Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030617013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-17
- Monat1903-06
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis in der Hanptexpkditton oder deren Ausgabe stellen obgeliolt: vierteljährlich S.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Hcm- 8.7k. Durch die Post bezogen >ür Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich zt 4.öO, für di« übrigen Länder laut Zeitung-prei-liste. Nedaktion und Lrprdition: ^ohanniSgasse 8. Fernsprecher ld3 und SSL FMalev»rdttt»«rnr Alfred Hahn, Buchhandlg., Uaiversitätlstr.8, L. Lösch«, Xalharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 84. Fernsprecher Amt 1 Nr. 171». Hanpt-Filiale Serlin: Carl Ouncker, Herzgl. Bayr.Hvsbuchhandlg« Lützowstraße 10. Fernsprecher Au^ VI 4803. M orgen-Ansgabe. Htipriacr TagMalt D und Anzeiger. Amtsblatt des Aönigttchen Land- und des Äönigkichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Notizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem Redaktionsstrich l4grspalt»n) 7S vor den Famtliennach- rtchten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsa- entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannohm« LS L, (»xcl. Porto). Srtra Beilagen (gefalzt), a«7 mlt oer Morgen-Ausgabe, ohne Vostbesörderun, SO.—» mit Postbesörderung ^il 70^-» Ännahmeschluß flr Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« au di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen grossnet von früh 8 bis abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Pol« in Leipzig. Nr. 302 Mittwoch den 17. Juni 1903. 97. Jahrgang. Unsere j)sstabsnnenten bitten wir das Abonnement auf das IN. Vierteljahr im Interesse pünktlicher Weiterlicferung jetzt zu erneuern. Neu-Abonnenten machen wir daraus aus merksam, daß jedes Postamt sowohl Bestellungen auf Vierteljahrs-Abonnements zum Preise von Mk. 4.5V für das Vierteljahr wie auch Monats-Abonnements zum Preise von Mk. 1.5V für den einzelnen Monat entgegennimmt. Der Umsturz in Serbien. Der Obduktionsbefund der Leiche Alexanders deckt sich vollständig mit dem Protokoll, welches im Hotel Imperial in Wien in der zweiten Halste des Wahres l>9! nach dem Konsilium der Aerzte aufgesetzt worden ist, und zwar auf den Wunsch des Königs Milan, um den da maligen Gesundheitszustand des jungen Königs zu prüfen. Zu diesem Behufe weilte damals Alexander vom 1l>. bis 23. August in großer Begleitung in Wien. Gleichzeitig logierte Frau Draga Maschin im Hotel. Ein hervor ragender Professor von der Wiener Universität konsta tierte, daß die Ne rv e n z u ck u n g e n, an welchen Alexander gelitten, sein unsicherer G a n g und ähn liche neurasthenische Erscheinungen der Beginn einer Er krankung des Rückenmarks sei. Dem jungen Könige wurde die größte Schonung und ein möglichst langer Aufenthalt in einem Nlpenknrort verordnet. Milan erhielt eine Abschrift des Protokolls, welches die physische Anormalität seines regierenden Sohne» außer Zweifel stellte. Die wenigen nichtärztlicheu Mitwisser verpflichtete man zum Stillschweigen, dennoch sickerte etwas von dem Inhalte des Protokolls durch, und die Partei des jetzigen Königs K a r a g e o r g e w i t s ch ließ damals Flug schriften, in denen Alexander als für das Irrenhaus reis bezeichnet wurde, massenhaft in Belgrad