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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030613022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-13
- Monat1903-06
- Jahr1903
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Oberstleutnant Mischitsch, der wirtliche Führer des Königsmordes, gibt fol gende Echilderung: Das Komplott ist von Rowakowitsch, Maschin, Gentschitsch nnd Ahanazkowitsch vorbereitet worden, die zumeist Subalternoffiztere, keine Generale einweihten. Gegen '/,2 Uhr nachts kamen dte Offiziere aus den Kaffeehäusirn vor dem Konak zusammen, um MaschinS Befehle entgcgcnznnehmen. Tas 7. Infanterieregiment umzingelte die Polizeibnrcans, das 4. Kavallerieregiment und die berittene Artillerie zernierten sämtliche Mtntfter, das 6. Infanterieregiment nnd die Gardc- tnfanterte umzingelten den Konak, «ardrkapitän Ko,titsch öff nete das Westtor und liest die Offi ziere ein. Mischitfch attackierte das Südtor und überwältigte die Palastgendarmen, wobei 6 Mann getötet und 20 verwnndet wurden. Hierauf dränge« die Offiziere vor die SingangStür des alten Konaks und sprengten die Türe, wobei Oberst Naumowitsch, der von innen öffnen wollte, durch eine D h n a m i t e x p l o s i o n getötet wurde. Tie Verschworenen drangen ein und erschaffen den Hauptmann Milikowitfch. General Petro witsch zerstörte die elektrische Lichtanlage. Die Verschworenen zwangen nach ei «stündig em Suchen im Finstern Petrowitsch, den Versteck des Königs- paareS in der Vorratskammer zu zeigen. Mtschitsch forderte von dem König Ab- Zaukuug. Alerande, «lei „Ach 4- «ich» KSutg Milan und lasse mich nicht von ein paar Offizieren etnschkchtern, versteht ihr dies?" Nun verlangte Mischitsch im schärfsten Tone, Alexander solle die Königin Draga ausweisen, worauf der König Trag« umarmte und kützte, indem er sagte, es könne ihn nichts von seiner Draga scheiden. Jetzt wnrde das Königspaar erschossen. Die Leichen wurden in den Parkhof geworfen» wo sie früh nm 5 Uhr der russische Ge sandte fand. Die Tragödie forderte 54 Tote und verwundete. Hauptmann Welimowitsch zeichnete folgendes auf: Petrowitsch mutzte die Verschworenen vor die Zimmertür führen, welche nach Rütteln vom König geöffnet wnrde. Der König glaubte, datz die Revolte durch das Gerücht über ein unglückliches Eheleben verursacht war und dte Offiziere die Königin ermorden wollten. Der König bestritt das Gerücht und kützte die Königin. I» diesem Augenblicke wurden beide durch zahllose Schüsse getötet. (Berliner Lokal-Anz.) * Belgrad, 12. Juni. Ter an der Rirdermachung des serbischen KöntgSpaareS und seiner Umgebung be teiligt gewesene Hauptmann Welimowitsch hat über die Metzelei folgendes ausgezeichnet: „ Um 1'/, Uhr drangen «0 Offiziere in de» Konak ein und weckten den Generaladfutanten Lasar Petrowitsch mit der Forderung auf, er möge sie zum Könige führen; Petrowitsch zögerte, wurde totenbleich nnd bat für sein Leben. Sodann führte er die Verschwörer zum Zimmer der Königin und klopfte an die verschlossene Tür. Der König rief: „Wer ist dal" „Ich bin es, dein Lazar!" antwortete Petrowitsch. „Was willst dul" „Offiziere wolle» mit dir sprechen!" Ter König sagte hierauf hinter der Tür: „Geben Sic Ihr Ehren wort, datz Sie nichts Böses im Schilde führen!" Die Offiziere begannen sodann an der Tür zu rütteln, worauf der König die Tür öffnete. König Alexander war totenbleich; er hielt dte Hand der Königin in der seinen. Der König glaubte wahrscheinlich, datz die Ursache der Revolte das verbreitete Gerücht