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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020718029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-18
- Monat1902-07
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen unv Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60,—, mit Postbeförderung 70,—» Annahrneschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Ahr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr, Anzeige« sind stets an dle Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 381. Freitag den 18. Juli 1902. 96. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Juli. Die in Finanzfragen immer noch als officiös anzu sehenden „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „Es ist selbstver ständlich, daß, obschon voraussichtlich auch für das Etats jahr 1003 die Finanzlage im Reiche durchaus nicht rosig sein wird, trotzdem im Neichshauohaltsetat für das selbe Jahr diejenigen Ausgabeposten Erhöhungen er fahren werden, deren Natur eine solche Steigerung be dingt. Dazu gehört in erster Reihe der Zuschuß für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung, der schon seit dem Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beständig angewachscn ist. Die Vermehrung der Invalidenrenten, die man in den letzten Jahren und namentlich nach dem Inkrafttreten des neuen Jnvali- ditätsversicherungsgesetzes zu beobachten Gelegenheit hatte, wird noch verschiedene Jahre anhalten und in dieser Zeit von Jahr zn Jahr eine Erhöhung des Neichszuschusses von 3—4 Millionen Mark zur Folge haben. Mit dieser That- sache wird man sich in den verschiedenen Neichshaushalts- ctats schon abfindcn müssen. Es gehört ferner zu dieser Kategorie bei der Steigerung der Schuldenlast der Ver zins u n g s p o st c n u. A. m. Sodann werden im Etat alle diejenigen Positionen erscheinen müssen, welche Con- seguenzen früher gefaßter Beschlüsse darstellen. Hierzu werden hauptsächlich die Ausgaben für den Bau neuer Kriegsschiffe und deren Armirung zn zählen sein, deren Begrenzung ja durch das Flottengesetz gegeben ist. Neben den Marineansgaben gicbt cs von dieser Art auch noch andere Positionen. Wir erinnern nur an die Aus gabe für die M a s ch i n e n g e w e h r a b t h c i l u n g im Heeresetat. Zweimal sind bereits in den Etats Forde rungen für die Abtheilnngen erschienen, die letzteren sind aber noch nicht in der ganzen Armee zur Einführung ge langt. Voraussichtlich wird im demnächstigen Etat die letzte Nate auf diesem Gebiete gefordert werden. Schließlich werden im nächstjährigen Etat alle diejenigen Summen er scheinen, deren Einstellung bereits im Reichstage von den Regierungsvertretern angckündigt worden sind. Dazu zählen beispielsweise die Erhöhung des für die Be kämpfung der Tuberculosc ansgeworfencn Postens und die N e u e ru n g c n i m P o st c t a t bezüglich der Bcamtcnverhältnissc, wie Schaffung neuer Beamten stellen, Erhöhung der ctatsmüßrgcn Stellen u. s. w. Daß man im n ä ch st j ü h r i g e n N e i ch s h a n s h a l t s e t a t nicht ohne Au s g a b e e r h ö h u n g e n wird aus- lommen können, ist danach als sicher anzusehen." Im Tiroler Landtage sollte gestern die Berathung der Autonomie-Vorlage beginnen. Obgleich man beim Einbringen der Vorlage große Hoffnungen auf die Zweithcilung Tirols setzte und damit den nationalen Streitigkeiten ein Ende bereiten wollte, hat sich doch das ursprüngliche Entgegen kommen der Italiener als nicht allzugrvß erwiesen. Der Streitpunkt war das Fassathal, und hierbei war man auf den Ausweg verfallen, die wenigen Gemeinden überhaupt weder dem deutschen, noch dem wälschen Tirol zuzuweisen, sondern sie unter den gemeinsamen Aus schuß zu stellen. Thatsüchlich haben die italienischen Mit glieder des Ausschusses