verteilen. Das Pamphlet kündigte an, daß sich Serbien auf Furchtbares gefaßt machen müsse, denn ein gewalttätiger Wahnsinniger sitze auf dem Throne. DragaS schlimme Ahnungen. Nach dem Belgrader Blatte „Ltampa" hat ein dort be glaubigter Gesandter vor einigen Wochen mit der Königin Draga eine interessante U n t e r h a l t n n g gepflogen. In einer Privatandicnz klagte die Königin diesem Ge sandten, sic lebe seit ihrer Vermählung in steter Angst, habe nie Ruhe, stehe sorgenvoll auf und bange vor der Nacht, sich schlafen zu legen in der Gewärtigung schlimmer Ereignisse. Dem Gesandten fiel der große Ernst der Königin ans, die sich früher kaltblütiger über ihre Lage äußerte. Der Gesandte versuchte sie zu tröste» und ihre Furcht als übertrieben hinznstellen. „Ich übertreibe nicht", antwortete Draga, „alles kann ich gar nicht er zählen. Ich weiß, man haßt mich, deswegen lebe ich in beständiger Angst. Hätte ich gewußt, daß ich mich Tag und Nacht so ängstigen würde, ich glaube, nie hätte ich auf den Thron zu kommen gewünscht." Der Gesandte wandte ein, sie solle der großen Liebe und Aufmerksamkeit ihres Gemahls zu ihr eingedenk sein. Die Königin er widerte darauf: „Ihnen als unscrm Freunde darf ich wagen, cS cinzugesichcn: auch der König ist unbeliebt, doch haßt man mich mehr als ihn." Aus die Einrede, die Königin sehe zu schwarz, auch werde ja die Liebe des Königs zu ihr alles überwinden helfen, antwortete die Königin: „Nein, nein, Sic werden sehen, wie recht ich habe. Das Land ist mächtiger als wir beide zusammen." Der neue Minister des Auswärtigen, Kaljewitsch, be stätigte einem Korrespondenten des „Berl. Lok.-An-.", daß die unqebäudigtc Herrschsucht der Königin Draga die Ursache zu der gräßlichen Lösung des Konfliktes zwischen Krone und Armee gewesen sei. Die Offiziere, die an der von langer Hand cingeleiteten Verschwörung tcilnahmcn, hätten zunächst keine Bluttat beabsichtigt, sonder» nur den König zu einer Acnderung der Negie- rungsweisc oder schlimmstenfalls zur Abdankung veran- lassen wollen. Nun sei aber der Monarch von seiner Ge mahlin immer stärker gegen sein Volk aufgehetzt worden. Vor wenigen Monaten, als er fast bereit gewesen sei, dem Rate patriotischer Männer zu folgen und seine vielfachen Uebergrisfe wieder gnt zn machen, sei die Königin zu einer solchen Beratung hiuzngekvminen und habe dazwischen gerufen: „Nichts dergleichen darf geschehen. DieFauit mußt du demVolke zeige n." Der cingeschüchterte Gemahl habe ihr darauf sofort versichert, daß er ja noch gar nichts versprochen habe. Schon in allernächster Zeit habe die Königin die Thronfolge ihres gleich ihr verhaßten Bruders proklamieren wollen, nachdem die Skupschtina diesen Plan gebilligt hätte. Dieser Bruder selbst habe vor wenigen Wochen, als er angetrunken im Kreise seiner Kameraden weilte, sich dessen gerühmt, und als Zweifel an dem Gelingen solcher Pläne laut wurden, allerlei Details über den durchaus fertigen Plan auSgeplaudert, mit dem Zusatz, bald würden sich seine Kameraden, anstatt aus einer Flasche mit ihm zu trinken, tief vor ihm zu bengcn haben. Bon unserem Bukarester Korrespondenten, der sich so fort nach Belgrad begeben hat, erhalten wir noch folgendes Stimmungsbild: X. Belgrad, 14. Juni. Gestern fuhr ich an Semendria vorüber, das ich im August 1900 zum letzten Male ge