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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030625026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-25
- Monat1903-06
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Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen lgesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung ^ll 60.—, mit Postbesärderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Mvrg ««-Ausgabe: NachmMag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von S. Pol» in Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. Juni. Die Wahlergebnisse im Königreich Sachsen geben der „Nat.-Lib. Korrefp.* Anlaß zu folgenden Betrach tungen: „Man hatte sich vielfach daran gewöhnt, gerade das König reich Sachsen als ein deutsches Land anzusehen, das bei den Reichs tagswahlen verhältnismäßig am besten der Sozialdemo, kraten sich erwehre. Diesmal ist das Gegenteil der Fall. Die Agitation, welche von einem Teil der sozialdemokra- tischen Fraktion im Reichstage getrieben worden ist in der Ab sicht, der Propaganda der Partei in dem genannten Einzelstaate zu dienen, Hal selbstverständlich nicht wenig dazu beigetragen, einen Erfolg der Genossen zu zeitigen, der bei den Stichwahlen voraus- sichtlich noch verstärkt werden wird. Zur Erklärung der Ver mehrung der Zahl dec sozialdemokratischen Stimmen in Sachsen müssen aber auch gerade in diesem Teile von Deutschland im Laufe der letzten Jahre, zu Tage getretene Mißstände heran gezogen werden. Wir lassen dir vielbesprochenen Vorgänge am Hose außer Betracht, obgleich auch diese nicht wenig beigetragen haben zur Verwirrung der Gemüter. Bor allem hat der Zu sammenbruch der Leipziger Bank in wirtschaftlicher Beziehung eine geradezu verwüstende Wirkung aus die wirtschaft lichen Verhältnisse Sachsens gehabt. Kein Erwerbsberuss- stand ist davon verschont geblieben. Um so mehr machte sich gellend, daß die sächsische Regierung iu finanz-poli tischer Hinsicht eine sehr wenig glückliche Hand zeigte. Die Erhöhung der Cioilliste und die Anziehung der Steuer schraube wirkten, nachdem Handel und Industrie, Gewerbe und Landwirtlchast durch die Bankkatastrvphe arg in Mitleiden schaft gezogen waren, erst recht verbitternd. Nicht in letzter Linie aber trifft auch die positiven Parteien viel Schuld an ihrem diesmaligen Wahlmißerfoig. Sie haben fünf wert volle Jahre verstreichen lassen, ohne zu den Wählern je in Fühlung zu treten oder mit ihnen in solcher zu bleiben, wie eS nötig gewesen wäre. Erst unmittelbar vor den Wahlen hat man sich auf seine Pflichten besonnen und auch dann ist die Arbeit weniger in dem Sinne hervor getreten wie früher; man stellte die Ziele nicht voran, bezüglich deren Einigkeit herrscht, sondern verfuhr in umgekehrter Richtung. Es sieht zu hoffen und darf erwartet werden, daß auch namentlich die liberalen Parteien in Sachsen aus ihren Niederlagen die entsprechende Lehre ziehen." Die „Naiional-Zlg." glaubt hierzu bemerken zu müssen, die einzige Lehre, welche die liberalen Parteien aus der Wahlerfabrung ziehen könnten, sei die völlige Wertlosigkeit und Verfehltbeit des Kartells. DaS ist die alte Leier, die von dieser Seite schon vor sünf und vor zehn Jabren er klungen ist. Und doch gehört gar nickt viel Ein bildungskraft dazu, um sich klar zu machen, daß der WablauSfall in Sachsen noch schlechter geworden sein würde, wenn das Kartell diesmal nickt geschlossen worden wäre und auck noch Konservative und Nationalliberale ein ander bekämpft hätten. Allerdings erachten auck wir eS für einen Fehler, daß das Kartell etwas zu weit ausgedehnt und auf Wahl kreise erstreckt worden ist, wo es nicht am Platze war. Davor wird man sich denn auch in Zukunft hüten. Ueberhaupt brauckt sich die „Nat.