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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030625011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-25
- Monat1903-06
- Jahr1903
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Kein Politisch geschulter Wähler wird um diese Stunde noch im Zweifel darüber sein, wie er im Interesse des Reiches, seines engeren Vaterlandes, seiner Stadt und der Mehrheit seiner Mitbürger zu wählen hat. Politische Schulung aber ist in unserem ver hältnismäßig noch jungen Reiche noch nicht in allen Kreisen anzutreffen, am wenigsten natür lich in solchen, die um ihre Existenz schwer zu ringen haben. Und doch kommt gerade für diese Kreise besonders viel darauf an, wer ihr Vertreter im Reichstage sein wird. An sie richten wir daher in letzter Stunde die dringende Mahnung, mit sich zu Rate zu gehen und besonders die Aufforderungen zu ver gleichen, die von den Anhängern der Kandi datur Hasse und von den Befürwortern der sozialdemokratischen Kandidatur in den Zeitungen, in Flugblättern und an den Anschlag säulen an die Wühler gerichtet werden. Eine solche Vergleichung muß selbst dem Blin desten die Augen öffnen, selbst dem Schwanken den Haltung und Richtung geben. In fast allen aus bürgerlichen Kreisen stammenden Aufrufen Hinweise auf das Wohl des Reiches, auf die Ehre der Stadt, und auf die verderblichen Ziele und Taten der Sozialdemokratie; in den sozialdemokra tischen nichts als brüske Forderungen zum vermeintlichen Vorteil einer Klasse und von fanatischem Hasse eingegebene Schmähungen der bürgerlichen Parteien. Da ist kein Schimpf wort zu knotig, keine Verdrehung zu boshaft, keine Lüge zu gemein und keine Verleumdung zu schuftig. Und ein Mitglied der Partei, die für das ein seiligste Klassen inte resse mit solchen Mitteln agitiert, sollte unser Leipzig vertreten, das so lange stolz darauf sein durfte, nach Berlin nur Männer nationaler Gesinnung und einer Bildung zu entsenden, die von selbst Verständnis für die Interessen der verschiedensten Kreise ver bürgt? Auch von seinem Vertreter sollte Leipzig es fünf Jahre erleben müssen, daß er in dem . stolzen Reichsbau zu Berlin in die Tonart ein stimmt, die von den Rednern der sozialdemokra tischen Fraktion nur allzu oft angeschlagen wird und die nur zu lebhhaft an die wüsten sozialdemokratischen Wahlartikel und Wahlauf rufe erinnert? Müßte nicht brennende Röte der Scham auf jedes bürgerlichen Leipziger Wählers Wangen flammen, wenn die Reichs- tagsberichte unter den Namen der Radaubrüder auch den Namen des Abgeordneten für Leipzig auszählten? Das helft abwenden, auch ihr zur Zeit noch Unentschlossenen, abwenden um des Vater landes willen, das für die Sozialdemokratie nur deshalb Wert hat, weil sie cs beherrschen zu können hoffen und das sie so brutal knechten würden, wie nur. jemals ein Tyrann; abwenden um des guten Rufes von Leip zig al» einer Metropole der Bildung; ab Donnerstag den 25. Juni 1903. 87. Jahrgang. wenden um aller bürgerlichen Kreise willen, die einen Vorgeschmack von der Diktatur der sozialdemokratischen Führer durch die rohen Schmähungen, nichtswürdigen Verdrehungen, schamlosen Lügen und schändlichen Verleumdungen der sozialdemokratischen Wahlaufrufe und Wahl artikel bekommen! Rosebery und Chamberlain. Man schreibt uns: Herr Rosebery, den manche Liberalen, deren Optimismus nun einmal nicht alle wird, noch immer für den zukünftigen Beherrscher der englischen Politik halten, redet jetzt jeden Tag seins große Rede, die bald mit Aufwand von Pathos, bald mit Hohn und Spott die kolonialen Zollpläne des Herrn Chamber lain verfolgt. Auf die Anregung seiner Getreuen, er möge sich doch für