sehen. Damals prangte der Ort in Flaggen- und Guir- landenschmuck und nach dem unweit von ihm gelegenen Weingarten des Königs Alexander von Serbien führte eine herrliche via triumphalis. Der jugendliche König hatte soeben seinen Einzug gehalten und sich mit der ihm wenige Tage vorher angetrauten Gemahlin Draga nach den: Weingarten begeben, um iu der inmitten desselben idyllisch gelegenen Billa die Flitterwochen zn verleben. Ich sah das Königspaar dort und hatte die Ebrc, von ihm zu Tische gezogen zn werden. Er, noch etwas nervös und unruhig infolge der Aufregungen, die ihm die Durch führung seines Heiratsplanes verursacht hatte, sie, hin gebungsvoll, heiter, ausmunternd, daS Bild der Zufrieden heit und glückverheißenden Zukunft! Heute liegt Semendria ohne FesteSschmuck da, und die jenigen, denen derselbe damals galt, sind heute blutige, zerfetzte Leichen. Welch' ein jäher Wechsel des Glückes! Die Gerüchte, welche an dem Donauufer von Ru mäniens Grenze bis zur Savemündung entlang über die Vorgänge in Belgrad verbreitet waren, zeugten viel von menschlicher Phantasie. Belgrad sollte an allen vier Ecken angezündct, die dem hingemordcten König treu ge bliebene Garnison Nisch im Anzuge gegen Belgrad be griffen sein, daö sich zum Kampfe rüste, und noch heute früh sollten 16 Personen an am Uufer der Save errichteten Galgen aufgchängt sein. Als wir unS abends 9 Uhr mit dem Schiffe Belgrad näherten, lag dasselbe aber ebenso ruhig und still da wie sonst, und die zahlreichen Lichter der Stadt blickten in alter Herrlichkeit zu uns Herliber. In der Tat deutet nichts im Aeußeren der Stadt an, welch' ein furchtbares Drama sich soeben in ihren Manern abgespielt hat. Das Leben ist bas alltägliche, nur in den Kaffeehäusern uns Restaurants geht es etwas lebhafter zu und zahlreiche Kavallerie- und Infanteriepatronillen durchziehen die Stadt. Die öffentlichen Gebäude sind vom Militär besetzt und vor dein Konak steht eine Kompagnie Soldaten, die heute früh aber auch zurückgezogen wurde. Bon Trauer ist nirgends etwas zu erblicken. Zahl reich sind die Fahnen, welche in den Straßen wehen, und eher könnte man von einer festlichen Stimmung reden, welche in der Bevölkerung herrscht. AuS dem Innern des Landes kommende Reisende versichern, baß cs daselbst ebenso wäre. ES zeigt sich, daß daS Regiment Alexanders schon seit langem aus recht schwachen Füßen gestanden hat und daß man schon längst in weiten Kreisen der Bevölke rung den Wunsch hegte, eine Acnderung der Regierungs gewalt cintrctcn zu sehen. Daß letzteres nunmehr ge schehen, wird von den meisten als Befreiung von einem Albdruck empfunden. Vielfach wird ja wohl der König bemitleidet, aber nur wegen seiner Jugend. Mau ver urteilt einstimmig seine schwankende Regicrungsweise, die Art, wie er Personen und Parteien verbrauchte und von sich abstieß, und vor allem hatte er sich durch seine Heirat in den Augen aller anständigen Menschen entwürdigt. Man empfand eS als eine Schmach für Serbien, eine Draga als Königin zu besitzen. Schon längst hatte man deshalb einen schlimmen Ausgang erwartet, wenn freilich auch nicht in der Schrecklichkeit, mit welcher er sich jetzt voll zogen hat. Mit Dragak Schicksal empfindet niemand Mit leid. Sie galt als der böse Geist des Königs und die Geißel deS Landes. Auch der Tod ihrer beiden Brüder