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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030617027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-17
- Monat1903-06
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Tabellarischer und Ziffernsuy entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgea-AuSgabe, ohne Postbesörderuug «0.—, mit Postbesörderuug 70^-. 2innahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: StachmtttagS 4 Uhr. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abendS 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. Nr. 303. Mittwoch den 17. Juni 1903. 97. Jahrgang. Das neue Kegiment in Serbien. „Bon Gottes Gnaden". Der neue König von Serbien bezeichnet sich in seiner Antwort auf die Notifikation der Königswahl als König von Serbien „ausGottesGnaden und durch Volkes Willen". Peter Karageorgemitsch hat bei der Anwendung dieser Ausdrücke schwerlich sagen wollen, daß er neben dem Volkswillen di« Gnade Gottes als die Quelle seiner königlichen Würde ansieht. Vielmehr dürfte er die Wen dung „von Gottes Gnaden" lediglich formelhaft ge braucht haben. Das schließt indessen nicht aus, daß unter dem noch frischen Eindrücke der Belgrader Bluttat die Worte „von Gottes Gnaden" in der Kundgebung Peters mit Kopfschütteln werden gelesen werden. Manch einer dürfte geneigt sein, anzunchmen, daß es nur in der modernen, „glaubenslosen" Zeit möglich sei, nach Ereig nissen, wie die Belgrader, das Gottesgnadentum in einer feierlichen Proklamation heranzuziehen. Doch auch das fromme Mittelalter ist nicht anders verfahren. Auch in jener Zeit, wo der Ausdruck „von Gottes Gnaden" vor züglich in Uebung kam, haben Herrscher, die durch «ine Re volution zur Gewalt gelangten, jenen Ausdruck unbedenk lich angewandt. Das geschah z. B. nach dem Sturze der Merowinger Dynastie durch König Pipin im Jahre 751. Die damalige Revolution im frühen Mittelalter unter schied sich allerdings von der Belgrader des 20. Jahr hunderts u. a. dadurch, daß der entthronte König Childrich III. und sein Sohü Theoderich nicht hin - geschlachtet, sondern in ein Kloster verwiesen wurden. Die „Dorfzeitung" erwähnt, daß Peter Karageorge- witsch sich bereits an den bekannten „Gothaischcn Hoskalendcr" gewandt habe, um Aufnahme iu die Spalten dieses Jahr buches zu erlangen. Der Name der Gegendynastie Kara- gcorgewitsch ist nämlich bisher in diesem Kalender, selbst in der Hausgeschichte der ausschließlich aufgeführten Obre- uowitsche, mit Stillschweigen übergangen worden, und auch auf neuerdings gestellte direkte Anspruch« an den Hof. kokender durch den vormaligen Thronprätendenten ist dessen Aufnahme in Ermangelung eines urkundlichen Diploms über berechtigte Throuansprüche grundsätzlich verweigert worden. — Peter muß ja förmlich darauf ge brannt haben, unter die kronberechtigten und bekrönten Häupter eingereiht zu werden! Der Kaiser von Rußland hat, wie die „Schweizerische Depeschenagentur" meldet, au den neugewählten König von Serbien folgendes Telegramm gerichtet: „Ich erfahre, daß der Senat und die Skuptschina Sic mit Einstimmigkeit zum Könige ausgerufen Haden, und komme, Eurer Majestät die Wünsche auszudrücken, welche ich für die Wohlfahrt Ihrer Person und Ihres Vater landes hege. Möge Gott Ihnen zu Hülfe kommen in allem, was Sie für das Glück Ihres Volkes unternehmen werden. Nikolaus." Die Blättermeldung, Königin Natalie habe sich an den österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad, Dumba, mit dem Ansuchen gewendet, er möge die serbische Regierung umAusfolgung derLeiche des Königs Alexander bitten, ist unrichtig. Weder von der Königin Natalie , noch von sonst jemandem