-Ztg." der Sorge nickt hinzugebcn, baß man in Sachsen nichts lernen möchte. Man wird die Ursachen des Mißerfolges genau untersuchen und ihnen abzubelfen bestrebt sein. Ob man sich aber dabei gerade der „Nat.-Ztg." als Lehrmeisterin bedient, halten wir doch für fraglich. Bürgerliche Wahlfaulheit un- sozialistischer Wahlerfolg. Als schlagendes Beispiel dafür, daß die Sozialdemo kratie ihre Erfolge vielfach nur der Wahlträgheit der bür gerlichen Wähler zu danken hat, führt die „Schles. Ztg." den Berlin benachbarten Wahlkreis Charlottenburg an, wo der Sozialdemokrat Zubeil mit rund 74000 Stimmen gewählt wurde und seine bürgerlichen Gegner zusammen 59000 Stimmen erhielten, während ungefähr 5V 00v Wähler ihr Wahlrecht nicht ausgeübt haben. Wenn das schlesische Blatt die Vermutung ausspricht, daß diese 50 000 Säumigen vorwiegend den bürgerlichen Parteien angehört haben, so wird uns -von einem in Charlotten burg ansässigen Freunde unseres Blattes diese Annahme vollauf bestätigt. „In dem an die Kurfürstenstraße an- grenzenden vornehmsten Stadtviertel Charlottenburgs" — so schreibt er uns — „war in fast allen Wahllokalen die Beteiligung an der Wahl eine recht flaue, im Gegensatz zu den Bezirken mit starker Arbeiterbevölkerung nach der Spree zu. Wir führen am Abende vor der Wahl mit einigen verabschiedeten Offizieren zusammen aus Berlin nach Charlottenburg zurück und einer der Herren tat die charakteristische Aeußcrung: „Ich gehe nicht erst wählen, Zu bei! kommt doch durch". Wenn solche Männer, denen es ihr Herkommen zur Pflicht machen müßte, ihr'e Stimmen gegen die Sozialdemokratie abzugeben, und denen es an Zeit zur Ausübung des Wahl rechts wahrlich nicht gebricht, den Weg zur Urne scheuen, so ist das das charakteristischste Beispiel für bas geringe Pflichtgefühl der bürgerlichen Kreise. Im 6. Berliner Wahlkreise war es übrigens nicht viel besser. Hier sind 79 000 sozialistische Stimmen abgegeben worden und 32 000 bürgerliche, während 54 000 Wähler ihre Pflicht nicht taten. Auch hier beweist die ungeheure, für den sozial demokratischen Bewerber abgegebene Stimmenzahl, daß unter den 54 000 Trägen sicherlich nur wenig Sozialdemo kraten gewesen sind. Es wäre zu allgemeinem Nutz und Frommen, wenn in solchen Wahlkreisen, in denen noto risch die bürgerliche Bevölkerung ihre Pflicht nicht getan hat, an der Hand der Wahllisten sestgestellt würde, welcher Prozentsatz von Angehörigen bestimmter Berufe (Kaufleute, höhere Beamte, verabschiedete Offiziere, Gelehrte und Künstler) der Wahlpflicht genügt bezw. nicht genügt hat. Dann würden sich vielleicht lehrreiche Schlüsse auf das Verhältnis ziehen lassen, in dem Bildung und jener politische Sinn, den schon der griechische Philosoph von dem Staatsbürger verlangte, zu einander stehen." — Welche unauslöschliche Schande für Leipzig, wenn heute abend nack dem Bekanntwerden des Stichwahlresul tates auch von ihm in die Welt hinausgeschricben werden müßte, was hier vom Charlottenburger und dem 6. Ber liner Wahlkreise gesagt wird! Ter Einzug PeterS I. in Belgrad. König Peter I. ist mit Jubel in der Haupstadt Serbiens empfangen worden. In seiner Begrüßungsansprache auf dem Babniofe führte Ministerpräsident Awakumowitsch aus, er begrüße den König als den Nachkommen des großen Kara- georg. Die einstimmig erfolgte Wahl des Königs beweise am besten die Gesinnung des Volkes. Das Volk hoffe, daß der Trägerder neuen Aera des nationalen Lebens den Weg der Freiheit und des Fortschritts betreten und daß diese Aera dem Volke eine glückliche Zukunft