wird als eine gerechte Vergeltung hingcnommen, denn dieselben haben durch ihre Arroganz alles getan, nm sich unbeliebt zn machen, während sie doch nach Popularität hätten trachten sollen, da der Plan von Draga mit Zähigkeit verfolgt wurde, den einen, Nicodcm, znm Thron folger proklamieren zu lassen. In der durch die letzte Verfassungsänderung nach des Königs Wunsch zusammen gesetzten Sknptschina wäre dieser Plan auch durchgesetzk worden, und dies, sowie der Umstand, daß Serbien für einen Krieg nicht gerüstet ist, obgleich ein solcher bei den gegenwärtigen Balkanwirren doch nicht zu den Unmög lichkeiten gehört, gab die Veranlassung, die Tat jetzt aus- zufülircn. Tie Verschwörung bestand schon seit langem. Die Un zufriedenheit im Offizierkorps datiert von des Königs Hochzeit her. Laut wurde gegen dieselbe gewettert, und als der König davon erfuhr, versammelte er die Offiziere der Garnison, sowie die Hörer der Kriegsschule um sich, um ihnen zu sagen, daß sie seinen Willen zu respektieren hätten, und daß er Ungehorsam bestrafen würde. Durch die Günstlingswirtschaft DragaS empfing bann die Un zufriedenheit immer neue Nahrung. Der Plan zur Ermordung des Königs ging von den örern der Kriegsschule aus. Man entschloß sich für den od, da eine Abdankung nur zu Parteiungen geführt hätte. Starb der letzte Obrenowttsch, so besaß Serbien nur noch eine Dynastcnfamilie, die Karageorgewitsche, und die Situation wurde vereinfacht. Deutsches Reich. Leipzig, 16. Juni. Aus protestantischen Kreisen ist bekanntlich anläßlich der Kronprinzessin- Affäre wiederholt an den katholischen König Georg die Aufforderung gerichtet worden, das Königshaus wieder dem Protestantismus zuzuf röhren. Tas „Leipz. Tagebl." hat dieses Ansinnen bereits als un evangelisch gekennzeichnet und zurückgcwiesen; dasselbe tut nun auch das „N c u e s ä ch s i s ch c K i r ch e n b l a t t", daö im Kampfe gegen den Ultramontanismus in erster Linie steht und deshalb vor jedem Verdachte ge schützt ist, aus persönlichen Rücksichten protestantische Interessen zu vernachlässigen. Eine solche Anforderung, schreibt dieses Blatt, kann nicht aus gesunden evan gelischen Anschauungen hervorgehen, das liegt auf der Hand. Wir Protestanten vertreten die Gewissens freiheit, und wenn eine Familie in der Hütte oder im Königsschlosse in religiöser Hingebung an ihrer Kirche hängt, so achten und ehren wir sie deshalb und stellen ihr keinerlei Hindernisse in den Weg, wie ja die Katholiken Sachsens aus eigener Erfahrung ganz genau wissen. Wir überlassen es gewissen Katholiken, ihre Unter- tanentrcue von dem Bekenntnis der Fürsten abhängig zu machen, und können niemandem, auch keinem Kürstenhause, einen Bekenntnis wechsel zumuten, der nicht aus inner st er lieber- zeugung erfolgte, der also nach evangelischen Grund sätzen wertlos wäre. DaS bedarf natürlich keines Be weises, baß bas sächsische Volk seinem Herrscherhause mit der innigsten Freude zujubeln und ihm dankbar und doppelt verbunden sein würde, wenn es zu dem evan gelischen Glauben seiner Bäter zurückkchrte, aber eine Forderung nach dieser Richtung stellen zu wollen, daS verbietet uns schon und in erster Linie unser Gewissen. --- Berlin, 16. Juni. sParlamentartsche KrttikundgeistltcheZentrumSagitatoren.) Die süddeutsche Zentrumspresse druckt mit Hellem Ver- gnügen einen