ist an Dumba ein derartiges Ansuchen gestellt worden. Ebenso unrichtig ist die Meldung, daß Dumba dem Mi nisterpräsidenten Awakumowttsch einen Besuch abgestattet habe. * Bukarest, 16. Juni. Der König hat, wie die „Jnde- pendance Roumaine" meldet, vor einigen Tagen auf den Titel des Inhabers des 6. serbischen In fanterieregiments verzichtet. politische Tagesschau. * Leipzig, l7. Juni. Tas Resultat der Reichstagswahlen ist in Sachsen für die nationalen Parteien ein geradezu erschreckendes. In keinem der 23 sächsischen Wahlkreise «st es gelungen, einen ordnungsparteilichen Kandidalen im ersten Wahlgange auf den Schild zu erbeben. Nur au fünf Stichwahlen wider den sozialistischen Gegner sind die Ordnungsparleien be teiligt und zwar in den Kreisen: Bautzen-Kamenz, Freiberg-Oederan, Oschatz-Wurzen, Borna-Pegau und Leipzig - Stadt. Als einigermaßen sicher sür den ordnungSpartcilichen Kandidaten kann man füglich nur den Bautzener Wahlkreis bezeichnen; in den übrigen stehl die Entscheidung auf des Messers Schneide. Reserven werden dir bürgerlichen Parteien nur in mini malem Umfange beranzubringen haben, denn die Wahlbetei- li-ung war diesmal eine außerorden'lich rege. Sie Hal in Sachsen im Durchschnitt 80 Prozent aller Wahlberechtigten beiragen, m Leipzig-Stadt sogar 82 Prozent. Es ist allo, wenn gerettet werden soll, was noch zu retten ist, bitter not, daß die bürgerlichen Wäbler in den sünf noch strittigen Kreisen über alles Trennende binwegschen und daß sie insbesondere alle persönliche Empfindlichkeit verbannen. Es ist in der Hitze des Wahlkampfe« hier und anderwärts manches Wort gefallen, das hätte vermieden werden sollen. Das alle« muß vergessen sein, wenn es gilt, für die vaterländische Sache einzutreten. Nur wenn die freigewordenen Stimmen, mögen sie auf liberale oder auf ZentrumSkanbldaien abgegeben worden sein, sich einmütig auf die nationalen Kandidaten vereinigen, ist eS möglich, bei der Stichwahl den Sozialdeniokiaten die letzten Fuß breit Boden, die den vaterländisch gesinnten Parteien in Sachsen noch geblieben sind, abzuringen. — Die aus den übrigen Teilen des Reiches einlrcffeuven Meldungen lassen e>n bestimmtes Urteil über die Zusammen setzung des neuen Reichstags noch nicht zu; dazu sind sie zu wenig vollständig und zuverlässig und lausen überdies zu ungeordnet ein, um ein sicheres Zählen zu ermöglichen. Schon jetzt aber ist es zweifellos, daß der Sozialdemo kratie mindestens das Dutzend neuer Mandate zugefallen ist oder in den Stichwahlen noch zusallen wird, mir dem die bürgerlichen Parteien sich schon vor der Wahl so ziemlich abgejunden hatten. Der „Vorwärts" überschreibt bereits triumphierend einen Siegesartikel: „Berlin die Hauptstadt der Sozialdemokratie! Deutschland das Reich der Sozialdemokratie!" und schließt ibn mit den, Satze: „ Unser das Reich — un ser die Welt!" Am meisten scheinen dem „Vorwärts" die 63000 sozialdcmokrati- schcnStimmen,umdienach seiuerVersicherungBerlinzugenommea hat, zu Kopse gestiegen zu sein. Aber auch die übrigen Mel dungen sind wohl geeignet, die „Genossen" mit den stolzesten Hoffnungen zu erfüllen. Unter den 278 Wahlresultaten, die wir bis letzt zählen konnten, sind nur 137 definitive; in 141 Fällen sind Stichwahlen nölig. Von jenen 137 Mandaten stno 51 der Sozialdemokratie zugefallcn, 45 dem Zen trum, 16 den Konservativen, 6 den Elsässern, 5 den Nationalliberalen, 4 der ReichSparlei, 3 den Wilden, fünf den Polen, 1 dem Bunde der Landwirthe und eines einem Dänen. An den 141 Stichwahlen sind beteiligt 102 Sozialdemokraten, 26 vom Zentrum, 29 Konservative, 1 El sässer, 51 Nationalliberale, 8 von der Reichepartei, 8 Wilde, 4 Polen» 5 Welfen, 