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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030620011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-20
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Anzeigen-Prei- dte 6 gespaltene Petitzeile LS «8^ Reklame» uuwr da«NedatttenSstRch 14 gespülte») 7b vor de» Familie»aach. richte» (S gespalten) SO Dabellarischer und Zissrrulas entsprrchead höher. — Bebüdreu nir Nachweisungen »nd Ossertemumayme LS H («xcl. Porto). Extra ivetlagen (gesalzt^ »«« mit »er Morgru-Auöaab«. ohne Postbesörderun, 80^—, mit Postbesördermtg ^l 7v^—> Äuaahmrschluß für Änzri-eu: Abaud-Anögaber vormittag-10 Uhr. Mor-en-Kn-gaber Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind stet» au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geäfsuet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Drillt und Verlag von L. Pol» in Lotpzi». Nr. 3V8. Sonnabend den 20. Juni 1903. 87. Jahrgang. Das Neserve-Offirierkorps in Frankreich. V. IV. Man ist sich in Frankreich schon längst klar bar» über geworben, bah im Kriegsfall nicht nur eine schlag fertige Armee in erster Linie unbedingtes Erfordernis für die Voraussetzung eines siegreichen Ausganges ist, sondern daß ebenso tüchtige Reservetruppen zu dem Be stände eines vollwertigen Feldheeres gehören. Diese richtige Erkenntnis hat aber bei der Landarmce ebenso wenig, wie für ähnliche Verhältnisse bei der Marine, zu praktischen Maßnahmen geführt, da mit ihr die verfüg baren Mittel -eS Landes in Bezug auf die Bevölkerungs zahlen und -en durch diese sicher zu stellenden Ersatz nicht gleichen Schritt halten. Man steht daher vor der Tatsache, daß in diesem Jahre die Präsenzstärke der französischen Armee nur 586 278 Mann ausmacht und damit um 68 217 Mann geringer sein wird, als sie nach dem Cavre-Gesetz von 187S festgesetzt worden war. Hieraus ergibt sich, daß das französische Friedcnsheer, einschließlich der ihm jetzt an gehörenden Marinetruppen, nach dem Etat um öS 000 Mann hinter der deutschen Armee zurllckstcht. Um die vorhandenen Lücken zu decken und namentlich um den Bestand der Reservearmee für den Kriegsfall sicher- zustellcn, war der Vorschlag gemacht worden, das bis herige Soldatenmindestmaß von I,ö4 Meter fallen zu kaffen und mit demselben auf 1,52 ober sogar bis auf 1,50 Meter heruntcrzugehen. Aus Gründen der gleich mäßigen Ausbildung der Truppe und wegen der Schwierigkeiten, mit so kleinen Leuten die bisherige Länge des Exerzierschrittes bcibchaltcn zu können, hat man zwar von der beantragten Maßregel vorläufig noch Abstand genommen, jedoch gleichzeitig versprochen, die Einstellung von Leuten unter dem bisherigen Militärmaß für die Festungskompagnicn im Auge zu behalten, falls unter den bisherigen Bedingungen der Kriegsbedarf der aktiven und -er Reservearmee nicht mehr erreicht werden könne. Aber nicht nur der Mangel am Mannschaftsbestande erfüllt die maßgebenden französischen Militärkreisc mit Be sorgnis, sondern anch-erfchlendeOffizicrcrsatz, namentlich derjenige der Reserveoffiziere, bildet andauernd den Gegenstand ernster Bedenken und die Veranlassung sorg fältiger Beratungen und eingehender Erörterungen im Parlament und in der Presse. Das französische Volk und die aus ihm hervorgchende Armee stehen ja nach der Verfassung und der historischen Entwickelung auf ganz anderen Grundlagen, als in Deutschland. Trotz dem haben selbst einsichtige Männer der jüngeren Generation in Frankreich geglaubt, daß sich Teile unserer Hecrcsinstitution dorthin übertragen ließen, ohne deren fundamentalen Aufbau mit hinüber zunehmen, und daß Patriotismus, Opfersreubigkeit und Selbstlosigkeit in militärischen Dingen ohne Zusammen hang mit anderen unerläßlichen Faktoren und Bedin gungen des deutschen Heerwesens zu erreichen seien. Die Enttäuschung