sei, Satz er mit seiner Gemahlin schlecht lebe, und die Offiziere wollten jetzt die Königin ermorden. Mit heiserer, kreischender Stimme ries er: „Es ist nicht wahr, meine Herren, unser Ehe leben ist das glücklichste; die Meldungen lügen; wir lieben uns sehr!" Er kützte hierauf dte Königin. In diesem Augenblicke erdröhnte» zehn bis zwölf Schöffe, welche» noch 50 bis 40 folgten. Der König und die Königin stürzten, von Kugeln ge troffen, anfeinander, die Königin oben. Tie nahe stehende» Offiziere versetzten ihr nnnmchr mehrere Säbel stiche." — Es mutz bemerkt werden, Satz der König mehrere Briefe erhielt, Sie ihn warnten. Tas letzte Schreibe» kündigte die Katastrophe für Pfingsten an. Als dieser Festtag ohne Zwischenfall vorüberging, sagte die Königin zu ihrer Hofdame Pctronijcwitsch: „Siche, diese Poltronc schreibe» und schreiben, aber die Tat wagt keiner." * Pest, 12. Juni. Dem „Ungarischen Telegraphen- K-rrespondenj-vureau" wird aus Belgrad gemeldet: Wie die vorgenommene ärztltchcObduktion ergeben hat, wurde Sou«» Al,»--»—- — «k*- --- -' geln getroffen, während »er «rörper der Königin von 5 Schüssen und mehreren Dolchstichen durch bohrt ist. * Belgrad, 12. Juni. Der Premierminister Zinzar Markowitsch wurde nntcr Führung eines Offiziers in seiner Prtvatwohnung ausgesucht unter der Ausrede, cs riefen dringende Geschäfte, er sei genötigt zn erscheinen. Beim HerauStretcn dnrchbohrten ihn sechs Kugel». In dieser TodeSiiacht wurde ihm eine Tochter ge boren. — Ter bisherige Minister ist seinen Wunden erlegen. Der Adjutant Oberst Naumowitsch wurde heute nachmittag mit militärischem Pomp bestattet. Belgrad nach dein Morde. Der „Neuen Freien Presse" wild ausBelgrad, l3. Juni, gemeldet: Die Stadt ist vollkommen ruhig. Nichts gemahnt an die blutigen Vorgänge. Nur vor dem Konak lagert eine Abteilung Infanterie und in einer Neben straße ein Pikett Kavallerie. Auch die umliegenden Gebäude und Ministerien werden scharf militärisch bewacht. Die militärischen Abteilungen befinden sich in voller feldmäßiger Ausrüstung. Die Stadt ist beflaggt. Viele Anhänger der Obrenowitsch sind geflüchtet. Draga Maschin. * Das „Karlsbader Tageblatt" veröffentlicht eine Unter redung mit dem hier weilenden Leibarzt des ermordeten Königs Alexander Welitschkowitsch. Dieser erklärte die Meldung der Blätter, er, der Leibarzt, habe Belgrad mit der Mission verlassen, um in Franzens bad ein Absteige- Quartier für die Königin Draga zu besorgen, für grundlos. Von einer Auslandsreise des Königs und der Königin sei keine Rede gewesen. Die Ursachen der Katastrophe. Ais Ursachen, die zur Belgrader Katastrophe führten, wird in wohlunterrichteten Kreisen daS Nachstehende für glaubwürdig gehalten: König Alexander war sich je länger je mehr darüber klar geworden,daßseineVerheiratung milDragaMaschin die Quelle der größten Schwierigkeiten für ibn bildete. War schon die Vermählung als solche im höchsten Grade darnach an getan, die Stellung des Königs zu erschüttern, so mußte der von der Königin betriebene Nepotismus und die Art, wie sie diesem huldigte, daS königliche Ansehen vollends untergraben. In der richtigen Erkenntnis seiner Lage ging König Alexander seit einiger Zeit mit dem Gedanken um, sich scheiden zu lassen. Einer Ehescheidung aber widersetzten sich die An hänger des Fürsten Karageorgewitsch aus einem doppelten Grunde. Einmal wollten sie die Blamage abwenden, die im Falle eine» Ehescheidungsprozesses durch die unvermeidliche Aus- wühlung von Schmutz auss neue über Serbien hereiubrechen mußte. Sodann wollten sie die Möglichkeit ausschließen, daß der König nach der Ehescheidung durch die Verheiratung mit einer montenegrinischen Prinzessin einen erbberechtigten, Rußland genehmen Nachfolger erhielte. So schlugen sie dem Köniae die einfache Trennung von seiner Frau vor, wobei an die Landesverweisung Dragas gedacht wurde. Hierauf jedoch ging der König aus Gründen, die Anspruch auf ge rechte Würdigung haben, nicht ein. Unter solchen Umständen entschloß sich die Partei Karageorgewitsch zu dem grauen vollen Vorgehen des 10. Juni. Der Präteudent. scarageorgew>«i w empfing ge»ern ,ruy rn Genf einen Vertreter der Schweizerischen Depeschen-Agentur und e, klärte, wie wir schon kurz mitteilten, im wesent lichen folgendes: Meine Anhänger haben in der Tal eine vollständige Organisation in Serbien, mit der ich häufig in Beziehungen getreten bin. Ich erfuhr von anderer Seite, daß die Unzufriedenheit des Volkes ihren Gipfel erreicht habe, aber in keiner Weise ließ man mich die Ereignisfe der gestrigen Nacht vorauS- sehen. Ich habe nichts zu ihrer Vorbereitung bei getragen und auch indirekt keinen Anteil daran genommen; sie haben mich überrascht. Mehrere Zeitungen haben seit langer Zeit daS Bestreben, mich mit Handlungen in Verbindung zu bringen, die nicht die meinigen sind. Man wollte mich zum Beispiel in die Angelegenheit Alantitsch hineinziehen, während ich gar nichts mit ihr zu tun hatte. Donnerstag vormittags gegen 9^/, Ubr brachte mir ein von meinem in Wien lebenden Vetter abgesandtes Telegramm die erste Nachricht über das Trauerspiel, das sich ereignet hatte. Um 1 Uhr nachmittags kam einer meiner montenegrinischen Freunde und de- I siätigle die Nachrichten, die bis jetzt für mich keinen I amtlichen Charakter tragen. Man bat auf Karten und I in Telegrammen viele Glückwünsche an mich gerichtet, aber Idas ist alle?. Für den Augenblick warte ich die Er eignisse mit Ruhe ab. So lange keine förmlichen Vor schläge an mich ergangen sind, habe ich keinen Grund, abzu reisen. Ich bleibe, wo ich bin; denn niemand hat verlangt, daß ich nach Serbien zurückkehre, niemand hat mir die Krone angeboten. Von den Mitgliedern meiner Familie, die in Belgrad und in anderen serbifchen Städten wohnen, habe ich keine Nachrichten. WaS meine Meinung über die Vorgänge andelaugt, so bedauere ich tief, daß man geglaubt hat, daS Blut in Strömen vergießen zu müssen. Ich mißbillige in aller Form die gewalttätigen Mittel und beklage insbesondere, baß daS Heer zu ihnen ge griffen hat, denn eS hat edlere Aufgaben zu er füllen, als zu morden. Es hätte gen ügt, Alexander zu mllnterzeichn en seinerAbdankung zu zwingen und man hätte ibn verpflichten können, wie eS unter anderen Umständen geschehen ist. Es ist eine schreckliche Sache, Blut zu vergießen. Sie fragen mich, welche Haltuna ich einnehmen werde, wenn ich im Besitz der Krone bin? Aber bieten Sie mir diese Krone an? Jeden falls glauben Sie sicher, daß ich, wenn man mich ruft, mich von dem Geiste der so bewundernswerte« Einrichtungen der Schweiz werde leiten lassen. Ich habe vieles geleint in den langen Jahren, da diese» Land mir Gasifreundschaft gewährte. Ich bin eia Freund der unbeschränkten Preßfreiheit, und ich hoffe, Serbien sich entwickeln zu sehen unter der Herrschaft der Verfassung von 1889, die sehr freiheitlich ist. WaS die aus wärtigen Beziehungen betrifft, so hat man behauptet, daß ich planmäßig feindlich gesinnt sei gegen Oesterreich. Das ist falsch; doch ist eS möglich, daß ich eine be sondere Zuneigung zu Rußland empfinde, wohin ich meine Kinder gesandt habe, in der Hoffnung, daß sie dort Dienste nehmen werden. Der Wiener Korrespondent der „Köln. Ztg." telegra phiert seinem Blatte von heute: Hier im Hotel Waudl am PeterSplatz lagt unter Führung des Vetters des Fürsten Peter Karageorgewitsch, Professors Nenadowitsch, eine Gesell- keilweste'erft gestern während der Bluttat inÄelgräd hierein- getroffen sind. Er und andere serbische Flüchtlinge sollen die Ver schwörung geführt und organisiert Haden. Dagegen soll Wladan Georgiewitsch, der ebenfalls hier lebende frühere Ministerpräsident, die ihm heimlich von serbischen Offiziere« vor längerer Zeit überbrachte Einladung zur Teilnahme an der Verschwörung abgelehnt haben. Tatsächlich weilte er seit zwei Wochen mit Familie in Sauerbrunn bei Karlsbad. Die Gruppe im Hotel Wandl erhielt von Peter Karageorgewitsch auf die Anbietung des Königsthrones die Antwort, er sei bereit, die Krone anzunehmen, wenn ihn die Skupschtina einstimmig wähle und die Mächte Vieser Wahl zustimmten. Bis dahin würde er in Gens bleiben; er wolle nicht mit den Belgrader Mordtaten in Verbindung gebracht werden. Diese Versammlung soll beschlossen haben, das Vermögen der Königin Draga, das in fremden Banken, teilweise bei Rothschild, in nicht sehr wertvollen Papieren verwahrt ist, gerichtlich für den serbischen Staat zu bean spruchen. Wie der Korrespondent zuverlässig erfährt, waren noch ganz kürzlich Versuche gemacht worden, einen Empfang des KönigSpaares beim Wiener Hofe durchzusetzen. Auch diese Tatsache spricht gegen die Meldung, nach der eine Trennung Alexanders von Draga bevorgestanden hätte. (?) Die Auslassungen der der ältern Linie deS HauseS ange- Feuilleton. Mr. Trunnell. Geeroman von I. HainS. Nachdruck verboten. Wir wechselten noch einige Worte; als dann ihr Vater sich uns wieder näherte, reichte sie mir die Hand und sagte lächelnd: „Wir sind jetzt also Schiffsgenoffen; nun haben Sie Gelegenheit, mir zu zeigen, was ein amerikanischer See- mann leisten kann. Ich bin mit meinem Vater sechsmal um die Welt gesegelt und habe dte Seefahrer vieler Natio nen kennen gelernt; ich erinnere mich jedoch nicht, schon einmal einen echten Yankee als Schiffsmaat gehabt zu haben." Damit ging sie achteraus und blickte verloren in den Nebel. „Mr. Rolling", fing nunmehr der Schiffer an, „Sie werden einsehen, daß es, so lange dieses dicke Wetter an- hält, für Sie unmöglich ist, das Schiff zu verlassen. Der „Pirat" hat seine Lage um mindestens sechs Striche ver ändert. Liegt er noch beigedreht, dann ist er gut zwei Knoten in der Stunde leewärts abgetrieben, hat er aber vollgebraßt, dann schätze ich seine Fahrt auf sechs Knoten. Ich denke also, Sie betrachten sich inzwischen als zum „Sovereign" gehörig und leisten uns nach Kräften Bei stand. Ebenso Ihre Leute. Der Fockmast treibt noch lang feit; wir wollen versuchen, mit Hülfe eines Teils seines Geschirrs einen Notmast aufzurichten. Die Ladung ist gut gestaut, das Oel und der leichte Kram obenauf; ans Kentern ist also nicht zu denken." Keppen Sackett hatte recht. Wir saßen nun einmal hier auf dem Wrack und mußten daher mit den andern gleichen Strang ziehen; je williger wir dies taten, desto eher hatten wir Aussicht, das Fahrzeug in den Hafen und damit auch «nS selber in Sicherheit zu bringen. Der Nebel konnte noch eine Woche lang anhalten, und anderseits konnte auch der „Pirat" bereits den Aequator passiert haben, ehe er seine Fahrt noch einmal unterbrach. Ich wußte ' bestimmt, daß auch Trunnell