4 vom Bunde der Landwirte, 20 von der Freisinnigen Volkspcrrtei, 11 von der Frei sinnigen Vereinigung, 7 von der deutschen Volkspartei und 6 Antisemiten. Wenn nun die noch ausstehenden Resultate oaS Bild nicht wesentlich ändern, so haben die Sozialdemokraten die meisten ihrer Erfolge auf Kosten der Lrnksliberalen erzielt. Eine wesentliche Ein buße haben bis jetzt auch die Natronalliberalen zu verzeichnen, die wohl kaum m der alten Stärke in den neuen Reichstag einzichen werden. Auch der Bund der Land wirte hat nicht gut abgeschnitten; er dürfte zu spät zu der Einsicht kommen, baß der alte Reichstag der für die landwirt- ichajllichen Forderungen empfänglichste und enlgegenkommenste gewesen ist. Am meisten dürste außer der Sozialvemolralie das Zentrum Ursache zur Zufriedenheit haben. Wie es aber herrschende Partei bleiben und seinen Willen mit Hülfe der Sozialdemokraten durchsetzen soll, dürste ihm ebenjo unklar sein wie dem Herrn Reichskanzler, der sich viel leicht schon heute tagt, daß der neue Reicht tag schwerlich ein natürliches Ende finden werde. „Zum Rücktritt des Justizministers Schönstedt" überschreibt die „Tügl. Rundsch." folgende Auslassung: „Die bisher in der Presse lautgeworüenen Nachrichten über einen baldigen Rücktritt des Justiz ministers I)r. Schönstedt erhalten eine eigen- i-vtige Beleuchtung durch die uns von zuverlässiger Seite gemachte Mitteilung, daß dem Herrn Justiz minister selbst Rücktrtttsgedankenfern liegen, daß aber ultramontane Kreise ein gewisses Inter esse daran haben, diesen übrigens mit Sicherheit zu er wartenden Rücktritt bald vollzogen zu sehen, indem kein anderer als der Führer des Zentrums, Reichs gerichtsrat Dr. Spahn, der sich der beson deren Gunst des Reichskanzlers erfreut, Aus sicht haben soll, den freiwerdendcn Sessel einzunehmen. Tatsache ist jedenfalls, daß I)r. Spahn in letzter Zeit im Justizministerium mehrfach ein- und ausgegangen ist, zu nächst um seinen Einfluß bei der Besetzung höherer Ver waltungsstellen für Gesinnungsgenossen geltend zu machen." So ganz zuverlässig scheint uns die „Seite", die der „Tägl. Rundsch." diese Meldung zugehen läßt, denn doch nicht zu sein. Wenn man sich erinnert, aus welchen Gründen Spahn-Sohn nach Straßburg be rufen wurde, so hat man wohl ein Recht, wenigstens vorläufig die Berufung von Spahn-Vater nach Berlin zu bezweifeln. Sodann ist es noch sehr fraglich, ob Herr Reichsgerichtsrat vr. Spahn Verlangen danach trägt, der Nachfolger vr. Schönstedts zu werden. Er freut er sich der besonderen Gunst des Reichskanzlers, so kann er vielleicht als führendes Mitglied des Zentrums mehr durchsetzen, als ein an mancherlei Rücksichten ge bundener preußischer Minister. Uebrigens wollen wir keineswegs behaupten, daß unmöglich wäre, was wir für unwahrscheinlich halten. Gerade in Preußen sind ja Ueberraschungen an der Tagesordnung. Kabinettwechsel in Ungarn. Der soeben vom Schauplatze getretene ungarische Ministerpräsident v. Szell scheint bis zuletzt die Ansicht vertreten zu haben, man müsse durch Fortführung des passiven Widerstandes die Obstruktion zu ermüden suchen. Anfangs schien die Mehrheit der Regierungs partei diese Auffassung zu teilen, so lange sie nämlich hoffen konnte, daß dieser Taktik ein baldiger Erfolg be- schieden sei, daß die Oppositionsparteien sich rasch auf reiben und die Obstruktion in sich zusammenfallen würde, ehe cs nötig wäre, zu positiven Mitteln zu greifen. Man verhelte sich indes nicht, daß vor allem militär technische Momente die Frist, innerhalb deren die passive Politik Szells möglich war, sehr verkürzen müßten, ja diese Momente hätten mit Sicherheit schon früher den Zusammenbruch des