ist bet solchen Vorstellungen naturgemäß nicht ausgeblieben, denn die Regierung hat innerhalb Frnttletsn. Wie man Millionär wird. Es ist immer ein kitzelndes Gefühl, in die Werkstatt des Goldmachers zu schauen und da, wo man «dies nicht kann, wenigstens aus der Werkstatt erzählen zu hören. Gold will jeder gern haben, und es ist auch nicht allen vergönnt, welches zu machen; aber wie es gemacht wird, das will jeder gern wissen — er könnte ja auch einmal Lust dazu bekommen. Unsere Goldmacherräume sind keine großen Gewölbe, wie wir sie so oft in Büchern aus dem Mittel alter gezeichnet finden, und es hängen keine ausgcstopften Reptilien von der Decke herab, auch kein großer Amboß steht mitten in der Werkstatt des Meisters. Die Feuerstätte mit dem großen Blasebalg fehlt, es fehlen die Regale mit den Hunderten von Büchsen, in denen sich Elstrraugen, Krähenfüße, Auchslebern, Wolfshrrzen und tausenderlei Kräuter befanden. Totcnköpfe, Skelette und Meerkatzen gehören nicht mehr zum Inventar, und der Meister selbst geht nicht mit einer viereckigen Mütze auf dem Haupte, mit einem Pelz in der Hitze der Hundstage und mit großen, starken, eisenbeschlagenen Schuhen auf dem steinernen Fußboden einher. So finster und unwirtlich ist es nicht mehr. Eine freundliche große Stube mit mehr oder weniger Tischen, der Fußboden mit Teppichen belegt, einige bequeme Lehnstühle und einige Bilder an den Wänden, die den Besucher sofort aufklären, daß die Vor fahren des Inhabers nichts waren, baß das Geschäft zu Zeiten der Väter nur sehr klein war und daß nur allein der gegenwärtige Inhaber der Mann ist, der ... . das ist alles. Das ist die Werkstatt. Das Golümachen selbst, das zeigt er nun gerade nicht, allein wenn er recht gute Laune lmt, dann sagt er uns, wie er es gemacht hat, und gibt uns die besten Ratschläge, wie wir eS nachmachen sollen. Ob uns das freilich ge- lingt, bas ist eine andere Dache; denn es ist ein Haken dabei. Die alten Goldmacher waren zugleich Stern kundige, Astrologen und Alchimisten. Sie brauchten zum Gelingen ihrer Kochkunst die günstige Konstellation der Gestirne und außerdem auch «och geheimnisvolle Wort«. der letzten vier Jahre, zunächst bei der Marine, die Er fahrung gemach», daß die Zuverlässigkeit in ausreichendem Ersatz eines NescrveoffizierkorpS niemals durch die bloße Aussicht auf Erlangung des OffizierStitelS gewährleistet werden kann und daß wenn es so weiter gehen würde wie bisher — hatten sich doch in dem angegebenen Zeitraum von vier Jahren in Summa nur sechs junge Kapitäns der französischen Handelsmarine um den Reserveoffiziers« rang beworben —, mit den Jahren, und namentlich im Kriegsfälle, eine ernste Krisis für die Verwendbarkeit der starken Flotte etntreten müßte. Aber diese be denklichen Folgen eines unrichtigen Systems haben sich nicht nur bet der Marine, sondern in weit nachteiligerem Umfange bet der Armee geltend gemacht, wo nach den neuesten Berichten mehr als 6000 offene Stellen im Reserveoffizterkorps die Verwendung von Armeen zweiter Linie geradezu gefährlich machen würden. Um hier helfend undbcsscrnd etnzugreifcn, hat der Gene ral Andro der Kammer zunächst einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem er an die durch Artikel 23 deS Ge setzes vom 15. Juli 1880 von längerem als einjährigem Dienst befreiten jungen Leute appelliert und jährlich etwa 68 000 Mann zu einer besonderen militärischen Aus bildung und einer vier« bis fünfwöchigen UebungS- pcrivde in der Reserve einztehen will. Der Kriegs minister glaubt, dadurch jährlich etwa 1000 Reserve offiziere mehr zu erhalten und mit der Zeit die Fehler und Versehen auszugleichen, die Unachtsamkeit und mangelnde Einsicht schon lange geschaffen haben. In vielen Kreisen der Armee und im Lande teilt man die optimistischen Hoffnungen des