nicht länger als ein paar Stunden auf unS warten würde, denn wenn wir dann nicht zurück waren, dann konnte er fast mit Sicherheit an nehme«, daß wir überhaupt nicht mehr auftauchen würden. Der Ozean ist so unendlich groß, daß ein kleines Boot sich gar zu leicht darauf verliert. Die weißen Nebclmassen zogen und wogten kühl und feucht über das Wrack; die Brise frischte ein wenig auf, sie wehte von Norden, also direkt vom Kap her. Unser Segel war so gut als möglich scharf angebraßt, und so schob sich das Wrack wie ein Stück Treibholz langsam durch dte Flut, die es rings umschäumte und umgurgelte; es lief un gefähr einen Knoten Fahrt, also kaum so schnell, wie ein Mann schwimmt, immerhin aber schnell genug, um uns jede Hoffnung, vom „Pirat" wieder aufgesammelt zu wer den, zu nehmen. Zwölftes Kapitel. Die erste Nacht, die wir an Bord des „Sovereign" zu brachten, war nicht geeignet, uno mit Vertrauen auf sein^ Seetüchtigkeit zu erfüllen. Zweimal schon hatte ich ein Schiff unter den Füßen verloren, aber das letzte Ringen jener Fahrzeuge war mir nicht beängstigender und nervcn- angrcifender gewesen, als die Art, wie der „Sovereign" sich während dieser Nacht in die Schwell hineinwühltc. Bei jedem Rollen konnte man glauben, er wolle den Kiel gen Himmel kehren; glitt er langsam den Hang einer Dünung hinunter, dann hielt man unwillkürlich den Atem an. Dann tauchte er so schwer, so unaufhaltsam in die Flut, daß man jedesmal meinte, nun ginge er ganz sicher bis auf den Grund; verschiedentlich sprang ich bei solcher Gelegenheit von meinem Lagerplatz in der Kajüte auf, um an Deck zu eilen, ehe daS Wasser über uns allen zusammenschlüge. Wir befanden uns ungefähr auf dem achtunddreißigsten Parallelkretse, und da es Januar, also Mittsommer war, so ging die Sonne schon früh auf. Bei Tagesanbruch ging ich an Deck. Der Nebel war gestiegen, der Umblick heiter. Andrews trat mir entgegen und nickte mir zu. „Rechne, die alte Krummnase wird nicht länger ge wartet haben", sagte er mit saurer Miene. Ich nahm das Teleskop vom Rudcrhäusclxn und suchte den Horizont sorgfältig ab. Nichts war in Sicht außer den wallenden Hügeln der Dünung, deren blaugraue Ober fläche von der Brise leicht gcrtppelt wurde. Der Nebel war bald ganz verschwunden, die Sonne stieg über der wolken losen Kimmung empor und schien warm auf das Wrack hernieder. Der Wogenschaum an den Schisfsseitcn glitzerte in dem rosigen Licht, und als ich über Bord blickte, konnte ich wett hinunter schauen in die blaue Tiefe. Die Kupfe rung schimmerte hellgrau herauf, sogar die Nägel in den Platten waren sichtbar. Der Zimmermann kam von mittschiffs her durch das Wasser gewatet. „Nun, Tschips", sagte ich zu ihm, „was ist Eure Meinung?" „Lange Fahrt und viel Wasser", antwortete er. „Trunnell ist davongesegelt, das ist ganz sicher. Es wäre mir ja ganz recht, hier an Bord zu bleiben, wenn man nur Aussicht auf Bergelohn hätte, aber so lange Andrews da ist, kann davon keine Rede sein. Der läßt sich auf keine Teilung ein. Wenn dies Wetter anhielte, könnte man leicht unter den Schiffsboden tauchen und nach dem Leck suchen; ich denke, es wird sich eine Planke gelöst haben. Diese englischen Stauer pressen oft dte Ladung so gewaltsam ein, daß so'n Fahrzeug, wenn es nicht ganz neu und fest ist, beinahe ausetnandergeht." Jetzt erschien auch Kapitän Sackett an Deck. „Wir wollen den Fockmast an Bord nehmen, so lange das Wetter ruhig ist", sagte er. „Wenn wir uns bald daranmachen, ist die Arbeit bis Mittag getan. Ehe noch eine Woche