langen Artikel ab, den die „S ü d d e u t s ch e NetchSkorresponbenz" aus Stuttgart über das Thema „Bischof und Abgeordnetenkam- m e r" erhalten hat. Die Genugtuung der klerikalen Or gane Württembergs und Baden? ist vollkommen begreif lich; denn jener Artikel der „Süddeutschen ReichSkorre- spondenz" hätte ebenso gut von einer Korrespondenz für die ZentrumSprefse veröffentlicht werden können. Läuft doch die Darlegung des genannten Karlsruher Organs darauf hinaus, daß ein geistlicher Zentrums- agitatoraußerhalbderparlamentarischen Feuilleton. Theodor Lörner. Zur Erinnerung an den 17. Juni 1818. Bei Kitzen wurde die vützowsche schwarze Schar trotz des Waffenstillstandes von einer bedeutenden Ncbermacht um ringt und bedroht. Körner wurde als Adjutant abge schickt, um eine Erklärung zu verlangen. Aber statt aller Antwort hieb der feindliche Anführer auf ihn ein. Der erste Hieb, den Körner nicht parieren konnte, da er zufolge seines Auftrages sich dem feindlichen Anführer genähert hatte, ohne den Säbel zu ziehen, hatte ihn schwer an der Stirn verwundet und zwei folgende Hiebe hatten ihn am Halse verletzt. Körner sank, von drei Hieben zerfleischt, auf den Hals seines Pferdes, und nur dem Sprunge deS Pferdes verdankte er sein Leben, sonst hätte ihn der vierte Hieb, der den Mantel traf, vollends getötet. Körner raffte sich wieder auf und sein tüchtiges Pferd brachte ihn glück lich in den nächsten Wald. Hier war er eben beschäftigt, mit Hülfe eines Kameraden sich die Wunden für den ersten Augenblick zu verbinden, als er einen Trupp verfolgender Feinde auf sich zureiten sah. Die Geistesgegenwart ver- ließ ihn nicht und er rief mit starker Stimme in den Wald hinein: Die vierte Eskadron soll vorrücken! Die Feinde stutzten, zogen sich zurück und ließen Körner Zeit, sich tiefer im Gcbölz zn verbergen. Es war dunkel geworden und Körner schleppte sich schwer verwundet mit Hülfe zweier treuer Kameraden bis in die Schönen, einem Ge hölze an der Elster bet Großzschocher. Hier mußten ihn seine Freunde verlaßen, da noch immer Franzosen den Wald durchstreiften und nach Lützowschen Jägern suchten. Seine Kameraden setzten Körner auf die moosbedeckten Wurzeln einer Eiche, wo sich der Held ausruhte. Sie selbst gingen nach dem Dorfe zu, nm Hülfe für ihren Freund zu holen. Von Seelen, und Körpcrschmerzen er- mattet, schlief Körner hier ein. In der Nähe des schönen Holzes wurde in jenen Tagen das Wehr im Elsterflnffc erneuert. Ilm da? teure Bauholz und die vielen Werkzeuge, die die Zimmerleute dabet brauchten, vor Diebstahl zu sichern, wachten zwei Arbeiter in einer Hütte, vor der ein Wachtfeuer brannte, auch während der Nacht. In der dunklen Nacht vom 17. zum 18. Juni 1818, vom Freitag zum Sonnabend, kamen die beiden Freunde Körners aus den Schönen auf die Wächter zu, die am Feuer saßen, und sagten: „Guten Abend; seid Ihr Patrioten?" „Das will ich meinen", erwiderte der eine Wächter, „wir sind auch lange Soldaten gewesen". „Gut, so geht in den Wald. Gleich an der ersten großen Eiche lehnt ein Offizier, der cs nicht lange mehr machen wird. Seht, ob Ihr ihm noch etwas helfen könnt, wir können nicht länger bet ihm bleiben." Mit diesen Worten ver. schwanden die Freunde Körners im Dunkel der Nacht. Die Wächter aber gingen hin und fanden bald einen zum Sterben verbluteten jungen