Ministers nicht und meint, daß, wenn man dem ganzen Stande der Reserveoffiziere nicht wett höhere Vorteile etnräumc, als ihm bis her zugebilligt waren, die vorhandenen Lücken in der Armee nicht zu beseitigen seien. Daraufhin sind nun mehr die nächstbeteiligten Kreise mit bestimmten Forde rungen an den General Andrs herangetrcten und haben in erster Linie verlangt, Laß Len Reserveoffizieren das Tragen der Uniform bet mehreren besonders namhaft ge machten Gelegenheiten gestattet, daß ihnen ferner die Fahrten auf Eisenbahnen zum Militärtarif, d. h. zum vierten Teile des sonst üblichen Preises, zugebilligt, und daß ihnen schließlich EquipierungSgelder für den Fall eines Feldzuges bewilligt werden. Auf diese Weise werde der persönlichen Eitelkeit und den materiellen Interessen in hinreichendem Maße Genüge getan, so daß „der freimütigen Betätigung deS Patriotismus kein Hindernis mehr im Wege stehe". Außer denjenigen Männern, die die vorstehenden Forderungen ausgestellt haben, gibt eS aber viele, die zur Beseitigung der obwaltenden Mißstände die Neu organisation der Institution der Einjahrig- Freiwilligen als die vornehmste und not wendigste Aufgabe hinstellen und an die Zeit erinnern. " wo an die Ausbildung dieser jungen Leute die Erwartungen und Hoffnungen ge knüpft wurden, daß sie eine „unerschöpfliche Pflanz Ohne sie konnte kein Guß gelingen, ohne sie nützten Katzen. Pfoten, Hasenhirn, Schwerspat und Schwefelkies nichts. Wenn sie die richtigen Worte nicht wußten und wenn sie den richtigen Moment nicht abvaßten, war die ganze Mühe umsonst und sic hatten die Mittel umsonst in den großen Topf geworfen. Was da herauskam, das war kein Gold! Nur wenige hatten Glück, nur wenige kannten die Zu taten und erfanden irgend «inen Stoff, -er ihnen Gold oder Goldeswert etnbrachte, Porzellan u. a. Der Goldmacher gibt «S jetzt mehr wie früher, und sic, ivas der Unterschied ist, sind alle glücklich in ihrem Tun gewesen; denn bevor sie noch kein Geld gemacht haben, bevor sie noch keins besitzen, nennt man sie nicht Goldmacher. Also, wie gesagt, wenn uns so ein moderner Goldmacher von seiner Arbeit erzählt, wird er immer von sich erzählen, von seinen Helfern weniger, noch weniger von dem Einflüsse der Zeitläufte, die er geschickt benutzte und auSnutzte. So etwa» kann man auch nicht lehren. Es hat deshalb einen eigenen Reiz, wenn einer der erfolgreichsten Goldmacher aus feinem Innern heraus, geht und nicht nur zwischen Sekt und Kaffee bet dem Duste einer Havannah die Regeln seiner Goldmacherkunst ver rät, wenn er die Gründe, denen er feiner Meinung nach den Erfolg verdankt, öffentlich in kritisch veranlagter Ver sammlung darlegt. Do hat eS Carnegie in der Sitzung des Eisen- und DtahlinstitutS am 9. Mai in London getan. Man kennt auch in Deutschland die wtffenschaftlich- praktische Wichtigkeit und Vornehmheit dieser Gesellschaft, der «in Bessemer, Siemens, Thomas u. a. präsidierten, und als man Carnegie zum Präsidenten wählte, war e» sowohl für ihn al» für die Gesellschaft eine Ehre. Carnegie ver galt sie, indem er den gelehrten und praktischen Leuten, die um ihn herum zu seinen Fichen saßen, die Gründe auSeinandersetzte, denen er und seine Gesellschaft ihr Emporkommen, ihren Reichtum, ihre Macht verdanken. Er öffnete die Tür seines Laboratorium» und die Fenster sperrangelweit, so daß man in jeden Winkel hinetnsehen und es ihm nachmachen kann — wenn man eben kann. Nun, da» ist selbstverständlich nicht unsere Sache. Wir haben es hier nur mit Herrn Milliardär Carnegie und seinen Kunstregeln zu tun. Carnegie» Rezept ist ziemlich einfach, wen» man es liest, ob es indessen so einfach auS-uführen ist, da» ist «ine schule eines brauchbaren und tüchtigen Reserveoffizier korps" werden würden. Bemerkenswert ist, daß hierbei, wie bei dem Entwurf des