einen etwaigen Ministerwechsel zur Bcrfügung stellen, antwortet er jedoch nicht und selbst die Bitte, doch die vor einer Reise abgegebene Führerschaft der Liberalen wieder zu übernehmen, läßt er unbeachtet: er hat an der Erinnerung an seine unangenehmen Er fahrungen von dazumal gerade genug. Zweifellos gibt cS gegenwärtig beneidenswertere Posten, als den, die hülflose und sich auflösende alte liberale Partei zu reorganisieren und zu führen, und für den Schwiegersohn Rothschilds und zweimaligen Derby sieger Rosebery hat das Leben auf seinen schot tischen Schlössern jedenfalls mehr Reize, als das Kampfgetümmel in Westminster. Die heutige Krise in England verlangt Männer, die das Herz auf dem rechten Flett haben und die handeln können. Herr Rosebery ist Aristokrat und gilt als Mann von reichem Wissen, der sich auch durch seine geschichts-philosophifchen Studien einen Namen gemacht hat; beide Eigenschaften sollten es ihm verbieten, nun schon seit fünf oder sechs Jahren nur immer zu reden, die verantwortlichen Männer anzugreifen, selbst aber jedes verantwortliche Handeln abzulehnen. Man braucht nicht englischer Patr und ein gelehrtes Haus, man braucht nur ein Mann von Ge schmack zu sein, um diese Rolle des geschwätzigen Zu schauers als recht unwürdig zu empfinden. Die Schar der Anhänger Roseberys, -le zu Anfang deS TranSvaal- krieges noch recht grob war, ist daher in der letzten Zeit sehr dünn geworden. Der ehemalige Premierminister wird mit seinen ewigen Reden und der Abneigung gegen alles Handeln feinen Anhängern allmählich ebenso langweilig, wie den Monarchisten in Frankreich die Orleans und die Bonapartes, die offenbar die Rolle als ewige Präten denten für weit bequemer und ebenso ehrenvoll anfehcn, als vor dem etwas anspruchsvollen Parterre Frank reichs und Europas selbst das Fach -er Kronen- und Scepterträger zu übernehmen. Da ist Herr Chamberlain, ehemals Fabrikbesitzer und Alderman der Stabt Birmingham, ein Mann, ans anderem Holz geschnitten. Seine hochmütigen Tory- kollcgcn sehen ihn noch immer als Parvenü an; nun gut, er ist s; nur das geckenhafte Aeußere des Mannes, der nun in der Mitte der Sechziger steht, kennzeichnet ihn als Emporkömmling. Tr ist kein Mann von gelehrtem Wissen, er hat nichts Einschmeichelndes und Liebens würdiges. Er hat aber etwas, was ihn wett über seine Amtsgenossen, was ihn weit über Rosebery und ein ganzes Stück über die meisten großen und kleinen Staats männer des zeitgenössischen Europa erhebt: er weiß, was er will, und so sehr er Streber ist, er hält seine Ziele für das Glück seines Vaterlandes, er glaubt an sie und ist entschlossen, das englische Volk diesen Zielen zuzuführen. Er hat mit fließender und hinreißender Be- redtfamkeit seinen Hörern vor einigen Wochen die- Bild des zukünftigen größeren Britannien gezeigt. Nach der Rede ist er bann ans Handeln gegangen. Er weiß, daß ihm viel Arbeit bevorsteht. Und da er zu handeln hat, fand er keine Zeit und Lust, in der letzten Woche in die Gefechte der redseligen Parlamentarier in Westminster einzugreifcn. Die letzte Woche war für diesen leidenschaftlichen Politiker sicher eine beschwer- ltchcre Zeit, als seine ganze Afrikareise: er mußte die endlosen Ergüsse seiner Gegner im Parlament anhören und mußte aus Rücksicht auf Balfour und sein« Genosten im Amte schweigen, weil die Zeit noch nicht für ihn gekommen ist: für einen Mann von seinem Temperament eine harte Probe. Joe hat im Unterhausr schon manches über sich ergehen lasten wüsten, er mußte sich von Dillon einen „verdammten Lügner" schimpfen lasten, aber noch nie hat man seine Augen so kalt und stahlhart stechend gesehen, noch nie das bartlose Gesicht so