Offizier. Es war Theodor Körner. Den schönen Fliegenschimmel, Körners treues Schlachtroß, das den Helden durch sein Wiehern leicht hätte verraten können, hatten die Kameraden mit sich genom men. Als sic später ins Dorf Großzschocher kamen, ver kaufte ihn einer der Ltttzower, der Geld zur Weiterreise brauchte, an den Pfarrer Ludwig Wilhelm Gottlob Schlosser. Dieser wollte gern daS schöne fromme Tier, das den heldenmütigen Dichter getragen und mit seinem Blute bespritzt war, zum Andenken behalten. Allein die Kriegs- not erlaubte ihm das Vergnügen eines Reitpferde- nicht und er mußte es wieder weiter verkaufen. Körner selbst lehnte an der Eiche und schlief. Sein Kopf war auf die Brust herabgcsunken, seine Stirn nur notdürftig ver bunden. Neben ihm lagen seine Pistolen. Seine linke Hand hielt das offene Tagebuch fest, auf dessen Blättern das mit Bleistift geschriebene Sonett stand: Abschied vom Leben. Als ich in der Nacht vom 17. znm 18. Juni 1818 schwer verwundet und HUlflos in einem Holze lag und zu sterben meinte. Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben. Ich fühl'S an meines Herzenö matterm Schlage. Hier steh ich an den Marken meiner Tage. Gott, wie du willst! Dir hab ich mich ergeben. Viel goldnc Bilder sah ich um mich schweben; Das schöne Traumbild wird zur Totenklagc. Mut, Mut, wa» ich so treu im Herzen trage, DaS muß ja doch dort ewig mit mir leben! Nnd waS ich hier als Heiligtum erkannte, Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte. Ob ich ? nun Freiheit, ob ich's Liebe nannte: AIS lichten Seraph sch ich's vor mir stehen; Nnd wie die Sinne langsam mir vergehen. Trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen. Die Landleute weckten «den Schlummernden auf, gaben sich UM als Freunde zu erkennen und versprachen, ihm Hülfe zu schaffen. Einer der Wächter blieb bei ihm. Der andere ging ins Dorf zum Schloßgärtner Häutzer, dem Aufseher des Baues, um zu fragen, ob er Rat wüßte. Da dieser gehört hatte, daß der gefundene Mann nur eine Flcischwunde au der Stirn habe, fo vermutete er richtig, daß Hunger und Durst ebenfoviel Anteil an seiner tödlichen Schwäche haben möchten, als der Blutverlust. In Er mangelung eigener Borräte ging er zum Pächter des Rittergutes, Schurig hieb der Ehrenmann, bekam von ihm zarte Nahrungsmittel und Wein und brachte das dem Kranken hinaus, wobei ein kleines Mädchen, die spätere Frau Johanna Rosine Haubenrettzer, half. Einige kleine Bissen, weiches in Wein getauchte- Brot, belebten den Verwundeten schon so weit, daß er mehr genießen konnte und sich bald stark genug fühlte, ins Dorf zu gehen. Mit Hülfe der beiden Wächter, die ihn unter beiden Armen unterstützten, wurde Theodor Körner ins Dorf zu dem Schloßgärtner Häußer geführt und in dessen linkem Ober stübchen verborgen gclialten. Ein geschickter Landwund arzt verband ihm hier seine Wunden, und der edle Schurig mar zu jeder Unterstützung bereit. Körners treuer Wächter war der Gärtner, dessen Frau den Hcldrnsänger pflegte. Diese erzählt darüber folgendes: „Er wehklagte sehr und war voller Blut und Schmutz, daß ich drei volle Tage habe waschen müssen, und dennoch aus seinem großen schwarzen Reitermantel das Blut nicht herau-gtng. Er war ein langer, grober, ernsthafter und freundlicher Herr und war gar standhaft, als der Kleinzschochersche