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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030616011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-16
- Monat1903-06
- Jahr1903
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Wer ein Recht besitzt, hat damit auch die Pflicht, von seinem Rechte den richtigen Gebrauch -u machen. Das Reichstagswahlrecht ist das höchste Recht, das dem deut schen Volke verliehen ist. Darum prüfe jeder, der am Wahltage zur Urne schreitet, sein Gewissen, auf daß er mit seinem Rechte keinen Mißbrauch treibe! Gin Recht soll man aber in dem Sinne gebrauchen, in dem eS verliehen worden ist. Fürst Bismarck erzählt im -weiten Bande seiner „Gedanken und Erinnerungen", warum erdcm deutschen Volke dasgelteudeNeichötagSwahl- recht verliehen hat: „Die Annahme des allgemeinen Wahl rechts war eine Waffe im Kampfe gegen Ocsterr/ich und weiteres Ausland, im Kampfe für die deutsche Einheit." Fürst Bismarck wollte also, daß jeder deutsche Mann vermöge des Wahlrechts im Vaterlande mitherrschen und seinen Anteil an der Regierung haben sollte; durch das Wahlrecht sollte jeder Deutsche ganz eng ans Vaterland, an sein Vaterland, an sein Reich gebunden werden; durch das Wahlrecht sollte die höchste Liebe zum Vater lande in den Herzen aller Deutschen wachgerusen und wachgehalten werden. Das alles aber sollte letzten Endes zu dem Zwecke geschehen, daß die Deutschen in der Stunde der Gefahr wie ein Mann dem Feinde ent gegentreten und bereit seien, für das Vaterland selbst das Leben zu opfern. Fürst Bismarck hat das allgemeine Wahlrecht in den Dienst des nationalen Gedankens stellen wollen. Darum macht nur der vom Wahlrechte einen würdigen Gebrauch, der bereit ist, zu jeder Zeit selbst mit Gut und Blut für des Vaterlandes Macht uns Ehre einzutreten. Die Sozialdemokratie hat, so lange sie be steht, das Vaterland und den deutschen Namen geschändet. Als die Heldensöhne des deutschen Volkes im Jahre 1870 auf französischer Erde ihr Blut ließen, damit endlich der lang geträumte goldene Traum von einem deutschen Vatcrlande zur schönsten Wirklichkeit werde, da schalt sie Karl Marx „Schurken und Narren", und die Bebel und Liebknecht benutzten das Wahlrecht und die Reichstags tribüne straflos dazu, anstatt der deutschen Heldenhaftig keit die Greueltatcn der Pariser Kommune zu verherr lichen. Und ist seither etwa die Sozialdemokratie anderen Sinnes geworden? Nicht im mindesten! Als durch die Ermordung unseres Gesandten in China die deutsche Ehre schimpflich verletzt war, da war es die Sozialdemokratie, die für das Boxer-Gesindel Partei ergriff und wiederum unsere Soldaten durch Ver öffentlichung der zusammengelogcnen ,Zunnenbriefe" mit Schmutz bewarf. Und hat nicht noch in diesen Tagen in klingender Münze Herr Bebel den Lohn für seine vaterlandslose Haltung im Jahre 1870 von einem pro- testlerischen Bankier erhalten? Und brüstet sich nicht der „Vorwärts" damit, daß der sozialdemokratischen Partei vom Auslande Geld zur Führung des Wahlkampfes zu gegangen ist? Und druckt der „Vorwärts" nicht mit Ber- gnügcn Artikel englischer Zeitungen ab, in denen die deutsche Sozialdemokratie gerühmt und ihr zum Wahlkampfe viel Glück gewünscht wird? Natürlich! Das Ausland hat Interesse an den Erfolgen -er Sozialdemo kratie, denn je mehr die Sozialdemokratie anwächst, um so schwächer wird die Macht und die Einheit des deutschen Volkes nach außen hin und um so eher kann das Aus land Macht über unser Vaterland gewinnen! Man kann uneinig sein über alle Fragen der inneren Politik: welche Steuern die besten sind, wieviel Schiffe und Soldaten wir brauchen usw. Alle Deutschen aber