blaß,noch nie die Lippen so schmal gepreßt, wie in Her Stunde, da er die Angriffe der Ritchie, Hick--Beach und < - quith am Dien-tag und Mittwoch erdulden mußte, ohne sich wehren zu können. England wirb heute nicht mehr von feinen staats theoretischen Prinzipien regiert, um die die Pitt und For, die Peel und Palmerston, die Beaconsfield und Gladstone stritten, in England ist heute die Regierung so per sönlich-individuell nach dem Charakter der Minister und Parteiführer gefärbt, daß eine solche Darstellung der heute in England kämpfenden Persönlichkeiten auch eine Darstellung der heute in Britannien ringenden politischen Strömungen ist. Wir sollten einmal versuchen, uns bet der Beurteilung dieses Kampfe» auf den englischen Standpunkt zu stellen, der doch für die Abmessung der staatsmännischen Größe der Chamberlain und Rosebery allein maßgebend ist, Kein Staatsmann ist im Auslande so gehaßt wieBismarck und keiner hat so viel für sein Vaterland geleistet wie unser eiserner Kanzler. Die Größe deS Hasses, die Chamberlain auf dem Kestlanbe entgegengebracht wird, ist für den Briten die Gewähr für die Größe und die Verdienste dieses feines volks tümlichsten Staatsmannes. Gewiß liebt uns Chamber lain nicht und seine Feindseligkeiten gegen uns und die Greuel des verruchten Boerenkrieges, die wir auf sein Conto schreiben, können auch uns nicht veranlassen, dem englischen Kvloniqlsekretär mit der eisernen Stirn und der ehernen Faust Sympathien entgegenzubriugen. Blut soll dicker sein als Wasser, aber seiner innersten Wesens art nach kann uns kein Mann fremder sein, als der Be herrscher des Londoner Kolontalamtes, an dessen Wiege nicht nur die Grazien, sondern überhaupt alle freund lichen, guten Geister gefehlt zu haben scheinen. Wir wollen uns doch darüber nicht täuschen, daß man uns in England überhaupt nicht liebt und daß die Campbell-Banner man und Rosebery noch deutschfeindlicher sind, als der Mann, der noch im Winter vor drei Jahren den Zusammenschluß Englands mit Dsutschland und Amerika als sein ZnkunftSideal verkündete. Wenn er diese Ideale aufgegcben, so liegt das eben einfach daran, daß er erkannt zu haben glaubt, daß wir den englischen handelspolitischen Interessen entgegensteheu. Auch unser deutscher nationaler Liberalismus war bis um die Wende der siebziger und achtziger Jahre geneigt, im Anschluß an das vorgeschrittene England die beste Entwickelung unserer äußeren Politik zu sehen. Wir haben heute ein gesehen, daß wir durch die Verfolgung unserer natio nalen Interessen gezwungen sind, uns mehr und mehr von unseren Vettern jenseits des Kanals zu emanzi pieren. Wir können es also auch dem führenden Manne Englands nicht verdenken, wenn er das englische Staats schiff einen deutschfeindlichen Kurs nehmen läßt, wenn er damit den Interessen seines Vaterlandes am meisten zu dienen glaubt. Die Geschichte wird nicht von den Gefühlen, sondern von den Geschäftsinteressen der Völker gemacht. Das klingt für alle gefühlvollen Leute ganz abscheulich nüchtern, ist aber darum nicht weniger wahr. Rosebery und Chamberlain — diese beiden Namen teilen heute England in zwei Heerlager. Hinter Rose bery stehen die ewigen Theoretiker der alten Schule, ob konservativ oder liberal, die die Handelspolitik der Cobdcn und Genossen als Dogma ansehen, bas für alle Zeiten gelten soll, weil eS einmal vor fünfzig Jahren gut war; hinter Chamberlain stehen die Jungen, die weder von Skrupel noch Zweifel geplagt werden und die sich von keinen gelehrten Theorien die angeborene Farbe frischer Entschließung bleichen lasten. Man kann sehr gewichtige Zweifel daran haben, ob Chamberlain den richtigen Weg etngeschlagen hat, um einen all