bringen werde. Redner sagte dann, er erackie es für das größte Glück, den König im Namen der Regierung und des Volkes begrüßen zu können, und schloß: »Willkommen in Eures Volkes Mitte, das Euch lrebi! Willkommen Herr! Zivio König Peter Karageorgewüsch!" Zn seiner Aniwort gab der König zunächst seiner Freude darüber Ausdruck, daß es ihm vergönnt sei, nach 45 Jabren den geheiligten (!) Boden des ibm teuren Vaterlande», wieder zu betreten. Gleichzeitig rege sich in seiner Seele der Tank, den er Golt schulde und das Bewußtsein der Pflichlen, die seiner als König harren. Der König sprach dann den Ministern seine Aner- keunuog dafür aus, daß sie ihre Pflichten dem Vatertande gegenüber erfüllt, wie die Interessen deS Landes eS «rsordert bäilen. Er sei glücklich, den Ministern auch bei dieser Gelegenheit seinen innigsten Dank und seine königliche Anerkennung zu erneuern. Auf die Ansprache, mit welcher Gemeinderat Pawlowitsch den König namens der Stadt vertretung begrüßte, sprach der König seinen Dank aus und erklärte, er werbe sein Augenmerk darauf richten, daß Belgrad die würdige Zentrale des Serbentums werde. — Als der Königin de, Kathedrale eintraf, wurde er am Tore der Kirche vom Metropoliten Znnocentius, der von den Bischöfen umgeben war, begrüßt. Der König schritt dann unter Vorantritt deS Metropoliten und der Biscköfe durch ein von Geistlichen gebildetes Spalier durch die Kirche zum Altar; hinter dem König folgten der Minister präsident und die übrigen Minister. Nach Erteilung deS Segens hielt der Metropolit eine Ansprache, iu welcher er sagte: „Alle», was sich auf Erden ereignet, ist nur durch den Willen Gottes möglich, so auch die Berufung des er habenen Geschlechts der Karageorgewitfch und die Berufung König Peters durch die Nation. Bitten wir den Allmächtigen, daß er das W-rken des erhabenen Königs Peter segne und un» König Peter viele, viele Jahre erhalte zum Wohle unserer Nation, damit daS serbische Volk neu gestärkt emporblühe." Nach einem Gebete für den König wurde diesem vom Metropoliten der Segen erteilt. Sodann schritt der König zum Altar, kniete vor demselben nieder und verrichtete eia kurzes Gebet. Hierauf küßte er das vom Metropoliten dargeb otene Kreuz, sprach zu ihm einige Worte und reichte ibm die Hand, worauf er sich vor der Geist lichkeit verneigte und dem AuSgange zuschritt. Beim Ver lassen der Kathedrale wurde der König wieder durch stürmische Zurufe begrüßt. Der Feierlichkeit in der Kathe drale wohnten außer den Ministern die Mitglieder deS Staalsrats, Vertreter der Beamtenschaft, zahlreiche Offiziere und andere bei. — Am Nachmittage machte der König mit dem Obersten Nasitsch eine Rundfahrt durch die Stadt. Der König wurde überall lebhaft begrüßt. * Belgrad, 24. Juni (Abends). Es herrscht Feststimmung, die Straßen sind stark belebt; vor dem Konak ist den ganzen Tag über großes Gedränge. Im Garten deS Konaks spielt eine Militärkapelle; auch auf den Plätzen der Stadt ist Musik, bei der getanzt wird. An den Häusern werden Vorbereitungen für die Illumination getroffen. — Auf seiner Spazierfahrt durch die Stadt wurde der König von dem Obersten Nasitsch begleitet, der Adjutant Alexanders vor dessen Verheiratung war. Die Aus fahrt des Königs, die ohne Eskorte erfolgte, machte auf die Be völkerung den besten Eindruck. — Die Stadt war abends festlich erleuchtet. Um 9'/, Uhr traf eia von Studenten und Landleute« gebildeter Fackelzug, de» eine Kavallerieabteilung eröffnete, vor dem Konak ein, wo lebhafte» Gedränge herrschte. Al» der Zug hielt, erschien der König, umgeben von den Ministern, auf dem Balkon, mit stürmischen Ziviorufen begrüßt. Nach dem mehrere Lieder vorgetragen waren, verlas der König eine Rede, in der er ausführte, er werde gemäß den Traditionen der Karageorgewitschs und gestützt auf seine 45jährigen, im Ans tande gesammelten Erfahrungen trachten, dem Volke zu geben, was esbenötige. Der König schloß mit einem Hoch auf dasferbischeVolk, Las mit begeisterten Ziviorufen erwidert wurde. Nachdem noch einige Lieder vorgetragen waren, zog sich der König Feuilleton. 