dürfen darin nur eines Sinnes sein, -es Vater- landes Macht und Ehre zu erhalten und gegen jeden Feind von außen her mit Gut und Blut zu verteidigen. Die Sozialdemokratie aber dient nicht dem Vaterlande, sondern fördert — wenn es vielleicht auch nicht jeder Sozialdemokrat mit Bewußtsein tut — die Interessen der Feinde des Vaterlandes. Wer am 16. Junt einem Sozialdemokraten seine Stimme gibt, der schändet bas Andenken der deutschen Helden männer, unserer Väter und Großväter, die im Jahre 1870 ihr Leben geopfert haben, damit wir ein Vaterland besitzen, der schwächt die Macht des Vaterlandes und verrät es ans Ausland, auch wenn solcher Verrat gar nicht seine bewußte Absicht ist, ber ist seiner Väter und Großväter nicht wert und verdient es nicht, ein Deutscher zu heißen, der treibt Mißbrauch mit dem Wahlrecht und verdient nicht, cs je erhalten zu haben. Wer am 16. Juni zur Wahlurne schreitet, soll be denken, daß er ein Deutscher ist und soll in ganzer Seele von dem Gedanken beherrscht sein: Nieder mit den Verächtern des Vaterlandes! Nieder mit den Verrätern deutscher Ehre! Nieder mit der Sozialdemokratie und ihren Helfers ¬ helfern, mit welchem Namen diese auch prunken mögen! Dienstag den 16. Juni 1903. 97. Jahrgang. Der neue König von Serbien. Gestern bat in der Skupschtina die Wabl des neuen Königs von Serbien stattgefunven. Wir erhielten hierüber das folgende, durch Extrablatt verbreitete und in einem Teile des gestrigen Abendblattes bereits veröffentlichte Telegramm: * Genf, IS. Juni. (Privnttelegrarnnr.) Peter Karageorgewitsch erhielt ein Tele gramm auS Senil in, welches meldet: „Die Nationalversammlung wählte Sie einstimmig zum König". — Die Verfassung von 1888 mit dem Einkammersystem und der noch zu vereinbarenden Beschränkung der Königsrechte wurde wieder etngeführt. Die Attentäter bleiben unverfolgt. Eine Deputation holt den König ab. Dir amtliche Bestätigung lautet: * Belgrad, IS. Juni, 12 Uhr SU Min mittags. (Telegramm.) Peter Karageorge- witsch ist von der Nationalversammlung ein stimmig zum König gewählt worden. Die Nationalversammlung war, nachdem die Nacht zum 15. vollkommen ruhig verlaufen war, zwischen 8 und 9 Uhr vormittags zusammengetreten und um 11 Uhr eröffnet worden. Es unterlag keinem Zweifel, daß aus der Wahl der im Jahre 1846 geborene Prinz Peter Karageorgewitich, der Ur enkel des Begründers des serbischen Fürstentums, hervor gehen würde. Die neuere serbische Geschichte ist wenig mehr als ein Jahrhundert alt. Sie findet ihren Ausgangspunkt in dem Auftreten zweier mächtiger Gestalten, Heerführer im Unab hängigkeitskampfe Serbiens gegen die Türkei, die um die vor letzte Jahrhundertwende ihrem Volk in einem ununterbrochenen Bandenkriege daS ottomanische Joch abschütteln halfen. Beide sind Helden in ihrer Art, der eiye tapfer, aber verschlagen, der andere urwüchsig, hünenhaft und gradsionig. So zeigen sich die zwei Heroen deS serbischen Freiheitskrieges: Milosch Obreuowitsch und Peter Karageorge- witsch. Man möchte sie, so schreibt der „Berl. L.-A.*, dem wir hier folgen, zwei Ungleichartigen Brüdern in der Dichtung, wie etwa Franz und Karl Moor oder den beiden Gloster m „König Lear" vergleichen, von denen der Geringere und von der Natur weniger Begünstigte venEbleren undGlößeren neidet und ihm nach dem Leben trachtet. In gleicher Weise wird auch der gewaltigere Karageorgewitsck, der Schrecken der Türken, die ihn den schwarzen Georg nennen, das Opfer des neidischen Milosch; er wird von ihm, da er aus ber Ver bannung nach Serbien deimkehrt, heimtückisch ermordet, und dem ehrgeizigen Milosch fällt daS Erbe des RubmS, fällt, nach der glücklichen Verjagung des