vorerwähnten General Andröschen Gesetzes auf das glänzende Beispiel Deutsch, lands hingewiescn und mit dürren Worten ausgesprochen wird, die angestrebte vier- bis fünfwöchige Uebungsperiode in der Reserve werde nur dann die sehnlichst erhofften guten Resultate zeitigen können, wenn die vorangegangene einjährige Dtenstperiode nach deutschem Muster betrieben werbe. In diesem Falle, schreibt ein großes franzv. sisches Blatt, sei zu hoffen, daß „politische, soziale, finan zielle und andere, den Interessen der Landesverteidigung nicht nur fremde, sondern nachteilige Rücksichten nicht wieder den Erfolg unerläßlich und selbst dringend ge wordener Reformen gefährden würden". Man muß diesen Erfolg abwarten. Deutsches Reich. -»-Berlin, 19. Juni. (Das Zentrum in Ober schlesien.) DaS Zentrum muß den AuSgang der Wahlen in Obcrschlesien nut einem heiteren und einem nassen Auge betrachten. Mit einem beiteren Auge, denn eS wird diesmal voraussichtlich noch alle bisher von ihm innegehabten ober- schlesischen Mandate behaupten. Mit einem nassen Auge aber, weil die Gegner des offiziellen Zentrum« sehr erhebliche Stimmenzahlen aufgebracht haben, und zwar sowohl die deutschgesinnten Gegner, wie die Sozialdemo, kraten, wie endlich auch die Polen. In dem Wahlkreise Beuthen-Tarnowitz bat der dem offiziellen Zentrums kandidaten entgegengeslellle deutsche katholische Bewerber rund 8000 Stimmen erhalten, die ihm fast ausschließlich von Katholiken gegeben worden sein müssen, da der Waolkreis nur 8 Proz. evangelische Bevölkerung besitz». Verhältnismäßig noch blamabler für daS Zentrum ist der Ausgang der Wahl im Wahlkreise Oppeln. Dort war in letzter Stunde Graf Ballest rem gegen den wegen seiner offenkundigen polni schen Gesinnung für jeden deutschgesinnlen Mann unmög- lichen offiziellen Zentrumskandidaten Szmula ausgestellt worden und erhielt auch über 4000 Stimmen; der Humor der Sache ist, daß Gras Ballestrem in einem sehr deftigen, ja nahezu beleidigenden Briese sich gegen seine Ausstellung in Oppeln verwahrt batte. Bedeuten die 8000 Stimmen in Beuthen und die 4000 in Oppeln eine Rebellion deutsch gesinnter Katholiken gegen daS polonisierendc offizielle Zentrum, so bedeuten die auf radikal-polnische Kandidaten gefallenen Stimmen eine Rebellion gegen die Geistlichkeit. Daß der Erzbischof von BreSlau durch einen Hirtenbrief die katho lischen WählerOberschlestens von polnischen Wahlen abzuyalten suchte, ist bekannt, weniger bekannt aber dürfte sein, daß dieser Hirtenbrief noch durch direkte Briefe von Ort-geist lichen an ihnen bekannte rrudige Schäflein verschärft wurde. Bedenkt man nun, wie folgsam bisber da- oberschlesische Bolt immer gegen die Geistlichkeit gewesen ist, so will eS sehr viel sagen, wenn der polnische Kandidat in Kattowitz über 11 000 Stimmen erhielt und die Bewerber in Beuthen, Lublinitz und Pleß zwischen 6000 und 8000 Stimmen. Dazu kommen endlich noch die sozialistischen Stimmen mit über 9000 in Kattowitz und Uber 10 000 in Beuthen. Der ober schlesische ZentrumSturm ist also doch erheblich in» Wanken geraten und es dürfte kaum lange dauern, bi- der eine oder der ander« Stein herauSsallt. andcre Frage. Vor allem predigt er die Zuziehung junger oder wenigstens neuer Kräfte. Nehmt junge Genies als Teilhaber! ruft er aus, und nun erzählt er, wie er es ge- macht hat, und wie gut er und seine Gesellschaft bei dieser Maxime gefahren sind. Das „Teilhaber" ist nun nicht wört lich zu verstehen. Er will vor allem die jungen Leute am Ertrage des Geschäfts interessieren. Es soll jeder fürs Geschäft so wie in seine Tasche arbeiten. Er braucht nie- malS als freier Teilhaber Geld einzulegen, nein, er hat eS nur zu verdienen und dann wird daS Nichtentnrmnncne gutgeschrieben und der Teilhaber kauft sich dafür einen Anteilschein, «ine Aktie. So