221 Mr. Trunnell. Seeroman von I. Hains. Nachdruck verboten. Dreiundzwanzig st es Kapitel. Bei unserer Rückkehr hielt Trunnell das Teleskop so lange unverwandt auf uns gerichtet, bis wir dicht bei der Kreuzrüst waren. Er hatte ohne Zweifel gleich von An fang gesehen, daß wir den Skipper nicht bei uns hatten, schien sich aber damit durchaus nicht abfinden zu können und fuhr fort, durch den Tubus zu fchauen, als habe das Glas die Kraft, ihm den Abwesenden doch noch vor das > Auge zu bringen. Als wir anlangten, sah er über die Reeling; eine Reihe von Köpfen weiter vorn zeugte für die neugierige Er wartung, die auch unter der Mannschaft herrschte. Ford sprang in die Rüst und machte schweigend die Fangleine fest. Auch ich sagte kein Wort. „Haben Sie ihn nicht mitgebracht, Rolling?" fragte Trunnell. Ich war zu wütend, um auf eine solche Frage zu ant worten. Das leere Boot sagte doch genug für jeden ver nünftigen Menschen. . Tschips kam und blickte ins Boot hinab. „Hm", sagte er. „Also so. Der Gauner, der ver dammte. Wie kann die Brigg aber ohne Wind weglaufen? Hat sich etwa der Teufel davorgespannt?" „Sie hat eine Maschine an Bord und ist unter Dampf, ihr Dummköpfe!" rief ich erbost. Es mar klar, daß selbst Trunnell nicht wußte, was den „Shark" vorwärtsbewegte, obgleich jetzt der Rauch in dicken Wolken aus ihrem Groß mast quoll. Trunnell kratzte sich den buschigen Kopf und schien tief zu grübeln. Dann ging er stumm achteraus; Tschips und ich folgten ihm. In der Kajüte saßen Frau Sackett und ihre Tochter. „Wo ist der Kapitän?" fragten beide wie aus einem Munde. „Er wollte sich verändern und hat die Schiffe ge wechselt", sagte Tschivs. „Und hat dabei etwas zurückgelassen, was er gern mit genommen hätte", fügte ich hinzu. „Aber weswegen denn?" fragten Mutter und Tochter ganz erstaunt. Tschips und ich wollten ihnen Aufklärung geben, kamen damit aber nicht recht vom Fleck; soviel machten wir ihnen jedoch verständlich, daß der Kerl ein flüchtiger Einbrecher sei und seinen Koffer zurückgclaffen habe, der ein solches Gewicht besäße, daß Tschips ihn nicht aufzuhebcn ver möchte. „Ich wußte es ja gleich, daß er kein Schifsskapitän sein konnte!" rief Jennn. „Wie konnten Sie sich von ihm nur so zu Narren machen lassen!" Wir sahen den Obersteuermann an; der aber kratzte sich nur -en Kopf. ,-Disziplin ist Disziplin", sagte er dann. „Er war hier der Skipper, da hatten wir zu gehorchen. Ja, Rolling, und Ihr, Tschips — Disziplin ist Disziplin, und je eher ihr euch das einprägt, desto besser ist es." „Jetzt ist er aber nicht mehr hier der Skipper", ent gegnete ich. „Hm, das weiß ich nicht", erwiderte er. „Kommt er wieder an Bord, dann ist er auch wieder Skipper. Das ist aber nicht hin und nicht her. Vielleicht dauert's gar nicht lange, dann ist er wieder da und verlangt zu wissen, warum mir nicht mit dem Mittagessen auf ihn warteten." „Dann würde er ganz sicher auch seinen Koffer mit nehmen", bemerkte Gunning mit weiser Miene. Krau Sackett sah den Steward fragend an. „Ja, Madam", nickte dieser wichtig. „Auf -en Koffer hat er große Stücke gehalten. Selbst wenn er schlief, sah er innncr mit einem Auge danach hin und hielt dabei den Revolver in der Hand. Einmal