der Unterstellung des Fassathales unter den gemeinsamen Landesausschuß nicht vpponirt und waren mit der Unterstellung Amperras unter den ge meinsamen Landesausschuß durchaus zufrieden. Danach haben in den letzten Tagen italienische Versammlungen stattgefundcn, die durch eine in den allerletzten Tagen ein getretene Verstimmung beeinflußt waren. Man meint, daß die vom Statthalter in Aussicht gestellte materielle Subvention von 325 000 Kronen für den italienischen Landcsthetl an der Centralstelle auf Schwierigkeiten stoße und daß darauf die ablehnende Haltung der italienischen Versammlungen zurückzuführen sei. In Innsbruck hielt man es für nicht wahrscheinlich, daß an dieser Differenz die Autonomie-Frage scheiterte. Deshalb entschloß sich die Regierung zum plötzlichen Schluß der Landtagstagung. Der Landtag stimmte einstimmig der Vertagung zu. In nächster Zeit werden die Verhandlungen zwischen den Italienern und den Deutschen wieder aufgenornmen werden. Aus den Mittheilungen über die Art, in der König Eduard von England aus seinem Palaste zur Bahn trans- portirt wurde und in der man zu verhindern wußte, daß irgend wer ihn erblicken konnte, ergiebt sich, daß der Mo narch doch noch recht krank und schwach fein muß. Es ist also gewiß nicht anzunchmcn, daß er bei dem Wechsel im Ministerprüsidium irgcndcinegrößercRollc gespielt hat.So haben es denn wohl die Herren unter sich abgemacht; Lord Salisbury hat sich einfach wie ein der Geschäftsthätigkcit müde gewordener Kaufmann zurückgezogen und seinem Neffen das Geschäft übergeben. Es ist also Alles hübsch in der Familie geblieben, und das beweist, daß England noch heute in der oligarchischen Weise regiert wird, die Dickens so zutreffend in seinem Romane „Bleakhouse" schildert, wo Lord Bnmmrich beschwört, daß, wenn Vetter Cummrich nicht das Schatzamt bekäme, und wenn nicht dadurch für Bruder Dummrich ein Posten im Colonialamtc frei würde, Onkel Fummrich das Vaterland als in Gefahr befindlich erklären würde. Die Führer der Gegenpartei, die Lords Cuffy, Duffy und Fnffy erklären natürlich das Gcgcnthcil. Diese Macht einzelner Familien thut auch heute noch bei den Wahlen ihre Wirkung, wenn auch freilich nicht mehr wie in den Zeiten der rotton borovAüs, wo ein englischer Magnat sich das Vergnügen machen konnte, einem ehr geizigen Freunde, der das Parlament als Sprungbrett be nutzen wollte, einen Sitz im Unterhause als Nachtisch zu ferviren. Was aber Dank einem moderner gewordenen Wahlrecht — wenn cs auch lange noch nicht so frei ist wie in Deutschland — der herrschende Toryadel an unmittel barem Einflüsse auf die Wahlen eingcbüßt haben mag, wird reichlich dadurch wett gemacht, daß er in einem großen Thcile der Großindustriellen, die früher die sicherste Stütze der Whigpartci waren, einen zuverlässigen Bundesge nossen gefunden hat. Diese Allianz ist um so fester ge worden, je mehr Chamberlain, der selbst aus der Groß industrie hervorgcgangcn ist, au Einfluß gewonnen hat. Tiefer mächtigen Partei steht die radikal liberale Partei gegenüber, die in keiner einzigen Frage mehr einig ist. Mag es sich um Homerule oder den Imperialismus oder um Südafrika handeln, die Meinungen gehen immer aus einander und jeder der Führer sucht dem Anderen ein Bein zu stellen. Wird auch der Bruch zwischen den haupt sächlichen Führern immer wieder mühsam äußerlich über kleistert, so fehlt es doch vollkommen an der inneren Einigkeit und darum auch an der rechten KampfeSfreude. Die liberale Partei würde mit ungleich besseren Chance» in den Kampf gezogen sein, wenn die Wahlen entweder ein halbes Jahr früher stattgefungen hätten oder wenn sie erst nach einem Jahre stattfinden würden. Noch im Februar und März heimsten die Engländer in Südafrika Schlappe auf Schlappe ein und das