passiven Widerstandes herbeigeführt, wenn Szell nicht in so hohem Maße das Vertrauen der Krone besessen hätte, die ihn bisher nicht gedrängt hatte. Angesichts des infolge des ex lex-Zustandes vollständigen Stockens der Rekrutenaushebung in Ungarn aber, die ja auch Oesterreich in Mitleidenschaft zieht, glaubte es die Krone offenbar nicht länger verantworten zu können, eine Politik zu unterstützen, die nur mit Hoff nungen, aber nicht mit irgendwelchen Bürgschaften für die Erfüllung derselben aufzuwarten vermochte. Herr von Szell selbst war seiner Sache nicht mehr sicher, in seiner eigenen Partei hatte sich eine starke Gruppe ge bildet, welche einem scharfen Eingreifen das Wort redete, und diese Gruppe gewann immer neue Anhänger, so daß Szell, als er am Sonnabend nach Wien reiste, von einflußreichen liberalen Führern eigentlich nur noch den Grafen Julius Andrassy auf feiner Seite wußte. Der mit der Neubildung deS Kabinetts betraute Traf Stephan TiSza vertritt die Auffassung, man dürfe sich nicht länger treiben lassen, sondern müsse zu einer aggressiven Taktik greifen und den Widerstand der Oppo sition durch eine Verschärfung der Hausordnung und andere Mittel, wenn es nicht anders gehe, durch Auf lösung des Abgeordnetenhauses brechen. 2. Wien, 17. Juni. Der „Neuen Freien Presse" wird aus Pest gemeldet: In Kreisen der liberalen Partei wird folgende M i n i st e r l i st e kolportiert: Präsidium und Inneres: Graf Tisza, Finanzen: Wekerle, eventuell v. Lukas, Handel: Hieronymi, Justiz: Hodossy, Ackerbau: Graf Emerich Szechenhi oder Graf Robert Zelenski Fejervary. Graf Julius Szechenhi und Cseh bleiben. Als Präsident des Abgeordnetenhauses wird Parczel genannt. Forderungen -es UltramontanismuS in Spanien. Auf direkte Aufforderung des Papstes hin will man jetzt in dem katholischen Spanien eine katholische Partei gründen, die den Zweck hat, die Inter essen der Religion, die sich gegenwärtig in einer furcht baren Gefahr befinden, zu verteidigen. Mit der Leitung dieser Partei ist der Kardinal-Erzbischof von Toledo, der oberste Kirchenherr Spaniens, beauftragt. Unter dem Vorsitze der Bischöfe sollen zunächst in allen Diözesen des Landes Ausschüsse gebildet werden, die Ferrilletsn. Mr. TrunneU. Seeroman von I. Hains. Nachdruck verboten. Da jeder Seemann ein Scheidenmesser trägt, so ver sprach das Handgemenge recht interessant zu werden, vorausgesetzt, daß die „Sovereign"-Leute entschlossen waren, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. England, ein Kerl, der stärker war, als zwei von uns zusammen, schien diese Absicht nicht zu hegen; er hatte überhaupt nicht halb so viel Feuer bei der Sache an den Tag gelegt, wie Journegan, Daniels und Andrews. Nachdem er einem unserer Matrosen, der ihm einen Messerstich beigebracht, mit einem eisernen! Koffeenagel den Schädel eingcschlagen hatte, zog er sich nach vorn zurück. Unser Tschips hielt sich wacker; er versetzte Andrews einen Stich in den Oberschenkel, und auch Dalton und Journegan hatten häßliche Wunden von seiner Klinge aufzuweisen. Er selber war, einige unbedeutende Schrammen abgerechnet, unverletzt geblieben, und so ge lang es ihm bald, mit Johnsons kräftigem Beistände, die englischen Seeleute in die Enge zu treiben, während Mr. Bell unablässig mit kreischender Stimme das Ge tümmel überschrie und Frieden zu stiften versuchte. Der sonderbare junge Mensch hatte seinen Freund Andrews mit katzenartigcr Gewandtheit und Energie so wirksam verteidigt, daß der Schurke sich wieder auf die Füße stellen und mit den andern zurückziehen konnte. Dem Matrosen Daniels, der mich angegriffen hatte, erging es schlimmer. Als ich nach minutenlangem Ringen im Begriff war, von meinem Messer Gebrauch zu machen, versetzte ihm jemand einen Schlag von hinten; er versäumte, sich zu decken, und so fuhr ihm meine Klinge mit solcher Gewalt in die Gurgel, daß die Spitze drei Zoll lang aus seinem Genick hervorstak. Damit war der Kampf beendet. Tschips kam heran, Andrews' Revolver in der Hand. „Verdammt schade, daß wir keine Patronen für das Ding haben", sagte er, noch keuchend von der Blutarbcit. „Könnten dem Scharfrichter sonst viel Mül)e ersparen. Nun wird's hier aussehcn, wie auf einem Schlachthofc, ehe wir mit der Brut fertig sind." „Meinetwegen", entgegnete ich. „Aber nur nicht zaudern. Ihr nehmt die Backbord-, ich die Steuerbord seite. Wir rennen alles nieder und machen ein Ende. He, Frank!" rief ich einem Matrosen zu, „leiht mir Euer Messer. Meins reicht sür dies Stück Arbeit nicht aus." „Und meins ist zerbrochen", antwortete der Mann. Da erhob Journegan seine Stimme. ,D«lt!" rief er uns zu. ,Halt! Laßt's genug sein! Wir machen nicht mehr mit!" Ich sah die fünf Kerle noch ganz außer Atem mit einander Rat halten. Am eifrigsten redete unser dritter Steuermann; ich hörte ihn piepsen» verstand jedoch kein Wort. „Ich denke, mir haben jetzt alle genug", nahm England, zu uns gewendet, das Wort. „Wir sind keine Piraten. Wir mußten uns doch wehren. Einer von euch da hat mir den Arm zerstochen, und da habe ich ihm eins auf den Kopf gegeben; totschlagen wollte ich ihn nicht, nur vorläufig außer Gefecht setzen, wie die Soldaten sagen." „Wollt ihr euch ergebens und eure Messer aus liefern'?" rief ich zurück. Andrews ließ ein Wutgegrunze hören und wollte eine heftige Antwort geben, der dritte Steuermann aber verhütete dies, indem er seinen linken Arm faßte. Der Meuchler war schwer verwundet, er konnte sich nur schwankend aufrecht erhalten, aber sein trotziger Sinn war ungebrochen. Er hatte mit seinem sechsschüssigen Revolver fünf Menschen getötet und würde auch mich auf seiner Liste gehabt haben, wenn das Taschenmesser nicht gewesen wäre, das ich auf des Zimmermanns Rat noch zu mir gesteckt hatte, ehe ich die Bootsfahrt mit Andrews antrat. Die Entschlossenheit und unerschütter liche Festigkeit dieses Unholds waren bewunderungs würdig. Kein Schuß war fehlgegangen; wären seine zaudernden Genossen ihm früher beigcsprungen, so daß er frisch laden konnte, dann wären wir alle, Mann für Mann, geliefert gewesen. Und dies mag auch wohl sein Plan gewesen sein. Da meine Frage unbeantwortet blieb, so wiederholte ich sie, und Tschips fügte hinzu, daß alle frei ausgehc» sollten, diejenigen ausgenommen, die Totschlag verübt hätten. Als die drüben noch immer zu keinem Entschluß kamen, rief ich von neuem: „Werft eure Messer von euch, oder mir fallen sofort wieder über euch her! Etwas anderes gibt's nicht, denn hier kann nur eine Partei die Oberhand haben und das Kommando führen!" „Warum geht ihr denn nicht in euer Boot und ver laßt das Schiff'?" antwortete Journegan. „Der Steward gibt euch Proviant, so viel ihr haben wollt, und wenn ihr nordwärts steuert, dann erreicht ihr bald festes Land. Hier auf dem „Sovereign" ist für uns und euch kein Raum, selbst wenn wir uns ergeben wollten/, wovon natürlich keine Rede sein kann." „Journegan hat recht", sagte Jenks. „Wozu soll noch mehr Blut vergossen werden? Seid vernünftig und macht, daß ihr von Bord kommt. Tommy", hier wendete er sich an einen der auf unserer Seite stehenden Leute, „Tommy, du kennst mich. Ich möchte mich nicht gern an dir vergreifen, aber du kennst mich. Was wollt ihr Jungens denn gegen einen so alten Marinemann aus richten, wie ich bin? Gegen einen, der unzählige Male bis an den Bauch in Feindesblut gewatet hat? Seid