englischen Zollbund und auf ihm das pan britische Weltreich aufzubauen. Diesen Zweifeln ist in diesen Blättern schon genügend Ausdruck gegeben. Mit der parlamentarischen Niederlage aber, die die Fraktion Rosebery, wie wir sie nennen möchten, von den Radikalen bis zu Herrn Ritchie dem Manne von Bir- mingham in der letzten Woche beigebracht hatten, ist die Frage der Vorzugszollbehandlung zwischen England un feinen Kolonien noch nicht entschieden. Herr Chamberlain hat die große Kunst gelernt, feine Zeit abzuwarten. Wir werden uns im Herbst wieder sprechen. Das Schlachtfeld sieht dann vielleicht anders aus. Herr Rosebery vertritt das Alter, Herr Chamberlain ist mit seinen himmelstürmenden weltpolitischen Idealen der Mann der Jugend. Wir glauben, daß Herrn Chamber- latn die Zukunft gehört — ob das das Heil Englands ober nicht der Anfang vom Ende ist, ist freilich eine andere Frage. Rüsten wir unö auf alle Fälle gegen bas neu-britische Zollimperium: das ist bester, al» nach Rose- berys Art mit langen Reben seine Zett verlieren und einen Mann beschimpfen, der alle» nur für sein Vater- landland tut, so verwerflich auch feine Mittel sein mögen. Pf. Deutsche- Neich. Berlin, 24. Juni. sOhn« Inschrift.) SS hat gewiß manchen gegeben, der die Nachricht, baß bat in Hamburg jüngst enthüllte Denkmal Kaiser Wilhelms I. ohne Inschrift sei, nicht hat glauben wollen. Die Sache hat aber anscheinend doch ihre Richtigkeit und wird damit erklärt, daß die Hamburger einerseits die Bezeich nung „Wilhelm der Große" ablehnten, anderseits die Empfindungen des Kaisers zu „schonen" wünschten. Der „Täglichen Rundschau" scheint, dieses Kompromiß ehre beide Teile und deute zugleich den Weg an, auf dem auch außerhalb Hamburgs vorgegangen werden könnte. Zweifellos hat die „Tägliche Rundschau" darin Recht, daß der Fortfall jeder Inschrift einem Zustaude oorzuziehen sei, bei -em die Bezeichnung „der Große" wider den Willen der Denkmalsstifter, lediglich au-Entgegenkommen gegen über den persönlichen Anschauungen des Kaiser-, ange bracht wird. AHer für höchst unerfreulich UN- bedauerlich müssen wir ein „Kompromiß", wie das Hamburger, unter allen Umstanden anseben. Die Berücksichtigung der fub- jektiven Beurteilung des Kaisers Wilhelm I- durch seinen Enkel sollte unsers Erachtens nirgendwo eine natürlichere Grenze haben als an den Denkmälern, die von patrio tischen Männern aus eigenem Antriebe errichtet werden. Wenn auch im Laufe der letzten Jahre von Festrednern gelegentlich die Bezeichnung „der Grobe" für den ver ewigten Kaiser gebraucht wird, und wenn auch vereinzelte Geschichtschreiber, ebenfalls in den letzten Jahren, einer übertriebenen Verherrlichung Wilhelms I. sich geneigt zeigten, so stimmen das allgemeine Bolksurtetl un- die Geschichts-Wissenschaft darin überein, daß der Beiname des „Großen" für den ersten Hohenzollern-Kaiser nicht paßt — ganz zu schweigen von der Auffassung, die einer der gründlichsten Kenner Wilhelms I., Fürst Bismarck, vertreten hat- Bezeichnenderweise nahm selbst der Jeneser Historiker Ottokar Lorenz in feinem Buche über die Begründung des Deutschen Reiches davon Abstand, Wilhelm I. den Beinamen des „Großen" zu geben, ob wohl der wesentlichste Inhalt des Lorenzschen Werkes in dem Versuche des Nachweises besteht, baß Wilhelm I. per sönlich um das Zustandekommen der deutschen Einheit und dcs Kaisertums das grüßte Verdienst hab«. Trotzdem nennt Lorenz sein Buch „Kaiser Wilhelm I. und di« Be gründung des Reiches Ikiiü—1871". Die Stifter eines Kaiser Wilhelm-Denkmal» handeln also lediglich analog dem Professor Lorenz, wenn sie auf dem Denkmal den ver- ewigten Monarchen nicht den „Großen", sondern den „Ersten" nennen. Was den oben kurz skizzierten Stand punkt von Lorenz anbelaugt, so sei "bemerkt, daß er im dritten Hefte des 00. Bandes der „Historischen Zeitschrift" lMünchen, Oldenbourai von dein Leipziger Historiker Erich Brandenburg ebenso eingehend wie nach drücklich zurückgewiesen worden ist. Die heutige Ge schichtswissenschaft vertritt eben mit ganz verschwindenden Ausnahmen über Kaiser Wilhelm I. die Auffassung, die sein ausgezeichneter Biograph Erich Mareks in dem Werke „Kaiser- Wilhelm der Erste" l4. Auflage, Verlag von Duncker L Humblot in Leipzig) in die Worte kleidete: „Mit jeglicher großen Vergangenheit. . . nimmt Wilhelms Zeit es reichlich auf. Und Kaiser Wilhelm selber füllt in ihr feinen Platz — nicht Wilhelm der Große, so viel Großes wahrlich an ihm ist; aber von der schlichten Echtheit seines Wesens fällt alles Fremde, alles Gesteigerte, bas ihn erst schmücken soll, haltlos ab; die dämonisch hohe Größe, die seinen Tagen nicht mangelt, hat ihren Aus druck nicht in ihm. Wohl aber jene einfältig edlen Kräfte, die sein Leben begleiteten, die er in sich und um sich immer von neuem zum Durchbruch und zum Siege geführt hat, die ihn zu lebenden Snmbole der besten Güter seines Volkes gemacht haben, die Kräfte, vermöge deren er sam melte, ordnete und zusammenhielt, Kräfte der Einheit und der Zucht, der Weisheit und der Treue." — ES hätte gerade dem hanseatischen Selbstbewußtsein Hamburgs wohl an gestanden, wenn cs in Usberetnstimmung mit dem allge meinen Volksurteil und in Uebereinstimmung mit der geschichtlichen Wissenschaft dem Hamburger Kaiser Wil- Helm-Denkmal die Inschrift „Wilhelm I." gegeben hätte. Trägt doch eine ganze Reihe von Kaiser Wilhelm- Denkmälern diese schlichte Inschrift, und kann es doch dem Kaiser unmöglich verborgen sein, daß es in Bezug auf das geschichtliche Urteil ebenso wenig einen Zwang irgend welcher Art geben sollte, wie in Glaubensfachen. L Berlin, 24. Juni. (Welfentum und Sozial demokratie.) Mit Ausnahme de« ersten hannoverschen Wahlkreises lag beute endlich das amlliche Ergebnis der ReichStagSwahlen in Hannover vor. Es ergibt sich daraus, daß di« hannoverschen Welfen einen Verlust von rund 4300 Stimmen zu verzeichnen haben. Da di« Anzahl der Wahlberechtigten noch nicht bekannt ist, wäre ein endgültiges Urteil über die Bedeutung diese« Rückganges der hannoverschen Welfen noch verfrüht. In acht Wahlkreisen hat eine Vermehrung der welfischen Stimmen siattgefunden, in acht anderen eine Abnahme, in zwei Kreisen, wo vor fünf Jabren keine welfische Kandi- daiur ausgestellt war, wurden jetzt 257 welfische Stimmen gezählt. Der Zuwachs der sozialdemokratischen Stimmen in Hannover übersteigt die Zahl 20000, ist mithin nicht so ungeheuerlich, wie beispielsweise in Berlin. DaS starke Anwachsen der Sozialdemokratie in Preußen wird von dem hannoverschen Welsenblatte mit dem Umstande erklärt, daß es in Alt-Preußen keine Rechts partei gebe: viele redliche Bürger, Handwerker uud A'beiter — meint das Welsenoraau — gäben lieber einem Sozial demokraten ihre Summe, al« Vertretern der agrarischen Jnteressenpolitik oder liberalen Professoren und sonstigen Schwärmer» für deutsche Weltpolitck mit ihren großen Eiforvernissen für Herr und Flotte. Nach diesem welfische» Zeugnis ersetzt also das Welfentum da große sozialdemokratische Sammelbecken aller Unzufriedenen. Mit den so hoch gepriesene« Idealen der welfischen Rechtspartei ist die in Red« stehende Auslassung de« hannoverschen Welsenilatie« herzlich schlecht vereinbar. Dena da« hannoversche Welsenblatt räumt durch sein» An«lass»a- «i», daß in erster 8>ni« di« Unzufriedenheit
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