Ende des Krieges schien noch in weiter Ferne zu liegen. Das Volk hatte immer neue Steuern anfzubringen und wußte nicht, ob der Erfolg irgendwie das Opfer lohnen würde. Damals also hätten möglicherweise die Liberalen das allgemeine Mißbehagen zu ihren Gunsten ausnutzen können. Es ist auch möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß in Jahresfrist, vielleicht etwas früher, vielleicht auch etwas später, diefes Mißbehagen wieder hervortreten wird, nämlich dann, wenn die Er- kenntniß durchgedrungen fein wird, daß die ungeheueren materiellen Ausgaben, die der Krieg nothweudig gemacht hat, aus den eroberten Colonien auch nicht annähernd werden herausgewirthschaftet werden können und daß obendrein das „größere Südafrika" einen viel unsicheren Besitz für dasMutterland darstcllt, als es das kleinereSüd- afrika gewesen ist. Gegenwärtig aber überwiegt die Freude über die glückliche Beendigung des Krieges bei Weitem noch die Bedenken. Der durch die Erfolge neu gestärkte Imperialismus wird zudem eine weitere Förde rung erfahren, wenn cs möglich werden sollte, die Königs krönung noch vor den Neuwahlen vorzunehmen. So ist der Moment, das Parlament aufzulösen und im September die Neuwahlen vorzunehmen, sicherlich glücklich gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, daß die nunmehr seit sieben Jahren am Ruder befindliche tvristisch-unionistische Mehrheit bei den Neuwahlen abgclöst werden könnte, ist außerordentlich gering. Deutsches Reich. /?. Leipzig, 17. Juli. (Der tschechische Steck briefstreich gegen den Kaiser und die So- c i a l d e m o k r a t i e.) Man schreibt uns: Als der tschechische S t e ck b r ie f st r e i ch gegen Kaiser Wilhelm bekannt wurde, nahm die Svcialdemvkratie von Anfang an in dieser Angelegenheit eine Haltung ein, die sehr ver schieden mar von der Art, wie die Svcialdemokralie dem Kaiser gegenüber sonst sich verhält. Von Schadenfreude oder von Gcnugthuung über das Prager Manöver war in der svcialdemokratischen tonangebenden Presse nichts zu spüren; nnd wenn man mit dem Ausdruck der Entrüstung auch zurückhielt, so trat doch das Erstaunen angesichts der Prager Unverschämtheit deutlich genug zu Tage. Jetzt aber schreibt die „Sächs. Arbeiterztg.": „Scharfe Gegner der Politik, die den letzten Anlaß zu dem Ereigniß gegeben hat, verschmähen wir doch, wie immer, so auch hier, die hämische persönliche Befehdung und anonyme Verketzerung. Das plumpe Mittel, mit einer anonymen Schmühkarte den deutschen Kaiser zu be ¬ kämpfen, entlockt uns nur ein mitleidiges Lächeln." — Dieser Auslassung des Dresdner Socialistenblatces geht eine Prager Correspondenz voraus, in der mit großer Sachkenntniß des bureaukratischen Geschäftsganges ans der Prager Polizei und unter einer scharfen Charakteristik der betheiligten Beamten nachgewiesen wird, daß es kaum möglich ist, bei den Beamten ein Versehen vorans- zusetzen, und in der schließlich ganz offen die Gcnugthuung darüber sich ausspricht, daß in Prag „hohe Köpfe" werden zum Opfer fallen müssen. Ist es nun wirklich politisches Anstandsgefllhl, wie die „Sächs. Arbeiterzgt." angicbt, oder gar der Anflug einer folidarischen Empfindung gegen über einem slawischen Erceß, was die Haltung des Dres dener Socialistenblattes bestimmt hat? Wenn man sich erinnert, wie häufig die svialdemokratische Presse zu der jetzt verpönten Waffe hämischer persön sicher Befehdung greift, dann wird man einigen Zweifel an der Richtigkeit der obigen Behauptung hege» dürfen. Und daL um so mehr, je offener in der erwähnten Prager Correspondenz der „Sächs. Arbeiterztg." und auch anderwärts der Haß gegen die betheiligten Prager Polizeibeamten erkennbar wird. D i e s er H a ß ist es jedenfalls mit, der unsere socialdemv- kratische Presse bewog, in der