hat er mich beinahe tot geschossen; ich kam nämlich unerwartet herein, als er gerade den Koffer ausgemacht hatte und mit allerlei Werk zeug darin herumhantierte." „Dann kommen Sie doch!" rief Frau Sackett. „Lassen Sie uns den Koffer doch untersuchen!" „Der Meinung bin ich auch", sagte Tschips. „Es ist lauter gediegenes Gold, was er darin verstaut hat. Das Ding ist so schwer, wie die Großraa." Frau Sackett lief eilig nach des Skippers Kammer, und Trunnell erhob keinen Widerspruch. Die Dame öffnete die Tür und wir alle traten «in. Der Koffer stand vor uns. „Versuchen Sie mal Ihre Kraft und heben Sie das Ding an", sagte Tschips zu mir. Ich faßte die Handgriffe und riß mit aller Gewalt. Vergebens. Der Koffer stand wie angewurzelt. „Da ist lauter Gold drin, lauter schweres, massives Gold", bemerkte der Steward. „Aber warum macht denn keiner den Koffer auf?" rief Jennn. „So?" sagte Trunnell. „Und wenn er wiederkoinmt nnd fragt, wer sich an seinem Eigentum vergriffen hat? Ich hätte nicht geglaubt, daß Sie so etwas Vorschlägen könnten, Fräulein." „Ach, Unsinn!" entgegnete ich. „Der kommt nicht wieder, »nd käme er wirklich, so hat er doch keinen Schaden davon, wenn wir den Koffer einmal anhebcn." „Das freilich nicht", gab Trunnell zu. „Aber die Kar- ten könnten dabet heruntersallen." „Tut nichts", sagte ich. „Wir müssen hcrauskriegen, ob Gold darin ist. Menn Tie den Koffer schütteln, dann muß es ja klirren und klingen." Der kleine Riese brummte verächtlich. „Da gibt» nichts, was ich nicht heben könnte, wenn's nicht größer ist, als der Koffer", sagte er. Trunnell war nichts weniger als ein Prahler; wir drängten uns herzu, eines Triumphes seiner Kraft ge wärtig. „Da stehen nun ein Paar Kerle, groß nnd stark wie Karrengäule", fuhr er fort, mich und den Zimmermann ansehend, „können solch ein Köfferchen nicht heben und 'unterstehen sich, die Disziplin eines Schiffes in Frage zu ziehen! Aus dem Wege, laßt mich heran! Habt ihr recht, und ist Gold drin, dann soll's wohl klappern und klirren, verlaßt euch darauf, und dann werdet ihr hoffentlich zu frieden sein." Er bückte sich, faßte die Handgriffe und spreizte die kurzen Beine weit auseinander. Er spannte die ge waltigen Muskeln seines breiten Rückens, wie ein Gaul, der seine Last erst prüft, ehe er sich ins Geschirr legt. Sein Gesicht rötete sich; mit angehaltenem Atem schauten wir zu, in der festen Erwartung, das Gold nun sogleich er klirren zu hören. Plötzlich gab cs einen Krach. Trunnell schnellte empor, schwankte einen Moment, und fiel dann mit einem Fluch nach vorn über den Koffer hin. Frau Sackett kreischte entsetzt auf. Jenny brach in lautes Lachen aus. Tschips und Gunning standen mit offenem Munde. Trunnell rappelte sich auf, die Hand griffe des Koffers in seinen eisernen Fäusten. „Dunnerschlag!" rief der Zimmermann, „sind Sie aber ein starker Mann! Sie könnten viel Geld verdienen, wenn Sie Gepäckträger auf einem Bahnhof würden." „Sehr richtig", pflichtete Jenny ihm spöttisch bei, „solch ein Köfferchen trägt er ja mit Leichtigkeit." Jetzt wurde Trunnell wild. „Bringt euer Werkzeug und steht nicht da wie ein grin- scndcr Pavian!" schnaubte er den Zimmermann an. Der verschwand wie ein Blitz und war sogleich mit Hammer, Meißel und Brecheisen wieder da. „Auf mit dem Deckel!" befahl Trunnell. Jenny kicherte. „Disziplin ist Disziplin", sagte sie halblaut. „Ich möchte nicht dabei sein, wenn Keppen Thompson zurück kommt und die Geschichte sieht." Der Obersteuermann war zu zornig, nm auf diese Be merkung zu achten; mit finsterer Miene sah er zu, wie Tschips die Nieten durchschlug, die das Schloß hielten. „Das war gemacht", sagte