haben es viele gemacht und so sind viele reiche Leute aeworden. Man muß ihnen immer mit dem Nftllionär winken, es ist nicht nötig, daß sie e» sind, eS ist nur nötig, daß sie es «inmal werden können! Das ist die Geschäftsphilosophie Carnegies nach dieser Seite hin. Es ist ja kein Wunder, und solche Er fahrungen hat man auch in Deutschland gemacht, daß die am Geschäft interessierten Leute doppelt und dreifach mehr aufpassen und ihre Kräfte anspannen als die andern. Beinahe in jedem unserer bessern Manufakturdetail- geschiffte ist die Gewährung von Provisionen für die Ber- käufer Sitte und bewährt sich. Eins ist jedoch in Deutsch, land noch unbekannt, glücklicherweise oder leider? — das ist die Bezahlung, die nickt im Kontrakte steht, für frei willig geleistet« Arbeit. Carnegie verschmäht freiwillige Arbeit. Jede Arbeit muß bezahlt werden, jeder Hand griff wird mit Dollars und Cent» ausgewogen. Geld allein kann man forttragen und mit Geld allein kann man Ge- schäfte zu Ende führen. Uebrigens ist er auch manchmal auf Leute gestoßen, die von der Teilhaberschaft nichts wissen wollten. Er erzählt da eine kleine Geschichte. ES aalt in einem Betriebe der Fabrik ein« Verschmelzung mit einer andern Organi- sation durchzufllhren. Man brauchte dazu einen Mann, der gleich tüchtig als Kaufmann, wie als Ingenieur war. In einem Mr. Jones glaubte Carnegie di« geeignete Kraft gefunden zu haben. Er läßt ihn also zu sich kommen. Nun cntspinnt sich folgendes Gespräch: „Wieviel verdienen Sie jetzt am Tage bei uns, Mr. Jones?" „Acht Mark." „Das ist nicht viel. Viele ander« junge Kaufleute haben mehr al» Sie und legen zurück, um Teilhaber -eS Geschäfts zu werben. Haben Sie keine Lust dazu?". „Zum Verdtenen L. Berlin, 19. Juni. (DaS führende bayerische Zentrumsorgan für die Sozialdemokratie.) Die großen Erfolge der Sozialdemokraten bei der Hauptwahl lassen es als selbstverständlich erscheinen, daß die bürgerlichen Parteien sich bei den Stichwahlen gegenseitig unterstühen. DaS führende bayerische ZentrumSorgan rst dieser Ansicht nicht. Im Wahlkreise München I findet Stichwahl zwischen dem sozialdemokratischen und dem oationalliberalen Bewerber statt und der Sieg des letzteren ohne Hilfe de» Zentrum- ist naheru ausgeschlossen, da kaum abzusehen ist, wie weit der sozialistische Vorsprung von 4000 Stimmen wettgrmacht werden könnte. DaS führende bayerische Zentrvmsorgan fordert seine Gesinnungsgenossen schon jetzt auf, diese Hülfe ru versagen. Mit gesperrten Lettern schreibt e»: „Eine Unterstützung de- liberalen Kandidaten durch das Zentrum ist absolut ausgeschlossen." Grund: der nationallibrrale Bewerber hat sich in einer Wähler versammlung gegen dir Aufhebung de« ß 2 de» Jesuiten gesetzes ausgesprochen. Ja, nach dieser Maßgabe wär« eine gegenseitige Unterstützung der bürgerlichen Parteien überhaupt nicht möglich. Die Freisinnigen sprechen sich gegen jede Erhöhung der Getreidezolle aus, die Konservativen gegen zeve Herabsetzung von LebenSmittelzölleu, und trotzdem werden sich hoffentlich die beiden Parteien bei den Ätich- wahlen gegenseitig gegenüber der Sozialdemokratie unter stützen. Wenn die bürgerlichen Parteien sich aber ein poli tisches oder religiöses Glaubensbekenntnis abverlaoaen wollten, so würde die Sozialdemokratie auch bet de« Stichwahlen triumphieren. * Berlin, 19. Juni. Für die Stichwahlen richtet die „ K o ns. Korr." an ihre Gesinnungsgenossen lei gende Mahnung: „In zahlreichen Stichwahlen wird auch diesmal erst die endgültige Entscheidung über die Zusammensetzung des neuen Reichstages fallen. Leider haben die dringenden Mahnungen zu regerer Beteiligung an den Hauptwahlen nicht viel ge holfen. Zahlreiche Wähler sind auch diesmal der Urne fern geblieben und haben der Sozialdemokratie neue Siege ermög licht. Die sozialdemokratische