verrinnt, müssen wir vorn Segel setzen können, um binnen zu kommen, bevor uns der Proviant ausgcht." Der Steward trug in der Achterkajüte das Frühstück auf; sobald die Leute gegessen hatten, machten sie sich daran, das Hebezeug anfzurichten, um den Mast an Bord zu nehmen. Er schleppte, von den Wanten und Pardunen gehalten, in Lee und hatte während des Sturmes so heftig gegen die Seite gerammt, daß an einer Stelle die Planken nahezu durchgestoßen waren. Der Morgen war herrlich, die See blau, und blau auch der sonnenhelle Himmel. Die Leute arbeiteten mit Lust und Liebe, selbst Andrews schien unter dem Einfluß des Sonnenscheins aufzutauen; er leitete einen Teil der Ar beit, und man erkannte bald, daß er ein Seemann von Er fahrung war nnd dte Sache gründlich verstand. TschipS bearbeitete den Stumpf des Fockmastes in der Weise, daß das Ende des über Bord gegangenen Teiles, nach entsprechender Zurichtung, fest in diesen Stumpf ein gefugt werden konnte. An der Großmarsstenge wurden Taljen und Giene aufgebracht, und endlich gelang eS, den Fockmast an Bord zu heißen. Als der „Sovereign" von diesem Hemnis befreit war, wurde seine Fahrt sogleich ein wenig schneller. Am nächsten Tage, als der Mast aufgerichtet war und die langseit treibenden Raaen ebenfalls an Bord genommen waren, teilte sich heraus, daß das Schiff mehr als siebzieb Meilen auf dem achtunddreißigsten Grad südlicher Breite zurück gelegt hatte, was einer Fahrt von einer Meile in der Stunde entsprach. Hierbei war allerdings auch dte süd westlich laufende Agullasströmung in Betracht zu ziehen. Andrews verhielt sich gegen mich sowohl, wie auch gegen Tschips sehr wortkarg. Er schien mit seinem Geschick und mit der Aussicht auf Bergegeld ganz zufrieden zn sein. Einer aber war an Bord, der ihm gründlich miß traute, und das war Jim; der junge Mensch schien seine Augen überall zu haben. Wir befanden uns jetzt fünf Tage auf dem Wrack und waren noch immer mit dem Befestigen und Auftakeln des Fockmastes beschäftigt. Das schöne Wetter hielt an; kein Anzeichen einer Aenderung war sichtbar. Jim war in der Fockrüst dem Zimmermann behülfltch, eine der die Wanten haltenden Juffern — auch Jungfern genannt — wieder anzubolzen, die der stürzende Mast weggeriflen hatte. Die Sonne brannte heiß hernieder und Tschips stöhnte und grunzte, während er mit mächtigen Schlägen das Eisen eintrieb. Ich hatte gleichfalls bei der Fockrüst zu tun. Außer uns dreien war niemand in der Nähe. Nachdem Tischps eine Viertelstunde lang gehämmert hatte, hielt er inne, um sich zu erholen. „Schändlich ist's", sagte er grimmig. ,^Dir quälen unS hier und schwitzen uns das Gehirn aus, damit der Kasten wieder segeln kann, aber vom Bergegeld kriegen wir keinen verdammten Heller!" „Was frage ich nach den paar lumpigen hundert Pfund Bergegeld?" stieß der ebenfalls vor Hitze und Grimm kochende Jim hervor. „Ich l>abc zehntausend Pfund ver loren, auf dem „Pirat" zurücklassen müssen!" „Und deine Wahrheitsliebe obendrein, wie s scheint", sagte Tschips und tat einen wütenden Schlag auf den Bolzen. Jim aber schaute so ernst drein, datz ich mich bewogen fühlte, ihn aufzufordern, sich deutlicher auszusprechen. Er überlegte einige Augenblicke, dann sah er mich an und sagte: »Haben Sie jemals von einem gewissen Jackwell gehört, von dem Kerl, der die Bank von Sndney erbrach und auS- raubte"? Von dem hatte ich gehört, ebenso Tschips. Jackwell war ein wett und breit berüchtigter Spitzbube; er galt für den
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