dieser endlich. Trunnell klappte den Deckel auf, wir andern machten lange Hälse. Einen Augenblick lang herrschte tiefes Schweigen. Dann ein allgemeines, lautes Gelächter. Nur Trunnell lachte nicht. Der Koffer war leer! „Ich will auf den Grund sinken", sagte der Obcrsteuer- mann, „wenn das nicht die schwerste Luft ist, die mir je vorgekommen ist!" Dann nahm er ein Blatt Papier auf, das auf dem Boden des Koffers lag. und entfaltete es. Es war be schrieben. Ich sah ihm über die Schulter und las: „Mein lieber kleiner Tteucrmann! Wenn Ihnen dieses Bittct-dour in die Hand kommt, dann dürfen Sie keine Unbesonnenheit begehen. Denken Tic vor allem an die Tchiffsdisziplin, nnd dann nehmen Sie den beiliegenden Dollarschein nnd lasten sich Ihr Haar schneiden. Das ist für einen verständigen Mann viel zu lang, und auch den Damen nicht angenehm. Wenn Sie glaubten, in diesem Koffer einen Hausen Gold zu finden, dann sind Sie 'reingefallen; aber ordentlich. Bedenken Sie jedoch, daß Gold die Wurzel alles Nebels ist, und danken Sie Ihrem Herrgott, daß Sie kcins haben. Einer Antwort auf dies Schreiben bedarf es nicht, sollten Sie mir aber einen Gruß zukommen lassen wollen, so schreiben Sic an Bill Jackwell, zu Händen des ersten besten, der gerade da ist. Wir werden uns Wiedersehen; denn die See gefällt mir; ich gedenke ein Boot zu kaufen und Tie zum Kapitän davon zu ernennen, vorausgesetzt, daß Sie Ihr Haar schneiden und Ihren Bart anständig zustutzen lassen. Das wäre alles." Trunnell hielt den Dollarschein, der in das Papier ein- gefaltet gewesen war, in der Hand; den Zettel ließ er in den Koffer zurückfallen. Tischps hatte inzwischen den letzteren genauer unter sucht. „Da liegt ein Ltück Brett -rin", berichtete er, „und das ist, durch den Boden des Koffers hindurch, mit neun großen Schrauben an die Decksplanken festgeschraubt." Trunnell kratzte sich den Kopf und dachte nach. Dann wendete er sich langsam nach uns herum. „Gibt es noch tüchtige Kerls, Seeleute, wie sie sein sollen, hier an Bord?" fragte er dumpf. Ich antwortete, so viel ich wüßte, wären solche wohl da. „Dann, um Jesu Christi willen, ins Boot und hinter ihm her!" brüllte er und sprang die Kampanjetreppc hinan. Wir drängten ihm hastig nach. BierundzwanztgsteS Kapitel. Unser Aufenthalt in der Kajüte hatte länger gedauert, als wir gedacht Das Unterschiff des „Shark" war bereits unter den südlichen Horizont hinabgetaucht, und noch immer lief er stetig seine Fahrt von drei Knoten, wie eS schien. Die Sonne stand schon sehr tief; rosten wir hinter ihm her, dann mußte es Nacht werden, ehe wir ihm nennenswert nähergekommen waren. Diese Erwägung brachte uns zu nüchterner Ueberlegung. „Den sehen wir nicht wieder", sagte TschipS, lässig an der Bootstalje holend. „Wir schaffen's nicht, Trunnell", rief ich; „wir laufen der Brigg in einem Boot nimmermehr auf!" Der Obcrsteuermann stand unschlüssig nnd kraute sich in seinem zottigen Haar. „Zurrt das Boot wieder fest!" gebot er dann. „Sie haben recht, Rolling", fügte er hinzu. „Wir haben ein hübsches Geld verloren und den Spitzbuben dazu, aber wir wollen uns nicht noch zu gröberen Narren machen. Lasten Sie das Boot gut festmachen, »nd hernach schicken Sie mir den Johnson mit einer Schere. Bon jetzt an teilen Sie nnd Tom sich in die Wachen, denn ich bin nun der Kapitän des „Pirat". Sie können auch, so ganz bei- läufig, die Andeutung fallen lasten, daß der erste, der sich untersteht, sich ans der Luvseite des Onarterdecks sehen zu lasten, während ich an Deck bin, über die Reeling fliegt. Ich will Disziplin an Bord haben, oder ich —
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