nicht unklug, Jungens!" - Der Matrose Tommy sah mich an. „Was meinen Sie, Steuermann?" sagte er. „Ich denke, der Rat ist gut. Treiben wir sie zum äußersten, dann ist's noch sehr ungewiß, wie die Sache abläust. Der England nimmt's mit dreien von uns auf; ich für meine Person möchte ihm nicht in die Fäuste geraten. Und wir haben ja doch ein Boot." „Ach was!" brummte Tschips unwirsch. „Wollen sie sich nicht ergeben, dann schmeißen wir sie über Bord!" Ich überlegte. In der Kajüte befand sich die Tochter des Kapitäns. Die Aermste war vielleicht jetzt schon vor Furcht und Entsetzen halbtot. Wenn das Geschick sich gegen uns wendete — waS ich keineswegs für unmöglich hielt, wenn ich die Stärke der Parteien gegen einander abwog —, dann mußte ihr Los ein schreckliches sein, schlimmer als der Tod. Wir standen jetzt sieben gegen sechs; zwar war Andrews nicht mehr zu rechnen, die übrigen aber desto mehr. Hatten sie erst einen Vorteil über uns errungen, dann waren wir verloren, denn jene Kerle schreckten vor nichts zurück. Ich fühlte mich bereits recht erschöpft, und das war auch wohl der Grund dafür, daß ich nach kurzem Nachdenken ebenfalls den Ausweg, ins Boot zu gehen, für den besten hielt. Ich hatte große Mühe, Tschips zu derselben Ansicht zu bekehren und ihm klar zu machen, daß auf die jungen Burschen auf unserer Seite nur wenig Verlaß wäre, wenn cs zum VcrzwcifluiigSkampfe käme, und daß auch er selber nur wenig Aussicht hätte, wenn er's mit Eng land zu tun bekäme. Journegan sowohl, wie auch Jenks und Dalton waren äußerst kräftige Gesellen, dazu hatten sie bessere Messer, als wir, da sie sich anscheinend schon lange vorher auf diese Auseinandersetzung mit uns vor bereitet hatten. Die Engländer mochten aus unserem Verhalten be reits erkannt haben, daß wir ihrem Vorschläge zu stimmten, denn noch ehe ich meinen Entschluß kundgetan, erhob Mr. Bell seine Weiberstimme. „Dalton wird das Boot verproviantieren", rief er, „und dann könnt ihr euch davonmachen." Der Steward bestätigte dies und forderte uns auf, zu bleiben, wo wir waren, während er die nötigen Vor räte an Nahrungsmitteln und Wasser ins Boot schaffte. „Gut", antwortete ich. „Beeilt euch." Einige meiner Leute setzten sich auf den Rand des Oberlichtfensters, die anderen lagerten sich, wo sie Platz fanden, während unsere Gegner es sich am Stumpf des Besanmastes bequem machten. Dalton verließ das Quarterdeck und begab sich durch den vorderen Eingang in die Kajüte, ich aber, mit Tschips und Johnson, machte mich auf, nach unseren Toten zu sehen. Jim lag, wo er gefallen war. Wir bemerkten kein Lebenszeichen mehr an ihm. Tschips hatte seinen Kopf ein wenig aufgehoben; als er ihn sacht wieder nieder legte, stieß er eine grimmige Verwünschung gegen den Mörder zwischen den Zähnen hervor. Hans atmete noch leise, aber es ging schnell mit ihm zu Ende. Wir flößten ihm etwas Braüdy ein, jedoch ohne Erfolg; nach wenigen Minuten mar auch er eine Leiche. Philippis Augen waren starr gen Himmel ge richtet; seine braune Hand umkrampfte noch das Messer, und weiß schimmerten seine Zähne unter dem dunklen Schnurrbart hervor. Der andere Matrose mar ebenfalls tot; mährend ich ihn betrachtete, hörte ich hinter mir ein unterdrücktes Schluchzen. Ich drehte mich schnell um und sah eine schlanke weiße Gestalt über Kcppen SackcttS Leichnam gebeugt. Im Osten war der Mond ausgegangen und goß eine lange Gaffe flüssigen Silbers über den dunklen, ruhigen Ozean. Sein bleicher Schein streifte auch Fräulein Sacketts Antlitz, die das Haupt ihres toten Vaters i« Schoße hielt und es mit ihren Tränen benetzte. lJortsetzung folgt.)
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