Erbfeindes, die Herrschaft zu, die dem schwarzen Georg gebührt hätte und zu- gespiochen war. Charakteristisch wie diese Jntrigantentak für Milosch gewesen, von deren Spitzbübischkcit sich ein: Spur in dem ganzen Geschlecht der Obreuowitsch erhalten hat, so be zeichnend ist der Zug inS Tragisch-Große, der einer wilden Mordtat deS Karageorgewitsch anhastet, die er auf seinem Wege ins Exil beging. Er nahm auf seiner Flucht ins Oesterreichische seine ganze Familie und auch seinen greisen Vater mit. Der aber weigerte sich, über die Save zu setzen und die Heimat zu verlassen. Peter, um ihn nicht in die Hände der Türken fallen zu sehen, ergriff die Flinte und schoß den Alten nieder. Milosch Obreuowitsch wurde, nachdem er seinen Rivalen in der VolkSgunst hinweggeräumt, der erste Herrscher Serbiens. Er wurde nach 22 jähriger Regierung zur Abdankung ge zwungen. Ihm folgte erst sein älterer Sohn Milan und kurz darauf der jüngere Sohn Michael. Auch dieser erfreute sich nur zwei Jahre der Herrschaft. Eine Revolution trieb ihn zum Laude hinaus und berief die Nachkommen des schwarzen Georg ans StaatSruder. Hier sah sich Serbien aber vor ein Bedenken gestellt. Der Enkel deS alten Kara in direkter Linie war ein Knabe von 15 Jabreu und man hätte für ibn eine Regentschaft einsetzen müssen. Dem zu entgeben, wählte die Skupschtina dessen Oheim Alexander, den jüngeren Sohn des alten Kara, zum Fürsten. Die Wahi erwies sich als keine glückliche. Alexander« Sinnen war nur auf das Zusammenscharren von Reichtümern gerichtet, die enttäuschte Nation setzte ihn deshalb, nachdem er 16 Jahre regiert, wieder ab und rief den nunmehr 80jährigen Milosch auf den Thron zurück. Der Alte starb aber kurz darauf, sein Sohn Michael, zum zweiten Male Fürst von Serbien, wird am 10. Juni 1860 — dem jetzt zu so fürchterlicher Bedeutung gelangten Tage, ermordet. Es war natürlich, daß man den abgesetzlen Alexander Kara georgewitsch der Anstiftung zu dieser Tat beschuldigte, allein die Beteiligung bat ihm nicht nachgewiesen werden können. Sie wäre eine Blutrache der Karageorgewitsch an den Obre- nvwiisch gewesen, und der VolkSmund stellt sie noch heute al« eine solche hin. Zu den Karageorgewitsch kehrte die Herrschaft über Serbien nicht zurück. Sie verblieb bei den Nachkommen des alten Milosch. ES folgte Milan und aus ihn der un glücklichste aller Obrenowitsch — Alexander. Der beigefügte Stammbaum der Karageorgewitsch und Obrenowitsch wird die Aufeinanderfolge der Beherrscher Serbien« illustrieren. Peter Karageorgewitsch i Alexi« — Alexander i Georg AIrxi«—Bozidar ss Peter—Arsen Milosch Obrenowitsch I Milan — Michael I Milan I Alexander Nun ist der Thron für die Sprossen de« alten Kara wieder frei geworben. Die Stimm« des Volke« bat sich, im Einklang m,t der grschichtlichen Entwicklung, die di« Nachkommen de« älterrn Sohn«« schon einmal übrrging, voa dea«n j«tzt die Brüder Alexis und Bozidar übrig sind, den Sprossen der jüngeren Linie zuqewendet, und auS der Katastrophe im Konak von Belgrad ist Peter, der älteste Sobn deS abHcsetzten Alexander Karageorgewitsch, als der neue König von Serbien hervorgegangen. Exfürst Alexander batte die letzten Jahre seines Lebens auf seinen Besitzungen in Temesvar in Ungarn verlebt. Er ließ seinen Söhnen Peter und Arsen eine glänzende Erziehung zuteil werden. Sie haben beide in Genf und Paris studiert und promoviert. Viel Freude bat er an seinen Kindern nickt erlebt. Seine älteste Tochter starb auf der Hochzeitsreise, die jüngere wurde als der schuldige Teil von ihrem Mann geschieden. Der jüngere Arsen trat wider Willen deS Vaters in die französische Fremden legion ein und wurde deshalb