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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030610019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-10
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Morgen-Ausgabe MipMer Tageblatt »b»«ot> ^S-vE Anzeiger Druck «ud Berlag vo« E. Pol« i» Leipzitz. rtt«». 97. Jahrgang Mittwoch den 10. Juni 1903. nv». ll.L t«». ÄLL »o. »ix »IX o. ix »t Ar Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 8L. Farusprecher Amt I Str. 171«. Redaktion und Erpeditio«: Iohanntsgaffe 8. Fernsprecher 153 und L2L FUiul»»P«dtti»»eu r Alfred Huh«, Buchhandlg, UuiversitätSstr.S, 8. Lösche, Lathartueustr. 14, ». Köntgspl. 7. Xv. 1.0. «.o. »ix ».v. Haupt-Filiale Serliu: Aarl Dmuker, Herzgl. Bayr. Hvfbuchhandlg« Lützowstrahe 10. Fernsprecher VI Nr. 4603. lichen Gelüste; die unabhängige Weiterent wickelung der deutschen Kultur durch eine auSg ebreitete und verti efte Bildung aller V o l k s k l a s s e n. Das sind wahrlich Ziele, die es verdienen, daß ein deutscher Mann sein Alles fürffie einseyt! Vornehmlich jetzt tut es not, zur Zeit der Wahl! So rufen wir denn aus Süd und Nord alle Alters genossen zum Kampfe für diese hohen Güter auf! Junge Bürger Deutschlands, haltet die kleinliche Selbstsucht des Alltags dem poli tischen Leben fern, bringt die unverrück baren Ideale wieder zum Durchbruch! Es muß der Liberalismus wieder zur Herrschaft kommen! Wirkt also mit allen Kräften für die Wahl der Männer, die für unsere nationalen und liberalen Ideale zu streiten bereit sind! Auf in den Wahlkampf mit dem Rufe: „Für ein mächtiges, einiges Vaterland, für Freiheit und Fortschritt!" Der Reichsverband 0er «ationalliberalen Jugend. Das Programm des Herrn Combes. Herr Combes spielt nach wie vor den starken Mann. Der französische Ministerpräsident ist weder ein großer Staatsmann, noch ein Charakter, der über die moralische Seichtheit seiner Umgebung sonderlich hervoragte. Aber er besitzt eine erstaunliche Portion Selbstvertrauen, und da nach dem Wort unseres Dichters einem solchen Manne auch das Vertrauen der andern Seelen zufltegt, so hat der in Wahrheit herzlich unbedeutende Herr Combes Erfolge zu verzeichnen, die wahrhaft großen Politikern versagt geblieben sind. Einmal durch die kirchenfeindliche Strö- ung in Frankreich auf die Oberfläche getragen, sucht er sich durch immer neue Heldentaten auf diesem Gebiete in seiner Stellung zu halten, wie ein Schauspieler, der weiß, was seinem Publikum gefällt, und der sich durch täg lich neue Abwechselungen in seinem alten Programm in der Gunst seiner Zuhörer zu erhalten sucht. Ein paarmal wurde es ihm selbst banae bei dem übermäßigen Gerassel mit Gendarmerieaufgebot und Militäralarm, das er gegen die Handvoll Kartäuser in Grenoble und das Häuf lein Kapuziner in Paris, sowie gegen die Schulkongrcga- tionen zum Besten gab. Sowie er sich aber einige Ab weichungen bei seinem täglichen Kehrreim zu erlauben versuchte, belehrten ihn vernehmliches Zischen und drohen des Murren bei seinem Stammpublikum, daß er sich mit solchen Experimenten die gute Laune seiner Freunde auf immer verderben und damit seinen schönen Posten ver lieren könnte. Und der Ex-Abbö Herr Combes gehört nicht zu den großen Republikanern im Stile der Cin- cinnatus und Washington. Die süße Gewohnheit des Herrschens gibt man nur bitter schwer auf, und Herr Combes sitzt lieber in dem komfortablen Sattel des Mi nisterpräsidenten, als auf der bescheidenen Bank der Sena toren. So ließ er sich immer weiter nach links treiben, hat die Bahnen Waldeck-Rousseaus schon längst verlassen und steuert unter kaum noch verhüllter roter Flagge den Staatsidealen der Jakobiner zu. Die warnende Stimme von der Seite der gemäßigten Republikaner überhört er und berauscht sich an den Siegcsgesängen der Ultras von links. Wie weit wird diese kühne Fahrt noch gehen? Einstweilen heißt es, das Eisen schmieden, so lange es heiß ist. Bisher hat sich in der Deputiertenkammer noch immer eine wenst auch noch so bunt gemischte Mehrheit für die kulturkämpferischen Vorschläge des Herrn Combes zusammengefunden. Im Lande hat das Kabinett Be geisterung nie erweckt, und selbst bet fortgeschrittenen Re publikanern nimmt seine Beliebtheit von Tag zu Tag ab. Aber im Palais Bourbon und in Luxembourg ich heute noch „L das la caiotto" das Kampfgeschrei, und man phan tasiert von einer Bartholomäusnacht für „Säbel und Weihwedel". Ehe also auch diesen Unentwegten von der äußersten Bergpartei die ganze Sache langweilig wird, wie sie es dem Manne der Straße schon längst geworden, heißt es noch einige Kraftstückchen auffllhren, ehe die Herr lichkeit im Parlamente zusammcnbricht. Herr Combes ist zunächst für die Ablehnung der neuen 81 Ge suche der Kongregationi st innen «n dio«. Wir haben uns schon früher über dieses sehr einfache, aber doch ungewöhnliche Verfahren des Herrn Ministerpräsidenten ausgesprochen. Schön ist es nicht; aber immerhin, man muß bedenken, mit welchem furchtbaren Gegner es die Regierung zu tun hat. Sentimentale Erwägungen nützen da nicht viel. Die Republik hat es nicht mit einer Schar zarter und hülfloser Frauen zu schaffen, nein, hinter diesen gewiß im höchsten Maße verehrungSwürdigen Damen steht die eherne, erbarmungslose Macht ultramon taner Herrschsucht. Man muß weichen Regungen sein Herz verschließen, um den römischen Drachen nicht wieder ins Land zu lasten. To denkt wohl Herr Combes mit den Seinen, und sie mögen recht haben. Nun geht der Herr Präsident aber weiter. Er sagt: »WaS Herr Waldeck-Rousseau konnte, kann ich noch alle Tage" — und so verfiel er auf den schlauen Gedanken: „Ich will auch meinen Staatsgcrichtshof haben". Zwar, zunächst wird in halboffiziösen Blättern nur ganz vor sichtig die Nachricht verbreitet, ein neuer StaatSgerichts- hofsprozcß stehe bevor. Man will sondieren, wie die radi kalen, die demokratischen und die sozialistischen Staats stützen zu diesem neuesten Plane des Herrn Combes sich stellen. Ist di« Meinung hier nicht sehr stark dafür, so kann man die große Haupt- und Staatsaktion, die unter allen Umständen viel Geld kostet und bei der schließlich vielleicht nichts herauskommt, auch noch lasten. Im Juli und im August soll die ,Haute Cour" iw Luxembourg tagen und alle Zwischenfälle, die sich bet der Schließung der Klöster und -er Ver treibung der OrdenSleute abgespielt, sollen hier vor einem einheitlichen Forum avgeurteilt werden. Um etwas Abwechselung in di« Sach« zu bringen, soll auch noch alle», was mit der angeblichen Neubelebung der Dreyfus- augsl«gru-«tt zusammenhängt, dem verehrlichen Publikum »orgetragen werden. Mau »ourkelt sogar da» Extra-Vellage» (gefalzt^ »<? mit der Margeu-AuSgabe, ohu« Postbefürderwi« «0.—, mit Postbefürderuug ^l 70.—. von, daß des Ttaatsgerichtshofs wegen womöglich die parlamentarische Herbsttagung ausfallen solle; doch freilich schmeckt dies Gerücht sehr nach klerikaler Mache. So un vorsichtig tollkühn wird wohl Herr Combes selbst mit dem Feuer nicht spielen wollen. Die eigentliche piöos cks resisbauos hat sich aber der Herr Conseilpräsident auf einem andern Gebiete aus gedacht. Er will, wie es scheint, bei seinem Kriege mit dem Vatikan die Waffen verwegen ins Land des Feinde tragen, und der Staatspräsident, Herr Loubet, soll sich bei diesem Streiche zu einer Marionette für Herrn Combes hergeben. Die antiklerikalen Intransigenten haben sich die Sache sehr fein ausgedacht. König Viktor Emanuel wird demnächst der alten und noch immer verführerischen Zauberin an der Seine seine Aufwartung machen. Im Gegensatz zu allen andern früheren Fürstenbefuchen soll der König von Italien dann nicht in seiner Botschaft, son dern in einem Staatsaebäude der Republik Wohnung nehmen, wozu Frankreich ihn besonders einladen soll. Die Folge ist, daß auch Herr Lou'bet bei seinem Gegen besuche nicht bei Herrn Barrsre in Rom Quartier nimmt, bei dem Gesandten der Republik, sondern im Quirinal. Damit scheint die letzte Möglichkeit eines Besuches des Oberhauptes eines katholischen Staates beim Papste abgeschnitten. Um dem Vatikan die Wunde aber noch schmerzlicher zu machen, wird die französische Regierung Herrn Rampolla den Besuch Loubets bei Leo XIII. ankündigen. Was dann? Gibt die Kurie nach, so hat sie eine unerhörte Demütigung zu verzeichnen, lehnt sie aber den Besuch ab, wie sie es konsequenter Weise mitßte, so hat Combes die Handhabe, wegen Beleidigung der französischen Re publik das Konkordat zu kündigen. Dann müssen die französischen Gemeinden ihre Kirchenkosteu selbst be zahlen, für die der Staat keinen Pfennig mehr aus gibt, die französischen Katholiken sind für den Peterspfennig nicht mehr zu haben und der Vatikan mit allen seinen Beamten ist auf Halbsold gesetzt. Ein böser Fall! So hat sich Herr Combes — wie man in Paris erzählt — sein Programm für die nächste Zukunft zurechtgelegt, und es klingt verflucht gescheit. Schade nur, daß das Netz, das er seinen Gegnern über den Kopf werfen will, einige Löcher hat. Mit dem Staatsgerichtshofe wird es nicht viel werden. Denn dann müßte auch die Millionenaffäre der Kartäuser und dann die 85 000-Francs-Affäre des Herrn Combes junior mit dem Pariser Spielklub zur Sprache kommen, und Vater und Sohn misten, weshalb sie diese häßlichen Sachen nicht zu genau betrachten lasten möchten: sic könnten dabei alle beide in die Luft fliegen und Frank reich wäre um einen neuen Skandal reicher! — Was aber den Streich gegen den Vatikan anlangt, so ist erstens wohl Herr Loubet schwerlich dafür zu haben, und zweitens haben am Hofe des Papstes noch alle Diplomaten, auch größere als Herr Combes, ihren Meister gefunden. Auch diesmal hat der Ministerpräsident die Rechnung ohne Herrn Rampolla gemacht. Der Vatikan wird nachgeben — was er allen Mächten gegenüber, außer Deutschland, stets tut — und bas Programm des Herrn Combes ist um den eigentlichen Knalleffekt gekommen. I'. Hard: »o. »o. »o. »o. »o. »o. »v. »ix »v. »v. »o. »ix »o. »o. »IX »o. 0L««r-lX »o. »o. on«»r-o. Annahmeschluß fir Alyeigem Abeud-Lu-gab«: Bormittag« Ist Uhr. Morgea-AuSgab«: Nachmittags S Uhr. Anzeige» stad stet« au di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von ftsth 8 bi« abend« 7 Uh«. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates nnd des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. An die deutsche Jugend! Freudiger Stolz auf das geeinte Vater land und seine Schöpfer ist das erste Gefühl, das die zum politischen Denken erwachende deutsche Jugend be seelt; bald aber zeigen sich auch die Unvollkommenheiten, die noch dem Werke anhaften. Die Großen gingen, und voll schmerzlichen Unwillens sehen wir heute, wie das herrliche Gebäude unterwühlt wird: Die Ultramontanen zerklüften unser Volk durch konfessionellen Hader, sie knechten die Freiheit des Denkens und Gewissens, sie stürmen an gegen die Seg nungen des Kulturfortschritts, und sie unterstützen nationale Forderungen nicht um ihrer selbst willen, son dern wenn sie Vorteile in AuDcht sehen für ihre, im letzten Ziele staatsgefährlichen Wünsche. Die Sozialdemokraten schüren den Klaffen haß, erschweren in blindem Parteifanatismus den sozialen Fortschritt und arbeiten so der Reaktion in die Hände. Hochmütige Stan LeSpolitik und eigen süchtige Interessenvertretung auf der an deren Seite tragen bei -um Werk« der Zerstörung Da wird uns der entschlossene Wille, dem entgegen- zutreten. Dem Baterlan-e wollen wir das Erworbene erhalten und erringen, waS wir so heiß «rsehncn: Deutschen Geist, deutsch« Tatkraft, deutschen Fleiß im Siegeszuge über die weite Welt unter dem Schutze einer ver stärkten Kriegsflotte; den äußeren Frieden für die Heimat durch ein bewährte«, mächtiges Heer ge schirmt; den inneren Frieden gewährleistet durch unermüd lich« Arbeit und versöhnende Gesetze, dic den Schwachen stützen, jeden ehrlichen Erwerb för dern und die LebenShaltungderVolk-genossen heben; die Dewegungs- und V e r c i ni g u n g s fr e i- heit aller Bürger, die Freiheit unseres Den ken«, Glaubens und Schaffens, gesichert gegen den vernichtenden Einfluß de« Ultra« montaaiSmu» und gegen alle rückschritt BezugS-PreiS t» d«r Hmptexpedttton oder deren Ausgabe» pell« abgebolt: vierteljährlich 3.—, bai zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ^>l S.7K» Durch die Poft bezogen für Deutsch» land u. Oesterreich vierteljährlich ^ll L.KO, für di« übrig«« Länder laut ZeitungSpreiSUst«. Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklame» unter de» RedaktiouSstrtch («gespalten) 78 vor deu Famtlieuuach» Achten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisung«» »»d Offerteuaunahme 2L H (excl. Port»). Absicht, eine monatliche Berichterstattung durchzuführen, aber davon rieten die Leiter der Zentralverbaude ab, weil einer seits den einzelnen Orgauisationeu dadurch erhebliche Aus gaben erwachsen würden und weil angeblich anderseits in diesem Falle eine Aeuderung der Einrichtung«» in einzelnen Verbänden notwendig wäre. Die Generalkommissio» der Gewerkschaften hat wegen dieser ArbeitSlosenstatistik an die Zentralverbände eine Art Aufruf ergehen lasten, aus «em zu ersehen ist, daß Streikende al« Arbeitslose im Sinne dieser Statistik nickt gelten sollen, sondern nur solche Personen, die wegen Mangels an Arbeitsgelegenheit keine Beschäftigung finden können; eS sollen ferner alle arbeitslosen Mitglieder, also auch solche mitgezählt werden, welche nichtdezugSberechligt für Arbeitslosenunterstützung sind. Ueberrascht werden wir durch folgende Mitteilung: „ES wird vorkommen, daß ein und dasselbe Mitglied im Laufe des Quartals mehrmals als arbeitslos ia der Liste verzeichnet steht. Diese- ist nicht al« Person und als einmal arbeitslos zu zählen, sondern hier sind die Fälle der Arbeitslosigkeit zu rechnen, weil diese Statistik einen Ausweis über den Umfang der Beschäftigungs losigkeit geben soll. Da die Arbeitslosigkeit wegen Mangels an Beschäftigung eingetreten, so konnten ebenso gut an Stelle des mehrmals arbeitslos gewordenen Mitgliedes andere Mit glieder aus denselben Betrieben treten. Es ist also völlig berechtigt, nicht die Personen der Arbeitslosen, sondern die Fälle der eingetrelenen Arbeitslosigkeit zu zählen, kurz, ein fach die Ziffer anzugeben, welche sich bei Summierung der Liste ergibt." Klipp und klar geht also au« dieser von Herrn Legten erlassenen Anweisung die Absicht hervor, so viele Fälle von Arbeitslosigkeit al« nur irgend mög lich zu konstruieren. Es kommt häufig in den einzelnen Gewerkschaften vor, daß bestimmte Personen heute arbeiten, morgen nicht, übermorgen wieder und dann einmal wieder nicht. Die Zahl der sogenannten Gelegenheitsarbeiter, die häufig nur eine Woche an emer Stelle auShalten, ist namentlich in den großen VerkehrSzrntren sehr stark. Diese sogenannten Gelegenheitsarbeiter können nach der Legienschen Anweisung zehnmal und öfter als Arbeitslose in der Liste figurieren. Hoffentlich sieht sich das reichsstatistische Amt die Statistik der Gewerkschaften ganz genau an; denn sie wird zweifellos, wenn sie unter amtlicher Chiffre in die Welt hinauSgeht, zur sozialdemokratischen Agitation ver wendet werden, in der bekanntlich die Arbeitslosigkeit eine große Rolle spielt. Berlin, 9. Juni. (Dic Freisinnige Ber einigung und die Wahlen in Posen.) Der Freisinnigen Vereinigung geht das Kompromiß wider den Strich, das zwischen den Liberalen und den Konservativen in Posen für die R e i ch s t a g s w a h l e n abgeschlossen ist, weil der Agrarkonservatismus dabei unverhältnismäßig gut abschneide. Das Organ der Frei sinnigen Vereinigung, die „Liberale Korrespondenz", schlägt an Stelle jenes Kompromisses die Unterstützung der Zentrumskandidaten in Fraustadt-Lissa, Samter- Birnbaum und Meseritz-Bomst vor. Das berliner Tageblatt" ist auch hiermit unzufrieden und empfiehlt dafür, sowohl in der Hauptwahl wie eintretenben Falles in der Stichwahl den Sozialdemokraten zu wählen; das sei der erträglichste Ausweg. Vom nationalen Standpunkte aus würde die Befolgung dieses Ratschlages die Wirkung haben, daß die Behaup tung von Meseritz-Bomst durch einen Deutschen gefährdet und die Eroberung der Kreise Fraustadt-Lifsa und Samter-Birnbaum durch deutsche Kandidaten erschwert oder unmöglich gemacht würde. Infolgedessen muß der Ratschlag des „Berliner Tageblattes" a lirnrns zurück gewiesen werden. Er ist aber auch vom liberalen Standpunkte aus vollkommen verfehlt. Denn abgesehen davon, daß die Sozialdemokratie in den fraglichen Wahl kreisen nicht entfernt die Rolle spielt, von der das „Ber liner Tageblatt" träumt, würde die Stellung des Agrar konservatismus in Posen für dic Zukunft gestärkt werden, wenn er in die Lage käme, dein Liberalismus Verrat an der nationalen Sache sowohl dem Polentum wie der Sozialdemokratie gegenüber zum Vorwurfe zu machen. Daß ein Blatt der Freisinnigen Vereinigung in diesem Stadium des Wahlkampfes mit solchem Vorschläge sich herauswagt, macht unter den obwaltenden tatsächlichen Verhältnissen den Eindruck völliger Würdelosigkeit. Denn kaum irgend eine andere Partei ist im Verlaufe des Wahlkampfes so von der Sozialdemokratie beschimpft worden, wie der Freisinn. Vergegenwärtigt man sich, was die „Freisinnige Zeitung" seit langen Wochen gegen die Sozialdemokratie geschrieben und die „Bossische Zeitung" mit bemerkenswerter Schärfe in einer ihrer letzten Darlegungen ansgcführt hat, dann fällt einem unwillkürlich bei dem Ratschlage des „Berl. Taaebl." da« Sprichwort von jenen Vierfüßlern ein, die ihren Metzger selber wählen. (7) Berlin, 9. Juni. (Telegramm.) Zur gestrigen Abendtafel beim Kaiferpaare im Neuen Palais bei Potsdam war der Reickskanzler Graf v. Bülow geladen. — Heute morgen ö»/« Uhr traf der Kaiser, wie schon kurz gemeldet, mit Sonderzuge am Tempelhofer Felde ei», stieg zu Pferde und besichtigte von 6 Uhr ab da« Garde-Kürassier-Regiment und das 2. Gardr-Ulanen-Regiment. Hieran schloß sich eine Gefechtsübung, an der auch Infanterie und Artillerie teil nahmen. Um S Ubr führte der Kaiser das Garde-Kürassier- Regiment nach einem Parademarsch der beteiligten Truppen teils nach dem Kasernement zurück und »ahm beim Offizier- korp« de« Regiment« da« Frühstück «iu. Der Besich tigung wohnten außer den Herren de« Hauptquartier«« und der Generalität auch di« Mililär-Attachtzs und die zur Zeit hier weilenden englischen und österreichisch-ungarischen Offiziere bei, welche auch am Frühstück teilnahme». Nach mittags gedenkt der Kaiser vom Berliner Schloff« au« sich nach Hoppegarten zu begeben und abends einem Diner beim Offizirrkorps de« 2. Garde-Ulanen-Regiment« beizuwohnen. * Berlin, 9. Juni. (Telegramm.) Der „ReickSan^" ver- öffenllicht die Verleidung de« Schwarze» Idler-Ord«»D au den Erbprinzen »an Haheulab«, de« «rohkr«»,«S de« Nate» Adler-Orden« an den General der Kuvalkrrü z. D. EiE med Deutsches Reich. Berlin, 9. Juni. (Sozialdemokratie und Arbeiterversicherung.) „DaS Bißchen Arbeiterver- sicherung!" heißt es jetzt wcgweriend in sozialdemokratischen Versammlungen, Wahlaufrufen, Reden und Blättern. WaS hätte aber wohl die Sozialdemokratie ohne das Eingreifen des Staate« und ohne die Beiträge des Unternehmertums zu Stande gebracht? Vor einigen Wochen feierten die Sozial demokraten einen ihrer Herren, Ferdinand Lassalle, in Erinnerung an die vor 4V Jahren staltgesundene Gründung des allgemeinen deutschen Arbeitervereins. Damals, ia den 60er Jahren, trug sich Lassalle mit dem Plan einer Arbeiter versicherung und beriet darüber mit Ziegler, der auck ein Statut für diese, den beiden Sozialreformatoren vorschwebende Arbeiterversicherung entwarf. Ziegler schrieb über die vom Arbeiter zu zahlenden Beiträge,- über dir Höhe des anzu sammelnden Kapitals und die Zahl der etwa zu versichernden Arbeiter folgendes an Lassalle: „Ich habe zum Beispiel nur 2 Prämien-Beitrag vom Ber- diensttaler per Woche angefetzt, daS ist bei 6 Taler Wochen- Berdienst ein Silbergrofchen, gleich ein Einhundertachtzigsiet des Verdienstes, gleich ca. 2 Arbeitstag« per Jahr. Nehme ich an, daß in ganz Deutschland nur 200 000 Arbeiter zusammeutreien, daß sie nur 15 Silbergroschen täglich, also drei Taler die Woche ver dienen, so würde die Einnahme von zwei Arbeitstagen jährlich 200000 Taler betragen, womit sich schon etwas anfangen läßt. Wenn der französische