Stcckbriefangelegentzcit eine angemessene Haltung einzunehmen. Ist es aber dem Dresdner Svcialistenblatte mit seiner Verwerfung hämischer persönlicher Angriffe und anonymer Verketze rung wirklich ernst, so hat es fortan Gelegenheit genug, nach diesem anerkennenswerthen Grundsätze auch dann zu handeln, wenn nicht der Haß gegen gewisse Personen ihm die Beobachtung einer angemessenen Haltung erleichtert. Berlin, 17. Juli. (Zur socialen Lage der Eisenbahner in Preußen.) Tie in dem eben erschienenen jüngsten Bande des Vereins sür Social politik veröffentlichten „Untersuchnngen über die Lage der Angestellten und Arbeiter in den Verkeürsgewerben" von Waldemar Zimmermann erkennen siz-einer znsammcn- fassenden Schlußbetrachtung- an, daß trotz der wirthschaft- lichen Krisis die Lage der Eiscnbahnbediensteten ge sichert ist: die Eisenbahnverwaltung lehnt es ab, wenn gleich sie Lolmherabsetzungcn nicht verschmäht, doch ähn lich wie die meisten Privatbetriebe, ihre Arbeiter in der Zeit der Krisis ans das Pflaster zu setzen. Die lvbens- werthe Aufrechterhaltung des Kvpszahlbestandes müßte aber bei der allenthalben betonten Verminderung der Ar beit und Bcschüftigungsgelcgenheit eine Beschränkung der Arbeitszeit bezw. Ausdehnung der Ruhepausen und Feier schichten ermöglichen lassen. Aber es ist bedauerlicher Weise vielfach das Gegentheil eingetreten: eine merk würdig ungünstige Verschiebung in den Dienst- und Ruheschichten, d. h. das dem Personal früher gewährte Maß von größeren Ruhepausen und Dienstbefreiungen ist im Laufe des letzten Jahres verkürzt worden, am schärfsten, wie W. Zimmermann zahlenmäßig nachweist, bei den Güterbodenarbeitern und beim Locomotivpersonal. Eine solche intensivere Ausnutzung der Arbeitskräfte muß, wie der Verfasser urthcilt, die drohende Beschäftigungs losigkeit verschärfen und schließlich zu Arbcitercntlassnngen im großen Stile führen. — Das hat aber die preußische Eisenbahnverwaltung bisher glücklich zu vermeiden ver mocht, ja nach dem zu Anfang dieses Jahres erschienenen Feuilleton. Mohmeiers Umzug. 4f Von Anna Klie. Nachdruck verboten. „Na, Rickchen, hat die Senf Dir Dein Geschirr ordent lich wieder abgclicfcrt?" Tadellos, liebste Betti, ganz tadellos! Aber nun höre mal, was ich bet der Gelegenheit erfahren habe! Denke Dir, wie die Senf mir das Geschirr wiederbringt — ich gab ihr, wie Du denken kannst, ein gutes Trinkgeld — sagte sic plötzlich: „Das kleidete aber den Neffen von Fräulein Klaus und Amtsrichters Fräulein 'mal fein zusammen!" Ich wußte erst gar nicht, was ich zu hören kriegte! Wie ich Nachfrage, was erfahre ich da? Stell' Dir nur vor, Betti! Als die Senf die Suppe abgeliefert hat, ist Dein Neffe Leineweber dagewesen und der Senf Arm in Arm mit Frau Amtsrichters Cousine entgegen gekommen, und ausgesehcn hätten die Beiden — die Senf sagt: akkcrat, wie 'n glückliches Brautpaar! Was sagste, Betti? Haste Worte?" Vetti Klaus hatte allerdings vorläufig keine. Sie stand wie vom Donner gerührt. „Diese Mohmeiern!" stieß sie dann giftig hervor, „mir kein Wort davon zn sagen, einfach hinter meinem Rücken lvszuangelnl Und auf diesen Köder sollte mein Neffe hineingefallen sein? Hör' 'mal, Riekchen, der Sache traue ich noch nicht! Der Junge wird doch nicht so 'n Esel sein, die Edith zu nehmen, die seidene Unterröcke mit Tüll- frisuren trägt und nicht weiß, ob ein Suppenhuhn zwei oder vier Beine hat? Da möcht' ich aber meine Schwester nicht sehen, wenn er mit solcher Schwiegertochter an käme!" „Ereifere Dich doch nicht so, liebe Betti! Ich kann nur sagen, was die Senf beobachtet hat. Ob man ihr Glauben schenken darf, mußt Du ja bester misten als ich, da sic Deine Aufwärtertn ist und nicht meine!" Und ein wenig pikirt über die Ungläubigkeit der Freundin, begann Tünte Rickchen von anderen Dingen zu reden. — Mitternacht war nahe, als Frau Mohmcicr zu ihrem Manne sprach: „Mir ist zu Sinne wie einer geklappten Fliege. Aber, Du, ist eS nicht drollig, daß weder Riekchen noch Bettt erfahren haben, baß der Assessor uns geholfen hat? Der Schlauberger ist nämlich in den Keller retirirt, als Riekchen mit der Hyacinthe anrückte!" Der Amtsrichter gähnte. „Die Senf wird's ihnen schon erzählen, liebes Kind, verlaß Dich d rauf", meinte er seelenruhig. „Die? Betti's Perle? O, das glaube ich nicht! Die ist ja der reine Moltke an Schweigsamkeit!" „So? Na, dann können wir ja nun erst 'mal ruhig zu Bette gehen", schlug der Amtsrichter vor, „aber erst sieh' doch, bitte, 'mal zu, ob ich auch meine richtige Matratze habe. Weißt Du noch, beim vorigen Umzüge hatte ich die verkehrte gekriegt und fiel mit dem Sprung- federrahmen durch!" „Ich glaube, das wirst Du mir noch im Jenseits vor rechnen!" „O nein! Ich denke, da gicbt's keine Matratzen, da schlafen wir Alle auf Wolken. Na, denn gute Nacht, Schatz!" — Am Mittag des folgenden Tages, als das Umzugs chaos sich bereits erfreulich gelichtet hatte, erschien der Amtsrichter zum Esten mit der Miene eines Mannes, der interessante Neuigkeiten weiß. „Denkt Euch nur, Leineweber hat sich gestern hier bei uns mit Justizraths Elisabeth verlobt! Hat noch gestern Abend spät um sic angehalteu! Der Justizrath schwimmt in Wonne. Wir müssen natürlich morgen hin und gratu- siren, heut: werden schon die Anzeigen gedruckt. Mein Cylinder ist doch heil hergekommen?" Die letzte Frage fand keinerlei Beachtung. Erst als der Sturm der ersten Ucberraschung bet den Damen sich gelegt und Edith mit leicht erblaßten Wangen geäußert hatte, sie hätte den Assessor doch eigentlich recht eingebildet gefunden, ward dem Amtsrichter Bescheid auf seine wiederholte Frage. „Steh, den hätte doch Betti gestern Abend recht gut gleich mitbringen können! Nun muß Trudchen heute Nachmittag hin und ihn holen!" Trudchen zeigte sich wenig erfreut über den Auftrag. Ihre Base mar noch immer verschwunden, und sic benutzte jeden freien Augenblick, um nach ihr zu suchen. Mißver- gnügt begab sie sich gleich nach dem Mittagsesscn auf den Weg. Sehr bald und in sehr angenehm belebter Stimmung kehrte sie zurück. „Mama, denke Dir, der Cylinder ist weg! Spurlos verschwunden! Gerade wie meine Base!" Frau Mohmeier sah iHv Töchterchen ungläubig an. „Papas Cylinder?! Sprich kein dummes Zeug! Wie kann der weg sein? Tante Betti hat ihn doch ordentlich verwahrt?" „Er ist aber doch weg, Mama! Tante Bettt ging in die Fremdenkammer und wollte ihn holen, und da war er nicht da! Sie zeigte mir das Eckbrett, wo sie ihn hin- gestellt hatte, und das war leer! Ich habe eö selbst ge sehen! Was wohl Papa sagen wird?" Die Mutter ließ sich auf den nächsten Stuhl fallen. „Das ist ja eine schöne Geschichte!" ächzte sie in größter Bestürzung. „Tante Betti will heute Abend nach Frau Senf gehen", fuhr Trudchen fort, „die war nämlich schon wieder weg gerannt, weil ihr Kind Schulfest hat, und sie käme vor Abend nicht wieder nach Hause. Eher könnte Tante Bettt sie also nicht fragen." Frau Mohmeier überlegte. „Daß Du weder gegen die Jungens, noch gegen Papa ein Wort von dem Cylinder erwähnst!" sagte sie schließ lich, „hörst Du, Trudchen? Vielleicht denkt Papa nicht daran und fragt nicht weiter! Und bis wir morgen den Besuch machen müssen, findet sich der Hut hoffentlich wieder!" Der Nest des Tages verlief ftk Frau Mohmeier recht ungemüthlich. So oft der Amtsrichter zu einer Aeußc- rung den Mund aufthat, fürchtete sie, er würbe nach dem Cylinder fragen. Aber er schien zum Glück nicht daran zu denken. Nach dem Abcndbrode, als ihr Mann in einem Vereine war, gab sie sich der stillen Hoffnung hin, Vetti KlauS würde vielleicht den Hut bringe». Statt ihrer erschien jedoch nur Tante Rickchen und betrübte die Kinder, die gerade zu Bett gehen sollten, auf das Tiefste durch die Nachricht, daß sie von einer Nichte auf dem Lande einen neuen Topf voll Salzbohnen verschrieben habe, die sie Amtsrichters zum Ersatz für die verunglückten zu schenken beabsichtige. Kleinlaut sagten die Kinder der edlen Geberin gute Nacht. „Ich hatte mich so gefreut!" sprach Jochen in der Kammer höchst bekniffcn, „und Du sollst 'mal sehen, Trudchen, nun ist der neue Topf womöglich noch größer als der alte!" „Ja, mir haben viel Unglück!" seufzte Trudchen, und dachte an den Cylinder und ihre Vase. Am andern Morgen, noch vor dem Eintreffen von Brod, Milch und Zeitung, schreckte ein lautes Klingeln die Familie Mohmeier von ihren Lagerstätten empor. Das Mädchen klopfte an die Thür des Schlafzimmers. „Frau Amtsrichter, Fran Senf ist da und fragt, ob Die nicht 'mal einen Augenblick zu sprechen wären?" „Fräulein Klaus wird doch nicht das Zeitliche gesegnet haben?" murmelte der Amtsrichter schlaftrunken und dyehte sich im Bett auf die andere Seite. Seine Frau fuhr in die Kleider und knöpfte mit beben den Fingern ihren Morgenrock zu. Verstört nnd nichts Gutes ahnend, trat sie der eiligen Krau entgegen, die einen Korb am Arme trug. „Könnt' ich Ihnen «ich mal einen Momang alleine sprechen, Krau Amtsrichtern?" fragte Krau Senf, mit einem Seitenblick auf die Stiefel putzende und sichtlich gespannt dreinschauende Magd. „Gewiß, kommen Sie nur mit in die Stube!" Drinnen hob Frau Senf den Teckel von ihrem Hand korbe und präsentirtc Frau Mohmeier den unversehrte» Cylinder des Amtsrichters. „Wo ist er denn gewesen?" stieß diese aufathmeud hervor. Zutraulich grinsend trat Frau Sens thr einen Schritt näher. „Ja, das wollte ich Sie ja gerade sagen, Frau Amts richtern, un seien Se mich man »ich böse! Weil doch Fräulein Klaus sagte, der Hut würde erst en paar Tage nachcm Umzüge wiederjcholt, da hab' ich c» jestern aus en paar Stunden mitjenommen, un mein Mann hat sich darmit phvtvgraphiren lassen! BloS photographiren, nich etwa mit ins Bergnüjen jejangen, Frau Amtsrichter», das schwöre ich Sie zu! Un dranjekomme» is kein Süppchen! Das können Se ja auch sehen! Mein Mann is de Accuratcsse selber, grade wie ich! Un er läßt sich auch vielmals vei Sie bedanken, un Se «rechten cs man um'S Himmelswillen nich for ungut nehmen! Ich thue Sie denn ja auch gern 'mal en Gefallen derfür, damit wirs wieder recht machen!" Frau Amtsrichter Mohmeier stand sprachlos, ähnlich Lot's Weibe, nur daß dieses im Zustande der Erstarrung zur Salzfäule keinen Cylinder in der Hand hielt! Die entlarvte Perle benutzte indessen den günstigen Moment, um sich eiligst zu entfernen. Wenn Vetti Klaus sich in späterer Zeit an Mohmeier s Umzug erinnerte, so trübte sich ihre Stimmung, gleichwie den Glanz des Sonnenhimmclö ein Wölkchen überfliegt. Die unerhörte Dreistigkeit, mit -er die Familie Senf die Zwangsanleihe des Mohmeier'schen CylinderS be werkstelligt hatte, streute des Mißtrauens erste Saat in die Seele der arglosen Bettt. ES dauerte noch einige Monate, bis die eilige Frau, cntperlt bis zur Gewöhnlichkeit, einer Nachfolgerin Platz machte, deren Langsamkeit Fräulein KlauS manche» Seufzer entlockte. Dreivisrtel Jahre nach Mohmeier's Umzuge, als die Schachtel mit Christbaumschmuck, die man auf der Dach kammer verwahrte, heruntcrgeholt wurde, weil Weih nachten vor der Thür war, fand man zwischen den ver goldeten Nüssen und Lichthaltern ein sorgfältig in Watte und Seidcnpapicr gehülltes Päckchen, und unter lebhafter Theilnahme der ganzen Familie feierte Trudchen ein fröhliches Wiedersehen mit ihrer völlig unversehrten Blumenvase! (Schluß.)
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