enterbt. Auch der älteste lebte auf gespanntem Fuße mit dem Vater und in der Fremde. So wurde der einstige Beherrscher Serbiens gänzlich verein samt, verfiel in Trübsinn und starb zuletzt im Verfolgungs wahnsinn. Der nun zum König auSerwäblte Peter ist 57 Jahre alt. Auch er kämpfte seinerzeit in der französischen Fremdenlegion wie sein Bruder Arsen, und sein abenteuerreiches Leben hat ibn zu einem Wetterkarten Mann gemacht. Er ist der Schwiegersohn des Fürsten der Schwarzen Berge, dessen älteste Tochter Zorka er im Jahre 1863 zum Altar führte, und ist somit der Schwager deS König« von Italien. Mit dem alten Fürsten von Montenegro ist er freilich in Zerwürfnis geraten, denn bei dem Tode seiner Frau entbrannte zwischen ihm und seinem Schwiegervater ein heftiger Streit um die eine Million betragende Mitgift. Im vorigen Jahre batte Prinz Peter von Genf aus, wo er lebte, eine Proklamation an seine serbischen Landsleute er lassen, in der er zu Sammlungen sür «in Denkmal seines Groß vaters, deS alten Serbenbelden Karageorgewitsch, aufforderte und selber für den Zweck 50 000 Frcs. zusagte. Zu gleicher Zeil aber erklärte er, daß er in keiner Weise die Absicht habe, sich und seine Familie in den Vordergrund der Ereignisse zu drängen. Wie weit diese Aeußerung des serbischen Prätendenten schon als ein Schatten zu betrachten ist, den künftige Gescheh nisse vorauSwarien, daS wird eine spätere Geschicktschreibung zu übersehen besser im stände sein. Jedenfalls ging bereits eine Ahnung von elwas Kommendem durch die beteiligten Kreise. ES ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß da« bisher gänzlich vernachlässigt gewesene Erbbegräb nis der Karageorgewitsch auf dem Sankt Marxer Friedhöfe in Wien, daS die Gebeine des Fürst?» Alexander und seiner Gattin Persida, ber Eltern deS Prinzen Peter, einschließt, urplötzlich und auf geheimnisvolle Weise jüngst wieder renoviert und geschmückt wurde, wobei auch daS Wappen der Familie, daS sich vom Grab-Obelisken los gelöst batte und herabgestürzt war, wieder seinen gewohnten Platz über den Gräbern erhielt. An der neuerlichen Regsamkeit, die die Karageorgewitsch entfaltet haben, hat fick auch die jüngere Linie der Präten denten beteiligt. Ihr Oberhaupt, Prinz Alexis, bat in seinem und seines Bruders BogiSlaw Namen einen Protest veröffentlicht, in welchem er auf seine Ansprüche denen deS Prinzen Peter gegenüber hinweist und sich als den allein zum Serbenkönig Berechtigten hinstellt. Die Entscheidung der Skupschtina har in diesem engeren Familienstreit den Aus schlag gegeben. Peter Karageorgewitsch ist ein mittelgroßer, hübscher Mann, der einen durchaus weltmännischen Eindruck macht. Sein Haar und Schnurbart sind leicht ergraut, sein ovales Gesicht bat einen entschieden slawischen, speziell serbischen Typus. Sein schneidiges Auftreten verrät den alten Militär. In seiner Jugend bat eS ibm nicht an bunten kriegerischen Abenteuern gefehlt. Im Jahre 1875 nahm er an dem bosnischen Aufstande teil, und zwar unter einem angenom menen Namen, und befehligte eine Freiwilligen-Abteilung nahe der kroatischen Grenze. Seine Kompagnie, aus Leuten der verschiedensten Länder zusammengesetzt, zählte etwa 150 Mann. Prinz Peter führte sein Inkognito treff lich durch, und niemand ahnte, wer hinter dem angeblichen französischen Kapitän Mercunic stickte. Man wunderte sich nur, daß er über so reichliche Geldmittel verfügte. Während diese« Feldzuges unterzog sich Prinz Peter den härtesten Strapazen und lag mitten unter seinen Leuten bei der schnei denden Kälte deS Winters auf bloßem Stroh gebettet. DaS und die siegreichen Gefechte, die er gegen die Türken bestand, verschafften