Chirurg ihm seine Kopfwunde, die tief und gefährlich war, verband. Tr lieb dem Wechselsensal Kunze bet Peter Richtern in Leipzig sogleich Nachricht von sich geben. Dieser kam auf einem Elsterkabne und brachte ibn heimlich nach Leipzig; denn Leipzig war von den Franzosen besetzt. Sein Vater nnd seine Mutter waren nachmals bei mir und haben mir hier den silbernen Becher mit der Auf schrift: „Zur Ertnneruna an Theodor Körner — und seine Lieder: Lener und Schwert — geschenkt". Der treuen Vorsicht deS Gärtner- ist e- zu danken, daß Körner nicht entdeckt wurde. Wo Körner verborgen war, wurde ganz geheim gclmlten. Nur wenige im Dorfe wußten e». Be- suchen durste den Verwundeten fast niemand. Selbst brr Pfarrer Schlosser beschwerte sich später darüber, dab der Gärtner Körnern fast unzugänglich gemacht habe. Allein die- war nötig. Denn in Großzschocher war ein sranzv- fische- Kommando etnauartiert. Die Verbergung eines Lützowschen Jägers, die eifrig verfolgt wurden, war bet harter Strafe verboten. Und schon waren di« Franzosen dem Helden auf der Spur, den sie besonders gern haben wollten, da sie wußten, daß er die bedeutende Krieg-kasse der Llltzower bei sich hatte. In Leipzig ging sogar ein Ge rücht, dab Körner in Großzschocher verborgen gehalten würde. An Versprechungen und Drohungen liehen es die Franzosen nicht fehlen. Besonder» der Herzog von Padua bot alles auf, um den Helden zu finden. Aber es fand sich, dank der Klugheit des Gärtner», kein Verräter. Dem Bauerrichter und Zimmermetster Fleck, der Theodor Körners Bersteck wußte, bot der französische General die Hälfte de» Goldes. daS man bet Körner finden würde. Aber der edle Mann lieb sich nicht verführen, wie will kommen ihm auch geradc damals eine Handvoll Gold ge wesen fein würde. Am Nachmittag des 18. Juni hatte sich Körner» Zu stand schon so weit gebessert, daß er zwei Briefe schreiben konnte. Durch den einen suchte er seinen Vater zu be ruhigen. Der Sicherheit halber schrieb er ihn unter fremdem Namen. Er lautet: „Ohnfern Leipzig, am 18. Juni 1813. Euer Wohlgeboren nehme ich mir di« Freiheit, zu melden, daß, da Sie durch mancherlei Nachrichten über meinen Zustand in Besorgnis sein dürsten, ich Ihnen beteuern kann, tch sei gesund und noch mein eigner Herr. Ich denke, von hier, au» dieser Versicherungskasse meine» Ich», sogleich nach meinem zweiten Vaterlande, doch bis jetzt nur nach Karlsbad zu wandern. Ich bitte Euer Wohlgeboren, dieses meiner lieben Krau nach Wien zu melden, -a mir vielleicht die Gelegenheit dazu fehlen sollte. Lassen Sie sich also durch kein Gerücht schrecken, ich lebe jetzt bet vortrefflichen Leuten, die mir jeden Schmerz vergessen machen. Genehmigen Sie mit Ihrer ganzen Familie die Versicherung meiner aus- gezeichneten Hochachtung. Lorenz Juranitzsch." In dem andern Briefe ries er die Hülfe seines Freun de», des Direktors F Kunze in Leipzig, an. Eine Bauern- frau trug dieses Schreiben nach der Stadt. Verein mit dem Medtztnalrat Prof. vr. Wendler begann der Direktor F Kunze sogleich die Vorbereitungen zur Rettung. Obgleich diese höchst schwierig und gefährlich war, schreckte doch Körners Freunde keine Gefahr. Bor allem galt e», den kranken Sel-en in die Stadt zu bringen. Schon die» war schwer und gefahrbringend; denn der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite