich verpackt wird!" äußerte der Amtsrichter sorgenvoll, so oft er im Laufe de» Winters dieser seiner fahrenden Habe ansichtig wurde. Leider artete daS sechsjährige Trudchen, waS praktische Anlagen betraf, ganz nach dem Vater. Sie hatte kürzlich von einer Pathin eine Blumenvase geschenkt bekommen, die sie wie ihren Augapfel hütete. „Elende mich nicht schon Monate vor dem Umzuge mit Deiner Blumenvase, Kind!" hatte im November die Mutter ungeduldig ausgerufen, als Trudchen ihr allerlei mögliche und unmögliche Aufbewahrungsorte für ihr Kleinod vorzutragen begann. Gekränkt durch solche Theilnahmlosigkcit an einer ihr so wichtigen Angelegen heit, beschloß Trudchen, eigenmächtig für ihre Base zu sorgen. Nachdem sie sich Watte und Setdenpapter ver- schafft hatte, packte sie die Vase ein und verwahrte sie bald an diesem, bald an jenem Orte. Immer, wenn sie bas Ding glücklich untergebracht glaubte, stellte sich irgend eine drohende Gefahr für die Sicherheit ihres Schatzes heran», oder Trudchen fand einen Platz, der ihr noch verlockender erschien, als der gewählte. „Kann ich nicht die Kiste da für meine Vase kriegen, Henriette?" fragte sie einmal in der Küche LaS Mädchen. „Die ist so hübsch stark, da kann ein Koffer darauf fallen, ohne daß sie caput geht, nicht wahr, Henriette?" Die Gefragte warf einen Blick entsetzten Staunens auf die gewünschte Kiste. „Die?! Aber da sollen ja die Plätteisens reinjethan werden, hat Deine Mutter jesagt! Warte wenigstens, bis die erst drin sind; nachher kannstc vielleicht noch Dein lüttjes Packet zwischen stecken!" „Meine gläserne Vase?" schrie Trudchen entrüstet. So? die is gläsern? Ja, denn jeht das nich!" „Nachdem Trudchen lange mit dem Unverstand und der Gleichgiltigkeit der Menschheit gekämpft und eine Reihe von Plätzen durchprvbirt und wieder verworfen hatte, gelang eS ihr endlich im Monat Januar einen geeigneten ausfindig zu machen. Darauf ging sie vergnügt zur Tages ordnung über. Sechs Wochen später, als die Rede auf die Base kam, entdeckte Trudchen mit Schrecken, daß sic sich durchaus nicht mehr erinnern konnte, wohin sie die Vase denn schließlich gepackt habe? Dem eifrigen Wühlen und Kramen, das sie nun anhob, indem sie jeden in Frage gekommenen Platz wieder durch suchte, widersetzte sich schließlich die ganze Familie, und so flüchtete Trudchen mit ihrem unverstandenen Kummer zur Tante Betti hinauf. „Na, sei man still, sie wird schon wieder zu Tage kommen!" tröstete diese. Sowas kenn' ich alles! Als ich von der Stobcnstraße nach dem Wendenthore zog, konnte ich nachher den ganzen Sommer über meinen besten chinesischen Präsentirtcller nicht finden! Spurlos ver schwunden! Ich hatte schon die Möbelträger in Verdacht, aber na, schließlich, wenn man'S recht bedenkt, wie sollten sie ihn weggebracht haben? In die Hosentasche paßt kein Tablett, das mußte ich mir selbst sagen! Im Herbst kam denn auch mein lieber Präsentirtcller wieder zum Vorschein. Wo war er gewesen? In der Mottenkiste lag er, und meinen wattirtcn Unterrock hatte ich darum gewickelt. Ich mußte mich über mich selber freuen, al» ich ibn wieder fand, so gut hatte ich ihn eingepackt! Nicht die kleinste Schramme hatte er ab gekriegt!" Acht Tage vor dem Um-ugStermin erschien die auS Magdeburg verschriebene Cousine auf der Bildfläche. Sie hieß Edith und sah sehr hübsch, jung und unheimlich elegant au». „Als ob sie noch nie 'en Finger in» Wasser jestippt hätte", urtheilte Henriette sachverständig im Stillen. „Bleibst Du lange bei uns?" erkundigte sich Fritzchcn am zweiten Tage ihres Aufenthaltes beim Mittagessen. Das Menu, das am Tage der Ankunft durch Obstkuchen bereichert worden war, wies heute einen Zuwachs an Cvmpot auf, der uicht üblich war. „So lange, bis Ihr in Eurer neuen Wohnung mit Allem fertig eingerichtet seid", entgegnete Edith lächelnd. „Warum willst Du cs gern wissen?" fügte sie hinzu. „Weil mir nuu immer dies gute Essen haben werden, so lange Du da bist!" erklärte Fritz unbefangen zum Ent setzen seiner Mutter. „Denke Dir, Frau", sagte da der Hausherr, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, „Leineweber hat sich erboten, uns beim Umzüge zn helfen. Ich habe nämlich Termin am Morgen und muß am Nachmittage zur Kirchenvvrstandssitzulig". „Ist das ein Packer?" erkundigte sich Edith arglos. Das Kindcrklceblatt brach in ein Gelächter des Entzückens ans, das jede Antwort übertönte. „Du hast 'ne Ahnung!" schrie Jochen — „Assessor ist er!" Edith crröthete heftig und lächelte strahlend bei der Aussicht auf den juristischen Beistand. Frau Mohmcier lächelte nicht, und ihr Schweigen, mit der sic bas Anerbieten aufnahm, hatte etwas Unheilvolles. Die Aussicht auf die Leincwcber'sche Hilfe schien sie keineswegs zu ergötzen! Der Amtsrichter sah sic verstohlen forschend an. „Nun?" erkundigte er sich nach Tisch, als die Ehegatten allein waren, „hast Du etwas dagegen, daß der Assessor mich am UmzugStage vertritt?" „Aber lieber Friedrich! Dieser Leineweber, dieser Don Juan! Sollte er unS gesehen haben, als ich Edith vom Bahnhofe abholte? DaS paßt ihm natürlich — solch ein hübsche», elegantes Dämchen! Laß ihn nur lieber weg bleiben, anstatt Edith ins Gerede zu bringen. Eine Partie ist er doch nicht für sie. Ihre Mutter thut'ö nicht unter einem Osficter!" „Aber, liebe Fran, ich habe sein Anerbieten schon so gut wie angenommen!" gestand der Amtsrichter kleinlaut. „Ich weiß auch nicht, was Du gegen ihn hast! Er ist ein riesig netter Mensch und ein äußerst tüchtiger Kerl! Daß ihr Frauensleute auch immer gleich Liebe»geschtchtcn wittern Müht!" (Fortsetzung folgt.)
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