ihm damals ein glänzendes Renommee: Seine Identität wurde damals einigen seiner Kriegskameraden erst durch den Umstand bekannt, daß ein gedungener Kerl aus Belgrad im Lager anlangte, mit der Absicht, wie zufällig entdeckt wurde, den Prinzen Peter zu ermorden, eine Absicht, die glücklicherweise durch den Tod des Mordbuben vereitelt wurde. In Genf bewohnt er ein kleines Privathotel in der Nähe der russischen Kirche. Seine »wei Töchter weilen bei ihm, seine beiden Söhne sind in Petersburg erzogen und als Offiziere in die russische Armee eingetreten. Pcter Karageorgewitsch ist ein Mann von vornehmem Wesen. Er spricht außer serbisch französisch, russisch und deutsch. Seine Bildung ist universell, er hat stets den Verkehr mit Männern der Wissenschaft gesucht und an allen Fragen der Zeit den lebhaftsten Anteil genommen. Seine Lebensweise war stets bürgerlich einfach. Er dielt nicht einmal eine eigene Equipage und gab nie größer« Gesellschaft««. Viel und ost pflegte er plötzliche, geheimnisvolle Reisen zu unternehmen, und zwar stets allein. Niemand wußte oder wollte wissen, wohin sie ihn führten, waS ihr Zweck war. Wie er fort gegangen, so kam er urplötzlich wieder und nahm sein vorheriges stilles Leben von neuem auf. Seine Neigungen ziehen ihn zu Rußland, dessen Sprache, Literatur und Musik ihm lieb sind wie der Umgang mit Russen. DaS ist der neue König von Serbien. Ein Jahr hundert trennt ibn von seinem Urahn, dem alten ge waltigen Bolkshelden Serbien«. Beendet ist der Kampf zweier rivalistrrender Familien, verstumm' der Ruf .Hie Karageorgewitsch", »Hie Obrenowitsch!" Der Spross« de« eigentlichen und echten Serbenbefreier» geht, da» Erbe des schwarzen Kara aozutreten. SektivnSbefund. * Belgrad, 15. Juni. (Telegramm.) „Dnevnt List" ver öffentlicht folgenden SektionSbefund der Leiche des Königs Alexander: „Die Schädeldecke ist elf Millimeter dick, bei normalen Schädeln höchstens 6 Millimeter. Beim Großhirn finden sich Berwachsungen mit der Schädeldecke. Da» Kleinhirn ist hypertrophisch. Die Leber ist ungewöhnlich groß, voa schwarzer Farbe uud speckartig degeneriert. Deutsches Reich. 6. 8. Berlin, 15. Juni. Das Protokoll -er Anarchisten - Konferenz in Mannheim liegt uns jetzt vor; es wirft interessante Schlaglichter auf die anarchistische Bewegung. Es waren am ersten und am zweiten Pfingstfeiertage in Mannheim 21 Genossen und 8 Genossinnen versammelt, die zusammen 17 Orte ver traten. Zunächst wurde bitter darüber geklagt, daß die Genossen das Bezahlen oft vergessen und daß von 40 Orten nur 15 abgerechnet haben. Dann beschäftigte man sich mit der Organisation; obgleich der Geschäftsführer Frauböse mitteilte, daß im letzten Jahre die Mitglie der- a h l gewachsen sei, war man der Meinung, daß es so langsam nicht weftergehen dürfe und daß man sich eine Organisation schaffen müsse. Nach langen Debatten, an welchen sich Frauböse-Berlin, Stalinski-Verlin, Hart- mann-München, Schmidt-Berlin, Schmidt-Frankfurt, Her mann-München, Imhoff-Mainz usw. beteiligten, nahm man folgenden Antrag an: Die „Deutsche Föderation re volutionärer Arbeiter" nennt sich von jetzt ab „An archistische Föderation Deutschlands". Es wird wegen der Organisation ein Ausschuß ernannt, der folgende Aufgaben hat: a. einen Organifattons-Statuten- entwurf der Föderation auszuarbeiten, b. sich mit den auf theoretischem Gebiete hervorragenden Anarchisten, wie Krapotkin, Tscherkessow, Grave, Malatcsta, in Verbindung zu setzen, um von diesen die Ausarbeitung einer Prin- zipienerklärung zu erbitten, die hinfort die geistige Basis der Föderation bilden soll." Weiter beschäftigte man sich mit dem General st reik und der