Fiuauzminister aus die Steuer nur einige Zusatz-Centimes ausschreibt, so läuft das gleich ia die Millionen. Ein einziger Arbeitstag, als Zusatzpfennig ausgeschrieben, deckt gleich 102000 Taler bet 200 000 Arbeitern. Wüchse die Zahl der versicherten Arbeiter auf eine Million, was, wenn erst das Landvolk die Sache kapiert, wohl möglich ist, so ist das Institut so gesichert, wie keine andere Gesellschaft der Welt, denn es giebt kein Kapital, so sicher, so groß und gewaltig als das, welches in den zehn Fingern der Arbeiter steckt." Der Plan zerschlug sich ; aber diese Zahlen klangen ia den Ohren Lassalles wie berauschende Musik, sie hallten in seinem Schreiben wieder, m dem er zur Gründung eines Agitations verein« aussorderte, und als dieserVerein insLeben trat, blieben die Zieglerschen Statuten im wesentlichen für ihn maßgebend. Und wie hat sich die Arbeiterversicherung gegen den Willen der Sozialdemokratie in Deutschland nun tatsächlich gestaltet? Im Jahre 1902 hatten an Unterstützungen empsangen auf dem Gebiete der Unfallversicherung 834 566 Personen 107 205 573 auf dem Gebiete der Invaliden versicherung etwa 1 100 000 Personen etwa 121 000 000 Mar!, auf dem Gebiete der Krankenversicherung etwa 4 600 000 Erkrankte ungefähr 206 Millionen Mark! Insgesamt rund 6 735 000 Personen 434 Millionen Mark! Von dieser Summe sind etwa 41 400 000 vom Reiche und 2l0 Millionen Mark von den Arbeitgebern, mithin rund 182 Millionen Mark von den Versicherten und 252 Millionen von anderer Seite aufgebracht worden. Im Jahre 1885 betrugen diese Unterstützungen insgesamt erst 1 500 000 ein kleiner Betrag gegenüber den jetzigen Lei stungen der Arbeiterversicherung. Selbst im Jahre 1891, ia dem bereits alle drei Versicherungszweige in Kraft getreten waren, betrug die Summe der gezahlten Unter stützungen erst 40 600 000 Wenn man damit die verhältnismäßig bescheidene Zahlenreihe vergleicht, welche Lassalle vorschwebte, der die Versicherung blo- durch die Arbeitergroschen zu Stande bringen wollte und nickt daran dachte, in welchem Maße nach 40 Jahren dir Arbeitgeber und da« Reich zu Hauptträgern der Versickerung herangewachsen sein würden, so sollte man erwarten, die Sozialdemokratie würde gerade in dieser Be ziehung mehr Bescheidenheit an den Tag zu legen für nötig halten. Und dies um so mehr, als sie ihrerseits nicht« ge- ia» hat, um dies« Leistungen für die Arbeiter im neuen deutschen Reiche zu ermöglichen, sondern un Gegenteil mit allen Kräften der Herbeiiührung solcher Wohltaten ent- a« gengearbeitet hat. An diese feindselige Haltung der «Sozialdemokratie gegenüber der Arbeiterversicherung muß immer vo» nenrm erinnert werden, wir auch daran, daß die Begründer d»r Sozialdemokratie selbst nicht im ent ferntesten daran dachten, welche ungeheure Summen für die Arbeiterversicherung von Seite« der Arbeitgeber und d«S Staate« einst aufgebracht würden! 6. 8. Berlin, 9. Juni. (Die ArbeitSlosenstatistik iu den gewerkschaftlichen Verbänden.) Die erste Arbeitslosenstalistik, die das reichöstatistische Amt durch die gewerlsckastlicheu Zentraloerbänve (sozialvemolratiscke Orga nisationen) aufstellen lassen will, soll nun für daS 2. Quartal hergestellt werden. Da« rrichSstatistische Amt hatte eigentlich di« »o. »o. XO. »v. »ix It») »ix l.o. »o. M.6V.66 w-6v-2b »v. i.0. 1.0.
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