Presse triumphiert ob dieser beschämenden Erfolge. Der „Vorwärts" erklärt bereit- Deutsch land als das Land der Sozialdemokratie. Die Stichwahlen sind darum diesmal von besonders hoher Bedeutung. Die vorliegenden Stimmenergebniffe zeigen, daß eS noch immer möglich ist, ein weiteres Anwachsen der Sozialdemokratie zu verhindern, wenn die bürgerlichen Parteien ein mütig Zusammenhalten. Um insonderheit den kon servativen Kandidaten, welche in der Stichwahl stehen, zum Siege zu verhelfen, darf kein Mittel unversucht bleiben, um noch einmal auf die Säumigen zu wirken, die am letzten Diens tag ihr Wahlrecht nicht ausgeübt haben. Im übrigen kann für unsere Partei die Stichwahlparole wiederum nur lauten: Unter allen Umständen gegen die Sozial demokratie. Es muß daher bei den Stichwahlen jede konservative Stimme aufgeboten werden, um darzu tun, daß die konservative Partei gewillt ist, die Sozialdemokratie mit allen Kräften zu bekämpfen. Als eine Partei, die auf christlichem und monarchischem Boden steht, muß gerade die konservative Partei alles, jeden Mann und jede Stimme, auf bieten, um den Sozialdemokraten, den Vertretern de» Anti christentums und der Republik, möglichst zahlreich Niederlagen zu bereiten. Wir treten nicht in die Schranken für diese oder jene Partei, sondern für unser Vaterland, für das Gemeinwohl, für die Monarchie! ES wird unseren Wählern in manchen Wahlkreisen starke Selbstver- ja, zur Teilhaberschaft nicht", sagte Mr. Jones. „WsU, Mr. Jones", meinte Carnegie, „ich kenne Li«, ich schätze Ihre Fähigkeiten, ich halte große Stücke auf Sie und ich vertraue Ihnen. Sehen Sie, wir müssen das und daS im Geschäft organisieren, so und so muh «s gemacht werden. Ich allein kann es nicht mehr. Ich werde Si« damit be auftragen. Natürlich bekommen Sie ein anderes Gehalt. Unter solchen Umständen ist eS gewiß geraten, wenn Sie bei uns als Teilhaber eintreten." Jones denkt eine Weile nach, dann fragt er: „Die sind fest entschlossen, mich mit der Arbeit zu betrauen?" ,^>a." . . . „Nun gut, Mr. Car negie, ich bin Ihnen sehr verbunden. Aber ich verstehe nur meine Sache. DaS, was ich tun soll, werde ich tun. Mit Tcilhaberforgen will ich jedoch meinen Kopf nicht be lasten. Meine Arbeit nimmt mich ganz tn Anspruch. Des halb will ich kein Teilhaber werden, aber ei« bomben mäßiges Gehalt müssen Sie mir zahlen." Carnegie lächelte, „das sollen Sie haben. Ich weude Ihnen soviel Gehalt geben, als der erste Beamte der Union erhält!" Jones war einverstanden und blieb mit demselben Ge halte in leitender Stellung bei Carnegie. Als freilich Car negies Gcschäftstcilhaber erfuhren, daß JoneS ein Präsi dentengehalt bekam, inachten sie sehr ßnrere Gesichter, sie haben indessen die Ausgabe nicht zu bereuen gehabt. Uebrigens wäre Jones nach Carnegies Rat besser ge fahren, als nach Ablehnung der Teilhaberschaft. Carnegies ganze Weisheit, Millionär zu werden, läuft darauf hinaus, junge Kräfte -eranzuziehen und sie zu interessierten Teilhabern zu machen. In seiner Rede Hat er die Frage nach allen Leiten hin beleuchtet. Da» Fischerboot, dessen Mannschaft festen Sold erhält, und jenes Boot, dessen Mannschaft allein auf den Ertrag des Fanges angewiesen ist — sind nicht zu vergleichen. Sie sind unvergleichbar gröber. Die Mannschaft de» erste, ren tut nur, was sie soll, die des zweiten alles wa- sie kann. Welches Fischerboot einen größeren Fang macht, daS liegt auf der Hand! Für seine Rede erntete Carnegie großen Beifall, wahr- scheinlich wird eS auch dabei bleiben. Es will -war jeder gern ein Carnegie dem Vermögen nach werden, aber daS Rezept Carnegies ist ihnen doch zu problematisch — die modernen Goldmacher wollen nämlich selbst beim Gold- machen keine Unkosten haben und alle» selbst y«r-ber»«rrj
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