Gewerkschafts bewegung. Man war -er Meinung, daß alle Kraft anznwcnden sei, um den Generalstreik ins Werk zu setzen. Einzelne Genossen ivaren dafür, daß man die Produktiv- Genvssenschaften mehr ausbauen solle, um sich dann auf sie bei Ausbruch des Generalstreiks zu stützen. Schmidt- Frankfurt wies daraus hin, daß die Genossenschaft in seiner Heimatsstadt sehr gut gedeihe und 11 Verkaufsstellen un terhalte, die sehr befriedigende Geschäfte machten. Schließ lich nahm man folgende Resolution an: ,^Jn Erwägung, daß die heute bestehenden Gewerkschaften, sowie die Konsum-Genossenschaften nur sür rein materielle Vorteile kämpfen und nicht als Mittel zum Zweck der Abschaffung "des heutigen Staatswesens, und ferner, daß durch die parlamentarische Tätigkeit nichts zu erreichen ist, erklärt die 3. Konferenz der Föderation die Propaganda des Generalstreiks als ihre Taktik." Nachdem dann Paul Frauböse als Geschäftsführer wiedergewählt ' worden war, ging man nach Hause; hier sollen die Dele gierten über alle die Belästigungen berichten, denen sie in Mannheim ausgesetzt gewesen sind. So kindlich es nun ist, wenn Leute, di« den Staat vernichten wollen, sich darüber beschweren, daß dieser aus seiner Hut ist, so ernst ist es doch zu nehmen, daß die deutschen Anarchisten sich eine Organisation schaffen wollen, durch die ihre Aktions kraft nur gewinnen kann. Berlin, 15. Juni. („Patriotisch".) Ein oberbayerisches Zentrumsblatt gerät außer sich bei dem Gedanken, daß der bayerische Ministerpräsi dent sich auf den Standpunkt stellen könne, im Bundesrat soweit wie möglich der Politik der Prä sidialmacht Preußen sich anzuschließcn. Bekanntlich hat Freiherr v. Podewils einen derartigen, jedes „patriotische" Herz mit Entsetzen erfüllenden Ausspruch gar nicht getan. Aber „der kluge Mann baut vor", und so belehrt derzn das oberbayerische Blatt das Münchener Ministerium folgendermaßen: Preußen würde, wenn es dieses Zusammengehens (Preußens mit Bayern) ab solut (!) und für alle großen Fälle sicher wäre, erst recht übermütig werden und noch mehr, als cs schon der Fall ist, aufdrehen (!). Bayern würde auf diese Weise und durch die Anwendung eines solchen Prinzips dem Ein heitsstaate erst recht in den Sattel helfen. Bayern würde sich sogar des Fluches aller deutschen Bundesstaaten vergewissern, ja noch mehr, es würde sich sogar auch den Zorn des Auslandes aufladen, weil ja das Aus land das größte Interesse daran hat, daß das Deutsche Reich von heute kein Ein heitsstaat werde." — Unbefangener kann an die „patriotische" Partei in Bayern, daS Zentrum, nicht daS Ansinnen gestellt werden, als Agent de» Aus landes zu wirken. ES fehlt nur noch, daß daß Aus land unmittelbar zur Aufrechterhaltung de» föderativen EharakterS Deutschlands zu Hülfe gerufen wird. Im übrigen ist das Gerede von einem Hinarbetten Preußen» auf den Einheitsstaat ebenso Humbug, wie die Fabel von einem Interesse des Auslandes daran, daß der Bundes staat Drusches Reich nicht in einen Einheitsstaat ver wandelt werde. * Berlin, 15. Juni. Für di, Abänderung de« Ge setze« über die ärztlichen Ehrengerichte, da« Um lagerecht und die Kassen der Aerztekammern tritt der Ausschuß der vreußischen Aerztekammern eia. Er bat d«r ,Med. Ref." zufolge beschlossen, in einer Eingabe an die Regierung um eine Aeoderung der jetzigen Bestim mungen nach drei Richtungen bin nachzusuchea. Zunächst in Hinsicht auf die Kosten eines ebrengericht- licken Verfahren«. E» kommt vor, daß Anzeigen gegen Aerzte brim Ehrengerichte wider bessere« Wissen oder grob fahrlässig -«macht w«rd«a. S« soll d«m Ehr«ng«richte di« Möglich-
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